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14. Reise südlich vom Atlas nach der Oase Draa.

Die eigentliche Stadt liegt auf einem nach allen Seiten fast gleich abschüssigen Berge, der eine Höhe von 800 Fuss[136] über dem Meere haben mag. Sie bildet ein längliches Viereck, dessen schmale Seite dem Meere zugewandt ist. Die hohen crenelirten Mauern sowie die Bastionen, die jene unregelmässig flankiren, sind, obgleich in gutem Zustande was das Aeussere anbetrifft, doch aus schlechtem Material aufgeführt, so dass sie die Stadt fast ohne Widerstand gegen einen Angriff der Europäer lassen würden. Ebenso sind die wenigen Kanonen, die sich in den Batterien befinden, ihres Alters wegen fast unbrauchbar.

Die Stadt Agadir wurde um 1500 von einem portugiesischen Edelmann[137] gegründet. Man nannte die Stadt Santa-Cruz, während die Berber den Ort Tigimi-Rumi, die Araber ihn Dar-Rumia nannten. Einige Zeit später erwarb der König von Portugal die Veste, und liess den Namen Santa-Cruz bestehen. Zur Zeit Leo's war der Ort noch im Besitze von Portugal, Leo nannte den Ort Gargessem. Im Jahre 1536 wurde die Festung vom Scherif Mulei Ahmed erobert, und blieb seitdem immer im Besitze der Marokkaner. Schon 1572 liess Mulei Abdallah eine Batterie bei den Quellen "Fonti" errichten. Der Name Agadir, der offenbar gleich nach Eroberung der Stadt durch die Marokkaner" gang und gäbe wurde, bedeutet in der Tamasirht-Sprache "Umfassungsmauer," auch "Festung". Renou, p. 38 fügt noch hinzu: "Da Agadir ein generischer Name ist, sollte man noch einen zweiten, um denselben zu vervollständigen, erwarten. In der That nennt sich die Stadt, die uns angeht, Agadir-n-Ir'ir, die Festung des Ellenbogen, d.h. des Vorgebirges." etc. etc.

Was das Innere der Stadt anbetrifft, so sind alle Häuser, ausgenommen das der Regierung, welches der Kaid bewohnt, sowie die Djemma, die sich in gutem Zustande befindet, halb oder ganz verfallen. Ich glaube die Einwohnerzahl schon zu gross anzugeben, wenn ich sie auf 1000 Seelen schätze[138]. Gråberg di Hemsö glaubt kaum 600 Einwohner annehmen zu dürfen. In neuerer Zeit hat sich der Ort aber etwas gehoben, so dass jetzt vielleicht gegen 1000 Menschen in Agadir und Fonti leben mögen. Der zweimalige Markt, der in der Woche ausserhalb vor dem einzigen Thore der Stadt abgehalten wird, führt derselben einigen Handel zu, und es sind hauptsächlich die Juden, die für die kleinen Bedürfnisse der Stadt sowohl als auch des umliegenden Landes Sorge tragen.

Die Stadt liegt auf der südwestlichsten Seite des Atlas, und während nach Osten und Norden hin das Auge Nichts wahrnimmt, als sich übereinander häufende Berge, verliert sich nach dem Süden zu die Aussicht in die unendliche Ebene, die den Ued-Sus vom Ued-Nun trennt. Der Ued-Sus selbst ergiesst sich eine halbe Stunde südlich von der Stadt in die Meeresbucht. Diese ist die vortrefflichste von ganz Marokko. Gråberg di Hemsö sagt: "Der Hafen von Agadir ist der schönste der ganzen Küste, und der werthvollste für den Handel mit Innerafrika, namentlich wenn er in Händen einer europäischen Macht sich befände, die denselben sehr leicht erwerben und davon immer mehr Vortheile würde ziehen können." So sehr wir mit Hemsö, was die Geräumigkeit der Bucht anbetrifft, übereinstimmen, so sehr möchten wir bezweifeln, dass es heute leicht sein würde den Hafen käuflich von Marokko zu erwerben, obschon auch wir überzeugt sind, dass für den Handel kein Hafen ergiebiger sein würde als Agadir.

Gleich beim Eintritt in die Stadt wurde ich überrascht, indem ich über dem Thore neben einer arabischen Inschrift eine mit lateinischen Buchstaben geschriebene bemerkte; ich war so glücklich sie später unbemerkt copiren zu können. Sie lautet:

VREEST . GOD . ENDE

EERT DEN KONING

1746.

