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1. Antritt der Reise und Ankunft in Zula.

Es war Ende November 1867, als ich mich an Bord der Peluse, Dampfer der Messagerie impériale, in Marseille einschiffte, um nach Aegypten zu fahren. So kalt das Wetter bis dahin in Frankreich gewesen war, denn selbst in Marseille hatte es am letzten Tage noch Eis gefroren, so schön und sommerlich war es, als wir uns an Bord begaben.

Seine Majestät der König von Preussen hatte mich beauftragt, der englischen Expedition, die bekanntlich durch die Gefangennahme der englischen Consuln und Gesandten durch König Theodor von Abessinien hervorgerufen wurde, beizuwohnen, und nach einem fünfmonatlichen Aufenthalte in Europa, der mich von den Fiebern und Anstrengungen, die ich auf meiner letzten Reise in Centralafrika zu erleiden gehabt, erstärkt hatte, beeilte ich mich, dieser ehrenvollen und für mich so interessanten Aufforderung Folge zu leisten. Da die Engländer in Ertheilung der Erlaubniss, sich der Expedition anschliessen zu dürfen, nicht bloss für Ausländer, sondern auch für ihre eigenen Landsleute sehr schwierig waren, so hatte mir Graf von Bismarck durch seinen Einfluss diese direct beim Indian Board erwirkt und mir einen Introductionsbrief vom Chef dieser Behörde für Sir Robert Napier, der das Expeditionscorps leiten sollte, zukommen lassen.

Meine Ausrüstung hatte ich vornehmlich in Paris gemacht, und meine Begleitung bestand bis jetzt bloss in meinem kleinen Neger Noel, der mich auf meiner letzten Reise durch Afrika auch begleitet hatte, und sich dabei, so jung er auch noch war, als äusserst nützlich erwiesen hatte. An Bord angekommen, dauerte es auch nicht lange mehr und die Peluse dampfte aus dem Hafen und gewann, beim Château d'If vorbeifahrend, bald die hohe See. Im Winter, wo die Tage so kurz sind, konnten wir uns nicht lange der schönen Ufer der französischen Küste erfreuen; obgleich der Dampfer Südost haltend noch lange ziemlich nahe den zackigen Gebirgsausläufern blieb, entzog uns die Dunkelheit bald jede Fernsicht.

Ich fing an mich nun an Bord etwas umzusehen, und fand, dass meine Mitpassagiere, wenigstens die der ersten, fast lauter Franzosen waren, was ich gleich daran erkannte, dass jeder ein rothes Bändchen der Ehrenlegion im Knopfloche des Ueberrockes stecken hatte. Die Franzosen nämlich, welche diese Decoration erhalten haben, sind so begierig darauf, dies der Welt zu zeigen, dass sie ihre Decoration nicht bloss auf Gehröcken und bei besonderen Gelegenheiten, sondern auch auf leichten Sommerröcken, auf Pelzröcken und die böse Welt sagt, sogar auch auf Nachtröcken, tragen. Genug, fast alle waren decorirt und trugen das zur Schau. Indess traf ich doch auch deutsch redende Herren; der holländische Generalconsul von Alexandrien, der dänische, ein amerikanischer Geolog, der nach Nubien wollte, sprachen vollkommen gut deutsch; an Damen waren bloss die Töchter von Mariette Bei, eine feine Pariser Lorette der Demi-monde und zwei andere Damen vorhanden. Mariette Bei, Vorsteher des Aegyptischen Museums in Bulak bei Cairo, war auch an Bord und hatte die Gegenstände, die er auf der Pariser Exposition gehabt hatte, wieder mit sich. Im Ganzen mochten wir 40 Passagiere sein, so dass wir Alle räumlich sehr gut untergebracht waren, indem an Bord für 150 Personen erster Classe Platz war.

Das Leben an Bord der Dampfer der Messagerie impériale ist äusserst angenehm; die Offiziere, wenn sie meist auch nicht die Bildung der deutschen und englischen Postdampfer-Offiziere haben, sind vollkommen abgeschliffene Männer und in gesellschaftlicher Beziehung meist von feinster Politur, die Kost an Bord, ohne so reichlich, aber auch so roh zubereitet zu sein wie auf englischen Schiffen, ist äusserst geschmackvoll, die Bedienung vortrefflich. Meine Tischnachbarn wurden in unmittelbarer Nähe die Pariser Lorette, die nach Aegypten Fortuna machen ging und vielleicht auf das Harem irgend eines der Paschas speculirte, vielleicht auf das allerhöchste selbst, dann ein ägyptischer Oberst vom Generalstab, und gegenüber hatte ich den dänischen Generalconsul und einen anderen ägyptischen Offizier. Man kann sich denken, dass bei solch verschiedenen Persönlichkeiten es nie an Unterhaltung fehlte, und besonders trug die Lorette, deren Namen ich leider nicht in Erfahrung gebracht habe, nicht wenig dazu bei, dieselbe zu würzen. Namentlich zur Zeit des Nachtisches, wenn das Fräulein fleissig der Flasche zugesprochen, und das that sie immer ohne Umstände, um nicht seekrank zu werden, zeichnete unsere Gesellschaft sich immer durch besondere Heiterkeit aus.

