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2. Lager von Mulkutto und Abreise nach Senafe.

Um 2 Uhr Nachmittags warfen wir Anker in Mitten einer grossen Anzahl von Dreimastern, fast lauter Dampfern. Die letzte Fahrt, bei dem zwischen Massana und der Annesley Bay liegenden Gadam-Berg vorbei, der nach Norden zu vollkommen mit grünem Buschwerk bewachsen war, dann auf der anderen Seite die Dessi-Insel, fortwährend an den kleinen Araberschiffen mit ihren lateinischen Segeln vorbeifahrend, war äusserst interessant. Und nun der Hafen erst, oder vielmehr die Rhede von Zula, wenn man nicht die ganze Annesley Bay den schönsten Hafen der Welt nennen will. Vom Schiffe aus konnte ich das rege Treiben einiger Tausend Menschen, die beschäftigt waren, den grossen Damm, der als Molo ins Meer führt, fertig zu machen, denn er ging schon beinahe einen Kilometer weit ins Meer hinein, betrachten. Aber meine erste Sorge war jetzt ans Land zu kommen, obgleich uns die an Bord kommenden Piloten gesagt hatten, dass Herr Napier noch an Bord seiner Fregatte sei; es war mir darum zu thun, meine Empfehlungsbriefe abzugeben, um mich dann so bald wie möglich zu installiren. Ein Boot unseres Aegypters brachte mich schnell durch das Gewirr von Schiffen hindurch ans Ufer, und im Zelte des Times-Correspondenten, dem ich auch einen Brief zu überbringen hatte, fand ich einen Adjutanten des Generals, der mir sagte, dass Alles für mich in Ordnung sei, und ich am folgenden Tage ans Land kommen möchte. Ich sagte dann noch schnell den beiden preussischen Offizieren guten Tag, die erst am selben Tage ausgeschifft waren und gerade ihre Zelte bezogen, um wieder an Bord zurückzukehren. - Der Adjutant sagte mir zugleich, dass Sir Robert Napier einen Brief von Seiner königl. Hoheit unserem Kronprinzen wegen meiner Unternehmung erhalten habe, und dem hatte ich es wahrscheinlich zu verdanken, dass man mich mit so grosser Bereitwilligkeit aufnahm.

Am anderen Tage liess ich mich dann ans Land setzen und fand ein sehr geräumiges Zelt im Generalstabe für mich aufgeschlagen, dicht bei dem der preussischen Offiziere. In dieser Beziehung waren alle Offiziere so ausgestattet, wie es in Frankreich kaum die Generäle sind, denn in Deutschland haben in Campagne die Armeen keine Zelte. Die meisten Zelte waren so gross, dass 40 Soldaten hätten darin campiren können, und alle waren doppelt und so hoch, um hinlänglich Luftzug zu gewähren.

Aber schon gleich am ersten Tage sollte ich einen Begriff von der Hitze haben, wie sie, und nachher sah ich dies, fast fortwährend mit afrikanischer Gleichmässigkeit an der Küste des Rothen Meeres herrscht; das Thermometer stieg im Schatten bis auf 30deg.[7], gewiss für Januar eine bedeutende Hitze, und Morgens kam es nie unter 20deg.. Dabei war die Feuchtigkeit eine ganz ungewöhnliche, das Hygrometer erreichte manchmal 90deg., war aber nie unter 60deg.. Ich denke übrigens, dass die Feuchtigkeit im Winter eine gesteigerte ist, indem die Regenzeit des Mittelländischen Meeres sich ans ganze Rothe Meer und an dessen afrikanischer Küste nach Süden bis zur Strasse von Babel Mandeb hinab erstreckt, und selbst auf eine Distanz von einigen deutschen Meilen ins Innere hineingeht. Es ist dies auffallend genug, da einestheils die Regenzeit des Mittelländischen Meeres sich nicht ein Mal auf Nordägypten erstreckt, dann auch nicht die Ostküste des Rothen Meeres, die arabische Halbinsel mit berührt. Indess hat in Aegypten in Beziehung des feuchten Niederschlages auch ein bedeutender Wechsel stattgefunden, während es früher z. B. in Cairo fast nie regnete, wird es jetzt regelmässig von der Mittelmeersregenzeit in Mitleidenschaft gezogen und letzten Winter fanden so starke Regengüsse in Cairo statt, dass viele Häuser, von vornherein nicht gebaut, um dem Wasser Widerstand leisten zu können, dabei zu Grunde gingen. Die Winde, fast immer aus Norden kommend, sind, obgleich nicht heftig, doch Mittags sehr unangenehm, weil sie eine Menge Staub mit sich führen; nie steigerten sie sich über 2deg. Stärke (ein widerstandsloser Orkan zu 6deg. angenommen, da es die Transportmittel nicht gestatteten, einen Windmesser mitzunehmen) und Morgens, Abends und Nachts war fast immer complete Windstille.