Man darf wohl annehmen, dass diese Inschrift von einem Renegaten, der wahrscheinlich Maurer oder Steinhauer von Profession war, verfertigt wurde.

In Agadir angekommen, begab ich mich zuerst nach einem Kaffeehause, um dort nach dem Funduk Erkundigungen einzuziehen; zu meinem Erstaunen erfuhr ich, dass ein solches nicht vorhanden sei, und auch dies deutet genugsam die Unbedeutendheit des Ortes an. Der Abkömmling eines Spaniers hatte indess die Liebenswürdigkeit, mir seine Tischlerwerkstätte als Wohnung anzubieten, was ich dankbarlichst annahm. Ausserdem was Kleidung, Gebräuche und Sitten anbetrifft ganz Marokkaner geworden, war er der gastfreundlichste Mann, und schickte täglich aus seiner Wohnung einige Speisen. Aber ich hatte nicht nöthig in dieser Beziehung dem guten Manne zur Last zu fallen, denn der Kaid der Stadt sandte mir täglich zu essen oder ich speiste in seiner Wohnung.

Derselbe hatte nämlich kaum meine Ankunft in Erfahrung gebracht, als er mich rufen liess. Ich glaubte schon, es gälte ein Examen zu bestehen: wer ich sei, wes Landes, wohin ich wolle, was ich treibe u. dgl. m. Aber davon war keine Rede. Der arme Mann war stark erkrankt, und da sollte Rath geschafft werden. Glücklich für mich konnte ich Linderung bringen, und von dem Augenblicke an war ich in Agadir ein gern gesehener Gast.

Meine eignen Fieberanfälle stellten sich aber wieder ein, wohl hervorgerufen durch die starren Nebel, die um diese Jahreszeit täglich dort herrschten. Es ist auffallend, wie kalt die Luft in Agadir war, selten durchdrang die Sonne den Nebel vor Mittag und die Leute versicherten, dass selbst im hohen Sommer diese starken Nebel selten vor Mittag zerstreut würden.

Ich blieb sieben Tage in Agadir und konnte mich hinlänglich erholen. Vom Verlassen des Ortes, um spazieren zu gehen, konnte nicht die Rede sein, da die ganze Gegend äusserst unsicher ist. Unsicherer wird sie noch dadurch, dass Schmuggler in den Gebirgsabhängen oberhalb von Agadir ihr Wesen treiben. Der Ort Fonti am Meere ist nämlich, wie gesagt, das eigentliche Eingangsthor für die directen Karavanen vom Sudan, wenigstens für die, welche den Weg über Nun eingeschlagen haben.

Ich schloss mich sodann einer durchpassirenden Karavane an, um mit ihr nach Tarudant zu gelangen. Denn wenn man auch von hier noch nicht Wassermangel zu befürchten hat, so herrscht das Faustrecht dennoch so sehr, dass es gerathen schien in Gesellschaft zu reisen. Gerade am selben Tage hatte ich in Fonti noch Gelegenheit mich zu überzeugen, wie wenig fremdes Eigenthum respectirt wird: zwei Fremde kamen vollkommen ausgeplündert, sogar ihrer sämmtlichen Kleider beraubt in die Stadt geflüchtet. Gewiss ist hier nur die reine Raubsucht der Berber der Beweggrund zu solchen Handlungen, keineswegs aber Mangel. Man könnte den Rlnema am Ued-Ssaura entschuldigen, wenn er ein Räuber ist, weil er in einer der ärmsten Gegenden der Welt lebt, aber das Land am Sus ist eins der reichsten in ganz Marokko.

Wir brachen Nachmittags von Fonti auf, und machten Abends nach Sonnenuntergang Halt in einem Dorfe; Duar, d. h. Zeltdörfer, findet man in diesem Theile südlich vom Atlas nicht. die ganze Bevölkerung ist sesshaft. Und gleich hier am ersten Tage unserer Reise sollten wir einen recht greiflichen Beweis der Räubereien dieser Völker haben: es wurde uns Nachts ein Kameel gestohlen. Wenn man nun bedenkt, dass die Kameele Nachts mit fest zusammengebundenen Vorderbeinen im Kreise lagen, so kann man sich einen Begriff von der Schlauheit und Kühnheit der Diebe machen. Ich sah das Thier forttreiben im schnellsten Galopp, wir machten uns gleich auf, man schoss, aber Alles war bei der Dunkelheit der Nacht vergebens. Als am anderen Morgen die Eigenthümer der Karavane beim Schich der Oertlichkeit klagten, der würdige Mann hiess el-Radj-el-Arbi, versprach er Alles zu thun die Diebe ausfindig zu machen, aber weitere Erfolge wurden nicht erzielt. Zum Glück für die Besitzer des verlorenen Kameels waren die anderen Thiere stark genug, um die Ladung des verlorenen, die aus 4 Centner Zucker bestand, aufnehmen zu können. Mit dem Kameele waren aber 90 Methal = 170 Frcs. verloren.

