Ein Sumpfland. Begleitung und Ausrüstung. Abreise. Hadj Aba. Regen. Waldbäume. Heuschrecken. Die Dörfer Fórtua und Solùm. Sumpfluft. Gáloa und Galegéro. Der Buddumásseli-Wald. Die Stadt Mai-dug-eri. Der Ngádda-Fluss. Mai-schig-eri. Die Schua-Araber. In Kuintaga. Üeber den Jádsaram-Fluss. Escorte bis zur Grenze. Berg und Dorf Grea. Ankunft vor Doloo.
Kurz nach meiner Rückkehr vom Tschad-See fasste ich den Plan, die Zeit bis zur Wiederankunft des an den Sultan von Uadaï geschickten Kuriers mit einem Besuche des Landes Uándala (Mándara) auszufallen.
Dieses kleine Land war vor mir erst von zwei Europäern besucht worden, von Denham und von Vogel. Letzterer hinterliess über seinen Besuch in Mara kaum eine dürftige Notiz; von ersterm besitzen wir eine ausführlielie Schilderung des durch Araber und Bornuer zum Einfangen von Sklaven unternommenen Kriegszugs, den er dahin begleitete, und der vielfach an den Zug erinnert, mit dem Nachtigal nach Bagirmi kam. Von Barth wird Uándala ein Bergland und die Bewohnerschaft ein Gebirgsvolk genannt, was aber auf Irrthum beruht, denn das Gebiet erstreckt sich nur bis an den nördlichsten Abhang der Berge, und seine Bewohner, eng verwandt mit den Lógone, Gámergu, Kanúri und Búdduma, haben nichts gemein mit den weiter südlich wohnenden Bergvölkern. Uándala ist vielmehr ein echtes Sumpf- und Wasserland, das während der ganzen Regenzeit theils durch die vom Gebirge herabkommenden Flüsse und Bäche, theils durch den austretenden Tschad-See überschwemmt wird, wie denn auch der Name Uándala, Wángara, Mándara, Mándala in den verschiedenen Negersprachen "Sumpf" bedeutet.
Sultan Omar ertheilte nicht nur bereitwilligst die Erlaubniss zur Reise, sondern bot mir auch Almas als Kam-mai-be (Mann des Königs, königlicher Botschafter) zur Begleitung an. Sein ältester Sohn, Aba-Bu-Bekr, der eine Tochter des Sultans von Uándala zur Frau hat, versah mich mit einem Empfehlungsschreiben an Letztem und überliess mir gleichfalls einen seiner Diener. Mohammed el Alamino stellte Vogel's ehemaligen Diener Dunkas beritten und mit Flinte bewaffnet zu meiner Verfügung, mit dem Bemerken, dass ich ihn, wenn es mir belieben für immer behalten könne. Von meinen eigenen Leuten sollten der Gatroner, Hammed, Ali und Noel mich begleiten. Das schöne Pferd, das mir der Sultan geschenkt, gab ich dem Alamino nach Magómmeri mit, in dessen Hause zu Kuka ich auch meine werthvollern Effecten, in Kisten verpackt, aufbewahren liess; alles übrige nebst einem kranken Sklaven nahm ein mir befreundet gewordener Scherif von Medina zu sich. Zum Reiten für mich und den Gatroner wurden zwei kleine wohlfeile Pferde, und zum Transport der Sachen drei Lastochsen angeschafft. Letztere Thiere, Kanemo genannt, kosten nur 2 Thaler das Stück und tragen mindestens ebenso viel wie ein Pferd, während sie mit dem magersten Futter vorlieb nehmen. Leider lassen sie sich schwer lenken, und ein anderer Uebelstand ist, dass man keine praktischen Sättel für sie hat; die Last wird ihnen in zwei grossen Ledersäcken über den Buckel geworfen, führt nun der Weg durch dichtes Gebüsch, so kommt es oft vor, dass die Säcke sich abstreifen und nach hinten herunter fallen.