Man hatte mich gefragt, welchem Stabe ich zugetheilt zu werden wünsche, und ich, nach genommener Rücksprache mit den preussischen Offizieren, sagte, dass es mir einerlei wäre, vorausgesetzt, wenn ich mit diesen Herren zusammen bleiben könne. Es wären mir zwar manche Vortheile erwachsen, wenn ich, wie ich konnte, im Stabe des commandirenden Generals selbst geblieben wäre, andererseits erwuchsen mir so viele Annehmlichkeiten durch das Zusammenhalten mit meinen Landsleuten, dass ich keinen Augenblick zögerte, ihre Geschicke theilen zu wollen. Das enorm theuere Leben im Lager, wo alle Gegenstände einen fast zehn Mal höheren Preis hatten, als in Europa, konnten wir uns durch ein Zusammenhalten etwas erleichtern. Als Beispiel führe ich an, dass es gar nicht möglich war, Diener unter 6 Pfund Sterling monatlich zu bekommen und in diesen selben Verhältnissen war das ganze Leben.

Nachmittags am folgenden Tage liess ich mich ans Land setzen und begab mich zum Stabe der Division Staveley, dem die preussischen und italienischen Offiziere zugetheilt waren; auch mir wurde gleich an demselben Tage ein grosses geräumiges Zelt dicht neben dem der preussischen Offiziere angewiesen, so dass keiner von uns nöthig hatte, sein eigenes Zelt aufzuschlagen. Wir arrangirten uns dann so, dass wir Fremden mit den Stabsoffizieren der Division eine Messe oder Esstisch zusammen einrichteten.

Erst einige Tage später wurden wir Sir Robert Napier, dem commandirenden General der Expedition, vorgestellt; er war so mit Geschäften überhäuft, dass er uns nicht gleich sehen konnte. Am selben Tage, als wir vom General empfangen wurden, lud er uns ein, ihn an Bord der im Hafen liegenden ägyptischen Fregatte zu begleiten, um dem Commandeur derselben, einem Bascha, einen Besuch zu machen. Natürlich gab es dort Tschibuk und Kaffee und während der ganzen Zeit hörte die recht hübsch gekleidete Musik nicht auf, unsere Ohren zu martern mit disharmonischen Ambermelodien; als wir fortgingen, spielten sie indess "God save the queen" nicht übel und 19 Kanonenschüsse, oder waren es 21 ? drückten dem Ganzen einen feierlichen Stempel auf. Von da fuhren wir nach den sogenannten Hospital-Schiffen, grosse Transportdampfer, die zur Aufnahme der Kranken eingerichtet waren. Jedes hatte 250 Betten und da vier vor Zula lagen, so war Aufnahme von 1000 Kranken möglich. Die Einrichtung war ganz ausgezeichnet, man könnte sagen, dass sie zu luxuriös war, wenn überhaupt zu viel Aufwand für Kranke gemacht werden kann. Die Schiffe hatten jedoch den Fehler, dass sie von Eisen waren und die Ventilation eine mangelhafte war. Die Hitze stieg jetzt im Januar schon auf über 30deg., wie hoch musste sie also im Sommer kommen. Wir inspizierten sodann die verschiedenen Bauten am Hafen, den grossen, steinernen Molo, der jetzt schon einen Kilometer weit ins Meer hineinführt und später einen bequemen Abladungsplatz geben wird. Auf demselben läuft eine Eisenbahn, die bis an die Berge, also ca. 3 Stunden lang, gehen soll. Die Anlagen sind so grossartig, dass man staunen muss; allein mit Geld ist Alles zu bewältigen. Natürlich sind die Vorposten, die augenblicklich, Anfang Januar, in Senafe stehen, telegraphisch mit Zula verbunden.

