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Der Aschangi-See in Abessinien.

Der Aschangi-See liegt nach den Messungen von General Merewether und Herrn Clemens Markham auf dem 12deg. 8' 26'' nördlicher Breite und 39deg. 8'28'' östlicher Länge v. Gr. und bildet, wie er sich uns präsentirt, ein von Bergen umschlossenes Becken, welches gerade auf der Wasserscheide zwischen dem Nil und dem rothen Meere sich befindet. In der That fliessen alle Bäche von den hohen Bergen, die westlich den See begrenzen, dem Zerari (oder wie er in anderen Provinzen genannt wird Zelari) zu, während die von den östlichen, den See eindämmenden Hügeln kommenden, dem rothen Meere sich zuwenden. Im Norden und Westen von hohen Bergen umgeben, die im Norden im Sarenga eine Höhe von circa 10,000 Fuss erreichen, da schon die Passhöhe des Ashara-Pass 8547 Fuss (nach Markham 8920 Fuss) beträgt, während im Westen der eben so hohe Ofila-Berg sich befindet, ist der See nach Süden und Osten zu von minder hohen Bergen umschlossen.

Das Gestein der nächsten Berge besteht nach Markham aus marienglashaltigem Schiefer (micaceous schist) und Kreide; ich selbst bemerkte indess grosse Lagerungen von Thonschiefer und Sandstein, und der Grundkern des Gebirges dürfte Granit sein, da in den tief eingeschnittenen Schluchten derselbe offen zu Tage liegt und auch grosse Blöcke davon sich überall vorfinden. Munzinger will auch Trachyt bemerkt haben, ohne indess den Ort anzugeben.

Ueber die Entstehung des See's herrschen verschiedene Meinungen: einige wollen in ihm das Becken eines erloschenen Kraters sehen, während andere die umgebenden Berge durch eine Naturrevolution sich erheben lassen, um so ein Becken zu formen und den Abfluss zu hemmen. Die letzte Ansicht ist die wahrscheinlichere, da die weiten Alluvialufer nach allen Seiten, mit Ausnahme eines Vorgebirges des Ofila-Berges, das steil und felsig in den See abfällt, den Gedanken an einen Krater nicht gut aufkommen lassen. Jedenfalls war, wenn je ein Abfluss existirte, dieser nach Osten oder Süden, vielleicht ehe die Erdrevolution Statt fand, direct vom Ofila und Sarenga-Berge ohne dass ein See vorhanden war. Dass sich das Niveau des Wassers jetzt nicht erhöht, kann man einestheils durch allmählige Durchsickerung, welche nach Süden und Osten zu Statt zu finden scheint, erklären anderentheils durch die Verdunstung, die hier dem Hygrometer zufolge, während einer grossen Zeit des Tages, d. h. von 10 Uhr Vormittags bis 4 Uhr Nachmittags, sehr beträchtlich sein muss.

Das Niveau des Sees fand ich zu 7264 Fuss, und an Zeichen ist abzunehmen, dass dasselbe in und gleich nach der Regenzeit höchstens um einen oder anderthalb Fuss wächst. Markham fand den See bedeutend höher, was zum Theil sich aus der Berechnung nach verschiedenen Tabellen erklären lässt, oder dass irgend eine Ungenauigkeit in der Beobachtung Statt fand. Ueber die Tiefe des Sees, der vollkommen süsses Wasser hat, so wie über die Dichtigkeit des Wassers desselben liegen bis jetzt keine Beobachtungen vor, da die englische Armee auf dem Hinmarsche nach Magdala zu rasch vorbei ging, um dergleichen Untersuchungen anstellen zu können. Wir selbst beim Recognoscirungswege weilten nur eine Nacht an den nördlichen Ufern des Sees. Der Mangel an allen auch noch so kleinen Schiffen, deren Gebrauch den Uferbewohnern völlig unbekannt ist, trug natürlich auch dazu bei, dass solche Untersuchungen nicht angestellt werden konnten. Indess steht zu hoffen, dass uns die Naval-Brigade oder die Pontonierabtheilung auf dem Heimwege Aufklärung darüber geben werden. Die Temperatur des Wassers fand ich um 12 Uhr 24,8 C. bei 18,6 Luftwärme.

Der See hat einen Umfang von 11 englischen Meilen und die Gestalt eines unregelmässigen nach Süden sich ausbiegenden Kreises. Auf allen Seiten, besonders nach Norden und Nordwesten zu, ist er von flachem Alluvialboden, welcher sich an die Berge hinaufzieht, umgeben, und diese flachen Ufer nehmen im Bergbecken einen eben so grossen Raum ein wie der See selbst. Dieser Boden, der nach dem See zu, fast möchten wir sagen vegetabilisch wird, so sehr ist er vermischt mit vermodernden Pflanzentheilen, erlaubt Niemand sich dem Wasser zu nähern, da man schon auf eine Entfernung von mehreren Schritten, obgleich die Oberfläche vollkommen hart und wie gefroren aussieht, einsinkt.

