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2. Bodengestalt und Klima.

Das am nordwestlichen Ende von Afrika gelegene Kaiserreich Marokko, Rharb el djoani[10] im Lande selbst genannt, ist von allen an das Mittelmeer grenzenden Ländern Nordafrika's eins der am günstigsten gelegenen. Es würde zu nichts führen, wollten wir versuchen, die Grösse des Landes in Zahlen anzugeben; selbst eine allgemeine Bezeichnung, dass Marokko zwischen den so und so vierten Längen- und Breitengraden liege, giebt nur annähernd einen Begriff und wechselt je nachdem wir die bedeutenden Oasen von Gurara, Tuat und Tidikelt, die fast bis zum 26deg. N. B. nach dem Süden und bis zum 22deg. O. L. von Ferro reichen, hinzurechnen oder nicht. Halten wir diese letzte Ausdehnung fest und rechnen die grossen Strecken wüsten Terrains, welche zwischen den Oasen und dem atlantischen Ocean liegen, hinzu, so können wir uns den besten Begriff von der Grösse Marokko's machen, wenn wir dann aus der Karte ersehen, dass es um ein Drittel grösser ist als Frankreich,[11] ohne diese Gebiete aber ungefähr mit Deutschland eine gleiche Grösse hat.

Wenige Länder von Afrika haben im Verhältniss zum Binnenlande eine so grosse Küstenentwickelung. Die Gestadelänge Marokko's am atlantischen Ocean beträgt 1265, die an der Meerenge von Gibraltar 60, die am Mittelmeere 425 Kilometer, während die Landgrenze nur eine Länge von 250 Kilometer hat.[12]

Was die Küsten ihrer Beschaffenheit nach anbetrifft, so fallen dieselben im Norden nach dem Mittelmeere steil ab mit unzähligen Buchten, die aber zu klein sind, um einen guten Hafen zu bilden. Dennoch sind sie gross genug, um den Rif-Piraten mit ihren kleinen Fahrzeugen Versteck und Sicherheit gegen Sturm und stürmische Witterung zu gewähren. Indess fehlen die guten Ankerplätze auch nicht. Zwischen den Djafarin-Inseln und an der Küste bei Melilla, bei Ceuta, haben grosse Schiffe vollkommenen Schutz, und noch andere Häfen würden sich mit geringen Mitteln herstellen lassen, so namentlich die grosse Bucht von Alhucemas, fast gegenüber von Malaga, liesse sich mit leichter Mühe zu einem prächtigen Ankerplatz umwandeln.

An der Strasse von Gibraltar liegt Tanger mit einer zu weiten Bucht, um nur als sichere Rhede betrachtet werden zu können; der einstige kleine Hafen der Stadt Tanger wurde von den Engländern, als sie 1684 Tanger freiwillig den Marokkanern überliessen, zerstört.

Die ganze nun folgende längs des atlantischen Oceans in südwestlicher Richtung streichende Küste ist vollkommen flach und sanft das Meer hinabsteigend bis südlich von Mogador. Aeusserst gefährlich für die Schiffahrt, besonders bei nebeliger Witterung, hat man durchschnittlich in einer Entfernung von dreissig Seemeilen erst hundert Faden Wasser. Hohe Sanddünen hat das Meer an dieser langen Küste ausgeworfen, die einen eigenthümlichen Anblick gewähren, weil sie nach der Landseite, oft auch nach der Seeseite zu nicht kahl, sondern mit Lentisken bewachsen sind. Und wahrscheinlich durch den Wind beeinflusst, bilden diese fünf bis acht Fuss hohen Lentiskenbüsche ein vollkommen den Dünen glatt angepasstes Ganze, als ob sie gleichmässig oberhalb derselben beschnitten wären. Gute Häfen würden allerdings mit leichter Mühe herzustellen, der Unterhalt indessen wegen des immer stark vom Meere ausgeworfenen Sandes kostspielig sein. Andererseits haben fast alle Mündungen der grösseren Flüsse, die wohl gut zu Häfen eingerichtet werden könnten, sehr starke Barren.

Gleich südlich von Mogador, wo die Küste von Nord nach Süd bis Agadir läuft, ist sie schroff ins Meer abfallend. Bei Agadir ist offenbar der beste natürliche Ankerplatz, aber vollkommene Sicherheit haben auch hier die Seeschiffe nicht. Von hier an weiter nach dem Süden bewahrt die Küste wieder ihren Dünencharakter, die Berge treten nicht mehr bis unmittelbar an den Ocean hinan.