Obgleich man uns Anfangs gesagt hatte, dass wir zur Avantgarde aufbrechen könnten, wenn wir wollten, so wurde diese Erlaubniss aus Mangel an Maulthieren nachher wieder aufgehoben. Man wollte die Anhäufung von Lebensmitteln und Vorräthen in Senafe möglichst beschleunigen, um dann schneller vorwärts gehen zu können. Was die Eingeborenen Schoho, Habab und die im Lager beschäftigten Abessinier am meisten bei diesen, bei ihnen nie gesehenen Dingen in Verwunderung setzte, war die Lieferung von Süsswasser, welches durch Condensationsmaschinen täglich in einer Quantität von circa 200 Schiffstonnen destillirt wurde: "Gott lässt deshalb dies Jahr nicht regnen," sagten sie, "weil ihr selbst das Geschäft übernommen habt." Dann konnten sie gar nicht die Gelehrigkeit der Elephanten begreifen, welche die Engländer aus Indien Transports halber hatten kommen lassen; sie kannten sie ja nur vom wilden Zustande her. Die Gelehrigkeit dieser Thiere ist in der That bewunderungswerth; ich hatte Gelegenheit, die Ausschiffung dreier dieser Ungeheuer zu sehen, wie sie zuerst von dem grossen Transportdampfer auf ein Schaland hinuntergelassen wurden, welches sie dann an den steinernen Damm brachte. Sie waren dann vollkommen frei, gehorchten nur auf die Stimme ihrer Wächter und wussten es so einzurichten, dass das Schaland während der Fahrt, sie waren zu Dritt, fortwährend im Gleichgewicht blieb. Man benutzt sie hauptsächlich zum Transport des schweren Geschützes und der Munitionskisten und sie selbst beladen sich mit den Kanonen, indem sie dieselben mit den Rüsseln ergreifen und sie auf die Seiten hängen. Ein Elephant vermag mit Leichtigkeit auf diese Art zwölf Centner zu tragen.

Man suchte es sich indessen im Lager so bequem wie möglich zu machen, obgleich die grösste Zeit des Tages über an Arbeiten der Unzahl von Fliegen wegen und der grossen Hitze, die im Schatten von 11 Uhr Vormittags an bis 5 Uhr Abends sich immer auf + 30deg. C. hielt, gar nicht zu denken war. Vermehrt wurde diese Pein durch einen regelmässig gegen Mittag aufkommenden Nordwind, der an und für sich ganz angenehm gewesen wäre, uns aber, mit Staub geschwängert, den er aus der unmittelbaren Nähe des Lagers aufjagte, sehr lästig wurde. Wenn aber die Tage unerträglich waren, boten die Nächte Ersatz, die Temperatur war dann 20deg. und es herrschte immer vollkommene Windstille.

Nach und nach kamen denn auch berühmte Persönlichkeiten. Krapf und Markham von der geographischen Gesellschaft in London, befanden sich schon in Senafe, Grant, der Gefährte Speke's, war hier, Werner Munzinger war von Senafe in Begleitung des General Merewether, welcher die Seele der Expedition ist, hier eingetroffen. In Letzterem lernte ich einen der liebenswürdigsten und gescheitesten Männer kennen, was man vom commandirenden General eben nicht sagen konnte. In der That kann man dreist behaupten, dass, wenn Sir Robert nicht einen so tüchtigen und energischen Mann im quarter master general Oberst Phayre gehabt hätte, die Campagne jedenfalls zwei Jahre gedauert haben würde.

Das Lager an und für sich bot den eigenthümlichsten Anblick: Sowie man vom Molo kam, stiess man zuerst auf die angehäuften Vorräthe, verschiedene Commissariate, Behörden, Fabriken etc. etc., indess so schlecht waren dieselben placirt, dass am 11. Januar beim Eintritt einer hohen Springfluth für einige Tausend Pfund Sterlinge Sachen verdarben, alles schwamm im Wasser. Das übrige Lager war so entsetzlich unregelmässig aufgebaut, trotzdem man die schönste Ebene zur Disposition hatte, dass es sehr schwer gehalten haben würde, einen Plan von Mulkuttu, so heisst das Lager von Zula, zu machen. In der That fand man kaum einige gerade Zeltstrassen, die einzigen, die noch einigermassen ein ordentliches Ansehen hatten, waren die vom Hauptquartier. Uebrigens änderte das Lager auch alle Tage sein Aussehen, heute kamen Truppen und wurden am folgenden Tage schon wieder von anderen verdrängt, um ins Gebirge zu gehen. Eine lange Reihe Verkaufsläden hatte sich auch schon gebildet, der sogenannte Bazar, und alle Tage wurde diese Strasse länger und eine zweite entstand bald daneben. Hier herrschte das bunteste Treiben, Araber, Türken, Schoho, Habab, Abessinier mit kraus gelocktem Haar, Soldaten, Matrosen, Europäer, alles trieb sich dort durcheinander und von der einfachsten aus Baumzweigen zusammengesetzten Hütte bis zu schönen aus Holz aufgeführten Häusern, sah man, dass arm und reich darauf hin arbeite, Geld zu machen. In der Mitte des Bazar sah man an einem Kreuzwege ein Zelt von hoher englischer Flagge überschattet, unter derselben hatte man einen Dreifuss hingezimmert, wo alle Morgen die zudictirten Strafen Knutenhiebe ausgetheilt wurden; und da war kein Unterschied, der europäische Kaufmann erhielt für ein Vergehen so gut wie der ganz nackte Abessinier seine Dutzende Hiebe, der englische Soldat so gut wie der aus Indien. Wollte man durch diese hohnsprechende Oeffentlichkeit einer degradirenden Strafe abschrecken oder ist das in England, welches sich zu den freiesten und civilisirtesten Ländern der Erde zählt, so Sitte. Möglich, dass man uncivilisirte Völker nur mit dem Stock regieren kann, warum aber europäische Kaufleute und englische Soldaten auf gleiche Stufe hinabsetzen? Insofern hielt indess das englische Commando gute Ordnung, als es den Branntweinverkäufern streng verboten war, Matrosen ohne einen Schein eines Offiziers Schnaps zu verkaufen.