Der 8. September (1866) war der zur Abreise bestimmte Tag. Da der Weg über Díkoa, der Ueberschmemmungen wegen in dieser Jahreszeit nicht passirbar ist, musste der weitere über Udjë genommen werden. Um 7 Uhr morgens schickte ich die Leute unter Almas Führung voraus, mit dem Befehl, mich in dem Dorfe Hadj Aba zu erwarten. Ich selbst hatte noch allerlei zu besorgen, sodass es 10 Uhr wurde, bis ich durch das Südthor die Stadt verliess. Beim heitersten Wetter ritt ich zwischen den in voller Pracht stehenden Getreidefeldern hin, die Richtung von 200deg. verfolgend. Nach einer halben Stunde blieb links von mir der Ort Marmatari, und wieder nach einer halben Stunde ebenfalls zur Linken der Ort Digigi liegen. Um 12 Uhr fand ich meine Leute 1/4 Stunde vor Hadj Aba im Schatten eines mächtigen Tamarindenbaums gelagert. Wir rasteten hier der Hitze wegen bis 3 Uhr und trafen dann gerade noch zu rechter Zeit im Dorfe ein, um vor einem heftigen Gewitterregen Schutz zu finden. In Kuka hatte man mich versichert, die Regenzeit sei zu Ende, und ich hatte der Versicherung, obgleich noch etwa 14 Tage bis zum Eintritt der Sonnenwende fehlten, um so eher Glauben geschenkt, als in der That seit mehrern Tagen kein Regen mehr gefallen war. Durch diesen Irrthum wurde aber, wie wir später sehen werden, der Zweck meiner Reise nach Uándala grossentheils vereitelt, denn der beständige Regen, der in der Nähe des Gebirges noch länger anhält als in der offenen Ebene, erweichte den Boden dermassen, dass an ein Herumreisen im Lande nicht zu denken war. - Sobald indess der Regen in Hadj Aba etwas nachliess, flüchtete ich mich wieder ins Freie, vertrieben durch die fabelhafte Masse von Flöhen, die den Aufenthalt in der Hütte zur unerträglichen Pein machte.
Auch als wir am andern Morgen aufbrachen, regnete es wieder, und immer grundloser wurden die Wege. Zwei Umstände befördern hier die Versumpfung des Bodens.
Einmal kann in dem völlig horizontalen Terrain nirgends ein Rinnsal sich bilden, das dem Wasser Abzug verschaffte, und zweitens wird durch keinen Stein das Eindringen der Nässe ins Erdreich gehemmt. Selbst dicht am Fuss des Gebirges, auf der nördlichen wie auf der südlichen Seite, findet sich kaum eine Spur von Geröll; die Erhebung des Landstrichs zwischen dem centralafrikanischen Gebirge und dem Hochlande der Wüste über den Meeresspiegel muss also ohne alles gewaltsame Erschüttern der Erdrinde vor sich gegangen sein. Eine Viertelstunde hinter Hadj Aba liegt etwa 1/2 Stunde westlich vom Wege entfernt der Ort Karban. Jetzt begannen Schwärme von Fliegen und Blutwespen unsere Thiere zu peinigen, doch sind sie glücklicherweise nicht so gefährlich wie die nbússoni genannte Fliege, die in Logone und Bagirmi häufig sein und mit einem einzigen Stiche ein Pferd tödten soll, die ich übrigens nach der Beschreibung, welche mir die Eingeborenen davon machten, mit der berechtigten Tsetse-Fliege für identisch halte. Die Gegend ist schön, wenn auch nicht dicht, bewaldet. Eine Hauptzierde bildet der Golúmbi-Baum, den ich hier zum ersten mal sah, mit seinem gefederten Laubwerk, desgleichen der schattige Tamarindenbaum, durch dessen breites Blätterdach kein Sonnenstrahl dringt. An ihnen klettert der cactusartige Digéssa, der vereinzelt schon im Norden von Kuka vorkommt, nun aber in Menge erscheint, mit Ranken und Blättern wie die Weinrebe empor aus dem Saft seines in der Jugend viereckigen und fleischigen, später abgerundeten, am untern Ende oft armsdicke Stammes wird in Vermischung mit andern Pflanzensäfte jenes furchtbare Pfeilgift bereifet, von dem nach Aussage der Neger das kleinste Tröpfchen, in eine Wunde gebracht fast augenblicklich den Tod herbeiführt. Hier und da is der Waldpark von Ngáfoli- und Morumfeldern oder von Geländen mit Bohnen und Karres, einer säuerlich schmeckenden Gemüsepflanze, unterbrochen. Nachdem wir um 71/2 Uhr an dem Orte Birnoa, eine Viertelstunde rechts vom Wege liegend, vorbeipassirt, gelangten wir um 8 an die drei Brunnen Bellúri und um 9 an den Brunnen Gúggerum, wo ein kurzer Halt gemacht wurde, um die etwas zurückgebliebenen Ochsen zu erwarten. Um 101/2 Uhr erreichten wir das Dorf Fórtua, ein Besitzthum des Katschélla blal. Ich fand bei den Bewohnern gastliche Aufnahme und beschloss, da die Ochsen der Weide bedurften, den Tag dort zu bleiben. Von 3 Uhr bis Sonnenuntergang zogen förmliche Wolken von Heuschrecken von Norden nach Süden, wahrscheinlich aus der Tintümma kommend, über das Dorf.