An bedeutenden, bis aus Meer hineinragenden spitzen Vorgebirgen hat man im Mittelmeer das Cap Tres Forcas oder Ras el Deir; westlich von Melilla gelegen, hat diese Landzunge eine Länge von ungefähr zwanzig Kilometer auf circa sieben Kilometer Breite, und die nordwestliche hat noch auf den Seekarten den speciellen Namen Cap Viego. Das weltbekannte Cap Espartel oder Ras el kebir[13] streckt sich nach Europa hin, während die nordöstliche Landspitze bei Ceuta, Cap Almina, unserm Erdtheile noch näher liegt. An der langen atlantischen Küste des Landes haben wir nur das Cap Gher, nordwestlich von Agadir, zu verzeichnen. Es ist hier der Punkt, wo die Haupt-Atlaskette sich ins Meer stürzt. Alle übrigen auf den Karten verzeichneten Vorgebirge, wie Cap Blanco und Cap Cantin nördlich vom Gher-Vorgebirge, oder Cap Nun südlich davon, spielen in der Formation der Küste keine Rolle.

Ein gewaltiges Gebirge, der Atlas, durchzieht Marokko von Südwest nach Nordost. Wir würden zu irren glauben, wenn wir die Gebirge Algeriens zum grossen Atlas rechnen wollten; mögen die französischen Geographen dort immerhin ihre der Küste parallel laufenden Gebirge als grossen und kleinen Atlas bezeichnen, mögen die Franzosen für die Gebirge Algeriens den Namen Atlas beanspruchen - wer beide Länder bereist hat, wird finden, dass Algerien nur ausgedehnte Hochebenen mit davorliegenden Gebirgsketten besitzt, der grosse Atlas ist nur in Marokko, und in dieser Beziehung gilt auch das Zeugniss der Alten, welche den grossen Atlas beim Cap Gher entspringen und beim heutigen Cap Ras el Deir enden liessen, oder umgekehrt.

Im Grossen, kann man sagen, hat der Atlas eine hufeisenförmige Gestalt. Geöffnet nach Nordwesten, ist die Spitze seines einen Schenkels das Vorgebirge Ras el Deir, die Spitze des andern das Vorgebirge Gher. Der Atlas bildet eine Hauptkette, welche durchschnittlich nach dem Nordwesten, d. h. also nach der dem eigentlichen Marokko zugekehrten Seite durch breite Terrassen allmälig ins Tiefland sich hineinzieht. Nach dem Südosten zu senkrecht und steil abfallend, zweigt sich indess auf ungefähr 31deg. N. B., 12deg. O. L. von Ferro eine bedeutende Kette nach Süd-Südwest ab und läuft demnach fast mit der Hauptkette des Atlas parallel. Der Abzweigungspunkt giebt dem Sus Ursprung. Etwas weiter von diesem Punkte haben wir überhaupt den eigentlichen Knotenpunkt des grossen Atlas, den "St. Gotthard" dieses Gebirges. Wie bei den Schweizeralpen ist aber auch hier nicht der höchste Gebirgspunkt, dieser scheint im Südwesten zu liegen, etwa südlich von der Stadt Marokko.

