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3. Von Senafe nach Antalo.

Nachdem wir dem Generalcommando in Senafe unsere Ankunft angezeigt hatten, gingen wir Munzinger und Krapf aufsuchen, fanden Ersteren, wie gewöhnlich, von einem Haufen Eingeborener umgeben, und Dr. Krapf ebenfalls sehr beschäftigt. Letzterer nahm uns indess mit ungemeiner Gefälligkeit auf und wir fanden in ihm einen wahren Landsmann, der es sich zur Ehre rechnete, ein Deutscher zu sein. Mit Bewunderung hörte ich diesen alten Mann, dessen Geist der eines Jünglings zu sein schien, von neuen Reiseplänen sprechen, und wer weiss, ob er sich nicht selbst noch an neuen Entdeckungsreisen würde betheiligt haben, wenn nicht eine Krankheit ihn zur Rückkehr nach der Heimath gezwungen hätte. Nachher besuchten wir den Gefährten Speke's, den Major Grant, Markham von der Londoner geographischen Gesellschaft, und verschiedene Bekannte, welche wir von Zula her kannten.

Senafe selbst ist ein unbedeutender Ort am Fusse steiler Felsen gelegen; die Bewohner sind Christen. Das Lager fanden wir übrigens sehr gut organisirt, besser als das in Mulkutto. Wir fanden eine Post eingerichtet, zwei Hospitäler, eines für Europäer, eines für indische Soldaten. Breite und gerade Wege durchschnitten das Lager in Quartiere, welche von den verschiedenen Regimentern innegehabt waren. Auch die Administration war schon gut versehen, aber doch noch nicht so, wie man nach Vollendung des Weges durch den Komeile-Pass hätte erwarten können. Wenn ich denke, als die Franzosen in Marokko die Expedition gegen die Beni Snassen machten und fast ebenso weit ihre Lebensmittel und zwar durch Feindesland zu schleppen hatten, kann ich nicht genug bewundern, mit welcher Geschwindigkeit und Fülle alle Lebensmittel auf den Bergen von den Beni Snassen zusammengehäuft wurden. Aber freilich, der Franzose ist gewohnt, auf seinem Rücken für 4 oder 5 Tage Lebensmittel mitzutragen, während der englische Soldat nicht nur nichts trägt, sondern auch seine 21/2 Diener (es ist berechnet, dass auf jeden Soldat 21/2 arbeitende Leute kommen oder zwei englische Soldaten haben fünf Civilleute zur Disposition, dies ist natürlich nur bei dieser abessinischen Expedition der Fall, denn ich glaube kaum, dass es in England so sein wird) leer gehen. Man kann also denken, wie schwer es bei der Einrichtung einer solchen Truppe ist, Proviant fortzuschaffen.

Die paar Tage, die ich in Senafe blieb, waren übrigens mit Schreiben, Ausbessern und Visiten schnell hin, Abends waren wir eingeladen, entweder bei General Merewether oder bei General Malcolm, und nach dem Essen ging es in der Regel gleich zu Bette. Ich kann übrigens nicht umhin, die Mässigkeit der englisch-indischen Offiziere im Trinken zu rühmen; freilich hatten in Senafe nur noch die Generäle und höheren Offiziere einen vollkommenen Weinstock, aber auch in Mulkutto, wo jedes Getränk, wenn auch theuer genug, zu haben war, habe ich nie irgend eine Ausschweifung der Art bemerkt.

Es kamen nun auch ausser den Photographen und dem sogenannten wissenschaftlichen Corps, die schon da waren, ein ganzer Tross von Zeitungscorrespondenten (vor denen die Engländer, beiläufig gesagt, grosse Furcht haben und welche den englischen Offizieren wohl mehr Angst machen, als Negus Theodorus), der der Times war krank im Komeile-Pass geblieben, aber zwei andere, ich weiss nicht von welchen Blättern, von denen der eine ein kleiner buckliger Kerl war, der sich gleich bei seiner Ankunft äusserst giftig mit einem Offizier disputirte, weil man ihn übersehen hatte (und er war kaum 3 Fuss hoch), endlich wie schon gesagt, Lord Adair, der Correspondent für den Dayly Telegraph, bildeten eine eigene Clique. Auch Graf Seckendorf, der in Mulkutto zurückgeblieben war, traf ein und mit ihm die italienischen Offiziere. Wir sollten indess nicht lange zusammenbleiben und am Tage, als Major Grant und Munzinger nach Adua zum König Kassa geschickt wurden, sann ich auch ernstlich darauf, vorwärts zu kommen. Die Herren waren zu Kassa geschickt, um ihn der Freundschaft der Engländer zu versichern und zu bestätigen, dass sie keineswegs gesonnen seien, irgendwie und wo in Abessinien festen Fuss zu fassen, endlich hatten sie eine Einladung zu einer Zusammenkunft mit Sir Robert Napier zu überbringen, die bei Debra-Damo stattfinden sollte; natürlich war mit dieser Gesandtschaft die Ueberbringung reicher Geschenke verbunden.

Unterdessen waren Briefe von den Gefangenen in Magdala gekommen, welche die Lage derselben, wie immer sehr traurig, darstellten, und den Wunsch ausdrückten, die englische Armee möchte sobald wie möglich kommen, wenn sie nicht von Theodor überholt sein wolle, der nur zwei Tagemärsche mehr von Magdala entfernt sei. Es wurde nun beschlossen, mit Energie rasch vorzugehen, umsomehr, als der Weg bis Senafe so weit fertig war, dass er mit Wagen befahren werden konnte, also jetzt die Vorräthe bis dahin wenigstens auf leichte Weise hinaufgeschafft werden konnten.