Ich wurde nun zum ersten Male recht in das Karavanenleben eingeweiht, das einfache Frühstück aus Sesometa (geröstete Gerste, die grob gemahlen in Schläuchen mitgeführt wird, man geniesst sie, indem man Salz, Arganöl oder Olivenöl zusetzt, ganz arme Leute setzen bloss Wasser zu), das Treiben der Kameele, Abends das Brodbacken, oder erreicht man ein gastliches Dorf, Bewirthung durch die Bewohnerschaft - das ist der gewöhnliche Gang der Sus-Karavanen.

Der Weg, der sich fortwährend in östlicher Richtung hinzieht, und meist dem Flusse parallel ist, gehört zu einem der schönsten, was die Reichhaltigkeit der Natur anbetrifft, den man sich nur denken kann. Als Lempriere diese herrliche Natur durchzog, er giebt die Distanz von Santa-Cruz (Agadir) nach Tarudant auf 44 engl. Meilen an, muss er sehr übler Laune gewesen sein. Er sagt davon weiter nichts: ich hatte einen schönen, aber langweiligen Weg, da wir nichts als Haiden und Waldungen zu durchwandern hatten. Und doch kann man diese herrlichen Ebenen nur mit der lombardisch-venetianischen des Po vergleichen. Freilich fehlt der mächtige Strom, aber wie entzückend schlängelt sich der stets Wasser führende Sus durch die Oliven und Orangengärten hin. Und im Norden der stolze Atlas, zeigt er auch nicht so hohe schneegipflige Spitzen, wie der Montblane und andere Riesenberge der Schweiz und Tirols, so hatten die Alten doch keineswegs ganz Unrecht das kolossale Atlasgebirge als Träger des Himmels zu bezeichnen. Das Thal des Flusses ist ein wahrer Garten, ein Dorf, ein Haus neben dem anderen, Oel-, Feigen-, Stachelfeigen-, Granaten-, Pfirsich-, Mandel-, Aprikosen-, Orangenbäume und Weinreben bildenein liebliches Durcheinander.

Aber so entzückend die Gegend ist, so unheimlich fällt es auf, dass alle Welt nur bis an die Zähne bewaffnet ausgeht. Jeder Mann hat seine lange Flinte auf dem Rücken, sehr häufig sieht man hier auch schon Doppelflinten, welche vom Senegal hierher dringen: ausserdem hat Jeder seinen krummen Dolch mit meist aus Silber gearbeiteter Scheide.

Ich hatte eigentlich die Absicht nach dem Nun-District vorzudringen, aber die fortwährenden Fieberanfälle, dann das Verlangen wieder unter civilisirte Menschen zu kommen, endlich die Schilderung, die man in Agadir von einem gewissen Scherif Sidi-el-Hussein, der in der Sauya Sidi-Hammed-ben-Mussa residiren sollte und über dessen Gebiet ich kommen müsse, liessen mich davon abstehen. Man erzählte in Agadir die scheusslichsten Grausamkeiten von diesem Menschen, der sogar seinen eignen Bruder und Sohn hatte köpfen und vor Kurzem noch zwei spanische Renegaten hinrichten lassen. Das hinderte natürlich nicht, dass er im Rufe der grössten Heiligkeit steht, und gerade um die Zeit, als ich in Agadir mich befand, war die Hauptperiode der Wallfahrt nach seiner Sauya, man nennt diese Wallfahrtszeit "Mogor". Tausende von Leuten aus der ganzen Umgegend zogen nach der Sauya-Sidi-Hammed-ben-Mussa, um dem Abkömmling Mohammed's ihre Ersparnisse zu überbringen, wofür sie dann den Segen und Ablass für ihre Sünden bekommen.

Ich vermuthe, dass Sidi-Hammed-ben-Mussa der auf der Petermann'schen Karte angegebene Ort Wesan ist, oder, wie wir Deutschen ihn schreiben würden, Uesan. Denn häufig pflegten die Pilger zu sagen, sie zögen nach Uesan, und als ich dann meinte, da hätten einen weiten Weg, denn Uesan läge weiter entfernt, und jenseits Fes', erwiederten sie, nicht nach Uesan Mulei Thaib's, sondern nach Uesan Sidi-Mohammed-ben-Mussa's wollten sie pilgern. Gatell, der nach mir bis zum Nun vordrang, erwähnt dieses Ortes nicht.

