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I. Das Reich Bornu.

Die Dynastie. Titel. Eunuchen. Hof- und Staatsbeamte. Das Heer. Bewaffnung. Des Sultans Leibgarde. Vasallenfürsten. Die Kanúri (Körperbau, Familienleben, Religion). Feldfrüchte. Baumwolle und Taback. Obst.

Omar, der jetzige Beherrscher von Bornu, ist der erste Sultan aus der Familie der Kanemiin; eigentlicher Gründer der Dynastie aber war sein Vater, der Schich Mohammed el Kanemi. Dieser hatte sich in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts neben den schwachen Sultanen der Ssaefua-Dynastie eine ähnliche Machtstellung zu verschaffen gewusst, wie sie etwa der Major domus bei den merovingischen Königen besass, nur mit dem Unterschiede, dass er seiner Würde, um die Unterstützung der Araber und Kanemba gegen das zum grössten Theil noch aus Kerdi (Heiden) bestehende Volk zu gewinnen, einen geistlichen Charakter verlieh und einen religiösen Nimbus um sich verbreitete. Deshalb führte er den Titel Schich, der bei den Mohammedanern dem Vorsteher einer Sauya oder dem Obern einer religiösen Genossenschaft beigelegt wird. Auch sein Sohn Omar, der Erbe seiner Macht, nannte sich noch Schich, bis er, nachdem im März 1846 der letzte Ssaefua-Sultan und kurz darauf in der Schlacht bei Minarem dessen Bruder getödtet worden, als Alleinherrscher den Thron von Bornu bestieg. Nun nahm Omar den Titel "Mai", d. h. König oder Sultan, an; indess pflegen ihn die Araber, Tebu und Tuareg aus alter Gewohnheit immer noch Schich zu nennen.

Obgleich der "Mai" jeden Vormittag seine Brüder und Söhne, die hohen Staatsbeamten und die Konaua (Hofräthe) zur Nokna (Rathsversammlung) beruft, regiert er doch thatsächlich ganz so absolut und unbeschränkt wie jeder andere mohammedanische Despot. Er vereinigt in seiner Person die weltliche und geistliche Gewalt, ist Herr über Gut und Leben seiner Unterthanen, setzt die Beamten ein und ab und kann auch die Rechtssprüche der Kadhi nach Gutdünken umstossen. Der muthmassliche Thronfolger, gleichviel ob Sohn, Bruder oder Vetter des Sultans hat den Titel Yeri-ma (nach Barth Tschiroma, nach Denham und Clapperton Cheroma), doch scheint er dem jetzigen Kronprinzen Aba-Bu-Bekr, des Sultans ältestem Sohne, nicht beigelegt zu werden. Ein besonderer Titel: Kabiskema, kommt auch dem Sohne der ältesten Schwester des Sultans zu, was an die Thronfolgeordnung in den Berberstaaten erinnert, nach welcher nicht der Sohn, sondern der Schwestersohn des Herrschers demselben folgt. Die übrigen Verwandten des Mai heissen Maina und werden "Aba" (mein Herr) angeredet. Diejenige von rechtmässigen Frauen des Sultans, welche den Vorrang vor allen andern hat, wird Gúmssu, seine Mutter Mágera titulirt.

Grossen Einfluss am Hofe von Bornu, wie an jedem mohammedanischen Hofe, haben die Eunuchen (Adim). Sie werden vom Sultan mit Gunstbezeigungen und Reichthümern überhäuft, sie gehen am reichsten gekleidet, besitzen die schönsten Pferde, wohnen in den stattlichsten Häusern und schwelgen in Prunk und Wohlleben. Kein Wunder daher, dass sie sich durch hochmüthiges, insolentes Wesen auszeichnen; es ist gefährlicher, einen Adim als einen Kogna zu beleidigen. Freilich fällt ihr Vermögen, da sie als von der Fremde eingeführte Neger keine Verwandten im Lande haben, bei ihrem Tode wieder an den Sultan zurück. Der Oberste sämmtlicher Eunuchen ist der Yura-ma, der Aufseher über die Weiber der Mistre-ma, dem Kislar-Agha am türkischen Hofe entsprechend. In den Händen eines Verschnittenen befindet sich auch das wichtige Amt des Schatzmeisters, des Mala (wahrscheinlich aus dem Arabischen von "mel", Schatz).