Der Oberst Phayre, Chef des abessinischen Generalstabes, war ausersehen, zuerst vorwärts zu rücken, theils um den Weg aufzunehmen, theils um die nachfolgenden Truppentheile über die zu erwartenden Terrainhindernisse und die mögliche Verproviantirung zu benachrichtigen. Durch Krapf's Vermittelung war ich empfohlen worden, mich dem Oberst Phayre anzuschliessen als Dolmetsch, indem ich vermittelst eines Arabers, der der abessinischen Sprache (Tigre-Idion) mächtig und eines Abessiniers, der hinlänglich französisch sprach mit den Eingeborenen communiciren konnte. Wir hatten uns auf 7 Tage mit Lebensmitteln zu versehen, und da ich dies nicht Alles auf meine eigenen Maulthiere packen konnte, wurde mir eins vom englischen Gouvernement gestellt, Oberst Phayre transportirte ausserdem ein grosses Zelt für mich, während mein eigenes kleines für meine Diener bestimmt war. Unserer Expedition schloss sich noch Lord Adair an, dem diese Vergünstigung gewährt wurde, weil er Lord und Correspondent eines englischen Blattes war. Ausserdem sollten uns 25 Reiter des Sind-Horses-Regiment unter einem eingeborenen Kapitän begleiten. Aber das war keineswegs unsere ganze Begleitung, da waren die Leute zum Aufnehmen des Weges, die Zeltaufschläger, Köche, Diener, Maulthiertreiber etc., lauter Indier, kurz, im Ganzen hatten wir an hundert Menschen.

Montags, am 27. Januar, Früh, brachen wir, vom schönsten Wetter begünstigt, auf, wie denn überhaupt in Senafe ein merkwürdig reiner Himmel war, was wohl der grossen Trockenheit der Luft zuzuschreiben ist, die dort bei einer Höhe von 7460' absolut herrscht. Wir hatten, in S. zu O. R. fortreitend, den ganzen Tag einen von den englischen Truppen gemachten Weg vor uns und die Gegend war ungemein lieblich. Nach einer Stunde liessen wir in einer schönen Ebene das Lager des 3. leichten (indischen) Cavallerie-Regiments liegen, welchem die preussischen Offiziere zugetheilt waren, und nach drei anderen Stunden erreichten wir Gunuagunna, wo das Sind-Horses-Regiment campirte. Die hier anwesenden Offiziere empfingen uns sehr gastfreundlich und luden uns zum Frühstück ein. Bis dann unsere Bagage kam, hatten wir Zeit, die reizende Cascade von Gunnagunna zu besuchen, die von einem 80 F. hohen Felsen zwischen blühenden Rosen, Jasmin und Aloes herabfällt und sich dann durch ein Thal von Olivenbäumen und Ricinusbüschen dahinschlängelt. Sobald unsere Bagage angekommen war, brachen wir wieder auf, denn wir wollten selben Abend noch nach dem Orte Mai-Mesrab, wo eine Abtheilung des 3. englischen Regiments lag, die mit Wegebau beschäftigt war. Nach 3 Stunden erreichten wir auch diesen Ort und mithin die äusserste Linie der englischen Truppen. Wir marschirten den ganzen Tag sozusagen auf der Kante des Gebirgs, indem wir den Abfall der Gewässer zu beiden Seiten hatten.

Am folgenden Tage setzten wir uns ebenfalls früh in Bewegung, von einem Cavallerieoffizier begleitet, der für sein Regiment Bagage-Maulthiere kaufen wollte. Da bis Adi-Graat der Weg früher schon aufgenommen war, so konnten wir rasch vorwärts kommen. Der Weg war, wie immer, äusserst romantisch und namentlich nach Westen zu die Aussicht auf die Berge von Adua, welche zackig und steil ihre Häupter emporstreckten und ein Bild von dem unbeugsamen Trotze der Bewohner Tigre's gaben, bezaubernd. Adi-Graat, circa 15 englische Meilen vom früheren Orte entfernt, erreichten wir Nachmittags und schlugen sogleich Lager. Unsere erste Sorge war, einen abessinischen Priester, Namens Abu-Mariam-Gabriel, zu uns zu entbieten, um uns durch seinen Einfluss einen guten Führer zu verschaffen. Derselbe war Vorsteher einer vom katholischen Bischof Jacobis in Gula gegründeten katholischen Kirche. Jacobis hatte seiner Zeit viel Einfluss in Abessinien, wurde dann aber, als Theodor ans Ruder kam, entfernt und starb in Massaua. Herr Gabriel-Mariam, der einzige Ueberrest der früheren katholischen Missionen, war auch bald herbeigeholt, denn Gula liegt bloss 1 englische Meile von Adi-Graat östlich, und als wir ihm auseinandergesetzt hatten, dass wir Grüsse von Herrn Munzinger, der selbst ein eifriger Katholik ist, zu überbringen hatten, gewannen wir bald sein Vertrauen, obgleich er Anfangs eifrig darauf bestand, einen Brief von Herrn Munzinger sehen zu wollen. Gabriel-Mariam unterschied sich, obgleich katholischer Priester, in Nichts von den anderen abessinischen Geistlichen, sein Kopf war, wie sie es Alle tragen, die dem geistlichen Stande angehören, mit einem grossen, weissen Turban umschlungen, und ausser baumwollenen weissen Hosen und einem grossen weissen Tuche hatte er keine Bekleidung. Er war sehr würdevoll in seinem Benehmen, pflegte sich auf seine Begleiter zu stützen, oder wenn er einen Abessinier anredete, erfasste er dessen Kinn oder klopfte ihm die Wangen, mit einem Worte, er hätte den vollendeten Schauspieler gemacht. Es ist dies übrigens allgemeine Sitte der Abessinier, die nicht mit einander reden können, ohne sich zu befassen und viel zu gestikuliren. Nachdem die Geschäfte mit Gabriel-Mariam fertig waren, bat ich ihn, mich zu seiner Kirche zu begleiten, was er auch mit Bereitwilligkeit that. Sie bot indess nichts Besonderes, mit Ausnahme, dass sie ganz ohne Bilderschmuck war. Die mit Sorgfalt vom Bischof Jacobis erbauten Häuser, welche früher als Schule gedient hatten und, wie die Kirche, von Stein aufgefürt waren, fingen an, zu zerfallen. In der Kirche selbst, die auch halb Ruine war und deren Boden mit Stroh belegt war, befand sich nichts Merkwürdiges; einige zerrissene Bücher in Amhara-Sprache und Schriftzeichen lagen in einer Nische. Vor der Thüre hingen mehrere, zwei Fuss lange, drei Zoll breite und dicke Steine, welche, mit einem hölzernen Klöppel geschlagen, bei den Abessiniern als Glocken dienen.