Der allgemeine Name für Heuschrecke ist Kafi, für die einzelnen Arten gibt es aber besondere Namen: die Wüstenheuschrecke heisst kómono (kamanwa), von den in Bornu einheimischen heisst die gelbgrüne débu (difu), die grasgrüne ssogúndo (súgundo) und eine kleinere Art dúxa. Die Artnamen logará, kéli, suguma und kasasima, die Koelle angibt, hörte ich nicht nennen. Gegessen werden von den Eingeborenen die kómono, débu und ssogúndo; letztere, die meist aromatische Kräuter frisst, hat in der That einen gar nicht übeln Geschmack. Gegen Abend schoss ich eine Waldtaube (ngáto) und zwei Turteltauben (ngígi), die durch das Zirpen der Heuschrecken ins Dorf gescheucht worden waren. Die Nacht brachte ich, um nicht in einer Hütte ven Flöhen zerstochen zu werden, in meinem Zelte zu; aber die Vorsicht half mir nichts, denn statt der Flöhe plagten mich hier die überall eindringenden Schnaken so, dass ich kein Auge zuthun konnte. Besonders während der Regenzeit sind tags die Fliegen, nachts die Mücken oder Mosquiten eine schreckliche Plage, der Reisende sollte daher nie versäumen, ein namussía (Fliegenzelt) mit sich zu führen.
Früh 51/4 Uhr gingen wir in gerader Südrichtung weiter durch den lichten, leider sehr sumpfigen Wald. Als Königin der Bäume ragt wieder über alle die schattenreiche Tamarinde hervor. Sporadisch tritt nun auch der Riesencactus, Kandelaberbaum, auf, hier gárulu, in Abessinien kolkol genannt. An dem Gonogo-Strauche fand ich eine gelbe, birnengrosse Frucht mit korallenrothen, von einem Kamm gekrönten Kernen, deren Fleisch geniessbar ist, doch einen etwas harzigen Nachgeschmack hat, und an dem Taida-Strauche kleine weisse Beeren von bitterm, magenstärkendem Geschmack. Noch mehr, ja auffallend viele mir ganz neue Arten gewahrte ich unter den nicht fruchtragenden Bäumen und Sträuchern. Die vierfüssige Thierwelt scheint in dem Walde nicht stark vertreten, sie hat wol zum Theil den Ansiedelungen der Menschen weichen müssen. Dagegen wimmelt es von gefederten Bewohnern der Lüfte; das Nest des Webervogels, nur am untern Ende offen, damit Regen und Sonne nicht eindringen können, hängt von allen Zweigen herab auch ein anderer kleiner Singvogel, der Fani, webt sich aus Baumwollfasern sein künstliches Nest. Um 6 Uhr passirten wir das Dorf Kornáua, um 7 Uhr die Felder von Komalúa, 1/2 Stunde später Rilkáku, und um 81/2 Uhr ritt ich mit Mohammed Gatroni in den Ort Birba ein, wo um 10 Uhr die Leute mit den Lastochsen wieder zu uns stiessen. Bis Nachmittag 33/4 Uhr wurde der Hitze wegen gerastet und dann der Weg in der Richtung von 220deg. fortgesetzt. Die Orte Gamgállerge und Mugsa, die wir nach je einer halben Stunde erreichten, liegen noch im Walde; hinter Mugsa hört der Wald auf, und es folgen wieder Getreidefelder, meist mit moro bestellt, oder mit koltsche (Erdnuss) bebaute Aecker. Wir lagerten in dem Dorfe Solúm, von den Bewohnern freundlich aufgenommen, wie überhaupt von hier an südwärts nirgends mehr feindselige Gesinnung gegen den "Nassára" anzutreffen ist; wird ja auch in Kuka der Christenhass, den einzelne Bewohner kundgeben, ihnen nur von den fanatischen Arabern und Berbern beigebracht.