Man wird wohl nicht verlangen, dass ich hier eine specielle Beschreibung einer Mittelmeersdampfschifffahrtsreise machen soll. Heutzutage sind dieselben so alltäglich geworden, und ich für meine Person hatte diese Tour so oft gemacht, dass ich meine Leser in möglichster Schnelle nach Alexandrien führen werde. Und ich kann das mit um so grösserer Gewissenhaftigkeit, als wir auf unserer ganzen Fahrt vom ausgezeichnetsten Wetter begünstigt waren trotz der schon sehr vorgerückten Jahreszeit, wo das Mittelländische Meer manchmal recht tückisch ist.

Durch die Strasse von Bonifacio kommend, bei Caprera vorbei, nachdem wir vorher die herrliche Küste von Corsika mit den jetzt schon weissen Gipfeln dieser Insel bewundert hatten, behielten wir nun fast immer Land in Sicht, bis wir nach Messina kamen, sei es nun, dass wir westlich die sardinischen Berge oder östlich die italienischen Küsten hatten. Wie immer, lagerte eine ruhige, sich kaum verstärkende oder vermindernde weisse Dampfwolke auf dem Stromboli und so dicht fuhren wir bei diesem Vulkan vorbei, dass wir das Rufen der Leute hören konnten. In Messina hatten wir nur einen einstündigen Aufenthalt, um Passagiere an Bord zu nehmen und Proviant zu erneuern; da es Abend war, ging natürlich niemand ans Land und am folgenden Tage war jede Küste unseren Blicken entrückt. Aber nur noch einige Tage und wir waren an dem ägyptischen Ufer.

Wir waren Morgens sehr früh vor Alexandrien, konnten aber nicht eher als mit Sonnenaufgang in den Hafen einlaufen, da der Eingang sehr gefährlich ist. Obgleich wegen einiger Bauten, einiger Alterthümer, wie die Pompejussäule, die Kleopatranadeln, eigenthümlich, hat der Anblick von Alexandrien nichts schönes und noch weniger etwas imponirendes. Die Menge von Schiffen aber, meist aus den Ländern des Mittelmeeres, ist allerdings bedeutend, indess hat alles einen schmutzigen Anstrich, der noch vermehrt wird durch die vielen dazwischen herumrudernden kleinen Boote, von den zerlumptesten halbnackten Eingeborenen gehandhabt. Sobald dann auch die Sanitätsformalitäten vorüber waren, kamen diese lungrigen Bengel an Bord, um sich der Reisenden und ihrer Bagage zu bemächtigen, und nur durch die kräftigsten Schimpfworte und Stockprügel, was sie sich aber auch wieder ganz geduldig gefallen liessen, konnte man Herr seiner selbst und seines Eigenthumes bleiben.

Ich hatte keine grosse Eile ans Land zu kommen, da ein paar Kisten, die mir das preussische Consulat in Marseille an Bord geschafft hatte, ohne dass ich gegenwärtig war, gar nicht zu finden waren; als aber dies doch zu lange dauerte, nahm auch ich eine Barke, um mich nach der Duane rudern zu lassen. Vorher hatte man mich indess nach der Hafenpolizei gerudert und verlangte, meinen Pass zu sehen. Auf meine Aussage, dass ich keinen Pass besässe, denn ich hielt es natürlich nicht für passend, ihnen mein von Graf Bismarck unterschriebenes Instructionsschreiben vorzulegen, welches die Polizeibeamten höchstens mit ihren ungewaschenen Händen würden beschmutzt haben, sagte man mir, für mich sei allerdings gar keine Schwierigkeit, ans Land zu gehen, aber da ich einen Schwarzen bei mir habe und Sclaverei in Aegypten streng verboten sei, müsste ich mich über ihn legitimiren. Mir kam im Anfange diese Sache so ausserordentlich vor, dass ich nicht recht wusste, ob die Polizisten Ernst oder Spass machten; aber um die Sache abzukürzen, verlangte ich einfach, sie sollten mir einen Polizeikawassen mitgeben und aufs preussische Generalconsulat fahren. Das geschah denn auch und damit hatte die Sache natürlich ein Ende.

Sodann fuhren wir zum Guthof, deren es in Alexandrien eine Menge giebt und die alle ziemlich gleich schlecht, d. h. sehr theuer und schmutzig sind; ich stieg an der Place des consuls im Oriental Hôtel ab, welches vorzugsweise Aufenthalt der Deutschen ist und wo man, wenn man sich einschränkt, mit 25 Frs. per Tag leben kann. Alexandrien machte einen grauenhaften Eindruck auf mich; es hatte gerade am Tage vorher geregnet, die Strassen waren unergründlich, so dass man, wenn man von einer Seite zur anderen wollte, eines Esels bedurfte. Indess befinden sich einige hübsche Häuser in der Stadt, nur müssen sie nicht den Eingeborenen gehören, sonst, selbst wenn sie vor wenigen Jahren erbaut sind, zeigen sie äusserlich sichere Spuren des Verfalles. Auch auf die öffentlichen Gebäude der Christen scheint sich die Nichtstabilität des mohammedanischen Wesens übertragen zu haben: die englische Kirche, so niedlich und neu wie sie ist, zeigte äusserlich bedeutende Beschädigungen, ohne dass jemand daran dachte, sie auszubessern. Ebenso das neuerbaute Theater Lizinia. Der Contrast der glänzendsten Toiletten der griechischen, anderen europäischen und orientalischen Damen mit den entsetzlich zerlumpten und hungrigen Eingeborenen, die bettelnd und nichtsthuend die Strassen durchlungern, war ebenfalls nicht geeignet, einen günstigen Eindruck hervorzurufen. Ueberall sah man Trümmer, d. h. grosse Holzgestelle, welche von der Beleuchtung herrührten zu Ehren der Rückkehr des Vicekönigs Ismael Pascha.