Am 11. Januar schickte Djemil Pascha, Commandeur der ägyptischen Fregatte Ibrahimia, eine Einladung für General Napier und seinen Stab, an Bord des Schiffes zu speisen, natürlich waren wir Fremden alle mit eingeschlossen. Um 7 Uhr Abends ritten wir hinunter an den Peer, wo wir ein Schiff zu unserer Aufnahme bereit fanden. Eine wunderbar schöne Nacht, ausnahmsweise wehte ein leiser Südwind (sonst ist in dieser Jahreszeit der Wind immer nördlich) und wenn auch in Südosten schwarze Wolken am Himmel lauerten, so war derselbe doch vollkommen rein und bei abwesendem Mondschein funkelten die Sterne um so heller. Aber wenn es schon reizend aussah, die hundert Dreimaster alle mit Laternen auf ihren Masten zu sehen, so hatten wir heute das wunderhübsche Schauspiel eines erleuchteten Schiffes und wer da weiss, wie weit die Türken und Aegypter es in der Illuminationskunst gebracht haben, kann sich eine Vorstellung dieses Spectakels machen, wenn ich sage, dass alle Rahen, die Mastbäume und dicken Tauwerke mit unzähligen kleinen Lämpchen behängt waren, welche auf diese Art mathematische Feuerfiguren bildeten, die, so wie wir uns der Fregatte näherten, immer eine andere Gestalt annahmen. Wir mochten im Ganzen 80 Personen da sein, denn ausser Napier's Stab waren die Chefs der einzelnen Abtheilungen, die im Hafen anwesenden englischen und französischem Marineoffiziere eingeladen, und zudem hatten zwei andere in der Bucht liegende ägyptische Kriegsschiffe, die auch illuminirt waren, indess minder reich, ihr Contingent an Offizieren geschickt.

Sobald wir an Bord kamen, spielte wieder die ägyptische Musik ihre Nationalhymne und wir wurden nach den Begrüssungen aufgefordert, Platz zu nehmen. Unter der Zeit wurden die Tischarrangements beendet. Ein grosser hufeisenförmig gesetzter Tisch nahm das ganze Quarterdeck ein. Um 8 Uhr setzte man sich zur Tafel, Jeder konnte sich seinen Platz nehmen, und so wollte der Zufall, dass ich zwei ägyptischen Offizieren gegenüber kam, von denen der eine, Hassan Effendi, Oberst und Adjutant von Abd-el-Kader-Pascha, derzeitig Gouverneur von Massaua war. Da sie nicht wussten, dass ich arabisch verstand, so bekam ich einige eigenthümliche Reden von ihnen zu hören, eben nicht allzu schmeichelhaft für uns, wenn sie wahr gewesen wären; aber man kann sich einen Begriff von der Bildung des Herrn Oberst machen, als er, wenn Scherry herumgeschenkt wurde, zu seinem Cameraden sagte: "ich trinke diesen Cognac nicht, sonst werde ich zu schnell besoffen." Komischer Weise hatte sich der einschenkende Kellner vergriffen: er goss uns sauren Claret ein. Im Uebrigen war das Diner ausgezeichnet, das Service alles von Silber, die Gedecke von tadelloser Reinheit und Weisse. Was die Weine anbetrifft, nun, da kann man den Aegyptern, die ja keine Weintrinker sind, keinen Vorwurf machen, dass manche schlechte Sorte sich mit eingeschlichen, Einige erhielten sehr guten, Andere kaum trinkbaren Wein; reichlich waren sie da und die Engländer konnten in Champagner, der vielleicht erst in Alexandrien fabricirt worden war, schwelgen. Hassan-Effendi, mein Vis à vis, genirte sich indess sehr, seinem Durste freien Lauf zu lassen, denn es war a Ramadhan, und selbst die Neutürken sehen in dieser Zeit etwas aufs Decorum, und nun hier, in Gegenwart von all den mohammedanischen Matrosen, die vielleicht auch gern getrunken hätten, aber bloss Kellnerdienste verrichteten, was sie ebenso gut konnten, wie Leporello, als er Don Juan bediente, waren sie erst recht genirt. Aber Hassan-Effendi fand bald ein Mittel, zu trinken, ohne dass es von seinen Correligionären bemerkt wurde. Neben ihm sass der italienische Major, Herr Bacon, der keinen Rheinwein trank; diese Flasche mit einer anderen Hochheimer annectirte sich Hassan-Effendi, stellte sie unter den Tisch, und nun über und unter dem Tische trinkend, steuerte er rasch auf das Stadium zu, welches die Mohammedaner Kif, d. h. Glückseligkeit, nennen. Der Champagner vollendete unsern Effendi ganz und gar. Während des Diners spielte die Musik und vom Vorderdeck der Ibrahimia wurde ein Feuerwerk abgebrannt. Was mochten wohl die Schoho und anderen Habessinier davon denken, als sie dies Feuerschiff und dann die in der Luft platzenden Raketen funkeln sahen. Diese ganze Festlichkeit dauerte bis Mitternacht, wo wir wieder in unsere von Schakalen umschwärmten Zelte heimkehrten.