Trotzdem dass ich von dem strömenden Regen oft bis auf die Haut durchnässt wurde, hatte ich mich guter Gesundheit zu erfreuen. Bei meinen Leuten aber äusserten sich bereits die schädlichen Einflüsse der beständigen Nässe und besonders der faulen Sumpfluft. Hammed und Dunkas erkrankten am Fieber und konnten sich vor Schwäche kaum aufrecht erhalten, Ali litt an Diarrhöe, Noel bekam Geschwüre, die mich befürchten liessen, er sei mit dem in den Sumpfgegenden Afrikas so häufig vorkommenden Guineawurm behaftet. Bekanntlich herrscht noch Zweifel darüber, ob der Guineawurm (filiaria medinensis) sich von aussen in den menschlichen Körper einbohrt, oder ob er mit dem Trinkwasser in den Magen gelangt und von innen heraus bis unter die Haut vordringt. Ich neige mich der erstern Ansicht zu, und zwar weil sich in der Regel nachweisen lässt, dass die damit Behafteten in stehendem, sumpfigem Wasser gebadet, besonders aber weil die Geschwüre meist an den gerunzelten Hautstellen, in der Nabelgegend oder bei Männern am Hodensack, bei alten Weibern in den Brustfalten, ihren Sitz haben. Glücklicherweise erwiesen sich die Geschwüre Noel's als ungefährlich, doch konnte er nicht zu Fusse weiter gehen, sondern musste einen Ochsen besteigen.
Nach einer wegen der vielen Mosquitos qualvoll zugebrachten Nacht verliessen wir morgens 61/2 Uhr Solúm und nahmen die Richtung von 230deg.. Die Bewohner der Gegend waren eben mit der Reisernte beschäftigt. Reis, ihre Hauptnahrung, wächst ihnen nämlich auf diesem sumpfigen Boden ohne Anbau und Pflege ganz von selbst zu, sie haben nichts zu thun, als ihn in der Regenzeit, wo er seine Reife erlangt, zu schneiden und einzusammeln. Kranka (Calotropis procera) und Ertim (Retama Raetam), deren Heimat der nördliche Theil von Bornu ist, fangen hier an zu verschwinden, einzelne Krankastauden sah ich aber noch in Uándala. Häufiger dagegen wird der hochästige Gárulu-Cactus (Euphorbia abyssinica). Wir passirten um 7 Uhr den Ort Bolúngoa, nach den ihn umgebenden Bolungobäumen benannt, um 8 Gusserge, um 91/2 Dádego und erreichten um 10 Uhr unter strömendem Regen Gáloa oder Tjingoa. Dieses kleine, nur aus wenigen Hütten bestehende Dorf ist von ehemaligen Dienern Almas bewohnt, die sich hier angesiedelt und gegen Abgabe des vierten Theils ihrer Ernte von Frondiensten frei gemacht haben. Sie bewirtheten uns mit mehr als 20 Schüsseln verschiedener Speisen und brachten mir ausserdem 10 Hühner als Gastgeschenk. Zum ersten mal ass ich hier ngángala, eine der koltsche verwandte Erdnuss, aber dadurch von ihr unterschieden, dass sie nicht wie diese ölhaltig, sondern sehr mehlreich ist, noch mehliger als unsere besten Kartoffeln, denen sie auch an Wohlgeschmack nichts nachgibt. In der Nacht hatte ich wieder furchtbar von den Schnaken zu leiden. Die Dorfbewohner schützen sich dagegen, indem sie in einen von Dum geflochtenen Sack kriechen, dessen dichtes Mattengeflecht die Insekten nicht eindringen lässt, aber auch dem darin Liegenden, da die einzige Oeffnung dem Boden zugekehrt wird, die Luft zum Athmen benimmt; wenigstens konnte Hammed, der es den Eingeborenen nachzuthun versuchte, nur ganz kurze Zeit in der erstickenden Umhüllung aushalten.
Nächsten Morgen brachen wir zeitig auf, die Richtung von 230deg. weiter verfolgend. Das Barometer zeigt, ausser seinen regelmässigen Schwankungen, nicht die geringste Hebung oder Senkung des Terrains, daher nirgends ein Abfluss des Wassers aus dem sumpfigen Boden stattfindet. Zahlreiche Termitenhügel, mitunter von 8-10 Fuss Höhe, verleihen der Gegend einen eigenthümlichen Charakter.