Zu den einflussreichsten Hofbeamten gehören ferner: der Ssintal-ma, Obermundschenk, welcher den Sultan stets begleitet und ihm das Trinkgefäss und das Waschbecken reicht (Barth leitet den Titel von der Provinz Kanem ab, wie den des Tlironfolgers, Yeri-ma, von der Provinz Yeri); der Mainta, Oberküchenrath oder Truchsess; endlich der Marma kullo be (in Barth's Vocabularien Kária marma kullo be, "karia" heisst im Kanúri der männliche Sklave), der Oberaufseher über die durchschnittlich mindestens 4000 Sklaven des Sultans, der zu bestimmen hat, wieviel und welche zum Verkauf kommen und wann wieder zur Ausfüllung der Lücken ein neuer Kriegszug unternommen werden soll.

An der Spitze der Staatsbeamten steht der Dig-ma oder Dug-ma, eigentlich Minister des Innern, in Wirklichkeit aber, wenigstens zu meiner Zeit, der alleinige Minister und erste Rathgeber des Sultans. Unter ihm fungiren der Ssiggibáda, Ministerialdirector, und der Ardjino-ma, sein Geheimsecretär. Fugo-ma, Oberst-Scharfrichter, ist der Stadtcommandant von Ngornu, nicht der Statthalter von Ghaer-Eggomo, dem Barth diesen Titel gibt, Kasal-ma der Stadtcommandant von Jo, während Barth schreibt: "Der Kassalma oder Kédjelma ist der Statthalter der östlichen Provinzen Kanems", und Nachtigal: "Der Statthalter von Yo führt den Titel Schétima (Setima), wie alle Chefs der bedeutendem am Wasser gelegenen Districte." So lange die Ssaefua-Dynastie regierte, gab es zwölf höhere Beamte, die man mit dem gemeinsamen Namen Buya dérdaye, d. h. die Grossen des Königs, bezeichnete; jetzt gehören die Würdenträger zu den Kognaua, und mit den Titeln sind meist andere Functionen als damals verbunden. Besoldung vom Staate empfangen die Kognaua nicht, aber der Sultan verleiht ihnen einträgliche Ländereien oder Statthalterschaften von Provinzen und Städten, aus denen sie so viel zu ziehen wissen, dass sie ihrerseits dem Sultan jährlich bedeutende Geschenke machen können.

Die bewaffnete Macht des Reiches, der eine militärische, wennschon sehr mangelhafte Organisation nicht abzusprechen ist, besteht aus etwa 1000 Mann mit Flinten bewaffneter Fusssoldaten, aus ebenso viel gleichfalls mit Flinten und aus 3000 mit Bogen und Pfeilen, Lanzen und Schangermangern bewehrten Reitern. Ausserdem aber hält jeder Grosse, Kogna und Katschella je nach seinem Vermögen eine grössere oder geringere Zahl unregelmässiger Truppen zu Fuss und zu Pferde, sodass Bornu im ganzen wol 25-30000 Kämpfer ins Feld stellen kann. An Artillerie verfügt der Sultan über ungefähr 20 in Kuka selbst gefertigte metallene Kanonen verschiedenen Kalibers, auf schlechten Lafetten oder rohen Holzklötzen ruhend, sowie über 2 Mörser, die aber im Kriege kaum verwendbar sein möchten. Der Höchstcominandirende der Fusstruppen ist der Katschella Nbursa, der mit Flinten bewaffneten Reiter der Katschella blall oder Kaiga-ma (nach Barth's Schreibung Kaighámma, gleich dem türkischen Seraskier), der Bogenschützen und Lanzenträger der Katschella Nbanna oder Yalla-ma; der Hauptmann einer Compagnie von 100 Mann heisst einfach Katschella. Die Soldaten erhalten wie die Civilbeamten keinen Sold, sondern Stücke Land, von, dessen Anbau sie ihren Lebensunterhalt gewinnen mussen.

Eine echt afrikanische Waffengattung sind die bornuer Bogenschützen, etwa 1000 Mann stark. Ausser Bogen, Pfeil und Köcher haben sie 2 bis 4 Wurfspiesse, eine lange Lanze, den gefährlichen Schangermanger und den Schild, und ein über die Schulter geworfenes Tigerfell gibt ihnen ein wirklich martialisches Aussehen. Der Bogen ist von festem, biegsamen Holze, die Sehne von gedrehtem Leder, als Pfeile dienen 11/2 Fuss lange Rohrstäbe mit 3 Zoll langer, meist in Gift getränkter Eisenspitze, der lederne Köcher hängt an Riemen auf dem Rücken. Zum Schaft der Wurfspiesse und Lanzen nimmt man das sehr zähe und dauerhafte, aber verhältnissmässig leichte Holz von der Wurzel des Ethelbaums. Leicht sind auch die Schilde, theils aus Büffelleder, theils aus getrockneter Rhinoceros-, Hippopotamus- oder Elefantenhaut, theils aus dickem Schilfrohr, das vor dem Kampfe durch Anfeuchten zäher gemacht wird; ein Schild, der den ganzen Mann deckt, wiegt nur 4-5 Pfund. Den Schangermanger, dessen Gebrauch im Sudan westlich über Bornu hinaus unbekannt zu sein scheint, in der Sahara aber bis zum Ocean verbreitet ist, habe ich schon früher beschrieben; in Bornu sah ich deren auch aus Holz, zum Theil mit künstlicher Schnitzerei verziert.