Weit interessanter war am folgenden Tage der Besuch einer Landeskirche in Adi-Graat selbst. Von hohen Candelaberbäumen umgeben, auf einem Berge in Mitten des Ortes gelegen, war die eigentliche Kirche zunächst von einer hohen steinernen Ringmauer umgeben. Nach einigen Unterhandlungen mit dem Hauptpriester, der Anfangs nicht glauben wollte, ich sei Christ, sondern meinte, ich, sowie alle Engländer, wären Mohammedaner, weil wir kein blaues Band um den Hals tragen, dann nachdem ich die specielle Erlaubniss haben musste, meine Stiefel anzubehalten, gestattete man mir den Eintritt. Durch ein Vorhaus kam man in einen freien Hofraum und sodann in die eigentliche Kirche, die länglich gebaut war und die Richtung nach Osten hatte. Von steinernen Mauern aufgeführt, war sie mit Stroh gedeckt, welches schlecht der Witterung widerstand. Es befanden sich drei Thüren in der Kirche, eine nach Westen, die beiden anderen nach Norden und Süden. Ich betrat die Kirche durch die westliche oder Hauptthüre, an deren Seite auch die oben schon bei der anderen Kirche erwähnten Glockensteine hingen. Durch einen Raum, der vom Hauptschiff durch hölzerne Säulen getrennt war, gelangte man in dieses, das indess auch eigentlich nur aus einem Umgang bestand, der den Hauptaltar oder das Allerheiligste umschloss. Von aussen des Allerheiligsten und an den Wänden der Kirche waren überall Alfresco-Gemälde, welche auf die Zeit der Portugiesen zurückzugehen schienen; denn man fand Schlachtgemälde, wo fremde Krieger landen in Harnischen, mit Feuerwaffen versehen etc.; endlich waren sehr viele Heiligenbilder vorhanden: der heilige Georgis, die Jungfrau Maria, die Engel Gabriel und Michael; auch der Teufel fehlte nicht und die Schlange. Zudem waren ganze Darstellungen aus der Bibel, so die Enthauptung Johannes und andere. Obgleich von Kunst bei allen diesen Gemälden nicht die Rede sein kann, so ist doch ein gewisser Grad von Vollkommenheit in Zeichnung der Gesichter nicht zu verkennen und manche Köpfe erinnerten an Dürer'sche und Kranach'sche Zeichnungen. Der Farbenton der Figuren war immer jener broncene, welcher früher den Bewohnern Abessiniens eigen war und zur Zeit der Verfertigung der Gemälde sicher noch mehr herrschend war, als es jetzt zu sein scheint. Sicher waren die Gemälde ebenso gut, als die von den alten Bewohnern Aegyptens Bezeichneten, wie wir heute deren in ihren Tempeln sehen, und was wir an Gemälden von den anderen Völkern Afrika's besitzen, von einigen Berber- und Negerstämmen, ist gar nicht damit zu vergleichen. Der Hauptaltar oder das Allerheiligste konnte mir leider nicht geöffnet werden, weil sie an dem Tage Fasten hatten, oder vielleicht auch, weil ich ein Laie war. Ich versuchte eins der Bilder, welches auf Leinwand gemalt war, zu erstehen, es hatte früher als Vorhang gedient, der hernach durch eine hölzerne Wand war ersetzt worden. Aber obgleich sie nur 5 M. Ther. Thl. verlangten, konnte ich in dem Augenblick diesen Preis nicht aufbringen. Ich bemerke hierbei, dass die Abessinischen Priester für Geld Alles feil haben und selbst sich nicht scheuen, ihre Gefässe, wie Kelche von Silber und Kupfer, dann Schüsseln, auf welche das geweihte Brod gelegt wird und die aus Kupfer sind, zu verkaufen. Beim Herausgehen verlangte dann der Hauptpriester Kirchengeld, und da kein kleines Geld existirt, musste ich einen Thaler geben. Dies kommt indess in die gemeinsame Casse, welche theils dazu dient, die Priester zu ernähren, theils Arme und Wanderer, die immer ein Unterkommen und Speise in der Kirche finden, zu beköstigen. Die meisten Kirchen haben überdies ein grosses Einkommen nach hiesigen Begriffen, indem sie Ländereien, die ihnen die Gemeinde bearbeiten muss, besitzen, dann Viehheerden haben, ausserdem den Zehnten vom Korn ihrer Gemeinde erheben. Ein bedeutendes Einkommen haben sie dann noch durch allerlei Vexationen, welche die Priester zu bewerkstelligen wissen, Ehescheidungen, Excommunicationen, Vergebung von Sünden, Fürsprache bei Gott, alles dies ist mit Gelderpressung verbunden. Der gemeine Mann kann sich unter dem nichtigsten Vorwande scheiden lassen, ebenso die Frau, wenn nur die Gebühren bezahlt werden, auch ist Vielweiberei unter gewissen Umständen gestattet, und die Grossen pflegen meistens mehrere Weiber zu haben. Die ordinirten Geistlichen können indess nur ein Mal heirathen, sich auch nicht scheiden von ihrer Frau, oder falls dieselbe stirbt, eine andere nehmen. Dasselbe gilt von den Frauen, die einen Priester geehelicht haben. Indess kommen bei einem so gesetz- und sittenlosen Volke genug Ausnahmen von diesen Vorschriften vor, und die blosse Strafe eines Priesters, z. B. der sich von seinem Weibe scheiden lässt, oder nach dem Tode seiner ersten Frau eine andere heirathet, ist Ausstossung aus dem geistlichen Stande, in den er aber, sobald er dann wieder seine zweite Frau verstösst, gleich wieder nach einer kleinen Geldbusse eintreten kann.