Südlich von dieser Stadt haben wir den von Washington gemessenen Djebel Miltsin mit 11,700 Fuss.[14] Höst berichtet von diesem Berge, dass nur Einmal innerhalb eines Zeitraumes von zwanzig Jahren sein Schnee geschmolzen sei, obschon Humboldt für diese Breite die Grenze des ewigen Schnees höher angiebt. Es ist dies um so auffallender, als man gerade hier erwarten sollte, die Schneegrenze höher zu finden. Es ist also wohl anzunehmen, dass Washington's Rechnung nicht ganz richtig gewesen ist. Der Etna z. B. bei einer Höhe von 10,849 Fuss und fast 7deg. nördlicher gelegen, hat nie Schnee im Sommer (das, was in einigen Felsspalten liegen bleibt, ist kaum zu rechnen und zum Theil künstlich von den Bewohnern Catania's zusammengetragen, um im Sommer benutzt zu werden). Nach den Aussagen der Bewohner dortiger Gegend verlieren die höchsten Atlaspunkte den Schnee nie. Bei der Uebersteigung des grossen Atlas, die ich selbst später zwischen Fes und Tafilet, und etwas westlich vom Knotenpunkt des Gebirges ausführte, erlaubte mir mein mangelhaftes Aneroid nicht, auch nur annähernd richtige Messungen zu machen. Zu der Zeit verstand man bloss Aneroide zu construiren, mit denen man höchstens bis 1000 Meter messen konnte; das meine zeigte nicht einmal so hoch. Wenn ich aber bedenke, dass dasselbe schon auf dem ersten Absatz, auf der Terrasse südlich von Fes und Mikenes, zum Gebiete der Beni-Mtir gehörend, den Dienst versagte, dass ich dann aber, mehrere Tage nach einander immer steigend, verschiedene Terrassen und Plateaux zu überwinden hatte, so glaube ich, dass die höchste Passhöhe auf dieser Strecke, "Tamarakuit" genannt, kaum unter 9000 Fuss sein dürfte. Aber wie hoch thürmten sich daneben und nach allen Seiten hin die schneeigen Spitzen des Atlas selbst auf! Späteren Zeiten und späteren Forschern muss dies zu erforschen vorbehalten bleiben.

Von diesem Knotenpunkt aus werden noch einzelne Ketten nach dem Osten und Süden gesandt, im Ganzen hört aber der Charakter als Kette nach diesen Richtungen auf: das Gebirge erweist sich mehr als ein Gewirr von einzelnen schroffen Felsen und zerklüfteten Bergen. Aber die Hauptkette des Atlas ist erhalten, sie geht mittelst der Djebelaya (Gebirgsland) und dem Djebel Garet direct nach Norden, um mit dem Cap Ras el Deir am Mittelmeer zu enden. Vorher jedoch, etwa auf dem 14deg. O. L. von Ferro und 34deg.40' N. B. entsendet diese Hauptkette einen Zweig gegen Nordwesten; es ist das Rifgebirge, welches an der Strasse von Gibraltar sein Ende erreicht. Ausserdem schickt der grosse Atlas zahlreiche kleinere Zweige in das von ihm umschlossene Dreieck zwischen Ras el Deir und Ras Gher. So sind die Gebirge bei Uesan, die Berge nördlich von Mikenes nur Ausläufer des nördlichen Riesengebirges, welches selbst weiter nichts als ein Zweig des Atlas ist, während das sogenannte Djebel el Hadid ein directer Zweig des grossen Atlas ist, obschon Leo sagt:[15] "Der Berg Gebel el Hadid genannt, gehört nicht zum Atlas; denn er fängt gegen Norden am Gestade des Oceans an und dehnt sich nach Süden am Flusse Tensift aus." Von den Höhen des Rif-Gebirges sind nur die vom Meere aus gemessenen Punkte bekannt, deren es bis zur Höhe von circa 7000 Fuss[16] giebt; weiter nach dem Süden dürften in dieser Kette Berge von noch bedeutenderer Höhe sein und diese mindestens dem Djurdjura-Gebirge in Algerien gleichkommen.

Haben wir somit durch Zeichnung der Hauptlinien der Gebirge von Marokko ein Bild gewonnen, so bleibt uns nur übrig zu sagen, dass alles Land von der nördlichen Kante des Atlas bis zum atlantischen Ocean und Mittelmeer vollkommen culturfähig ist. Der Ausdruck "Tel" für culturfähiges Land ist in Marokko nicht bekannt. Solche Gegenden und Unterschiede davon, existiren nur in Algerien, durch die Bodenbeschaffenheit bedingt. Der einzige Strich nördlich in Marokko, d. h. auf der Abdachung dem Mittelmeere zu, der nicht die Fruchtbarkeit des vollkommen culturfähigen Landes besitzt, ist das sogenannte Angad, südlich vom Gebirge der Beni-Snassen und vom mittleren Laufe der Muluya durchzogen. Aber keineswegs ist dieser Boden hier wüstenhaft, steril und vegetationslos, ebensowenig, wie es die Hochebenen Algeriens südlich von Sebda, Saida oder Tiaret sind. Wenn nur der feuchte Niederschlag reichlich ist und zur rechten Zeit erfolgt, sehen wir überall den Boden in Acker umgewandelt. So im Angad auch, eine Landschaft, die seit dem unglücklichen Versuch Ali Bey's el Abassi, durchzureisen, als vollkommene Wüste verrufen, aber nichts weniger als vegetations- und wasserlos ist. Sie wird durchflossen von einem der mächtigsten Ströme Marokko's, ist das nicht schon bezeichnend genug?