Während ich den ganzen Tag damit beschäftigt war, nach meinen Kisten herumzulaufen, ohne zu einem Resultate zu kommen, verbrachte ich indess Abends einige angenehme Stunden im Kreise von Herrn Menshausen's Familie, hanseatischem Generalconsul für Aegypten. Am anderen Morgen früh gelang es mir endlich, meine Kisten auf der Duane zu finden, und durch Herrn Menshausen's Güte wurden sie mir zollfrei überliefert. Noch am selben Tage fuhren wir 3 Uhr Nachmittags von Alexandrien ab, und ich sollte zum ersten Male kennen lernen, was es heisst, auf einer ägyptischen Eisenbahn fahren. Die Waggons befinden sich in einem schauderhaften Zustande, so dass ich lieber vorziehen möchte, in Deutschland oder überhaupt in Europa 3. Classe zu fahren, als in Aegypten 1. Classe. Diese ist so schmutzig, dass man sich scheut, Platz zu nehmen. Ueberhaupt sehen alle Waggons, Packwagen, Locomotiven schon neu äusserlich so zerfallen und schmutzig aus, dass man sie eben nur mit der Regierung des Landes selbst vergleichen kann.

Da es bald dunkel wurde, konnten wir von der Gegend nichts sehen, überdies hatte ich von Alexandriens Wundern, der Pompejussäule, den Kleopatranadeln, den Katakomben auch nichts, als eine entfernte Ansicht gewonnen. Der Weg, wenn man ihn ordentlich bewahren würde, könnte von Alexandrien bis Cairo in höchstens 4 Stunden zurückgelegt werden; wir brauchten mehr als 6, denn erst nach 9 Uhr trafen wir in der Kalifenstadt ein. Aber ist das zu verwundern? Vor wenigen Tagen kam es vor, dass ein hochgestellter Pascha müde wurde, der Train musste anhalten und als nach einem dreistündigen Schlaf einige Europäer, die mit im Zuge waren, sich beschwerten, liess er noch 3 Stunden anhalten, um in Ruhe seinen Tschibuck zu rauchen und seinen Kaffee zu schlürfen. Kleinere Dinge der Art kommen alle Tage vor. Herr Menshausen, der mich nach Cairo begleitete, wurde am Bahnhofe, bei uns würde man ihn einen provisorischen Schuppen nennen, von seinem Neffen erwartet, der auch für einen Wagen gesorgt hatte, deren es jetzt in Cairo Hunderte giebt. Obgleich auch hier der Schmutz unergründlich war, so machte das einen viel weniger peinlichen Eindruck, als in Alexandrien, weil man eben gleich sah und fühlte, dass man in einer vollkommen mohammedanischen Stadt war, in welchen eben Schmutz und Dreck nun einmal eben so unvermeidlich sind, wie die Ruinen. Vom Bahnhofe aus über den Esbekieh-Platz fahrend, der Abends mit seinen Akazien, Sykomoren, Granaten und Orangen stattlich aussah, bogen wir in die Musky ein, die Hauptstrasse Cairos, wo die europäischen Magazine sind und welche die Stadt der Breite nach durchschneidet. Von hier ab mussten wir indess eine andere kleine Strasse zu Fuss hinabwandern, weil ihre Breite keinen Wagen mehr erlaubte; in dieser war das Haus des Herrn Menshausen gelegen, auch das Hôtel du Nil, wo ich absteigen wollte und auch gleich darauf ein Unterkommen fand.

Ich unterlasse es, hier eine Beschreibung von Cairo zu geben, und wenn ich auch in den vierzehn Tagen, die ich da war, Musse genug gehabt, alle Merkwürdigkeiten zu sehen, so hatte ich theils noch viele Einkäufe, als Pferd, Zelt etc. zu besorgen, was, da man mit Mohammedanern oder Europäern, die nicht besser waren, zu thun hatte, viel Zeit wegnahm, theils glaubte ich, alle Tage Anweisung nach Sues zum Einschiffen zu bekommen, so dass ich mich immer bereit halten musste.