Des Sultans berittene Leibgardisten tragen unter ihrer Tobe einen Maschenpanzer, der den ganzen Leib nebst Armen und Beinen umschliesst, und auf dem Kopf eine kupferne oder eiserne Platte, von der ringsum ein gleiches Netz bis auf die Schultern herabfällt, sodass nur ein kleiner Theil des Gesichts frei bleibt. Auch der Sultan, die Prinzen und Vornehmen legen im Kriege, um gegen das Eindringen der Pfeile und Wurfspiesse geschützt zu sein, solche Panzerkleider an, die zu sehr theuern Preisen aus Aegypten bezogen werden. Brustpanzer aus Eisenplatten für weniger Bemittelte liefern die einheimischen Waffenschmiede. Wie schwer müssen die Pferde an diesen gepanzerten Reitern zu tragen haben, zumal man auch die Thiere selbst zum Schutz gegen Pfeile und Spiesse bis an die Knie in dickwattirte baumwollene Decken hüllt und ihre Köpfe vorn und an den Seiten mit messingenen oder silbernen Platten behängt!

So wenig das bornuer Krieggheer sich mit einer europäischen Armee zu messen vermag, so ist es doch stark genug, nicht blos die Landesgrenzen vor feindlichen Einfällen zu sichern, sondern auch die Fürsten der umliegenden Staaten zu Vasallen des Herrschers von Bornu zu machen. Mehrern derselben, wie dem Sultan von Díkoa und dem von Ala, wurde ihre Selbständigkeit bereits vollständig genommen und nichts als der leere Titel noch gelassen. Andere, wie die Sultane Mussa von Múnio, Abdo von Gmmmel, Slimann von Mátjena, sind in ihrer Souveränetät sehr eingeschränkt und verpflichtet, einen jährlichen Tribut an Sklaven und Erzeugnissen des Landes nach Kuka zu senden. Etwas mehr Unabhängigkeit haben sich bisjetzt die Sultane Abd-el-Kader von Logon und Mohammed von Kótoko bewahrt, dank der eigenen, mit dem Kanüri nur entfernt verwandten Sprache ihrer Völker, die eine Scheidewand bildet zwischen ihnen und den Bewohnern von Bornu, doch sind auch sie schon lange tributpfiichtig. Sinder, jetzt noch ein ziemlich selbständiger Staat, wird wahrscheinlich nach dem Tode des gegenwärtigen Sultans Tánemon als reif für die Annexion befunden werden; Mándara (Uándala) aber, das zur Zeit als es Vogel besuchte, noch seine volle Souveränetät besass, ist heute bereits nichts mehr als eine Provinz des Kanúri-Reiches. Immerhin gebieten indess alle diese Vasallenfürsten, unumschränkt über Freiheit und Leben ihrer Unterthanen, sowie sie auch Rasias gegen die benachbarten Negerstämme auf eigene Faust vollführen dürfen.

Die Eingeborenen von Bornu, die Kanúri, sind eine im ganzen wohlgestaltete Menschenrasse. Ihr Körperbau hält ungefähr die Mitte zwischen den vollen plastischen Formen der Haussa-Neger und der sehnigen Magerkeit der Tebu; unter den Vornehmen gibt es allerdings auch viele fette und corpulente Gestalten. Die Beine stehen in richtiger Proportion zum Oberkörper und entbehren nicht, wie bekanntlich bei den meisten Negerstämmen, der Waden. An Grösse erreichen die Männer das europäische Durchschnittsmaass, während das weibliche Geschlecht ziemlich weit hinter demselben zurückbleibt. In der Kopfbildung prägt sich entschiedener als im Wuchs der echte Negertypus aus: krauses wolliges Haar, rundes Gesicht, vorstehende Backenknochen, wulstige Lippen; nur tritt die Nase mehr als sonst bei den Negern aus dem Gesicht heraus, ich sah äusserst selten ganz platte, häufig vielmehr wirkliche Adlernasen. Drei Längsschnitte auf der Wangenhaut fehlen nie. Der Ausdruck in den Gesichtszügen, namentlich im Blick verräth bei den meisten Gutmüthigkeit und Wohlwollen und hätte mich noch sympathischer berührt, wenn nicht durch die gelbliche Bindehaut des Auges die vortheilhafte Wirkung etwas abgeschwächt würde. Das Kopfhaar wird von den Männern glatt abgeschoren, und tagelang lassen sie die heissen Strahlen der Tropensonne auf den kahlen Schädel brennen, nur die Wohlhabendem bedecken das Haupt mit einer weissen baumwollenen Mütze, die Vornehmen mit dem rothen Fes. Hingegen verwenden die Frauen Sorgfalt auf ihre freilich nicht langen Haare, indem sie dieselben entweder in eine Menge kleiner Zöpfe flechten, die rund um den Kopf herabhängen, oder in eine helmartig von hinten nach vorn über dem Kopf liegende Wulst zusammenbinden.