Attegra oder Adi-Graat, ein Ort von einigen hundert Hütten, die weitläufig auf verschiedenen Hügeln am Nordostrande hoher Berge in einem Thalkessel sich befinden, der circa 8000' über dem Meere ist, gehört zum Königreich Tigre und zwar zur Provinz Agame, die selbst in vier Distrikte zerfällt: 1. Gunt-Afascho mit Adi-Graat, 2. im Südost davon Sjasse, 3. Agote-Sjeta westlich von Gunt-Afascho und endlich 4. östlich davon Ade-Sbaha. Der Fürst von Adi-Graat, der ein hübsches Haus ausserhalb des Ortes besitzt, ist augenblicklich gefangen, seine Frau, die ein Abkömmling der Frengi (Portugiesen) und von besonders weisser Hautfarbe sein soll, wollte Niemanden in Abwesenheit ihres Gemahls empfangen, und so mussten auch wir darauf verzichten, unsere europäische Cousine zu sehen. Die Bewohner von Adi-Graat sind theils Christen, theils Mohammedaner, erstere jedoch überwiegend und herrschend. Indess leben sie in gutem Einverständniss mit den Mohammedanern, die übrigens gleichen Stammes mit ihnen sind. Heirathen zwischen ihnen finden nicht statt. Ausserdem halten sich hier immer mohammedanische Kaufleute aus Massaua auf, die in gewöhnlichen Zeiten in Ebenholz, d. h. Sclaven machen, jetzt aber zur Zeit der englischen Expedition ein etwas ehrlicheres Gewerbe betrieben, nämlich von den Eingeborenen billig Maulthiere, Pferde und Buckelochsen erstanden, um sie so theuer wie möglich den Engländern zu verkaufen.

Die Gegend um Adi-Graat ist sehr fruchtbar und die vielen starken Quellen, welche der Druck der colossalen Berge hervorbringt, machen, dass die Ackerfelder künstlich bewässert werden können, so dass wir jetzt überall grünende, ja einzelne blühende Gerstenfelder fanden. Die Abessinier haben denselben Pflug zur Bearbeitung ihrer Felder wie die Araber, seit Abraham's Zeiten hat derselbe keine Veränderung oder Verbesserung erhalten, indess pflügen sie etwas tiefer als die Araber, und bedienen sich dabei der Ochsen und Kühe, die sie ins Joch spannen.

Ich sah mich gezwungen, hier meinen europäischen Diener, der ein Schweizer war, wegzujagen, derselbe konnte nicht zu Fusse geben, war faul und grossmäulig und hatte dabei den Fehler, dass er trank. Ich nahm dafür zwei Abessinier und zwar Mohammedaner, weil man mir sagte, sie seien bedeutend zuverlässiger, als die Christen, und ich muss gestehen, dass Beide ganz ordentliche Burschen waren.

Ende Januar kamen auch die Sind-Horses unter Major Brigs nachgerückt nebst einem Commisariats-Offizier, der ein Verpflegungsdepot in Adi-Graat errichten sollte, und so konnten wir also daran denken, weiter vorzugehen.