Gleich im Anfange ging ich indess nach Sues mit der Eisenbahn, um mich mit Capitain Willaugby, dem dortigen Depotcommandanten, in Verbindung zu setzen; er telegraphirte auch sogleich nach Bombay an Sir Napier, um Passage für mich zu verlangen. Nach einem Aufenthalte von einer Nacht kehrte ich nach Cairo zurück. Um indess doch etwas von der Stadt zu besehen, besuchte ich die Citadelle, wo man einige hübsch eingerichtete Salons des Vicekönigs findet. Wie sie indess das erste Mal meublirt worden sind, so bleiben sie, und die Divans fangen jetzt an, zu zerreissen. Es findet sich hier auch der Saal der Abgeordneten, mit Thron, Ministersitzen etc., ganz wie bei uns, nur en miniature. Als Ismael Pascha, der jetzige Vicekönig, vor zwei Jahren die erste Abgeordneten-Versammlung eröffnete, hatte man den Leuten vorher gesagt, dass man Rechte, Centrum und Linke unterscheiden und haben müsste, dass die Rechte immer mit, die Linke gegen die Regierung stimme und das Centrum bald für, bald gegen. Als nun Seine Hoheit die Versammlung eröffnen und sich mit seinen Ministern, deren er ebenso viele wie der Kaiser von Frankreich oder olim Soulouque von Haiti hat, in den Sitzungssaal begeben will, hört er einen furchtbaren Lärm und Aufruhr. Mit Vorsicht werden die Flügelthüren geöffnet und ein Eunuch vorangeschickt, um zu erkunden, was es gäbe. Ismael Pascha glaubte schon an eine Juli- oder Februarrevolution, wenn er anders von dergleichen Dingen Kunde gehabt hatte. Aber, o Wunder! Der Eunuch vernimmt mit Staunen, dass zuerst ein Streit und Drängen stattgefunden habe, wer rechts sitzen solle, da alle Deputirte der Rechten gehören wollten, dass dadurch zuletzt eine grosse Schlägerei und Prügelei entstanden sei, welche noch dauere. Seine Hoheit konnte denselben Tag die Sitzung nicht eröffnen, theils hatten die meisten Deputirten schwere Verletzungen auf ihren glatt rasirten Köpfen erhalten, theils hatten sie sich den Schnurrbart ausgerissen, theils auch waren alle Sessel zerbrochen, indem man sich wegen Mangel an Waffen der Stuhlbeine bedient hatte.

Auf der Citadelle befindet sich auch eine schöne, in jetziger Zeit, ich glaube von Mahommed Ali erbaute Moschee. Aeusserlich schon wieder in Zerfall gerathend, ist sie im Innern grossartig und schön, natürlich von Europäern gebaut oder wenigstens Christen.

Wir hatten eines Tags beschlossen, die Pyramiden, die man von Cairo aus recht gut sehen kann, in der Nähe zu besichtigen, und mehrere Gäste, die im Hôtel mit logirten, theils Engländer, theils Deutsche, dann der preussische Consul mit seinem Kanzler und Diener, machten wir uns früh auf den Weg, mit Vorräthen für zwei Tage versehen. Der Esel ist, trotz der Concurrenz, die ihm die Wagen, welche wirklich in Cairo recht gut sind, zu machen anfangen, immer noch das Hauptlocomotionsmittel in und um Cairo. In schnellem Galopp ging es dahin durch die Strassen, dann nach Bulak, wo wir beim Nilmesser der Insel übersetzten und in Giseh landeten. Unsere Esel waren auch mit übergeschifft worden und man kann sich denken, dass die Barken der Fähre gross sein mussten, da wir alle nur Eine nöthig hatten, obwohl wir in Allem 20 Mann waren und eben so viele Stück Langohren hatten. Von hier hatten wir noch einen dreistündigen Ritt bis an die Pyramiden, der unter Scherzen und Lachen schnell verging, namentlich belustigten wir uns über einen Herrn, ich glaube, Schödler war sein Name, der die Manie gehabt hatte, sich als Araber ausgeben zu wollen, sich ein arabisches Costüm angelegt hatte und ein grosses weisses Maulthier ritt. Merkwürdigerweise speichelte dies fortwährend und liess die Unterlippe herabhängen, welches den Eindruck machte, als ob es lachte. Als ich ihm einst sagte: "Herr Schödler, ihr Thier lacht fortwährend so graziös", schlug er stolz seinen grünen in Europa fabricirten Araberburnus zurück und meinte: "mein Gott, diese Thiere nehmen sehr schnell von ihrem Herrn die Eigenschaften an." Aber ehe wir an die Pyramiden kamen, mussten wir noch ein Hinterwasser des Nils, der jetzt erst zu fallen anfing, überschreiten und dies geschah mittelst der Beduinen, die uns auf ihren Rücken hinüber trugen; bald wird indess ein Damm bis zu den Pyramiden führen, welcher zum Nutzen der Kaiserin von Frankreich, welche vor einigen Jahren die Absicht hatte, Aegypten zu besuchen, angelegt, dann aber bis jetzt wieder liegen gelassen wurde.

Bei den Pyramiden angekommen, wurde gefragt, wer aufsteigen wollte, und dann rasch begonnen. Jeder wurde von zwei Arabern unter die Arme gegriffen und so sprang man theils, theils wurde man auf die hohen Stufen hinaufgeschwungen. Nichts greift indess mehr an als eine solche Pyramidenbesteigung und der Ehrgeiz, sagen zu können, auf dem höchsten Bauwerke, was von Menschenhand gemacht ist, gewesen zu sein, wird keineswegs belohnt durch eine schöne Aussicht, wohl aber hat man Tage lang das Nachgefühl der Anstrengung. Dicht bei dieser höchsten Pyramide ist eine zweite, nicht viel niedriger, und gewöhnlich bietet ein Araber sich an, in 10 Minuten die Giseh-Pyramide hinabzulaufen und die andere zu erklettern, was um so schwieriger ist, als die Spitze der anderen noch zum Theil ihre ursprünglich glatte Ueberdeckung hat. Einer unserer Araber führte das Kunststück in 91/2 Minuten aus. Die Bakschischverlanger oder Bettler verfolgen einen übrigens bis auf die Spitze der Pyramide; man kann in Aegypten keinen Schritt gehen, ohne von einer offenen Hand belästigt zu werden. Das Heruntersteigen geht schon besser, obgleich Vorsicht dazu gehört, da man einestheils bei der Höhe der Absätze, meist 21/2', andererseits bei der Glattheit der Steine leicht zu Falle kommen kann. Leute, die an Schwindel leiden, sollten gar nicht aufzusteigen versuchen. Man hat so viel über den Zweck der Erbauung der Pyramiden gefaselt und ganze Abhandlungen darüber geschrieben, schliesslich aber kommt man doch immer wieder auf die Ansicht der Alten, dass es einfache Begräbnisse waren, zurück.