Wir hätten sicher am zweiten Tage die Stadt Tarudant erreichen können, da wir aber mit Nachforschungen nach dem gestohlenen Kameel viel Zeit verbrachten und erst Mittags aufbrachen, übernachteten wir noch ein Mal. Und an dem Tage wäre ich selbst fast ausgeplündert oder gar ermordet worden. Ich etwas von der Karavane entfernt, als auf einmal zwei bewaffnete Männer mich anhielten und während der eine fragte was es in Agadir gäbe, spannte der andere den Hahn seines Gewehres; sie hatten unstreitig die Absicht mich auszuplündern, als glücklicherweise zwei Leute der Karavane auch bewaffnet und die ebenfalls zurückgeblieben waren, zu mir stiessen und mich so der Gefahr meiner Kleidungsstücke beraubt zu werden, überhoben. Zugleich bekam ich einen derben Verweis von ihnen, und sie verboten mir, mich wieder von der Karavane zu entfernen, da der Kaid von Agadir die Karavane verantwortlich gemacht für meine glückliche Ueberkunft nach Tarudant.

Das Gebirge wird immer höher, je weiter man nach Osten vordringt obgleich man fortwährend in der Ebene bleibt. Unendlich viele leere Flussbetten, die nur im Frühjahr Wasser schwemmen, ziehen sich vom Atlas in den Sus hinein, aber nur ein einziger (auf der Petermann'schen Karte richtig eingetragen) einige Stunden westlich von Terudant hat das ganze Jahr hindurch Wasser. Dieser Fluss ist wahrscheinlich der von Gatell erwähnte Ued-Eluar. Zu der Zeit, als ich ihn durchwatete, konnte ich seinen Namen nicht erfragen.

Abends machten wir Halt bei einem Hause, das zufälligerweise von Arabern bewohnt (die ganze Sus-Gegend hat durchaus Berberbevölkerung) war, die wenig oder gar nicht Schellah verstanden. Welch ein Unterschied im Empfange! Während uns am Abend vorher, als wir in einem grossen Dorfe übernachteten, Niemand etwas zu Essen brachte, sondern wie gezwungen waren, uns selbst zu beköstigen, versorgte hier der Hausherr die ganze Karavane mit Speise auf die freigebigste Art. Und hier hatten wir wieder einen Beweis, dass Araber gastfreundlicher als Berber sind.

Am folgenden Morgen waren wir schon vor Sonnenaufgang wieder unterwegs, wir hatten heute nur einen halben Marsch zu machen, da wir Mittags in Tarudant eintreffen mussten. Rechts auf der linken Flussseite tauchte jetzt auch eine Bergkette auf, die, von Nordosten kommend, sich nach Südwesten hinzieht. Je näher wir der Stadt kamen, desto angebauter fanden wir die Gegend, obgleich vom ganzen Lande, wie überall, kaum der zwölfte Theil des Bodens nutzbar gemacht wird. Kurz vor Mittag fragten mich meine Gefährten, ob ich die Stadt nicht sähe; auf meine Verneinung zeigte man mir einen nahen Palmwald, hinzufügend: das sei die Stadt, aber die Gebäude könne man wegen der hohen Palmen und buschigen Olivenbäume nicht sehen. So war es auch in der That, fortwährend in einem Oelbaumwald fortmarschirend, befanden wir uns plötzlich vor den Thoren, ohne vorher das Geringste von den Gebäuden der Stadt wahrgenommen zu haben. Es war gerade Mittag, als wir das Stadtthor durchzogen; ich trennte mich hier von den freundlichen Leuten der Karavane, um ein Unterkommen zu suchen, und war auch so glücklich in einem Funduk ein Zimmerchen zu finden. Die Thür dieser Zelle war aber so niedrig, dass ein grosser Jagdhund kaum ohne zu schlüpfen, würde Eingang gefunden haben, und wenn ich auch der Länge nach mich ausstrecken konnte, so betrug die Breite doch kaum mehr als halbe Körperlänge. Statt der Möbeln bestand der Fussboden aus gut gestampftem Lehm.