Von unseren 25 Sind-Horses-Cavalieren begleitet, traten wir also am 1. Februar wieder unseren Marsch an, und bis wir den reizenden Ort Mai-Mesrab erreichten nach 6 engl. Meilen in S. S. O. R., ging alles gut. Hier liegt unter schwarzschattigen Bäumen ein christlicher Heiliger begraben, und eine angenehmere Ruhestätte kann sich wohl Niemand wünschen. Am Fusse des mächtigen Adsmaits-Berges gelegen, dessen östlichen Abhang wir jetzt zu übersteigen hatten, lud dieses Plätzchen in einem Winkel so zur Ruhe ein, dass wir nicht widerstehen konnten, einige Augenblicke hier zu weilen. Aber um dann die Hindernisse der östlichen Ausläufer des Adsmaits-Berges, welche wir beim Ueberklettern hatten, zu beschreiben, will ich bloss sagen, dass sie die des Passes Sif-er-Arab noch übertrafen. Indess hatten wir hier mehr Unglück, theils waren die Thiere wohl nicht so gut gepackt, theils wussten die Führer wohl nicht die passenden Aufgangsstellen, fast die Hälfte der Maulthiere schmiss ab, eines der meinigen überstürzte sich mit dem ganzen Gepäck, ohne indess erheblichen Schaden zu leiden, da es aufs Zelt und die Teppiche fiel, die es zu tragen hatte. Endlich war der Kamm dieses Ausläufers vom Adsmaits-Berge erreicht und wir waren nun 8200' hoch und auf die Wasserscheide des Mareb und Takadze angekommen, so wie hier auch ein Knotenpunkt für die ins Rothe Meer gehenden Gewässer ist. Es ist dies auch ein allbekannter Punkt für Räuber und Banditen, die es sich nicht nehmen lassen, wehrlose Karavanen in den grossen Hindernissen zu überfallen. Wir hatten noch 7 Meilen bis Mai-Vohis (Mai bedeutet Thal, Wasser, Quelle und hat ungefähr denselben weiten Begriff, wie das arabische ued, uadi, oder das Wort behar), welchen Ort wir ohne Unfall erreichten. Natürlich wurden wir nicht angehalten von den Banditen, abermals wir einige Tage später einen Transport Lebensmittel, der nur von 5 Sind-Horses-Reitern eskortirt war, bekamen, hatten diese abessinischen Räuber die Frechheit, ihre schlechten Dochtgewehre auf die Karavane zu richten, und der Unteroffizier liess auch schon seine doppelläufigen Enfield-Büchsen anlegen und wurde höchstwahrscheinlich einige dieser Spitzbuben expedirt haben, wenn nicht der abessinische Führer rasch vorgesprungen wäre, um den Banditen zuzurufen, dass die Karavane den Engländern gehöre, worauf sie schnell hinter den Bergen verschwanden.

Wir schlugen in Mai-Vohis Lager, denn wir wollten absichtlich nicht allzurasch vorgehen, um der Cavallerie Zeit zum Nachrücken zu lassen. Uebrigens ist in Mai-Vohis nichts Merkwürdiges, das Wasser, wie überhaupt alle Thäler von hieran laufen dem Takadze zu. Mein Pferd, dass schon seit einigen Tagen Zeichen der Seuche, welche noch immer das englische Vieh decimirte, gehabt hatte, starb hier. Ich erfuhr es erst, als ich den kleinen Neger Noel, der beauftragt war, es spazieren zu fuhren, weinend beim Cadaver fand: es war umgefallen und anscheinend erstickt. Auch unser Lord wurde krank, zwar nicht an der Viehseuche, sondern an Dyssenterie, mit der er sich mehrere Tage herumschleppte. Er war ein eigenthümlicher Mensch.

Materiell lebten wir indess ganz gut, unsere Rationen, die pro Kopf aus 11/2 Pfund Fleisch, 11/2 Pfund Reis, 11/2 Pfund Mehl und 2 Unzen Butter, ausserdem Salz und Pfeffer bestanden, wurden in der Küche des Oberst geliefert und ich muss gestehen, das die Köche des Oberst, zwei Portugiesen aus Goa, ihre Sache meisterlich verstanden. Wir hatten überdies zumeist Wild auf der Tafel, Hasen, Rebhühner, Guineahühner, Tauben, oft auch Fische, von Kräutern Brunnenkresse, boten immer Abwechselung. Oberst Phayre und ich hatten überdies einen guten Vorrath von Thee und Kaffee und wenn auch Zucker mangelte, so hatten wir dafür alle Tage frische Milch. Unser Rumvorrath war längst zu Ende, indess hatte der Oberst noch manche Flasche im Petto seines Koffers und nach harten Märschen fand sich auch einmal, dass in irgend einem Koffer eine Flasche Champagner, Cherry oder Wisky war vergessen worden, die wurde dann sogleich verurtheilt.