Am 17. Januar endlich hatte man uns bewilligt, von Mulcutto auf brechen zu können, jedoch mit der Bedingung, den Taconda-Pass, welcher das eigentliche Hadasthal ist, hinaufzuziehen und ganz uns selbst auszurüsten und zu verproviantiren. Warum man uns verweigerte, den Komeilo-Pass hinaufzugehen, welcher jetzt eine fahrbare Strasse hatte und überall bequeme Haltestationen bot, konnte ich nie erfahren, ich glaube, es war bloss, um uns fühlen lassen, dass man Herr im Lande sei. Es war dies umsomehr zu verwundern, als man gleich darauf einem gewissen Lord Adair bewilligte, diesen Militär-Pass, wenn ich so sagen darf, zu benutzen; aber freilich ein "Lord" ist in den Augen der Engländer ein grosses Ding, und Lord Adair war noch dazu Correspondent eines Blattes, das englische Commando hatte also alle Ursache, ihn zu schonen. Wir kauften uns zu unserer Reise fünf Maulthiere, mein Reisegefährte hatte deren ausserdem schon zwei, und verproviantirten uns auf dem Markte von Zula. Das englische Commando endlich lieh uns Sättel zur Bepackung unserer Lastthiere. Herr Munzinger hatte die Güte, uns einen Führer und zwei zeitige Diener aus dem Stamm der Assarta, welche zu der Schoho Tribus gehören, zu miethen. So ausgerüstet traten wir Morgens unseren Marsch an; aber wenn ich auch oft schon Reiseantritte in Afrika erlebt bitte, und aus Erfahrung wusste, dass der erste Tag immer mit Hindernissen aller Art verknüpft ist: Das Gepäck ist nicht richtig vertheilt, Stricke reissen, das Vieh ist ungelehrig, schmeisst ab, die Diener verstehen ihre Sachen noch nicht etc. etc., aber so etwas hatte ich noch nie erlebt, gleich im Lager schon schmissen unsere Thiere, weil sie schlecht gepackt waren, ab, und die sogenannten englischen Bombay-Sattel waren der Art, dass an gut Packen gar nicht zu denken war. Wir brauchten bis Hadoda, der ersten Etappe, circa 15 engl. Meilen von der Küste entfernt, und in den ersten Ausläufern der abessinischen Bergketten gelegen, fast 9 Stunden. Und diese legten wir ohne Wasser, in der grössten Tageshitze bei einem sehr staubigen Wege zurück. Der Weg, der zur Regenzeit sehr hübsch hätte sein müssen, denn rechts und links zeigten sich Prärien voll hohen verdorrten Grases und überall war Buschwerk von Lotus, Euphorbien, Mimosen etc., bot jetzt nur das Bild einer verdorrten Gegend, wie man sie bei uns im Winter sieht. Das alte Adulis links liegen lassend, berührten wir den kleinen Ort Aftah, bloss aus einigen elenden Hütten zusammengesetzt, und kamen beim Dunkelwerden in die Schlucht von Hadas, wo derselbe zwischen fast 1000' hohen Wänden sich in die Ebene einen Durchbruch gemacht hat. Leider war es so dunkel, dass wir nicht mehr vollkommen die Schönheit dieser imposanten Passage wahrnehmen konnten, aber Hunderte von Affen, die mit Gebell und Geheul uns bewillkommten, zeigten uns bald, dass hier Wasser sein müsse und so war es auch: auf eine schmale Spalte zusammengedrängt und Felsen zur Unterlage habend, tritt das Wasser in der Schlucht zu Tage und bildet einen rieselnden Bach.