Tarudant, zwei kleine Tagemärsche vom Ocean, fast am Fusse des südlichen Atlasabhanges[139], dessen südliche Vorberge bis fast zur Stadt stossen, liegt auf dem rechten Ufer des Sus, ca. eine Stunde vom Flusse selbst entfernt. Was die Einwohnerzahl anbetrifft, so vergleicht Renou dieselbe mit der von Tanger oder Lxor, Hemsö giebt dieselbe auf ca. 22,000 Seelen an, Lempriere, der selbst längere Zeit in Tarudant lebte, spricht sich nicht darüber aus. Die Stadt könnte indess wohl 30-40,000 Einwohner haben. Nach Renou erlangte die Stadt erst Wichtigkeit im Jahre 1516, zu welcher Zeit Schürfa sie neu aufbauten und beträchtlich vergrösserten. Aber auch hier machte ich wieder die Erfahrung, wie wenig man sich auf die Aussagen der Eingebornen verlassen kann. Man hatte mir Tarudant geschildert als eine Stadt, die man nur mit Fes oder Marokko vergleichen könne, sowohl was Grösse, als auch was die Einwohnerzahl anbeträfe. Ich fand den Umfang der Stadt nun allerdings gross, grösser als den von Fes, reichlich so gross wie den von Marokko, jedoch ist fast Alles, was innerhalb der Stadtmauer sich befindet, Garten. Diese Stadtmauer, in sehr verfallenem Zustande, hat durchschnittlich eine Höhe: von 20 Fuss und an der Basis 4 oder 6 Fuss, ihre Breite ist oben da, wo sie noch die ursprüngliche Höhe bewahrt hat, 2 Fuss. Sie bildet eine unregelmässige Linie, ohne Plan und Kunst angelegt. Alle 50 Schritte werden die Zickzacke von Thürmen flankirt, die jedoch nicht höher als die Mauer selbst sind. Was das Material anbetrifft, aus dem sie sowie alle Häuser erbaut sind, so besteht dasselbe aus mit Häckerling gemischtem und zwischen zwei Brettern gegossenem Lehm, kann also europäischen Geschützen keinen Widerstand leisten; auch Gräben sind nicht einmal vorhanden.

Die Stadt ist ein einziger grosser Garten, nur nach dem Centrum drängen sich die Häuser, welche meist nur aus einem Erdgeschoss bestehen, mehr zusammen, und hier befinden sich auch die Buden und Gewölbe, wo man arbeitet und verkauft, hier sind auch die Funduks. Moscheen giebt es eine grosse Anzahl, grössere jedoch, die ein Minaret haben, nur fünf. Die Hauptmoschee, Djemma-el-Kebira schlechtweg genannt, zeichnet sich durch nichts Besonderes aus. Den inneren grossen Hof derselben, in den man Orangen gepflanzt hat, umgeben ungemein plumpe Säulen, die eben so unförmliche Bogen tragen. Die zweite Hauptmoschee, fast eben so gross, ist dachlos, von den übrigen ist keine bedeutend. Ebenso haben ich in der ganzen Stadt kein einziges nur etwas geschmackvolles Gebäude gefunden.

Einen eigentlichen besonderen Handelszweig hat die Stadt nicht, man lobt die Lederarbeiten und Färbereien. Hauptgewerk ist Kupferschlägerei, indess beschränkt sich das bloss auf Kessel, auf kleine Geschirre und Sachen, wie sie von den Eingebornen hergestellt werden können. Aber wie ausgedehnt diese Manufactur ist, geht am besten daraus hervor, wenn ich anführe, dass diese, kupfernen Geschirre bis Kuka, Kano und Timbuktu ausgeführt werden. Und wie giebig müssen erst die Kupferminen in der Nähe von Tarudant sein, wenn man bedenkt, auf wie primitive Art die Eingebornen dort eine solche Mine ausbeuten. Nach der Aussage der Eingebornen soll nicht nur dies Metall, sondern auch Gold, Silber, Eisen und Magneteisenstein in grosser Menge vorkommen. Alle übrigen Landesproducte sind wie in Agadir und im ganzen Sus-Lande sehr billig. Das Pfund Fleisch wird mit 2 Mosonen bezahlt, für eine Mosona erhält man 6-10 Eier und im Frühjahr noch mehrere.

Bei der Beschreibung von Tarudant kann ich nicht unerwähnt lassen, dass die einst so berühmten Zucker-Plantagen heute nicht mehr existiren. Indess findet man in Marmol und Diego de Torres so glaubwürdige Angaben, dass an der einstigen Existenz der Zuckercultur nicht gezweifelt werden kann.