Die Bewohner um den See sind Abessinier, aber alle Mohammedaner; dies spricht noch dafür, dass die eigentliche Wasserscheide durch die Westgebirge des Sees gebildet wurde, da die Trennung des Christenthums vom Islam hier der Wasserscheide folgt. Bei der Eroberung der östlichen Provinzen Waag's durch Gobesieh gegen Theodor leisteten die Anwohner des Aschangi ersterem so gute und wirksame Dienste, dass sie dafür als Belohnung die Auszeichnung bekamen, einen eigenen Kreis zu bilden, während sie früher zu Lasta gehört hatten. Sie bezahlen ihre Abgaben, die in Korn, Vieh und Kriegsdienstleistung bestehen, jetzt direct an Gobesieh von Waag, während sie früher an Meschascha, den Neffen Gobesieh's und Fürst von Lasta zahlen mussten. Sie wohnen in kleinen Weilern; die Häuser derselben sind roh aus unbehauenen Feldsteinen aufgeführt und rund von Form mit konischen Strohdächern; mehrere solcher runden Hütten. durch eine niedere steinerne Mauer umgeben bilden eine Familien-Wohnung. Im Inneren sind sie sehr dürftig ausgestattet einige Geräthe zum Kochen, grosse thönerne Töpfe oft 5 Fuss hoch zum Aufbewahren des Korns, eine erhöhte Ruhestätte oft aus Thon, oft aus Holz und Rohr, mit einem Fell überdeckt, bleierne Gefässe und Schüsseln, bilden das ganze Ameublement. Das Vieh ist häufig bei den ärmeren Leuten Nachts im Wohnhause, bei den Wohlhabenden jedoch immer in besonderen Räumen. Der Hauptnahrungszweig der Aschangibewohner ist Ackerbau, der das ganze Jahr hindurch, sei es durch Regen im Sommer, sei es durch künstliche Irrigation im Winter betrieben wird. Man baut fast nur Gerste, sehr wenig Weizen und sonst wird ausser Tabak nichts gezogen. In der Kleidung unterscheiden sich die Bewohner in Nichts von den übrigen Abessiniern, indess haben viele Männer metallene Ringe, keilförmig zugebogen um den Arm. Dies ist ein Zeichen, dass sie einen Galla erlegt haben, denn trotzdem sie Mohammedaner sind, herrscht doch eine erbitterte Feindschaft zwischen ihnen und den östlich von ihnen wohnenden Asebo-Galla; mit den umwohnenden Christen leben sie in guten Beziehungen. Ausser Ackerbau ernähren sie sich aber auch von Viehzucht; Rinder und Schafheerden und besonders gute Pferde zeichnen das Aschangi-Thal aus. Die meisten nach Tigre kommenden Pferde, welche als Lasta- oder Schoa-Pferde, die besonders berühmt sind, aufgekauft werden, kommen aus Aschangi. Der See, der vielleicht viele Fische birgt (wir konnten von den Umwohnern merkwürdigerweise nicht in Erfahrung bringen, ob Fische darin sind oder nicht, und auch Herr Munzinger, der ihn früher besucht hatte, konnte keinen Aufschluss darüber geben) und auf dem grosse Schwärme Wasservögel aller Art sich herumtummeln, scheint gar nicht von den Anwohnern ausgebeutet zu werden.

An den Ufern finden sich in den grossen wilden Feigenbäumen und Mimosen grüne Papageien der kleinen Art, ohne langen Schwanz, Nachtigallen und viele andere Singvögel. Die wohlriechende weisse einfache Rose, Jasmin, ächte Aloës bilden dann den Hauptbaumwuchs, während die Berge höher hinauf gut mit Juniperen, Schirmakazien und Kolkolbäumen bewachsen sind. Von reissenden Thieren scheint nur die Hyäne am Aschangi-See vorzukommen und auch diese selten, wenigstens wurden wir Nachts nur wenig gestört. Antilopen, Gazellen, Hasen, Rebhühner, Perlhühner und verschiedene Arten von Tauben beleben die Wälder und würden den Eingeborenen eine reiche Nahrungsquelle abwerfen, wenn sie dieselben zu jagen verstünden, aber fast ohne Feuerwaffen, nur mit Spiessen, langen, etwas krummen Schwertern und runden ledernen Schilden versehen, bleibt die Jagd erfolglos.

Dieser reizende See, den Herr Munzinger mit dem Zuger-See vergleicht, mit einem ewigen Frühlingsklima wie es eine Höhe von 7000 Fuss in diesen Breiten mit sich bringt, wird sicher, wenn Abessinien einmal erst ein stabiles Gouvernement und geregelte Beziehungen zu Europa hat, einen Hauptanziehungspunkt für Touristen und Jäger bilden. Der gutmüthige obwohl kriegerische Charakter der Anwohner, die bedeutend offener und zuvorkommender als die nördlichen Tigrenser sind, wird bald durch eine längere Berührung mit Europäern gewinnen, in der That konnten wir in der ganzen Handlungsweise der Eingebornen von Aschangi einen grossen Umschwung in der Gesinnung der Bevölkerung bemerken, in Tigre blos Duldung und gezwungene Freundschaft, in Waag von Aschangi an offene Freundschaft und herzliches Entgegenkommen.


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