Von hier bis zum Lagerplatze von Hadoda, wo ein englisches Depot sich befand, waren nur noch einige Schritte. Mein Reisegefährte war schon lange vorher angekommen, da er wahrscheinlich Hitze und Staub nicht eben für angenehme Reisegefährten zu halten schien.

Das englische Depot, welches aus allerlei Proviantanhäufungen bestand und von einem Engländer und mehreren indischen Soldaten bewacht war, sollte jetzt nach Komeile geschafft werden; man hatte es gebildet, bevor man den Komeilepass als näher und gangbarer kannte, jetzt war es daher vollkommen überflüssig. Wir fanden im englischen Depot die freundlichste Aufnahme, aber trotz der Müdigkeit wurden wir häufig geweckt durch das Heulen der Hyänen, der Schakale und Affen, welche die Nähe des Wassers anlockte.

Obgleich wir am anderen Morgen um 5 Uhr auf den Beinen waren, konnten wir doch erst um 7 Uhr abgehen, da das Packen so lange aufhielt. Wir kamen nun bald vollkommen ins Gebirge, d. h. in das Haddasthal, zu beiden Seiten aus circa 8000' hohen, ziemlich steilen Bergen gebildet, die oft sehr enge an einander treten. Wir hatten uns, um nicht vom Durst, wie am vorigen Tage, zu leiden, zwei Leute gemiethet, die bis Hamhammo, dem nächsten Wasserorte im Thale, volle Schläuche zu tragen hatten. Man hat viel darüber geschrieben, wie es möglich gewesen sei die Stadt Adulis in einer Ebene zu erbauen, die einen grossen Theil des Jahres ohne Wasser ist, einige haben gemeint, es hätte eine Röhrenwasserleitung von Hadoda nach Adulis geführt. Ich glaube aber einfach die Sache so erklären zu müssen, dass der Hadas vor Zeiten immer Wasser bis ans Meer wird gehabt haben, und dass die Trockenheit des Bettes durch die Entholzung der abessinischen Gebirgsketten entstanden ist. So hat diese Entholzung das Abschwemmen der Erde von den ohnehin schon steilen Bergwänden zur Folge gehabt, und diese Erde hat sich als Alluvium an der Küste des Rothen Meeres aufgehäuft. Die einstige Insel Buri ist auf diese Art zu einer Halbinsel geworden, und Adulis ist jetzt mit einer Schicht von 30' hohem Erdschutt bedeckt. Dies bestätigte, mir Munzinger, der sagte, dass bei neulichen Bohrversuchen die Engländer erst bei 30' auf den eigentlichen Grund von Adulis gekommen wären. Der Weg war ziemlich ein einförmig, denn wie gesagt, die Berge entbehrten sehr des Baumschmuckes; vieles Karavanen von Schoa-Leuten, mit Rindshäuten beladen, oder Ziegen und, Rinderheerden vor sich hertreibend, dann grosse Züge von Pavianen und Meerkatzen, neugierig und lärmend auf uns herabschauend, belebten etwas das Bild. Das Wasser im Hamhammo fanden wir brakisch, zogen deshalb weiter nach Ilelea, welches etwas mehr hinauf liegt. Da, wo von Westen das Urrothal einmündet, hatte sich eine reizende Tropfsteinhöhle gebildet, das einzige Sehenswerthe bis nach Ilelea. Aber dieser Ort entschädigte uns reichlich. Ilelea ist ein Seitenthal, das vom Berge Isak-Arak auslaufend ins linke Haddasufer einmündet und zwar mit einer so steilen und engen Spalte, dass man oben durch einfache Balken eine Brücke bilden könnte, und doch sind diese steilen, senkrechten Sandsteinwände einige Tausend Fuss hoch. Hier windet sich von immer grünenden Bäumen beschattet das reinste Quellwasser durch, von einem künstlichen Bassin ins andere fallend.