Als im 16. Jahrhundert die Dynastie der Schürfa Marokko neu umgestaltete, suchten sie vor allen Dingen sich in Tarudant festzusetzen. Es wurde Zucker um Tarudant gepflanzt und um einen Ausgangshafen für das Product zu gewinnen, unternahm der Scherif Mohammed die Belagerung von Santa Goce, damals den Portugiesen gehörend. 1536 war dieser Hafen in den Händen der Gläubigen. Ein Slami oder übergetretener Jude hatte unter der Zeit Mühlen in Tarudant errichtet und von dem Augenblick an war der Handel mit Zucker, wie Marmol als Augenzeuge berichtet, der ergiebigste von allen marokkanischen Handelszweigen.

Auch christliche Sklaven wurden nun zur Fabrikation von Zucker verwandt, und nicht nur aus Marokko oder aus den Sudanländern kamen Leute nach Tarudant, um Zucker zu kaufen, auch Europäer stellten sich ein, sobald sie erfuhren, dass man sie gut behandle. Der Ertrag ergab für den Sultan jährlich 7500 Metkal, eine für damalige Zeit grosse Summe.

In welcher Zeit der Verfall des Zuckerbaues vor sich ging, habe ich nicht ergründen können, vielleicht wurden bei einer der so häufig in Marokko stattfindenden Revolten die Zuckergärten zerstört und nachdem nicht wieder angebaut. Aber die Erinnerung vom einstigen Zuckerreichthum in der Provinz existirt in Marokko heute noch.

Ich musste mehrere Wochen in Tarudant bleiben und überstand während dieser Zeit eine förmliche Krankheit, da ich fortwährend von Wechselfiebern geschüttelt war. - Den zweiten Tag nach meiner Ankunft liess mich der Kadi der Stadt rufen. Er unterwarf mich einem langen Examen, woher ich komme, warum ich in Tarudant sei, wohin ich gehen wolle, warum ich Mohammedaner geworden sei, u. s. w. Ich glaubte schon, da er immer sehr ernsthaft blieb, dass er mich trotz meiner genügenden Antworten, als Sohn eines Christen ins Gefängniss senden würde, als er plötzlich die Unterhaltung auf die Medizin brachte und ein Mittel gegen Gichtschmerzen von mir verlangte. Zugleich wurde Thee servirt und ein gut zubereitetes Frühstück hereingetragen. Das Gespräch ging dann hauptsächlich auf die christliche Civilisation über, und ich sah mit Erstaunen im Kadi einen dem Fortschritte huldigenden Mann vor mir. Nach beendigtem Frühstücke verabschiedete er mich, und sagte, er würde mich rufen lassen, damit ich in seiner Gegenwart die Medizin bereite.

Am folgenden Tage gegen Abend musste ich zu ihm gehen, und da ich nichts Anderes zu thun wusste, so bereitete ich eine Kamphersalbe und liess ihn Einreibungen damit machen. Ich musste wieder Thee mit ihm trinken und zu Abend essen; beim Abschiede gab er mir ausserdem einen grossen Korb mit Datteln und einen kleineren mit Mandeln, dann eine Schüssel mit süssem Backwerke, das sehr gut zubereitet war und sich fast jahrelang hält. Obgleich die Datteln und Mandeln von der letzten Ernte und von ausgezeichneter Güte waren, so verkaufte ich doch den grössten Theil derselben. Ich bekam für das Pfund Mandeln den für dortige Gegend hohen Preis von 6 Mosonat; es war Missernte für die Mandeln gewesen, denn in guten Jahren erhält man für Eine Mosona mehrere Pfunde.

Am vierten Tage stellte sich mein Fieber heftiger als je ein, ich glaubte schon vom Typhus befallen zu sein; acht Tage musste ich meine Höhle hüten. Ich nahm die letzte mir übrig gebliebene Dosis Chinin, genoss die ganze Zeit hindurch bloss Wasser und Brod und alle Tage einige Granatäpfel, die mir der Fundukbesitzer aus seinem Garten brachte.

Mit einer ziemlich grossen Karavane brach ich sodann auf. Sie setzte sich aus etwa 20 Mann und 30 Stück beladenen Maulthieren und Eseln zusammen. Die Leute selbst waren aus der Oase Draa. Vom Thaleb des Kadi war ich ihnen empfohlen und deshalb gut bei ihnen aufgenommen worden. Diese Art Karavanen rechnen von Tarudant acht Tagemärsche, welche aber sehr stark sind; das Vieh wird dabei von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang mit der grösstmöglichsten Eile vorwärts getrieben. Es war also eine harte Tour für mich, da ich von den Fiebern mitgenommen, sehr erschöpft war, und manchmal dafür, dass ich mitgenommen wurde, und was Nahrung anbetrifft von den Eigenthümern des Viehs freigehalten wurde, das Vieh mit treiben helfen musste.