Marokko, auf diese Art ausgezeichnet, ist das Land von Nordafrika, welches den breitesten Gürtel von culturfähigem Lande hat, und dies nicht nur nördlich vom grossen Atlas, sondern auch das lang gezogene Dreieck südlich von demselben, durch diesen und seine nach Südsüdwest gesandten Zweige eingeschlossen: das ganze Sus-Thal ist zum Anbau geeignet.

Wie Algerien und Tunis, so hat auch Marokko seine Vorwüste. Wir verstehen für Marokko unter diesem Namen den Raum, der sich hinerstreckt vom atlantischen Ocean bis zur Grenze von Algerien einerseits, vom Südabhange des Atlas bis zu den Breiten, welche durch die Südpunkte der grossen Oasen gehen, andererseits. Wir schliessen jedoch Tuat von dieser Vorwüste aus, beanspruchen diese Oase im Gegentheil für die grosse Wüste. Auch diese Vorwüste, oder, wie die Franzosen in Algerien das entsprechende Terrain benennen, "petit desert", ist keineswegs ohne Cultur und nach rechtzeitigem Regen sieht man auch hier manchmal Getreide aus dem Boden sprossen, wo vordem der Wanderer jede Cultur für vollkommen unmöglich gehalten haben würde.

Wie der ganze Norden von Afrika, d. h. besonders die Berberstaaten in Bodenformation dasselbe Gepräge zeigt, wie wir es in den übrigen um das Mittelmeer gruppirten Ländern finden, so zeigen auch die Flüsse Marokko's einen Lauf, der nicht abweichend ist von dem der anderen Länder, d. h. sie sind nicht unverhältnissmässig lang, haben zahlreiche Krümmungen und eine starke Verästelung nach der Quelle zu. Jene langgezogenen Wasserläufe, ohne Nebenflüsse, wie sie der übrige weite Norden von Afrika so häufig aufzuweisen hat, und deren Bilder wir am besten im Draa, Irharhar und Nil wiedergegeben sehen, giebt es im eigentlichen Marokko nicht.

Einer der bedeutendsten Ströme von Nordafrika (Nil natürlich ausgenommen) unter denen, die dem Mittelmeer tributär sind, ist die Muluya. Ungefähr beim östlichen siebenten Längengrad von Ferro auf der Ostseite des grossen Atlas entspringend, bekommt die Muluya ausser vielen Nebenflüssen ihren Hauptzustrom vom Süden, dem Ued-Scharef, ein Gewässer, fast so mächtig, wie die Muluya selbst. Dicht bei der algerischen Grenze, etwa 10 Kilometer westlich davon, und etwa 10 Kilometer östlich von Cap del Agna, welches gerade südlich von den spanischen Inseln Djafarin liegt, ergiesst sich die Muluya ins Mittelmeer. Die Länge dieses Stromes auch nur annähernd in Zahlen ausdrücken zu wollen, wie Hemsö das gethan hat, ist jetzt, wo noch von Niemandem die Quelle des Flusses erforscht wurde, ein vollkommen überflüssiger Versuch. Wir wollen nur erwähnen, dass die Länge der Muluya etwas geringer als die des Chelif zu sein scheint, und dass die Muluya ungefähr ein gleiches Gebiet beherrscht wie der spanische Fluss Guadalquivir.

Auf der oceanischen Seite haben wir, von Norden anfangend, den Ued Kus[17] oder el Kus. Dieser Fluss, der die fruchtbarsten Ebenen in zahllosen Krümmungen durchzieht, woher sein Name, geht bei L'Araisch ins Meer, empfängt aber dicht vor seiner Mündung den Ued el Maghasen, bekannt durch die Drei-Königs-Schlacht beide Flüsse kommen vom Rif-Gebirge und dessen Ausläufern.