Bei Tage verbergen sich die weissen rothköpfigen Ameisen, aber sobald es Abend wird, erscheinen sie in Scharen auf dem obern Rande ihres Palastes und bauen emsig fort an den thurmartigen Röhren aus Thonerde, die im Innern 1 bis 11/2 Decimeter im Durchmesser haben und, oft zu 20 aneinandergefügt, zusammen eine Pyramide bilden. Wie es scheint, finden die Thierchen in dem Thon, mit dem sie bauen, auch die zu ihrer Nahrung dienenden Stoffe. Jeder Bau hat seine Königin, die sich durch bedeutende Grösse vor den Volksgenossen auszeichnen soll. Zu beiden Seiten unsers Wegs stehen eine Menge zierlicher Farnkräuter, und mannichfache Arten von Schlinggewächsen, darunter die digdiggi mit süsser geniessbarer Frucht, die ich schon in Kanem kennen gelernt hatte, umranken die Bäume bis hinauf in ihre höchste Wipfel. Mehrere von den Mimosen standen in Blüte, so die Kingar-Art (Acacia nilotica), deren wohlriechende gelbe Blümchen wie Sterne zwischen dem feinblättrigen grünen Laube hervorschimmern. Wir passirten um 7 Uhr Eiram, um 71/i Kolokóloa und um 73/4 Gílgela, kleine Orte von 10 bis 50 Hütten, die jeder im Besitz eines andern Herrn sind. Früher war dieser Besitz erblich, jetzt aber werden die Herren vom Sultan von Bornu eingesetzt. Um 9 Uhr lagerten wir in Galegéro, dem letzten Orte der Landschaft Gomáti. Eine Veranda, von digdiggi und Flaschenkürbissen umlaubt, gewährte mir Schutz gegen die zwischen dem dunkeln Gewölk um so brennender herabschiessenden Sonnenstrahlen. Unfern davon war der ebenfalls von grünen Laubwänden eingefasste mohammedanische Betplatz, eine Moschee-Laube, dergleichen ich übrigens nur in einigen Orten antraf, denn die Mehrzahl der Bewohner ist auch äusserlich noch nicht zum Islam bekehrt.
Nachmittags 2 Uhr wurde die Reise, immer südwestwärts, fortgesetzt. Unsere Karavane glich, da die Hälfte der Reisegesellschaft krank war, einem Feldhospital. Wir befanden uns nun in der Provinz Udjë und traten in den prachtvollen Wald von Buddumásseli ein. Er besteht aus lauter riesigen, wol tausend Jahr alten Bäumen: mit der Tamarinde wetteifern an Grösse und Höhe der majestätische Anim-Baum, dessen Blätter zum Grünfärben benutzt werden, der nicht minder imponirende Komáua mit Früchten von Geschmack und Grösse der Citrone, der alle überragende Kágui, wegen seiner hellgrünen Laubfülle an unsere Buchen im Frühlingsgewande erinnernd. Und diese Riesenstämme sind oft durch Schlingpflanzen zu einer hohen grünen Mauer verbunden, über die nur ihre Kronen sich frei in die Lüfte emporheben; oder unter ihnen bilden der blassgrüne Kossáse-Strauch, der korallenroth blühende Borúngo-Strauch und anderes Buschwerk ein für Menschen wie Thiere undurchdringliches Dickicht. Auch die Mimosen erreichen in dem fetten Humus eine Höhe, wie ich sie sonst nirgends gesehen; ausser der kingar erwähne ich die kinder (Acacia arabica), die kleinblättrige gerbinua, deren Stacheln giftig und, wenn sie im Fleische stecken bleiben, sogar tödlich sein sollen, und die Dusso-Akazie mit den feinen, nachts sich schliessenden Blättchen, bei uns als Treibhauspflanze bekannt. All diese reiche Waldvegetation aber stand jetzt im Sumpf, stellenweis in Teichen von 1/2-1 Fuss Tiefe; grössere Landthiere schienen sich gar nicht darin aufzuhalten. Auf der Strecke, die wir durchmassen, ist der Wald 1 Stunde breit, nach Westen zu soll er jedoch bedeutend breiter sein. Nachdem wir um 4 Uhr an dem Orte Buddumásseli in der Entfernung einer Stunde rechts vom Wege vorbeigegangen, kamen wir um 5 Uhr nach Tebá, wo ich zu lagern befahl. Die Bewohner des Orts machten Miene, unserm Bleiben sich mit Gewalt zu widersetzen, ein paar blinde Schüsse brachten sie indess zur Raison, sodass sie uns nun lieferten, was wir bedurften. In der Nacht raubten mir wieder die Schnaken allen Schlaf; zudem mussten wir auf der Hut bleiben vor den Diebsgelüsten der Eingeborenen.