Unten angekommen, wurde gefrühstückt, nachdem wir zuvor jedoch den kolossalen Sphynxkopf bewundert und die unterirdischen Tempel durchwandert hatten. Wir lagerten uns unter eine grosse Akazie, die unweit der Giseh-Pyramiden vereinzelt dasteht. Da wir den ganzen Tag noch nichts zu uns genommen hatten, und es 1 Uhr Nachmittags geworden war, mundete es uns vortrefflich und Herr Nerenz, norddeutscher Consul, dessen Weinkeller zuerst probirt wurde, erwarb sich Aller Dank; nach dem Essen führten Araber Tänze auf, andere brachten uns Kaffee, natürlich alles gegen entsprechende Backschische.

Um 8 Uhr setzten wir uns zu Esel und fort ging es wieder, immer im schnellen Trab oder Galopp, denn wir wollten noch am selben Abend die Apisgräber besuchen. Um 6 Uhr kamen wir dann auch an dem Hause Mariette-Bey's (ein Franzose, der in ägyptischen Diensten und Director des antiquarischen Museums von Bulak ist) vorbei, welches er ebenfalls erbauen liess, um der Kaiserin der Franzosen auf ihrer Reise nach Aegypten Herberge darin anzubieten. Wir stiegen sogleich in die Katakomben hinunter, besahen die kolossalen Granitsärge, 26 an der Zahl, deren jeder einen Ochsen barg, die jetzt jedoch alle leer und geöffnet sind. Auf dem Deckel des ersten, den man hat herauswinden wollen und der ziemlich am Eingange liegt, schlugen wir unser Lager auf, und zum Nachtessen wurde auf dem gigantischen Granitdeckel selbst gedeckt. Aber leider machten wir hier die Entdeckung, dass der Wirth vom Nilhôtel wahrscheinlich aus Versehen den Wein vergessen hatte, wir hatten nun bloss noch zwei Flaschen von den sechs, die Herr Nerenz, der norddeutsche Consul, mitgenommen hatte, und einige Flaschen Ale. Das hinderte dennoch nicht, dass wir vergnügt soupirten und König Wilhelm und Bismarck, wie morgens bei den Pyramiden, jetzt in den Apisgräbern hoch leben liessen und alle, Amerikaner, Engländer und Italiener, die mit uns Deutschen waren, schlossen sich dem freudig an. Obgleich es Nachts an komischen Zwischenfällen bei einer so grossen Gesellschaft nicht fehlte, so hatten die Anstrengungen des Tages doch allen auf dem weichen Sande in den Apisgräbern einen gesunden erquickenden Schlaf verschafft. Am andern Morgen früh bestiegen wir gleich wieder die Esel, um nach Memphis zu reiten. Der Weg war diesmal bedeutend hübscher, da wir fortwährend im Palmenwalde uns befanden und die Ruinen gegen 10 Uhr Morgens erreichten. Wir hatten vorgehabt, über Sakara zu reiten, aber da die ganze Gegend unter Wasser war, konnten wir dies nicht ausführen. So kamen wir bei der Stufenpyramide vorbei, in deren Nähe gerade Ausgrabungen gemacht wurden. Nachdem wir die Sehenswürdigkeiten besichtigt hatten, ritten wir bis an den Nil, mietheten eine jener grossen Barken und fuhren mit günstigem Winde bis Bulak. Um 3 Uhr Nachmittags waren wir wieder im Hôtel.

In Cairo ist einer der schönsten Spaziergänge der nach Schubra hinaus, wohin eine breite zum Theil von Akazien, zum Theil von Sykamoren bestandene Allee fährt, rechts und links von schönen Landhäusern der reichen europäischen Kaufleute, der Paschas und der Consuln[1] eingesäumt. Unter anderen befindet sich auch ein vicekönigliches Lustschloss am Wege, das meist vornehmen Fremden, die einen längeren Aufenthalt in Aegypten nehmen, zur Disposition gestellt wird. Die herrliche Allee endet mit dem prächtigen Palais und Garten von Halim Pascha, der ein naher Verwandter vom Vicekönig ist, indess augenblicklich in Ungnade[2]sich befindet. Das Schloss Halim Paschas ist in der That sehenswerth, und man kann sich denken, dass dort Scenen à la Tausend und einer Nacht aufgeführt werden. Dicht vorher ist eine Restauration, von deren Platte man eine entzückende Aussicht auf den Nil und die Pyramiden von Giseh hat.

Die Zeit war indess zu kurz, um Alles das zu sehen, was in Cairo sehenswerth ist, wir mussten Pferde kaufen und was dazu gehört, und bei dem grossen Zusammenfluss von englischen Offizieren, die alle dieselben Sachen nöthig hatten, wie wir, war das keine Kleinigkeit. Mittlerweile waren auch die preussischen Offiziere angekommen, welche die abessinische Expedition mitmachen wollten, Graf Seckendorf und Herr Stamm.