Weiter der Küste folgend, kommen wir sodann auf den bedeutenden Ued Ssebú. Mit zwei Armen, gleichen Namens, von denen der eine vom grossen Atlas anderthalb Grad südlich von Fes, der andere aber vom grossen Atlas östlich von Tesa entspringt, haben diese Arme, welche sich ungefähr eine Stunde nördlich von Fes vereinigen, verschiedene Nebenflüsse, beide ändern auch häufig den Namen, um den alten vielleicht später wieder aufzunehmen. Von Osten her erhält sodann nach seiner Conjunction der Ssebú auf seinem rechten Ufer den bedeutenden Uargha vom Rif-Gebirge und vom Südosten her auf seinem linken Ufer den Bet. Der Ssebú, welcher sich bei Mamora[18] ins Meer ergiesst, würde leicht bis zu dem Punkte, wo sich der Uargha mit ihm vereint, schiffbar gemacht werden können. Die Länge seines Laufes ist ebenso bedeutend, als die der Muluya.

Der von den vorderen Terrassen des grossen Atlas kommende, aber unbedeutende Fluss Bu Rhaba[19], in nordwestlicher Richtung fliessend, ist nur erwähnenswerth, weil an seiner Mündung die bedeutenden Städte Rbat und Sla liegen.

Der Fluss Um-el-Rbea (Blätter der Kräuter, oder der Kräuterreiche) entspringt mit einem mächtigen Geäste aus dem grossen Atlas, fliesst seiner Hauptrichtung nach Nordwest, um bei Asamor, einer bedeutenden Stadt, den Ocean zu erreichen. Renou nennt ihn den bedeutendsten Fluss vom Norden Afrika's (natürlich der Nil immer ausgenommen) und stellt ihn auf gleiche Stufe mit der Garonne und Seine. Auch dieser Strom ist leicht schiffbar zu machen.

Merkwürdigerweise hat der grosse Tensift, der ebenfalls mit vielen Nebenflüssen aus dem Atlas entspringt, an seiner Mündung, die zwischen Asfi und Mogador liegt, keine Besiedelung. Gerade weil er vorher der von jeher bedeutenden Stadt Marokko Wasser zuführt, sollte man denken, an seiner Mündung auch eine Stadt zu finden. Obgleich von bedeutender Breite, kann der Fluss bei Ebbezeit an der Mündung durchwatet werden.

Mit Ausnahme der Muluya entspringen alle diese Ströme am Nordwestabhange des Atlas; übersteigt man sodann die Ausläufer dieses Gebirges und das Gerippe, welches im Cap Gher endet, so erreicht man die Mündung des Sus, ungefähr 30deg.20' N. B. Der Sus hat fast vollkommen östliche Herkunft und entspringt in dem Winkel, den der grosse Atlas und der von ihm nach Westsüdwest entsandte Zweig bilden.

Weiter nach dem Süden zu kommt sodann, auf den meisten Karten verzeichnet, der Ued Nun. Der Name Ued Nun bedeutet aber weiter nichts als eine Landschaft oder Provinz, wie wir aus den neuesten Forschungen von Gatel ersehen können. Der dort existirende Strom heisst Ued Asaka, und es ist dies der Fluss, dessen Nun-Mündung auf den Petermann'schen Karten ab Aksabi verzeichnet steht, was dasselbe ist.

Wir haben sodann eines echten Wüstenstromes Mündung, die des Draa[20] zu verzeichnen. Mit kleinem Geäste aus dem grossen Atlas entspringend, ungefähr unter dem 13deg. O. L. von Ferro geht dieser Strom direct und ohne nennenswerthe Nebenflüsse zu erhalten bis zum 29deg. N. L. nach Süden, schlägt dann aber westliche Richtung ein, um unter 28deg.10' in den Ocean zu fallen. Dieser lange Lauf, ein Sechstel mindestens länger, als der des Rheins von der Quelle bis zur Mündung, hat beständig Wasser, auch im Hochsommer bis zu dem Punkte, wo der Strom von der Südrichtung eine westliche Richtung einschlägt. Die Wassermenge, die der Draa fortschwemmt, ist in den oberen Theilen des nordsüdlichen Stückes dennoch nicht bedeutender, als etwa diejenige der Spree bei Berlin; sie wird dann am südlichen Ende des von Nord nach Süd fliessenden Theiles, nachdem der Strom sogar mehrere Male verschwindet und viel Wasser durch Irrigiren verbraucht ist, so gering, dass man diesen grossen Strom, wie er sich zur Herbstzeit, kurz vor dem Eintritt der Regenperiode auf dem Atlas präsentirt, hinsichtlich der Wasserarmuth kaum einen Bach nennen kann.