Um 51/2 Uhr morgens ging es in südwestlicher Richtung vorwärts. Nach kurzem Marsch umfing uns ein Wald von gleicher Pracht und Grösse wie der Buddumásseli, natürlich aber ebenfalls im Wasser stehend; sein Boden war ein einziger grosser See. Mitten in dem Walde wurden wir von einem starken Gewitterregen überrascht; wir flüchteten auf eine kleine Erhöhung, auf der ich mein Zelt errichten liess, um wenigstens die für den Sultan von Uándala bestimmten Geschenke, unter anderm einen Burnus von weissem Stoff, vor dem Verderben durch Nässe zu bewahren. Allein das Wasser stieg immer höher, bald überflutete es auch unsere Insel, und wir mussten die Sachen auf unsern Armen emporhalten. Erst nach einer Stunde hörte der Regen auf. Nachdem sich die Flut allmählich wieder gesenkt, zündeten meine Leute ein Feuer an, an dem die durchnässten Kleider getrocknet und eine Ziege, die wir bei uns hatten, gebraten wurde. Während wir damit beschäftigt waren, zog eine Karavane vorbei, die koltsche und ngangala von Udjë nach Kuka zu Markt führte. Almas hielt sie an und befahl den Händlern, sie sollten uns ein paar Säcke voll da lassen, indem er behauptete, als Kam-mai-be habe er das Recht, unterwegs Lebensmittel für unsern Bedarf zu requiriren. Diese weigerten sich indess, von ihrer Ladung etwas unentgeltlich herzugeben, sodass es zu Gewaltthätigkeiten gekommen wäre, wenn ich mich nicht ins Mittel gelegt und Almas, der schon seine Flinte ergriff, aufs ernstlichste zur Ruhe verwiesen hätte. Ich kaufte den Leuten ngangala für uns ab und machte ihnen obendrein ein Stück Ziegenfleisch zum Geschenk, worauf sie befriedigt weiterzogen.
Auch wir setzten unsern Weg durch den Wald fort, indem wir uns noch mehr südlich wandten. Zu den Baumriesen gesellt sich jetzt die Tíggebo, eine hohe Adansonie, wenn auch nicht von ganz so gewaltigen Dimensionen wie die Kuka- oder Baobab-Adansonie, und der Komandu, dessen Holz besondere Festigkeit und Dauerbarkeit besitzt. An vielen Bäumen rankt sich eine Art wilder Wein, debússum genannt, empor; seine Trauben begannen eben zu reifen. Wo aus den Sümpfen oder Teichen ein trockener Platz hervorragt, da sieht man die Thürme und Pyramiden der weissen Ameisen sowie Haufen von 6-8 Fuss im Durchmesser, welche die schwarzen Ameisen aufwerfen und in die sie auf sauber geebneten, 2-3 Zoll breiten Strassen ihre Vorräthe schleppen. Manche ihrer künstlichen Bauten sind von ihrem gefährlichsten Feinde, dem Ameisenbär, zerstört. Unglaublich schnell wühlt derselbe mit seinen scharfen Krallen die Erde bis ins Innerste dieser Ameisenwohnungen auf, streckt dann die lange, gegen Stiche und Bisse unempfindliche Zunge hinein, die geängstigten Thierchen sammeln sich darauf und werden zu Hunderten auf einmal von ihm verschluckt. Es heisst, der Ameisenbär verschone stets die Königin des Baues, damit der Stamm nicht aussterbe, wahrscheinlich aber wol, weil sie zu gross ist für seinen engen Schlund. An andern Stellen zeigte man mir die trichterförmigen Gruben des Ichneumon; das Thier selbst aber, das ausserordentlich scheu ist, bekam ich nicht zu sehen. Ferner erregte meine Aufmerksamkeit der von den Kanúri fato-ngábbere genannte Vogel durch seinen seltsamen Flug, welcher der Bewegung eines von hohen Wellen auf- und niedergeschleuderten Schiffes gleicht; er hat nämlich einen im Verhältniss zu dem kleinen Körper ungewöhnlich langen Schwanz und mag von dessen Schwere immer herabgezogen werden, bis er sich mit erneuter Anstrengung wieder emporschwingt. Leider konnte ich ihn nicht in der Nähe betrachten, da er sich stets ausser Schussweite hielt. Um 41/2 Uhr kamen wir rechts an dem Orte Madadj-eri vorbei. Von da an ging der Weg durch ngáfoli- und máttia-Felder (máttia ist eine Art argum moro) auch Indigo, arin oder alin genannt, wird hier gebaut und scheint vortrefflich zu gedeihen. In dem Dorfe Malim-eri, das rings von koltsche-Feldern umgeben ist, wurde um 6 Uhr gelagert.
Weder Schnaken, Flöhe noch sonstige Plagegeister störten diesmal unsere Nachtruhe, und neugestärkt setzten wir uns morgens 7 Uhr wieder in Marsch. Kaum 1/2 Stunde vom Dorfe entfernt, überfiel uns abermals ein gewaltiger Platzregen, der zum Aufschlagen meines Zeltes nöthigte, jedoch nicht länger als 20 Minuten anhielt. Hier beginnt nun die Zone der Kuka-Adansonie, des Riesen unter den Riesenbäurnen; gewöhnlich hat ihr Stamm in Höhe eines Meters von der Erde 10-12 Meter im Umfang. Hoch in der Luft gewahrte ich den ersten kirgalibú, einen mächtigen Raubvogel, an Grösse den Königsadler übertreffend.