In Betreff der geistigen Fähigkeiten stehen die Kanúri den Nachbarvölkern keineswegs nach; ihre natürlichen Neigungen sind vorwiegend dem Guten zugewendet, daher Völlerei und andere Laster, denen sich z. B. die Maba von Uadaï oder die Abessinier hingeben, in Bornu selten oder gar nicht vorkommen. Die mohammedanische Sitte der Vielweiberei haben nur die Fürsten und Grossen angenommen, der Mann aus dem Volke führt ein geordnetes Familienleben mit einer Frau, und manche Ehe ist mit einem Dutzend Kinder gesegnet. Obwol die Mädchen meist schon mit zwölf Jahren die geschlechtliche Reife erlangen, heirathen sie selten vor dem sechzehnten Jahre; freilich gestatten sich die Töchter der Reichen vor ihrer Verheirathung grosse Freiheiten im Umgang mit Männern, ohne dass der Bewerber um ihre Hand daran Anstoss nimmt. Nach der Verheirathung aber ist die Frau Eigenthum des Mannes, und Ehebruch wird in Kuka, wie es scheint, nach den strengen Gesetzen des Koran bestraft. Indessen, wenn auch die Frau dem Manne fast wie eine Sklavin unterthan ist und erst als Mutter zahlreicher Nachkommenschaft zu einer etwas geachtetem Stellung gelangt, so hat sie doch hier nicht wie sonst bei den Bewohnern Centralafrikas die Last der Arbeit allein zu tragen. Vielmehr machen die Kanúri unter den Negern, denen im allgemeinen mit Recht Trägheit und Arbeitsscheu vorgeworfen wird, eine rühmliche Ausnahme. Mann und Frau bebauen gemeinschaftlich das Feld und bringen gemeinschaftlich die Producte oder Waaren zum Verkauf; die Frauen spinnen und weben die Baumwolle, die Männer nähen die langen Streifen Zeug zu Kleidungsstücken zusammen, welche sie oft mit fleissiger Handstickerei bedecken. Von andern Handwerkern, den Schuhmachern, Schmieden, Töpfern, Korb- und Mattenflechtern u. s. w., haben wir schon bei der Schilderung des kukaer Markts gesprochen, genug, die Bornuer sind unstreitig das betriebsamste und civilisirteste von allen Negervölkern. Und diese Betriebsamkeit ist dem Volke um so höher anzurechnen, da leider die Fürsten und Grossen ihm kein gutes Beispiel geben, im Gegentheil Arbeiten für etwas Erniedrigendes ansehen und sich beschimpft glauben würden, wenn sie zu Fuss gehen, auf dem Markt etwas einkaufen oder gar Feld- und Handarbeit verrichten sollten.

Neben den gewerblichen Hantierungen versäumen aber die Frauen auch nicht die Pflege und Erziehung ihrer Kinder; Schulen, in welche die Knaben geschickt. werden, um einen äusserst dürftigen Unterricht zu empfangen - die Mädchen sind ganz davon ausgeschlossen - gibt es nur in den wenigen grössern Städten. Welch wichtigen Factor die Familie im Leben der Kanúri bildet, davon zeugt unter anderm die Reichhaltigkeit ihrer Sprache an Bezeichnungen für die verschiedenen Verwandtschaftsgrade. Sie haben z. B. ein eigenes Wort für den ältern Bruder, gaya, und für den jüngern Bruder, kerami, für den Oheim von väterlicher und von mütterlicher Seite, für eine eben erst Witwe gewordene Frau und für eine Witwe, wenn sie sich wieder verheirathen darf.