Dass überhaupt noch so viel Wasser bis zum Umbug Jahr aus Jahr ein herabkömmt, nachdem der heisse Wind der Sahara im Frühjahr und im Sommer mit Macht daran gezehrt hat, nachdem Tausende von Feldern und Gärten, die sich längs der Ufer hinziehen, Tag und Nacht vom Wasser des Draa berieselt werden, das eben spricht für die Möglichkeit der Schneelage des Atlas, aus welchem der Fluss gespeist wird.

Ob aber ein stets Süsswasser haltender See, der Debaya, auf seinem weiteren Laufe nach dem Westen zu vom Draa durchflossen wird, möchte sehr zu bezweifeln sein. Allerdings sendet gleich nach der Regenzeit auf dem Atlas der Draa seine Wasser fort bis zum Ocean, aber in der trockenen Jahreszeit trocknet der ganze untere Theil des Flusses aus. Nicht weit von dem Orte, wo der See sein sollte, sagten mir die Bewohner, ein solcher existire nicht. Ein Sebcha, d. h. ein salziger Sumpf, wie ihn Petermann auf seinen neuesten Karten verzeichnet hat, könnte indess wohl vorhanden sein. Renou spricht sogar dem Debaya eine dreimalige Grösse des Genfer Sees zu.

Als ebenfalls vom Südostabhange des Atlas kommend und nach der Sahara abfliessend, haben wir dann den Sis zu nennen; ein echter Wüstenfluss ohne alle Nebenflüsse, und nur in seinen ersten zwei Dritteln oberirdisch verlaufend, tränkt er unterirdisch noch die ganze grosse Oase Tafilet, um südlich davon den Salzsumpf Daya el Dama zu bilden, der nach starken Regenergüssen zu einem See sich gestaltet. Von Nordwesten her hat der Daya el Daura noch Zuflüsse durch den Ued-Chriss.

Einen ebenso langen, wenn nicht noch längeren Lauf hat der Fluss, der die Oase von Tuat speist, aus verschiedenen Zweigen, von denen einige unter dem 33deg. N. B. entspringen, zusammengesetzt. Ich verfolgte den Fluss fast bis zum 26deg. N. B., ohne dass ich bei Taurhirt schon sein südlichstes Ende erreicht hätte. Dieser Fluss, den man l'ued Tuat nennen könnte, setzt sich aus dem Ued Gher, Ued Knetsa und einigen minder bedeutenden zusammen, erhält nach der Vereinigung den Namen Ued Ssaura, und sobald er das eigentliche Tuat betritt, den Namen Ued Mssalid. Von Osten soll er südlich von Tuat durch den Fluss Acaraba verstärkt werden. Da er schon bei seinem Entspringen aus dem Gher und Knetsa gar nicht oberirdisch Wasser hält, so ist es nicht wahrscheinlich, dass er dem Draa oder dem Ocean zugeht, wie Duveyrier meint, ebensowenig aber glaube ich, dass die von mir früher mitgetheilte Nachricht der Eingeborenen, der Mssaudergüsse sich nach sehr starken Anschwellungen bis zum Niger, auf Wahrheit beruht.

Da wir den oben angeführten Debaya vorläufig trotz Renou nicht als See anzuerkennen brauchen, ja nicht einmal mit Bestimmtheit behaupten können, ob ein Salzsumpf dort ist, so haben wir eigentlich gar keine nennenswerthen Seen in Marokko zu verzeichnen, denn der von Leo erwähnte See unterhalb der "grünen Berge", den er mit dem See von Bolsena in der Nähe von Rom vergleicht, ist nirgends zu finden, es möchte denn der kleine auf der Beaumier'schen Karte verzeichnete Salzsee sein, Zyma genannt, der ungefähr so gross wie der See von Bolsena zu sein scheint. Der einzige von mir entdeckte kleine Süsswassersee, Daya Sidi Ali Mohammed genannt, ungefähr 3 Stunden lang und 1/2 Stunde breit, liegt auf der Höhe des grossen Atlas zwischen Fes und Tafilet.