Der Ort gefiel uns so gut, dass wir hier den folgenden Tag blieben, leider starb uns Nachts ein Maulthier und lockte nun durch seinen Geruch eine Menge Hyänen herbei, ja des Nachts schleppten dieselben sogar leere Blechbüchsen fort, in denen eingemachtes Fleisch sich befand. Ein merkwürdiges Zusammentreffen hatten wir am Tage mit etwa einem Dutzend Indiern, die von Hadoda in Begleitung einiger Schoho heraufgekommen waren um ihrem Herrn, einen Offizier, entgegen zu gehen. Da dieser nun nicht gekommen war, befanden sich diese Armen in der grössten Verlegenheit, da keiner von ihnen der Landessprache mächtig war, und sie gar keine Lebensmittel bei sich hatten. Zum Glücke sprach einer dieser Hindu etwas englisch, so dass er uns ihre Lage klar machen konnte, wir gaben ihnen Thee und Zwieback und sagten ihren Führern, sie sofort nach Hadoda zurückzubringen.

Wie gewöhnlich brachen wir folgenden Tages, sehr spät auf, die Gegend hatte denselben wilden Charakter wie immer, doch änderte sich die Vegetation, auch hatten wir eine Strecke lang bei Dima-Dalara fliessendes Wasser, nach einer Stunde jedoch verschwand dieser rieselnde Bach wieder. Das Thal ist, wie meist immer, sehr eng und von abschüssigen, bloss mit Buschwerk bewachsenen Wänden gebildet. Hauptvegetation ist hier die Tamariske, beinahe immer von Schmarotzerpflanzen erdrückt, auch der Djedja-Baum mit seinen langen Luftwurzeln zeigt sich, und die echte Aloes bordirt überall die Wege. Auch einige vereinzelte Tamarindenbäume sahen wir bei den Tibbubrunnen, aber nur Schattenbilder von dem königlichen Baum, wie ich ihn in Centralafrika zu bewundern Gelegenheit hatte. Ich sah die Tamarinden nur an diesem Orte, der Kälte halber kommen sie höher wohl nicht fort. Statt dessen erscheint dann aber der heimische Wachholder. Was das Gestein betrifft, so findet man im Thalbette selbst an Blöcken und Steinen eine ganze geologische Sammlung, die Wände des Tacondapasses bestehen indess hauptsächlich aus Sandstein, Kalkarten und Schiefer.

Auf diese Art zogen wir den Pass 6 Tage lang hinauf, fast immer zu Fuss gehend, da die Wege so unpassirbar waren, dass an Reiten gar nicht zu denken war. Die schlimmsten Strecken hatten wir jedoch die letzten beiden Tage, und wenn ich daran denke, wie es möglich war, von Messolaï aus mit gepackten Maulthieren die Hochebenen mittelst des Sif-el-Arab (Schwert der Araber) zu erklimmen, möchte ich sagen, nichts ist unmöglich. Von Messolaï an und auch schon einige Stunden vorher zertheilt sich der Hadas, um mittelst vieler vom Plateau von Taconda und Halai herabkommender Schlünde das eigentliche Hadas-Thal zu bilden. Durch den Sif-el-Arab-Schlund erreicht man Taconda, der erste festbewohnte Ort von Abessinien nach dieser Seite hin. Als wir die Denda-Ebene erreichten, die nördlich von Taconda liegt, war mein Aneroid, der nach altem System war (die Engländer verfertigen jetzt Aneroids. die bis auf 20,000' zeigen), abgelaufen, wir hatten also reichlich die Höhe von 9.000 Meter erreicht. Während meine Diener, um auszuruhen von dem Ersteigen des jähen Passes, unter einem schattigen Wachholder lagerten, ging ich gleich weiter nach Taconda, das auf einer Anhöhe gelegen, noch 20 Minuten von dem Orte, wo das Wasser sich, befand, entfernt war, um zu sehen, ob es zweckmässig sei, im Orte selbst zu lagern. Ein Mann, dessen Bekanntschaft ich sofort machte, bot uns sein Haus an, und da wir alle unsere Lebensmittel fertig hatten, in Taconda aber hoffen durften, etwas neuen Proviant zu bekommen, so kehrte ich gleich wieder um, um unsere kleine Karavane dahin abzuholen. Bald waren wir denn auch installirt: Ich im Hause selbst, mein Reisegefährte in seinem Zelte, welches er im Hofe aufschlug, da er mit Kühen und Ziegen nicht in einem Zimmer sein wollte, obwohl er im Hofe von dieser Gesellschaft ebenso wenig getrennt war.