Als Staatsreligion in Bornu gilt seit Jahrhunderten der Mohammedanismus. Die Dynastie, alle Vornehmen und die Bewohner der grössern Ortschaften bekennen sich dazu. Dennoch hat der Islam im Volke keine Wurzel geschlagen und wird es auch nie, er scheint in Afrika über eine gewisse Grenze nicht hinaus zu können. Man nahm den Eingeborenen ihren uralten Fetischdienst, ohne dass sie für die Idee des Monotheismus gewonnen wurden, nicht einmal ein Wort besitzen sie in ihrer Sprache für Gott, denn kéma-nde, womit sie das Fremdwort Allah übersetzen, heisst Herr im bürgerlichen Sinne; gebetet aber wird ausschliesslich in arabischer Sprache, die weitaus den meisten unverständlich ist. Früher verehrten sie einen Waldteufel, Koliram, und einen Wasserteufel, Ngámaram; jetzt feiern sie gar keine Gottheit mehr, und ihre ganze Religion besteht in allerlei Aberglauben und einigen äusserst verworrenen Vorstellungen von Paradies und Hölle der Mohammedaner. Daher haben auch die religiösen Feste keine tiefere Bedeutung für sie, sondern werden nur mit wiederkehrenden Naturerscheinungen, wie Vollmond, Eintritt der Regenzeit und dergleichen, in Verbindung gebracht.

Ich habe bereits mehrfach erwähnt, dass die Bornuer fleissige Ackerbauer sind. Natürlich bauen sie vorzugsweise Getreide, und zwar massakúa (Holcus cernuus), ngáfoli (Sorghum) und argum moro (Pennisetum typhoidum, Negerhirse). Etwas Weizen wird bei Kuka, ausschliesslich für den Sultan gebaut. Reis wächst auf wasserreichem Boden wild oder bedarf nur geringer Pflege. Gemüse und Hülsenfrüchte zieht man ebenfalls auf offenem Felde, nicht in Gärten; es sind: koltsche (Arachis hypogaea, Erdmandeln), ngalo (Bohnen), ngangala, eine Erdmandel, die botanisch noch nicht näher bestimmt wurde, Gurken, Melonen, süsse Kartoffeln, Zwiebeln, Knoblauch, Bamien. Das beliebteste Gemüse aber sind die jungen zarten Blätter des Andasonienbaums, die gekocht einen unserm Braunkohl ähnlichen Geschmack haben.

Für eine in Afrika einheimische Pflanze ist wol zweifellos die Baumwollstaude anzusehen; wenigstens spricht dafür ihre weite Verbreitung über den afrikanischen Continent sowie die Reichhaltigkeit an Worten für Baumwolle, die sich fast in allen Negersprachen findet. Das Wort kalkutta, dessen sich die Kanúri bedienen, scheint, ebenso wie unser Wort Kattun, aus dem Arabischen zu stammen. Ob auch der Taback ein einheimisches Gewächs, oder von Amerika eingeführt sei, darüber sind die Meinungen getheilt; seine Verbreitung ist gleichfalls sehr allgemein, ja es gibt kaum eine Negerhütte, in deren Umgebung nicht einige Tabackstauden Eingepflanzt wären. Uebrigens wird der Taback von den Bornuern nicht geraucht, sondern in Vermischung mit Natron gekaut.

Im Gegensatz zum Feldbau ist die Baumzucht in Bornu gänzlich vernachlässigt. Die Datteln, die hier verspeist werden, kommen von Kanem oder noch weiter vom Norden her; die äusserst bitter und unangenehm schmeckende Frucht des Bito oder Hadjilidj (Balanites aegyptiaca) kann für die Dattel in keiner Weise Ersatz leisten. Auch die Feigen taugen hier nichts, und die Früchte des Tamarindenbaums wie die der Adansonie lassen sich nur zu Limonade benutzen, da die Bornuer keinen Zucker haben, um durch Versetzung damit die Tamarindenpulpe essbar zu machen. Schmackhafte Früchte liefern nur die Banane und der Gundabaum, doch treten beide erst an der Westgrenze des Landes auf. Barth nennt den Gunda Melonenbaum, und in der That hat seine Frucht äusserlich grosse Aehnlichkeit mit der Melone; ganz verschieden von ihr ist aber der ausserordentlich liebliche Geschmack, den ich nicht anders zu bezeichnen weiss, als: die Gundafrucht schmeckt, wie die Jasminblüte riecht. In den Wäldern von Bornu wachsen indess eine Menge wilder Fruchtbäume; würden sie gepflegt und veredelt, so dürften die meisten von ihnen mit geniessbaren, zum Theil vielleicht jetzt noch unbekannten Obstarten die Pflege belohnen.


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