Erwähnenswerth ausser dem Daya el Daura, südlich von Tafilet ist nur noch der grosse Salzsumpf von Gurara im Norden von Tuat, ungefähr zehn deutsche Meilen lang und an seiner dicksten Stelle fünf deutsche Meilen breit, endlich der Sigri Sebcha (Salzsumpf), ungefähr zehn Meilen südwestlich von Schott el Rharbi gelegen, dessen südwestliche Hälfte nach dem Frieden von 1844 zu Marokko, die östliche dagegen zu Algerien gerechnet wird.

Ohne Widerrede befürchten zu müssen, kann man behaupten, dass Marokko von allen Staaten Nordafrika's das gesundeste Klima besitzt. Der Grund davon ist zum Theil in der bedeutenden Erhebung des Landes zu suchen, in den erfrischenden Winden vom Mittelmeere und vom Ocean, in der Abwesenheit sumpfiger Niederungen[21], wie man sie in Algerien so häufig beim Anfange der Besiedelung durch die Franzosen antraf; dann in den reichen Waldungen der Stufen des Atlas, welche die Hitze mildern und zugleich den Flüssen in Verbindung mit dem Schnee der Gipfel im Sommer das Wasser constant erhalten; endlich in der Abwesenheit jener Schotts oder flachen Seen und Sümpfe, wie sie Algerien und Tunis von Westen nach Osten durchziehen.

Im Allgemeinen kann man sagen, dass in ganz Marokko ein mildes warmes Klima herrscht; denn wenn auch die Tekna- und Nun-Gegenden mit Rhadames und den südlichsten Oasen Algeriens, was Breite anbetrifft, correspondiren, so wirken die constanten Seewinde doch so lindernd, dass die Temperatur bedeutend kühler ist als in diesen Strichen. Und wenn auch die Spitzen der Atlasberge, die wie der Milstin mit einer Höhe von 3475 Meter, der Alpenhöhe von 2300 Meter entsprechen, oder auch dem Meeresniveau von Norderney, wenn diese Berge des Atlas eine mittlere Jahres-Temperatur von nur 0deg. haben, so wurden wir nicht fehl zu greifen glauben, wenn wir sagen, die Summe der Mittleren Temperaturen Marokko's wurde 18deg. R. betragen.

Der Atlas bildet die natürliche Scheide in den Temperaturverhältnissen. Während nördlich am Atlas die Regenmonate im October beginnen und bis Ende Februar anhalten, ist der Regenfall südlich vom Atlas nur im Januar und der ersten Hälfte des Februar und erstreckt sich landeinwärts etwa bis zum 10. Längengrad östlich von Ferro, so dass die Draa-Provinzen in ihrem südlichen Theile nicht davon berührt werden. In der Oase Tafilet ist Regenfall schon äusserst selten, und in Tuat regnet es höchstens alle 20 Jahre ein Mal. Eine Regenlinie wäre also südlich vom Atlas etwa so zu ziehen: vom 10deg. O. L. von Ferro und 29deg. N. B. in schräger nordöstlicher Linie mit dem Atlas parallel zu den Figig-Oasen. Der feuchte Niederschlag ist in den nördlich vom Atlas gelegenen Theilen sehr bedeutend, ebenso auf dem Atlas selbst, südlich davon nur mässig.

In der Zeit von October bis Februar herrschen fast nur Nordwestwinde und am wechselvollsten ist der Februar, wo an einem Tage sechs bis sieben Mal Winde mit einander kämpfen. Im März sind Nordwinde vorherrschend und dann von diesem Monat an bis Ende September Ost, Südostwinde und Süd. An den Küsten des Oceans in den Sommermonaten von 9 Uhr Morgens an ein stark kühlender Seewind bis Nachmittags, wo der Südost wieder die Oberhand gewinnt; indess ist dieser Wind so kühlend, dass Lempiere Recht hat zu sagen: "Mogador, obschon sehr südlich gelegen, hat eine ebenso kühle Temperatur als die gemässigten Klimate von Europa." Die Südost- und Südwinde führen oft Heuschreckenschwärme mit sich, so in den Jahren 1778 und 1780. Indess scheint der Atlas ein wirksamer Damm gegen diese Eindringlinge zu sein, da sie im Norden des Gebirges nur vereinzelt beobachtet werden.