Da wir nach den anstrengenden Märschen sehr der Ruhe bedurften, so blieben wir in Taconda einen Tag, obwohl der Aufenthalt an und für sich, wenn man die schöne Aussicht auf die Umgegend ausnimmt, nichts Anziehendes hat. Die Häuser von Taconda sind aus Steinen und Erde zusammengefügt, mit Balken, Reissig und Erde gedeckt. Ein grosses Vorzimmer, worin Nachts das Vieh getrieben wird, bildet den Eingang, davon laufen mehrere andere aus, die mehr unterirdischen Höhlen, als Zimmern gleichen, denn sie sind ohne alles Licht. Taconda hat vielleicht 50 Gebäude, die alle sehr gross sind. Die Einwohner, obgleich zu Tigre gehörend, nennen sich Amhara, um damit anzudeuten, dass sie Christen sind, denn hier ist die Scheidewand zwischen dem Islam und dem Christenthum. Damit will ich jedoch keineswegs sagen, dass sie mit der christlichen Religion bessere Grundsätze und Moral hätten, als ihre mohammedanischen Nachbarn; im Gegentheil, was ich hier von den abessinischen Christen sah, befestigte meine Ueberzeugung, dass das Christenthum, ohne die klassischen Ueberlieferungen der Griechen und Römer, sich selbst überlassen, ebenso bald, wie die anderen beiden hauptsemitischen Religionen, das Judenthum und der Islam, zu einer leeren äusseren Form herabsinkt. Die abessinische Religion ist ein lebendes Beispiel davon, und die koptische war nicht besser, bis sie vor wenigen Jahren eine neue moralische Basis durch die nähere Berührung mit christlichen Europäern bekam. Wer in der That die christliche Religion danach beurtheilen wollte, wie sie die Abessinier prakticiren, der würde einen schönen Begriff davon bekommen. Und gar nun in Taconda, wo weder Kirche noch Priester sind, war das einzige Zeichen der Bewohner, dass sie Christen seien, ein blaues Band, welches sie denn auch nicht verfehlten, bei jeder Gelegenheit zu zeigen; sie tragen dasselbe um den Hals. Die Männer tragen sonst ein grosses, weissbaumwollenes Tuch, oft, namentlich bei Reichen, mit einem breiten rothen Streifen darin; fast Alle haben enge, weise Hosen, ungefähr wie unsere Unterhosen. Das Haar tragen die Jungen bis zum 15. Jahre in Tonsur, wohl eine Erinnerung an die portugisischen Mönche, denn die abessinischen Pfaffen tragen alle einen weissen Turban; die Männer lassen es entweder, wie die Natur es ihnen gegeben, oder tragen es in den künstlichst geflochtenen Wülsten, wie die Weiber in Centralafrika; alle sind barfuss und meist mit einem sehr krummen Säbel bewaffnet. Die Weiber haben ein Gewand aus Leder, welches um die Hüften durch einen Gürtel festgehalten ist, oben ist es manchmal mit den kleinen Muscheln verziert, die in Innerafrika als Scheidemünze gelten. Ihr Haar ist in sehr viele kleine Zöpfe geflochten und oft mit Perlen durchschmückt, beide, Männer und Frauen, lieben sehr, Butter im Haar zu schmieren, da es ihnen an Oel, wie bei uns, fehlt. Man denke übrigens ja nicht, dass ein Abessinier oder seine Frau alle Tage Haartoilette macht; das geschieht vielmehr höchstens einmal im Jahre oder im Leben, eine grosse Anhäufung von Staub und Schmutz ist daher ganz unvermeidlich.

Ich sah in Taconda nur wenige broncefarbige Leute, welches der eigentliche Hautton der ächten Abessinier sein soll, dennoch wog bei den meisten, obwohl sie schwarz waren, kaukasische Gesichtsbildung vor. Um Taconda herum liegen noch mehrere kleine Dörfer, wie Messaleh im Westen und Dahreh im Süden. Mit genauer Noth erhielten wir Mehl, Gerste, Milch, Butter und ein Schaf, Alles natürlich zu den höchsten Preisen, und ich war wirklich froh, als wir am anderen Morgen diesen Ort verliessen, und zwar nicht mit dem günstigsten Eindruck von den Bewohnern Abessiniens, oder auch nur vom Lande, das uns bis jetzt nur Felsen, fast unersteigbare Pässe und von der Sonne verbranntes Buschwerk und Gras gezeigt hatte. Wir hatten nur noch einen Marsch bis Senafe, wo sich die englische Avantgarde unter dem Befehle des Generals Malcolm befand, aber auch dieser Marsch war schwierig genug und erst Nachmittags um 1 Uhr sahen wir die weissen Zelte der Engländer am Fusse der königsteinartigen Senafe-Felsen. Eine Viertelstunde darauf hielten wir im Lager und schlugen unsere Zelte auf. Von Mulkutto bis Senafe hatten wir mithin, die beiden Ruhetage eingeschlossen, acht Tage gebraucht, denn es war der 23. Januar.

[7]Immer hunderttheiliger Thermometer.


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