Ueber Cairo füge ich nur noch an, dass die lächerliche Angabe im Adresskalender von Alexandrien, die Stadt habe 800,000 Einwohner, eine französische Aufschneiderei ist, oder vielleicht eine Schmeichelei für den Vicekönig hat sein sollen, der gern seine Hauptstadt den grossen europäischen ebenbürtig an die Seite stellen möchte. Nach meiner ungefähren Schätzung, (gezählt hat man nie in Cairo) hat die Stadt nicht mehr als 250,000 Einwohner; ich habe sie nach allen Seiten hin durchwandert, von mehreren verschiedenen Punkten aus von oben angesehen, und konnte, wenn ich Vergleiche in Gedanken mit anderen Städten anstellte, zu keinem anderen Resultate kommen. Jedenfalls ist 400,000 noch viel zu hoch gegriffen. Das deutsche Element breitet sich immer mehr aus, und Norddeutsche mögen wohl gegen 1000 da sein; die soliden guten Geschäfte und Handwerke werden von Deutschen betrieben. Selbst die Eseltreiber fangen wie die Stiefelputzer, denn auch letztere giebt es schon in der Kalifenstadt, an, deutsch zu rufen, und verstehen sich sehr gut auf Physiognomien, denn einem Deutschen rufen sie zu: "guter berliner Esel" (d. h. ein guter Esel! Berliner!), oder "guter Baron Esel", während sie einem John Bull "mylord donkey" nachkreischen, oder dem Franzosen "Monsieur l'ane". Dass natürlich eine Menge Cafés chantants, abgesehen von den arabischen Kaffeehäusern, wo man sich bei einem Tschibuk und Nargileh die Ohren zerreissen lässt, in Cairo sind, braucht kaum wohl erst gesagt werden; wo Franzosen sind, giebt es Cafés chantants; an der Esbekieh, diesem herrlichen Platze, der der Stolz einer Hauptstadt in Europa sein würde, aber in den Händen einer mohammedanischen Regierung es nie zu etwas anderem als einem grossen Schmutzgarten gebracht hat, besteht fast die ganze eine Reihe von Häusern aus Hôtels und Cafés chantants.[3] Wir lernten auch einen Oberst kennen, der früher aus der preussischen Armee zur Instruction nach Aegypten commandirt wurde, dann später in ägyptische Dienste selbst übertrat und bis zum Oberst avancirt ist. Herr Blümerl-Bey, so heisst dieser würdige Mann, hatte, obgleich Oberst, seit einem Jahre keinen Sold bekommen. Aber nicht bloss beim Militair traten diese Rückstände ein, und sind, so zu sagen, chronisch, es ist dies in der ganzen Administration der Fall, woher es denn auch kommt, dass all und Jedermann, um sein Leben zu fristen, stehlen und betrügen muss. Als interessante und liebenswürdige Persönlichkeit muss ich noch der Frau v. Lex erwähnen, Gemahlin des russischen Generalconsuls, leider leidet diese Arme schon seit längerer Zeit an einem chronischen Leiden, so dass sie viel der Gesellschaft entzogen wird. Frau von Lex, welche, wenn ich nicht irre, eine Tochter des Kaisers Nicolaus ist, spricht alle lebenden Sprachen mit gleicher Fertigkeit. Uebrigens fehlte es nicht an interessanten Persönlichkeiten in Cairo, der junge Prokesch-Osten war angekommen mit seiner Gemahlin, Hübner und Roon[4] wurden erwartet und überhaupt war in diesem Winter der Zufluss von Fremden, die fast alle nach Oberägypten wollten, so gross, dass der Vicekönig, welcher vornehmen Gästen einen Dampfer oder Dahabioh zur Disposition zu stellen pflegt, sich gänzlich ohne Schiffe sah.

Unterdessen kam immer noch keine Antwort aus Sues und auf eine schriftliche Anfrage, ob die Engländer mir Passage nach Annesley-Bai bewilligen könnten, erfolgte die unbestimmte Antwort, wir müssten ein Telegramm von Bombay abwarten. Unter den Umständen hielt ich es für das Beste, am 21. December mit dem Dampfer nach Sues zu geben. Graf Seckendorf hatte die Güte, meine schwere Bagage und Pferd etc. zu sich zu nehmen, da v. Seckendorf und Stumm als Offiziere schon auf englische Kosten reisten, und mir dadurch bedeutende Ausgaben erspart wurden. Von Seckendorf und Herr Stumm wollten in einigen Tagen nachfolgen. - Man legt den Weg von Cairo nach Sues in der Regel in fünf Stunden zurück, obgleich er gut in drei gemacht werden könnte. Aber wer einen Begriff vom Betrieb der ägyptischen Bahnen hat, wird sich gar nicht wundern, dass wir anstatt fünf, acht Stunden brauchten. Wenn man nur von Aussen die Waggons der Eisenbahn ansieht, so ist man erstaunt, wie zerfallen und schlecht alles im Stande ist, wie dieselben im Anfange von Europa gekommen sind, so hat man sie gelassen; kein Mensch denkt daran, sie einmal anzustreichen oder etwaige Schäden auszubessern, und sind die Wagen erster Classe schon von Alexandrien nach Cairo schlecht, so ist diese Linie wahrhaft abscheulich, sie kleben von Schmutz. Das Beamtenpersonal, das sich aus beliebigen Bummlern zusammensetzt, ist keineswegs uniformirt, alle in mohammedanischer Tracht, läuft der eine ohne Hosen, der andere ohne Hemd einher. Dass alle darauf sehen, ein Profitchen auf Kosten der Regierung zu machen, darf Niemand verwundern, denn ihnen Gehalt, zu geben, daran denkt kein Mensch mehr, so kommt es denn vor, dass ein Drittel der Reisenden für halben Preis reist, da sie die Billets von den Beamten nicht nehmen, sondern diesen dafür das Geld baar zahlen. Eine andere grosse Unannehmlichkeit ist noch die, dass auf der ganzen Strecke von Cairo nach Sues keine Erfrischungen zu bekommen sind; der traurige Weg, man durchschneidet eine vollkommene Wüste, trägt noch mehr dazu bei, diesen Mangel fühlbar zu machen, und ich rathe allen Reisenden, sich ja bei ihrem Abgange mit etwas Ess- und Trinkbarem zu versehen.