Vormittags 10 Uhr langten wir in der Stadt Mai-dug-eri an, die, etwa 20 Meter höher als Kuka, nur 1 Kilometer weit vom linken Ufer des Ngádda-Flusses gelegen ist. Auf dem Dendal, dem Marktplatze der Stadt, machte unsere Karavane halt. Meine Leute feuerten ein paar Schüsse ab, worauf der Kre-ma, der in Abwesenheit des nach Kuka gereisten Stadtobersten die höchste Behörde repräsentirte, herbeikam und, nachdem er mich begrüsst, uns drei nebeneinander stehende Hütten zur Wohnung anwies. Alle Häuser oder vielmehr Hütten des Orts sind in der Form von Bienenkörben ganz aus Stroh und Binsen zusammengefügt und von Korna-, Hadjilidj- oder von den besonders schönen, breitblättrigen Ngábbere-Bäumen[56] beschattet. Im Innern ist das runde Strohdach hübsch verziert; an der Wand prangen Töpfe von Thoni, Strohteller und hölzerne Schüsseln, die von der Frau mitgebrachte Aussteuer. Mai-dug-eri verdient übrigens die Bezeichnung als birni, d. h. Stadt, denn in seinen zerstreuten, zwischen Bäumen versteckten Hütten lebt eine Bevölkerung von gegen 15000 Seelen, und zwar war es ein neues Volk mit einer neuen Sprache, das mir in den Einwohnern entgegentrat: die Gámergu, die sich von den Kanúri des nördlichen Bornu wesentlich unterscheiden, hingegen mit den Uándala nahe verwandt sind. Von Farbe schwarzbraun, haben die Gámergu ausgeprägte, doch nicht gerade hässliche Negerphysiognomien, die Männer meist hohe und muskulöse Gestalten. Bei den Frauen schien mir ein sanfter Gesichtsausdruck vorherrschend zu sein; sie tragen wie die Kanúri- und Tebuweiber grosse Ringe oder Platten in der durchbohrten Nase; ihr Haar aber hängt nicht wie bei diesen in kurzen Zöpfen rings um den Kopf herab, sondern liegt von hinten nach vorn zu einem hohen Wulst zusammengerafft über dem Scheitel, während es an den Seiten des Kopfs kahl geschoren wird. Sonst hat die Tracht nichts Abweichendesvon der in Kuka. Die Kinder, Knaben wie Mädchen, gehen bis zum Eintritt der Pubertät ganz nackt und eignen sich frühzeitig eine grosse Fertigkeit im Schwimmen an; dennoch war eben am Tage meiner Ankunft ein junges Mädchen in den Wellen der raschströmenden Ngádda ertrunken. Obgleich die Gámergu eine eigene Sprache besitzen, hat sich in Mai-dug-eri und in den andern Städten des Landes, seitdem es unter die Oberherrschaft von Bornu gekommen, die Kanúri-Sprache eingebürgert. Nur in den an den Karavanenstrassen liegenden Ortschaften wurden die Gámergu zum Islam bekehrt; die übrigen sind noch Heiden, gegen die der Sultan, das eigene Land plündernd und entvölkernd, gelegentlich eine Rasia unternimmt.
Als Weisser war ich natürlich, zumal nordische Araber und Berber höchst selten bis hierher kommed, ein Gegenstand des Erstaunens für die Einwohner von Mai-dug-eri. Sobald ich mich auf der Strasse sehen liess, eilten die Leute herbei und betrachteten voll Neugier den weissen Nassára. "Seht", riefen sie einander zu, "auch seine Haare sind nicht schwarz - seine Nase ist gebogen, wie bei den Schua-Arabern - ob er mit seinen Augen auch bei Nacht sehen kann? - ein Weisser kann ja die Sonnenstrahlen nicht vertragen!" u. s. f.; keiner jedoch wurde zudringlich oder legte gar fanatische Unduldsamkeit an den Tag.