Obgleich wir am 3. Februar Nachricht bekamen, dass die Sind-Cavallerie wegen Mangel an Proviant nicht im Stande sei, Adi-Graat zu verlassen, brachen wir dennoch auf, und erreichten über ein eben nicht allzu schwieriges Terrain Adebaga, circa 14 englische Meilen vom früheren Orte entfernt. Ich bemerke hierbei, dass, während wir uns Anfangs zum genauen Messen der Distanzen der Kette bedienten, wir von jetzt an, weil das weit rascher ging, mit zwei Perambulatoren arbeiteten und beide waren so gut verfertigt, dass ihr Unterschied auf 10 englische Meilen nur einige Yards betrug. Unsere Richtung war, wie wir ganz genau an den zurückliegenden Berggipfeln sehen konnten, fortwährend 160deg. oder S.S.O. - In Adebago sollten wir das Schauspiel einer inneren Fehde haben. Die beiden Brüder Grasmatsel-Desta und Fit-Turari-Temma, Gouverneure des Königs Kassa von Tigre für diese Provinz, belagerten in einer natürlichen Felsenburg einen gewissen Ottohsen, Rebellen , der seine Kornlieferungen verweigert hatte und sich nun, um nicht zum Bezahlen gezwungen zu werden, mit mehreren Gefährten auf die Ambe zurückgezogen hatte. Er gebot über acht Büchsen, und es war, da er vollauf Vorrath hatte, und ebenfalls Wasser vorhanden war, nicht abzusehen, wann er bezwungen werden könne. Dies theilte uns einer der Heereshauptleute Kassa's mit, der ebenfalls mit an der Belagerung Theil nahm. Dann und wann hörte man einen Schuss, beide Theile schienen nicht viel Pulver zu haben, und statt der Kugeln bedienten sie sich länglicher Steine, die aus Basaltmasse zu bestehen schienen. Am anderen Tage kamen die beiden Gouverneure selbst um Aufwartung zu machen; sie waren besser gekleidet, als die gewöhnlichen Abessinier, denn unter dem grossen weissen, breit rothbordirten Umschlagetuch hatten sie mohammedanische Jacken von Tuch, ihre Hosen waren indess eng. Man bot ihnen Thee an, den nahmen sie, doch nachdem er ohne Milch zubereitet war, da sie Fasten hatten; auch Biskuit assen sie. Sie waren von wenigstens fünfhundert Leuten begleitet, von denen der Eine schmutziger, als der Andere war, und die Alle entsetzlich elend und verkommen aussahen. Der Oberst schenkte ihnen dann je 10 Maria-Theresia-Thaler und den Anderen auch noch 10 Thaler, wofür sie als Gegengeschenk etwas Gerste und Milch machten. Indess versicherten sie uns, sobald sie die blanken Thaler in der Hand hatten, ihrer aufrichtigsten Freundschaft und der älteste der beiden Brüder-Gouverneure war so entzückt, dass er durchaus unsere Namen haben wollte, die Oberst Phayre ihm dann auch aufschrieb.

Wir bekamen Briefe vom General Merewether, der uns mittheilte, dass Dr. Krapf nach Deutschland abgereist sei, ein unersetzlicher Verlust für die Engländer, weil er der einzige Europäer war, der gut amharisch schreiben konnte und das Land, die Bewohner und ihre Gebräuche von Allen am gründlichsten kannte; zugleich schrieb er uns, dass Sir Robert in Senak angekommen und vom baldigen Vorgehen der Truppen. Obgleich ganz abgeschnitten von der Armee, indem wir ganz in der Luft standen, rückten wir dennoch am anderen Tage nach dem 10 englische Meilen entfernten Dongolo vor. Wir hatten eine entzückende Gegend zu passiren; nach Westen zu sahen wir in eine endlose Tiefebene, aus der sich schroffe Felsen und steile Amben erhoben, selbst blieben wir auf der Höhe in mässig gewellter Ebene, die sich durch sanfte Rinnsäle dem Takadze zu senkte. Wir passirten die reizende Ruhestätte eines Mekkaer Sherifs, dessen Grabmal unter Candelaberbäumen und Jasminbüschen versteckt liegt. Hamed ben Negasch, so hiess dieser Mekkaer, war von einer grossen Reise von Fes, Timbuctu, Sokoto, Kuka, über Fur nach Habesch gekommen und wollte sich nach fast lebenslänglicher Abwesenheit über Massaua nach seinem Vaterlande einschiffen, damit seine Gebeine bei denen seiner Väter zu ruhen kämen, als ihn der Tod übereilte. Wie schmerzlich muss es für den Mann gewesen sein, sozusagen Angesichts seines Landes dieses nicht mehr erreichen zu können, um so schmerzlicher, als er nicht einmal in gläubiger Erde ruhen konnte, sondern seine letzte Ruhestätte im Lande der ungläubigen Christen nehmen musste.

Mit Dongolo hatten wir die Grenze der Provinz Haramat erreicht und waren jetzt in Tera. Wir waren hier circa 2000' tiefer, als in Senafe und eine merkliche Veränderung im Klima that sich kund. Die eigentliche Gebirgskette, welche wir bis jetzt immer im Osten gehabt hatten, verliert sich etwas südlich in eine Hochebene von Dongolo.