Den ganzen ersten Tag folgten wir dem Ued-Sus, der an beiden Seiten lachende Gärten bildet. Rechts und links hatten wir hohe Berge, doch ist die Nette im Norden wenigstens noch einmal so hoch, als die nach Südwesten streichende, welche überdies nur ein Zweig vom grossen Atlas ist. Gegen Mittag, wir marschieren immer in östlicher Richtung, machte wir bei einem Dorfe der Beni-Lahia Halt; es wurde dort Markt abgehalten, und die Leute unserer Karavane wollten nun noch Getreide einkaufen, um es mit in ihre Heimath zu nehmen. Nach beendetem Einkauf ging es weiter. Ich weiss nicht, durch welchen Zufall es kam, dass der Theil der Karavane, bei dem ich mich befand, von dem anderen sich trennte, kurz, wir verloren den Weg und es war, glaube ich, Mitternacht, als wir das Dorf erreichten, wo die Anderen seit Abends campirten. Dazu hatten wir elende Wege gehabt, da das ganze Land von breiteren und schmaleren Rinnsalen, welche zur Bewässerung des Bodens dienen, durchschnitten ist, in der Dunkelheit geriethen wir nun alle Augenblick in ein solches Wasser, oder auch ein Esel versank in den Schlamm und sein Herausziehen konnte nur mit Mühe und Zeitverlust bewerkstelligt werden.

Desto kürzer war der folgende Tagemarsch, wir mussten sehr bald in einem Dorfe Halt machen, weil vor uns zwei Volksstämme sich bekriegten und dadurch die Gegend unsicher gemacht war. Sieben Tage mussten wir in diesem Orte liegen bleiben, fanden jedoch die gastlichste Aufnahme daselbst. Ich war mit vier Anderen in einem grossen Bauernhofe einquartiert und so war die ganze Karavane vertheilt. Endlich schienen die feindlichen Parteien Frieden gemacht zu haben und wir konnten aufbrechen, der Weg war offen. Wir folgten dem Ued-Sus, bis fast an seine Quelle, welcher Landestheil, wie überall den Namen Ras-el-Ued hat, und schlugen von da an eine südöstliche Richtung ein.

So scharf markirt der südwestlich vom Atlas sich abzweigende Gebirgszug, vom Sus-Thale gesehen, sich ausnimmt, so wenig ist er es in der That, man kommt südöstlich fortgehend in keinen Gebirgszweig, sondern in ein zerrissenes Gebirge. Obschon man nun auch aus dem eigentlichen überall culturfähigen Lande heraus ist, hat man doch noch die eigentliche Sahara nicht erreicht. Allerdings sind die Berge nackt und kahl, aber die Gegend ist äusserst abwechselnd, Wasser nicht selten und kleine Oasen auf Schritt und Tritt. Gegen Sonnenuntergang erreichten wir eine Oase, die erste echte Palmpflanzung, die ich zu sehen bekam (den Palmen in Marokko und Tarudant merkt man gleich an, dass sie eigentlich für den dortigen Boden und das Klima noch fremd sind), einige Dörfer lagen darin versteckt. Wir lagerten von jetzt an nie mehr im Dorfe, sondern immer im Freien, und suchten dann zu dem Ende ein zwischen Felsen liegendes sicheres Versteck auf. Auf diese Art marschirten wir 4 Tage immer in südöstlicher Richtung fort. Die Gegend bewahrte ihren eigenthümlichen Charakter, nackte, kahle Felsen, von Bergen eingeschlossene Ebenen, ohne Vegetation, nur von Steinen bedeckt, hie und da eine Oase, welche sich schon von Weitem durch die hohen Palmen ankündigte, manchmal auch noch grosse Strecken mit Schih (Artemisia) bedeckt, Zeichen, dass wir die eigentliche Sahara noch nicht erreicht hatten, solche Bilder waren stets vor unseren Augen.