Bestimmte Beobachtungen für die mittlere Temperatur einzelner Orte liegen nur wenige vor. Tanger hat nach Renou eine mittlere Temperatur von 18deg. (Celsius), was aber vielleicht 2deg. zu viel sein dürfte. Für Fes kann man bei einer Erhebung von 4-500[22] Meter +16-17deg. (Celsius) rechnen. Uesan, welches circa 250 Meter hoch liegt, dürfte eine mittlere Temperatur von 18deg. (Celsius) haben. In der Stadt Marokko kann die mittlere Temperatur höchstens +20deg. (Celsius) sein, da die Datteln nicht reifen, diese brauchen mindestens +22deg. Durchschnittswärme. In Tarudant, wo die Datteln schlecht reifen, dürften vielleicht +21deg. Durchschnittswärme sein. Hemsö führt noch an, dass im Winter weder in einem Hafen noch in irgend einer Stadt je das Thermometer unter +4deg. R. sinkt. In Uesan beobachtete ich eines Tages im December leichten Schneefall, und die Leute sagten mir, es käme dies alljährlich vor, aber der Schnee bleibt nie liegen. Aus Gatel's Beobachtungen ist in Tekna das Thermometer in dem Wintermonaten December 1864, Januar und Februar 1865 durchschnittlich um 7 Uhr Morgens +13deg. (Celsius) gewesen, "es kam nie unter +6deg. und stieg nicht höher ab +18deg. (Celsius)". In den Monaten September und October beobachtete ich in Tuat eine mittlere Temperatur von +19deg. vor Sonnenaufgang. Diese Oase des Kaiserreichs Marokko würde also ungefähr dieselbe Durchschnitts-Temperatur wie Fesan haben.

Kleiden wir noch einmal als Ergebniss das marokkanische Klima in Worte, so möchten wir das anführen, was Hemsö sagt: "Il clima di tutta questa regione è di più salubri e di più belli di tutta la superficie del globo terrestre."

[10] Der Name Maghreb el aksa ist im Lande selbst nicht bekannt und gebräuchlich, wohl aber sagt man Rharb schlechtweg, oder Bled-es-Sidi-Mohammed, oder bled Fes nach der Hauptstadt. Das Wort djoani bedeutet nach Wetzstein das "innere" und "eigentliche", also der innere und eigentliche Westen.

[11] Klöden und Behm 12,210 Quadrat-Meilen. Renou 5775 Myriam.-M. . Beaumier 5000 M.-M. . Daniel ca. 13,000 Q.-M. A Rey und Xavier Durrieu 24,379 Lieues car. Gråberg de Hemsö 219,400 M. italiane. Jardine 50,000 (englische) Q.-M. Donndorf 7425 Q.-M. J. Duval 57,000,000 Hectars und in Berlings Staatszeitung von 1778 giebt Tempelmann 6287 Q.-M. für Fes, Tafilet und Marokko an.

[12] Nach Renou, der Tuat etc. nicht mit in seine Berechnungen gezogen hat.

[13] Auf den Karten auch Ras Idjberdil genannt.

[14] 3475 Meter.

[15] Leo, Uebersetzung von Lorsmann.

[16] Stielers Atlas und Petermann's Mittheilungen, 1865, Taf. 6.

[17] Bei Renou Loukons, bei Höst Luccos, Stieler Aulcos, Jackson el koas und Luccos, Maltzan Aulcus.

[18] Auf den meisten Karten so verzeichnet, Ort, der von den Marokkanern Mehdia genannt wird.

[19] Der auf den Karten verzeichnete Name Buragrag dürfte falsch sein; die Marokkaner nennen ihn Bu Rhaba, Vater des Waldes, d. h. waldreich. Bu-Rgag oder Rgig würde heissen der "Vater der Enge", Bu-Rhaba "Vater des Gehölzes".

[20] Wir erwähnen der Ssegiat el Hamra, weil sie auf den meisten Karten als Fluss verzeichnet ist, als in die Mündung des Draa einfliessend. Der Name Ssegiat hat aber immer etwas Künstliches in sich und Gatel auf seiner Karte verzeichnet sie nicht.

[21] Die wenigen Sümpfe bei L'Araisch kommen zum grossen Ganzen nicht in Betracht.

[22] Nach Renou; da aber Fes wohl niedriger liegt, wird auch die Temperatur wohl um einige Grade höher sein.


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