In Sues wurde ich an der Station vom preussischen Consularagenten Herrn Bronn empfangen, und nachdem ich mein Gepäck im Victoria-Hôtel untergebracht hatte, begaben wir uns sogleich aufs englische Bureau, um zu erfahren, ob eine Antwort auf das Telegramm eingetroffen. Das war nun leider nicht der Fall, obschon dreimal telegraphisch in Bombay abgefragt war, man also nahe an 500 Frs. verausgabt hatte. In den folgenden Tagen kamen auch Graf Seckendorf und Stumm und logirten sich ebenfalls im Victoria-Hôtel ein, was allerdings äusserst schlecht war, indess den Vortheil gewährte, dass jeder sein eigenes Zimmer haben konnte. Das andere Hôtel, das sogenannte englische oder Sues-Hôtel ist das beste in ganz Aegypten, war indess in jenen Tagen immer so überfüllt, dass die meisten Herren im grossen Salon oft zu dreissigen zusammen schlafen mussten. Von der Peninsularcompagnie gegründet, ist es eigentlich nur für die nach Indien und China gehenden Passagiere bestimmt und hat noch das Eigenthümliche, dass, wie an Bord des Schiffes, eine Abtheilung und table d'hôte erster Classe und eine andere für Passagiere zweiter Classe existirt. Sonderbar ist auch, dass im Hôtel selbst sich die englische Kirche befindet.

Sues, jetzt im Aufblühen begriffen, (vor zwanzig Jahren hatte es kaum 500 Seelen, während es jetzt nahe an 20,000 Einwohner zählt), ist sonst einer der unangenehmsten Orte der Welt, kein Baum oder Strauch erfreut das Auge; überall, wohin man sieht, ist Wüste und kahle Berge. Die Stadt selbst unter ägyptischer Administration ist ebenso schmutzig, wie jede andere in diesem Lande, indess sind die Hafenanlagen, die grossartigen steinernen Molos, die Doks, in denen die grössten Schiffe reparirt werden können, bewundernswerth. Der Verkehr ist durch die englische Expedition natürlich sehr gesteigert, alles hat einen netten Impuls bekommen, und die Preise haben damit natürlich gleichen Schritt gehalten. So bezahlt man im Hotel für Kost und Logis ohne Wein per Tag 80 Frs., für einen Diener 10. Letztere sind in ihren Forderungen derart, dass man, falls man ihnen Kost giebt, sich mit 20 Thaler monatlich begnügen, während man keinen ohne Kost für minder als 30 Thaler bekommen kann. Natürlich haben die Canalbauten auch viel Einfluss auf diese Verhältnisse gehabt, mehr indess noch die abessinische Expedition. Die Ausgaben dafür sind ganz fabelhaft, allein die Miethe der Aziziedampfer, jedes zu 100 Pfund Sterling per Tag, kostet eine Summe, die jetzt schon auf Hunderttausende sich beläuft.