Am fünften Marschtage kamen wir, nachdem wir verschiedene Ebenen durchschnitten hatten, an einen Bergpass, wie ich noch nie einen gesehen habe, und auch wohl kein ähnlicher auf der Erde existirt. Mit diesem Bergpass, oder vielmehr mit dieser Schlucht, die ebenfalls durchschnittlich in unserer Marschrichtung war, hatten wir zugleich das eigentliche Gebirge hinter uns. Diese Schlucht war etwa 5 Schritt breit, an beiden Seiten von senkrechten Marmorwänden gebildet, und in derselben rieselte ein kleiner Bach mit reizenden grünen Ufern. Am Austritte der Schlucht gab der Bach Veranlassung zu einer Oase. Der Marmor, der sich in der Sonne spiegelte und stellenweise so glatt war, als ob er künstlich polirt wäre, glänzte in allen möglichen Farben.

Was das Interesse dieser einzigen Schlucht noch erhöhte, war, dass sich am Austritte oder am südöstlichen Ende derselben eine kohlensaure Quelle befand. Ich glaube, es giebt wohl kaum ein zweites an Kohlensäure so reiches Wasser, wie dieses; dicke Blasen steigen fortwährend auf, und beim Trinken prickelte es Einem im Munde, als ob man Champagner tränke. Das Land, worin sich diese Schlucht und Quelle befindet, heisst Tassanacht, und die vom Flüsschen, gebildete Oase, Tesna[140]. Die Gegend war hier, wie auch sonst fast überall. äusserst metallreich, ich fand auf dem Wege bei Tesna offen zu Tage liegend, Antimon-Stücke von 11/2 Zoll Dicke, reines, unvermischtes Metall.

Die nächsten Tage gingen vorüber, ohne dass sich etwas Besonderes ereignete, ich hatte jedoch grosse Mühe, diese anstrengenden Märsche mitzumachen, zumal mich eine erschöpfende Diarrhöe, durch die ungewohnte Nahrung hervorgerufen, befallen hatte. Die Leute mischten nämlich Mehl mit gestampften Datteln zu einem Teige, gossen etwas Oel hinzu, und roh wurde dies genossen, oder man ass auch, bloss mit Wasser vermischt, gestampfte Datteln. Dazu kam, dass wir manchmal sehr an Durst zu leiden hatten, denn die Thiere waren alle übermässig beladen, so dass man für Wasser keinen Platz hatte. Die schlimmste Strecke war die letzte. Wir waren noch einen guten Tag vom Draa entfernt und lagerten Abends in einem öden Thale. Um den Ued-Draa am folgenden Tage früh zu erreichen, brachen wir um Mitternacht auf. Unglücklicher Weise waren meine Schuhe gänzlich unbrauchbar geworden, die Sohlen waren abgefallen. Ich behalf mich damit, dass mir die Leute aus den Lederresten Sandalen zusammenflickten, welche mit Riemen an den Füssen befestigt wurden. Ueberhaupt tragen südlich vom Atlas fast alle Leute Sandalen. Für Einen, der nicht daran gewöhnt ist, ist es aber ein qualvolles Schuhzeug, da die Riemen gleich tief einschneiden. In der dunklen Nacht stiess ich nun jeden Augenblick gegen einen Stein, und es schien mir eine Ewigkeit bis die Morgenröthe anbrach. Als endlich der Tag anfing und wir frühstückten, hatten wir kaum das nöthige Wasser, aber die Aussicht, noch wenigstens einen halben Tagemarsch gehen zu müssen, ohne Hoffnung einen Brunnen oder Quelle anzutreffen. Gegen Mittag war mein Gaumen ganz trockene und als wir endlich von Weitem die Palmen sahen, mit dem lachenden Grün der Orangen, Feigen, Granaten, Pfirsichen und Aprikosen darunter, glaubte ich, sie nicht erreichen zu können; erst um 4 Uhr Nachmittags waren wir im Dorfe Tanzetta, wo mehrere Leute unserer Karavane zu Hause waren. Mein Erstes war, meinen brennenden Durst zu löschen, ich trank wenigstens 3 Liter Wasser auf ein Mal.

[136] Nach Arlett 198 Meter.

[137] Siehe Renou p. 36.

[138] Davidson sagt, Agadir habe bloss 47 Muselmanen und 62 Juden.

[139] Leo, Marmol und Lempriere drücken die Entfernung der Stadt vom Atlas in Zahlen aus, ohne bedacht zu haben, dass der Fuss des Gebirges bei Tarudant nicht steil, sondern allmälig sich absenkt, man also auch sagen könnte, Tarudant liege unmittelbar am Fusse des Gebirges.

[140] Siehe Petermann's Mittheilungen 1865, Tafel 6.


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