Es befindet sich hier eine merkwürdige Kirche, ganz in Felsen gehauen auf einer Anhöhe im Thale. Schon von aussen auffällig, ging ich hinauf, sie zu besehen, setzte mich aber, als sich keine lebende Seele vorfand, unter einen grossen Olivenbaum, der die Thür der Umfangsmauer beschattete und zugleich zwei lange Steine in seinen Aesten schweben hatte, welche die Glocken vertreten. Obgleich die Thür offen war, mochte ich nicht eintreten, da ich nicht wüsste, wie es von den Eingeborenen würde aufgenommen werden. Aber bald erschienen drei Männer, von denen einer der Priester der Kirche war, und luden mich durch Zeichen ein, einzutreten. Ursprünglich war die ganze Kirche ein grosser Felsblock von Sandstein (wenn ich mich recht erinnere, war es Sandstein, vielleicht Kalk, da letzteres Gestein vorwiegend in diesen Bergzügen war), den man ausgehöhlt hatte zu einem regelrechten Tempel. Ich bin im Zweifel bis ich mehrere solcher Gebäude gesehen haben werde, wem die Erbauung dieser Kirche zuzuschreiben; denn die Säulen waren so vollkommen gearbeitet und von so grosser Regelmässigkeit, dass ich kaum glaube, Abessinier wären im Stande gewesen, dergleichen zu machen. Die Säulen waren viereckig, jedoch waren die Ecken abgeschnitten, so dass sie eigentlich achteckig waren. Die Gewölbe waren bemalt in der Art, wie die Kirche von Adi-Graat, die Bilder indess schon sehr verwischt. Was letztere anbetrifft, so kann man leichter auf den Urheber kommen, denn von Franz Alvares wissen wir, dass Anfang 1500 sich im Lande ein Maler aus Venedig, Namens Niclas Brancaleon befand, von den Abessiniern Mercurio genannt, und dass dieser beschäftigt war, alle Kirchen mit Heiligenbildern und Legenden aus der Bibel zu schmücken. Einfacher Stubenmaler in seinem Vaterlande, gelangte er in Abessinien zu hohen Ehren; und grossen Reichthümern, und mit Recht dürfen wir annehmen, dass die meisten Gemälde von ihm oder einem seiner Schüler sind. Es war zu dunkel in der Kirche, die nur ein Fenster hatte, welches zugemauert war, um genau den Grundriss derselben zu erforschen. Die Eingeborenen nannten dieselbe Kerkus-mariam. Meine Begleiter verfehlten nicht, als sie die Kirche betraten, sich zu prosterniren, wie es die Mohammedaner thun, auch küssten sie die Mauern und Säulen und unterliessen nicht, heilige Ausrufungen und Gebete herzumurmeln, so lange sie in der Kirche waren.

Zur Regenzeit muss der Fluss bei Dongolo ungemein toben, denn ich sah an den Bäumen Zeichen von Wasser 10' hoch, während das Flussbett unter dem Thale meist noch 10' tiefer war. Es rinnt zur trockenen Jahreszeit nicht immer, aber da, wo es fliesst und Tümpel sind, hat es viele Fische und wilde Enten und Gänse tummeln sich im Moose darauf herum.

In dem 8 engl. Meilen S. zu O. von Dongolo liegenden Agola blieben wir nur eine Nacht, weil wir weder für uns noch für unsere Pferde Proviant auftreiben konnten. Dieser Ort ist vom vorigen durch einen mit kleinen Mimosenbüschen bewachsenen Rücken getrennt. Abends indess bekamen wir die angenehme Nachricht, dass Oberst Lock mit 150 Reitern zu unserer Unterstützung herbeirücke und in der Hoffnung bald mit ihnen zusammen zu sein, zogen wir nach dem 8 engl. Meilen, in wie immer 160deg. vor uns liegenden Ort Mai-Mekedeh. Wenn ich hier die Distanz wiedergebe, wie sie uns von den beiden Perambulatoren nach Beendigung des Marsches angegeben wurden, so muss man indess wohl berücksichtigen, dass diese Distanzen für Kartenbearbeitung nicht zu gebrauchen sein werden, da natürlich eine gerade Linie oder Ebene zwischen den zwei Orten eine viel kürzere Differenz ergeben wurde, als hier, wo es fortwährend über Berg und Thal ging.

Am folgenden Tage blieben wir in Mai-Mekedeh, um unsere Cavallerieunterstützung zu erwarten, die auch Nachmittags eintraf, und zugleich mit ihr ein Commissariatsoffizier, d. h. einer, der mit dem Einkaufen von Proviant und mit der Armeeverpflegung beauftragt war, so dass uns hierdurch nun eine grosse Unannehmlichkeit, die des Einkaufens von den Eingeborenen, abgenommen war.

Mai-Mekedeh, d. h. das verdeckte Wasser, hat etwas unterhalb des Dorfes einen steilen Abfall, wo die Quelle, welche zur Regenzeit zum Bache anschwellt, eine herrliche Tropfsteinwand gebildet hat, in deren Höhlen und Klüften unzählige schwanzlose Kaninchen hausen. Geht man noch weiter das Thal hinunter, so kommt man an einen zweiten Abschuss circa 600' tief, wo die Wände ebenfalls lauter Säulen und lange steinerne Tropfen sind. Ein Pfad, jedoch nur gangbar, wenn man Hände und Füsse benutzt, fährt in die schwindelnde Tiefe und da wir, Oberst Phayre, Lord Adair und ich, gerade einen Abessinier und seine Frau wie Gemsen diesen Steig hinunter hüpfen sahen, so standen wir nicht an, ihnen zu folgen und langten, alle Viere benutzend, glücklich unten an. Einem an deren Thale folgend, kamen wir wieder an eine dritte Tropfsteinwand; unterhalb derselben war ein grosses Bassin mit Wasser und in der Höhlung der Kalkgebilde hatte sich ein Eremit eine kleine Kapelle eingerichtet. Ob sie noch bewohnt war oder verlassen, konnte ich nicht ermitteln, oben auf dem kleinen Altar, dessen Platte wie ein Tisch auf vier Beinen, ruhte, fanden wir, mit einem Stücke alter Matte zugedeckt, die Schüssel, in welche sie die Hostien zu legen pflegen.