Am 28. war noch keine Antwort von Bombay, die preussischen, italienischen und englischen Offiziere wurden indess mit einigen hundert Maulthieren an Bord der Great Victoria eingeschifft und Graf Seckendorf hatte wieder die Güte, mein Pferd und Diener mitzunehmen, da ich die Absicht hatte, nur noch einige Tage zu warten, ich hatte selbst auch noch nach London an Sir Northcote, Chef vom Indian Board, telegraphirt; aber ich ärgerte mich nicht wenig, als ich nach Sues zurückkam, (ich hatte die Herren an Bord begleitet), endlich eine Depesche von Bombay vorzufinden, mit der Weisung, mich einzuschiffen. Wäre sie einige Stunden eher gekommen, so hätte ich mit der Great Victoria fahren können. Indess fehlte es an Dampfern nicht, und schon am 30., also noch im alten Jahre, fand ich den ägytischen Dampfer Yambo bereit, auszulaufen. Dieser hatte das Angenehme, dass er kein Vieh an Bord hatte, sondern bloss Proviant; ausserdem war ich der einzige Passagier. So viel Raum ich nun auch hatte, ich konnte mir die beste Cabine aussuchen, so war ich andererseits verpflichtet, für meinen Unterhalt zu sorgen, da die ganze Mannschaft, vom Commandanten an bis zum Jungen, aus Arabern bestand. Herr Bronn war indess so freundlich, mir Bier und einige Flaschen Cognac aus dem indian stock in Sues zu verschaffen, und Capitain Willaugby, der alle Einschiffungen in Sues zu besorgen hatte, empfahl mich dem englischen Ingenieur an Bord, der es denn auch übernahm, mir Speise von seinem Tische zu geben. Es war dies um so angenehmer, als ich sonst gezwungen gewesen wäre, blos Nachts zu essen, denn wenn auch der Commandant und seine Offiziere recht gute Küche zu haben schienen, sich sogar oft der Gabeln bedienten, Tischtuch hatten, ja manchmal statt aus Einer Schüssel zu fingern, sich die Speisen auf Teller legten, so wäre es für mich unangenehm gewesen, ihre Einladungen annehmen zu müssen, da sie bloss des Nachts assen: der Ramadhan hatte angefangen. Im Uebrigen waren es die liebenswürdigsten Leute, und ich bewundere ihre Geduld: alle, vom Commandanten bis zum Spielvogel, hatten seit Monaten keine Gage mehr bekommen. Mit Ausnahme des Commandanten, nahm ich gleich die Offiziere in meinen Dienst[5], Stewards oder Kellner waren ausser dem für den Commandanten keine an Bord; der erste Offizier oder Obersteuermann nahm es daher auch gar nicht übel, als ich ihn aufforderte, mein Bett zu machen und die Stube auszukehren; sie freuten sich im Gegentheil, noch einen Prussiano, dies ist jetzt für die Araber ein legendenhaftes Volk geworden, zu haben, der in ihrer Muttersprache mit ihnen sprechen konnte, und nichts war ihnen lieber, als vom Sultan Uilem und dem Grossvezier Bi-Smark zu sprechen. Natürlich waren diese beiden Persönlichkeiten, d. h. König Wilhelm und Graf Bismarck, Leute für sie, wie Harun ar Raschid und sein Vezier Djaffer und namentlich der Name des Grafen Bismarck, den sie sich Bi-Smark übersetzten, d. h. mit Kraft[6], gab ihnen viel zu denken.

Wir verliessen, durch die vielen englischen, französischen und ägyptischen Dampfer hindurchfahrend, Sues um 4 Uhr Nachmittags am 30. December bei vollkommenem Sommerwetter. Rechts und links hatten wir die sonderbar geformten Berge des Sues-Busens und behielten sie auch in Sicht bis zum Abend des folgenden Tages, nachdem wir schon wirklichen Abschied vom Lande am Sylvester um 4 Uhr Nachmittags nahmen, mit Ras Mohammed und der Insel Scheduan. Aber noch Abends am letzten Neujahrtage hatten wir bei Mondschein immer Land im Gesicht; am 1. indess des Morgens, als ich auf Deck kam, sah man nur die tiefblauen Wellen des Rothen Meeres, alles Land war verschwunden.

Am 5. Januar, also am Sonntage, liess der Commandant des Dampfers, Abd-Allah-Effendi, am Abend bei der Insel Haras (Harat der Petermann'schen Uebersichtskarte von Abessinien) beilegen, da er sich nicht traute, Nachts so nahe der Küste und wegen der vielen Riffe, wie er sagte, weiter zu fahren. Wir hatten übrigens einen Piloten bei uns, der indess nichts mehr von der See zu verstehen schien, als Abd-Allah selbst. Das Leben an Bord fing mir nachgerade an, überdrüssig zu werden; das fortwährende Geschrei und Pfeifen, Jeder wollte immer zum Commando sein Wort mit einlegen; der Schmutz, die zerlumpten Gestalten der ganzen Mannschaft vom Commandanten an bis zum letzten Matrosen, machten den Aufenthalt an Bord dieses ägyptischen Dampfers der Aziziecompagnie keineswegs zu einem angenehmen. Gleich am ersten Tage entdeckte ich, dass in meiner Cabine ein förmliches Ameisennest war, deren Höhle zwischen der doppelten Wandung hinter meinem Bette war, von wo aus sie Strassen nach allen Richtungen hin hatten; es war die kleine rothe afrikanische Ameise, die übrigens den Menschen nicht gefährlich ist. Natürlich fehlte es an anderem Ungeziefer auch nicht, verschiedene Fliegen und Käfer, kleine und grosse, hatten ungestört Besitz ergriffen von den fast immer leer stehenden und nie gereinigt werdenden Cabinen. Ich war daher froh, als wir Montag Morgen, am 6. Januar, Massana gegenüber waren, also hoffen konnten, bis Mittag vor Zula zu sein.

[1]Unter anderen hat der spanische Consul vom Vicekönig eine allerliebste Villa kürzlich als Bakschisch erhalten.

[2]Im Juli 1868 hat er einen Brief veröffentlicht im "Progès egyptien", wo er sich unter den Schutz der europäischen Consuln stellt.

[3]Im Juli 1868 auf der Rückreise fand ich grosse Verbesserungen, z. B. eine eiserne Einfriedigung und Gasbeleuchtung.

[4]Ist nicht eingetroffen.

[5]Gegen entsprechende Bakschisch.

[6]Im Namen des Feuers oder des schnellen Handelns auf Arabisch.


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