Abends zu Hause angekommen, fanden wir Briefe von Adi-Graat vor, wo jetzt der Aufenthalt Sir Robert Napier's war. Man schrieb uns, dass König Kassa von Tigre die Zusammenkunft mit Sir Robert 14 Tage hinausgeschoben, d. h. abgelehnt hätte. Es war vorauszusehen, dass Kassa, sich nicht persönlich engagiren würde und die Sendung Munzinger und Grant's war somit ein Fehler, abgesehen von den Kosten und Geschenken, die damit verknüpft waren. Ausserdem erhielt Oberst Phayre Instruction, nicht zu rasch vorzugehen, sondern Verbindung mit der Armee zu halten, sowie die Pionierabtheilung, die den Weg zu machen hatte, zu überwachen. Da aber in Mai-Mekedeh kein guter Lagerplatz war, auch Lebensmittel spärlich einliefen, brachen wir am folgenden Morgen vereint nach dem 7 engl. Meilen entfernten Dolo auf; auf dem Wege dahin konnten wir die Amba-Antalo, oder den Berg, an dessen Südseite der Ort liegt, auf circa 15 engl. Meilen Entfernung liegen sehen. Auf diesem Punkte, der einen breiten Bergrücken bildete, befand sich auch die Grenze von Tem und Enderta, sodass wir nun, als wir Dolo erreichten, uns in letzterer Provinz befanden. In Dolo fanden wir einen herrlichen Lagerplatz und eine sehr freundliche Aufnahme bei den Bewohnern der umliegenden Ortschaften.

Die Umgegend ist indess äusserst einfach, besonders jetzt zur trockenen Jahreszeit, wo alles Gras verdorrt und gelb ist. Nach Westen zu auf 3 Meilen Entfernung hat man auf einer 500 Fuss hohen Anhöhe den kleinen Ort Grumber mit der Kirche Tjehen-Mariam, welche inwendig ohne jede Auszeichnung ist; sie ist rund gebaut das Allerheiligste inwendig aber viereckig. Auf halbem Wege dahin liegt die Abu-Kirche mit einigen zerstörten Hütten und einer Quelle daneben. Hier bemerkte ich den ersten Citronenbaum in Abessinien. Nach Südosten von Dolo auf 11/2 Meile Entfernung ist das grosse Dorf Greháribo mit einer der Maria Magdalena (Mariam-Mégedelet) gewidmeten Kirche. Es ist dies der grösste Ort in der Gegend; der Chef lud uns ein, in seine Wohnung zu kommen, die aus einem grossen viereckigen aus unbehauenen Steinen mit einem platten Dache versehenen Raum und mehreren aus Steinen gemauerten mit Stroh gedeckten Hütten bestand, so dass das Ganze durch eine Mauer verbunden und umgeben war. Das steinerne Haus war hoch und geräumig und schien Hauptort zu sein, denn es befand sich ein Angareb oder Ruhebett darin, ausserdem allerlei Geräthe und Waffen, als Spiesse, Schilder etc. Der Besitzer bewirthete uns mit süsser und saurer Milch und setzte uns Brod vor, welches sie in Gestalt von grossen und kleinen Torten zu backen verstehen. Dies Brod ist meist aus Weizen- und Gerstenmehl gemischt. Er führte uns sodann Tänzer vor, die einen Kranz von langem weissen Ziegenhaar wie eine Krone um den Kopf hatten, ausserdem waren sie mit zierlichen silbernen Ketten um den Hals geschmückt, woran Amulets und kleine in feiner Filigranarbeit gemachte silberne Bücherchen hingen - einer hatte auch in seinem krausen Haare einen hübsch gearbeiteten Silberpfeil. Ihr Tanzen war aber ohne alle Kunst und glich ganz den schaukelnden, unanständigen Bewegungen der orientalischen Frauen.

Gerade im Süden von Dolo, eine viertel englische Meile entfernt, liegen auf einem Hügel die Säulen einer zerstörten Kirche Imne genannt. Alles Monolithen von Sandstein, haben diese Pfeiler, die noch ganz erhalten sind, dieselbe Form wie die der Felskirche Kerkus in Dongolo. Letzterer Ort ist kein Dorf, sondern bezeichnet bloss ein Thal. Von den umliegenden Hügeln hat man schöne Aussichten auf Aladje-Berge 190deg. R., auf Lasta 200deg., auf Amba Antalo 205deg. und Gulla-Berg 205deg..

Da Oberst Phayre Befehl bekommen hatte, langsam vorzurücken, so blieben wir in Dolo bis zum 14. Februar und gingen dann über Haik-Höllöt, welches 6 Meilen in 120deg. R. vom letzten Orte liegt, auf Antalo los. In Haik-Höllöt wird von den Leuten von Schelikut, welches eine Strecke, circa 3 Meilen W. S. W. vom genannten Orte ist, eine Abgabe von dem aus der Salzebene kommenden Salz erhoben. Jeder beladene Esel muss fünf, jedes Maulthier zehn Stücke abgeben, jedes Stück Salz wiegt ungefähr ein Pfund. Wir campirten drei Meilen östlich von Antalo, indem wir dicht bei Antalo nicht hinreichend Wasser fanden; obschon das Wasser an dem Orte, wo wir uns befanden, auch nicht besonders war. Eine Meile östlich von uns war auf einem Hügel der verlassene Ort Afgol.


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