Nach den freundlichen Worten, womit mich der Kre-ma begrüsst hatte, glaubte ich nicht anders, als er werde auch für unsere Verpflegung sorgen. Allein vergebens harrten wir abends auf eine Sendung von ihm und hätten den Tag hungerig beschliessen müssen, wenn uns nicht die Nachbarn und die Frau des abwesenden Stadtobersten mit einigem Mundvorrath versehen hätten. Am andern Morgen erschien der Kre-ma in meiner Hiitte, entschuldigte sich unter allerhand nichtigen Vorwänden wegen der Versäuniniss vom vorigen Abend und versprach, sogleich ein Frühstück zu senden. Ehe er fortging, überreichte er Almas einen Mariatheresienthaler; nach der Sitte hat nämlich jede Stadt dem durchreisenden Kam-mai-be 1 oder 2 Thaler zum Geschenk zu machen. Indess auch das versprochene Frühstück blieb aus, und ich war genöthigt, zur Stillung unsers Hungers ngangala und birma zu kaufen. Die birma ist eine Yams-Art mit rankendem Laub, eine mehlhaltige, etwas bittere, aber sehr nahrhafte Wurzelknolle, die bisweilen die Grösse einer Flasche erreicht und unangebaut wild im Walde wächst. Empört über die Wortbrüchigkeit des Kre-ma, liess ich ihn zu mir rufen. Ich schalt ihn einen tata-keri-be und drohte, indem ich ihm den Thaler, den er Almas gegeben, vor die Füsse warf, ich würde den Sultan von seinem Benehmen gegen mich in Kenntniss setzen. Ohne ein Wort zu erwidern, hob er den Thaler vom Boden auf und steckte ihn gelassen ein. Dann entfernte er sich, mit dem Versprechen, zum Abend Speisen für uns herbeizuschaffen. Natürlich kamen sie ebenso wenig wie das Frühstück. Almas ersetzte ich seinen Thaler aus meiner Tasche; unsere Abendmahlzeit aber fiel kärglich genug aus, da es auf dem Markte nichts Geniessbares als saure Milch zu kaufen gab. Immerhin hatte der Rasttag meinen kranken Leuten sowie den ermüdeten Lastochsen gut gethan.
Früh morgens am 16. September verliessen wir den ungastlichen Ort und gelangten bald ans Ufer der Ngádda. Der Fluss, der hier gerade von Westen nach Osten strömt, war bis zum Rande mit Wasser gefüllt; in manchen Jahren tritt er aus seinem Bett und überschwemmt alle Felder bis dicht an die Stadt. Seine Breite betrug 60 Meter, bei durchschnittlich 6 Meter Tiefe. Von den Eingeborenen erfuhr ich, die Ngádda komme von Mumo in Adamáua und breite sich unterhalb weit im Lande aus, sodass ihr Lauf den Tschad-See nicht erreiche. Letztere Aussage schien mir damals angesichts der bedeutenden Wassermasse und der raschen Strömung wenig glaubwürdig; als ich aber später auf meiner Rückreise die ausgedehnten Teiche sah, die von der Ngádda gebildet werden, überzeugte ich mich allerdings, dass sie in der trockenen Jahreszeit, wo der Tschad-See seinen kleinsten Umfang hat, sich nicht in denselben ergiesst. Hingegen möchte ich als gewiss annehmen, dass dies während und kurz nach der Regenzeit der Fall ist. Jedenfalls steht sie, sei es durch Hinterwasser oder durch eine Reihe von Seen mit dem Wasserbecken des Tschad in Verbindung, denn sie ist ebenso reich an Fischen und zwar ganz denselben Arten, die im Tschad-See vorkommen.
Das Uebersetzen über den Fluss ging rasch von statten. Die Pferde und Ochsen wurden schwimmend hindurchgeritten, und diejenigen meiner Leute, die nicht schwimmen konnten, liessen sich von den andern auf Kürbisschalen herüberbugsiren. Um 11 Uhr 40 Minuten marschirten wir am jenseitigen Ufer in der Richtung von 160deg. dem Orte Mai-schig-eri zu, den wir nach 11/2 Stunden erreichten. Die Endung "eri", auf welche so zahlreiche Ortsnamen in Udjë ausgehen, bedeutet, soviel ich ermitteln konnte: herkommen; Mai-dug-eri würde also heissen: Vom Sultan Dug herkommen, d. i. erbaut oder gegründet. Vielleicht ist "eri" mit dem Kanúri-Worte "are" (Imperativ: komm) und mit dem Teda-Worte "yire" verwandt.
Mai-schig-eri liegt 1 Kilometer von der Ngádda entfernt, die hier in gleicher Breite wie bei Mai-dug-eri von Südwesten nach Nordosten fliesst; ich badete gegen Abend im Flusse und fand sein vollkommen süsses Wasser so klar, dass ich bis 10 Fuss Tiefe herab Gegenstände deutlich zu erkennen vermochte. Die Bevölkerung des Orts, wol 2000 Seelen stark, ist aus Negern und Schua-Arabern gemischt. Zu letztern gehörte der Ortsvorsteher, hier Mai (Sultan) betitelt, ein hochbetagter Greis und Familienhaupt von 60 Nachkommen. Man brachte uns, im Gegensatz zu der schlechten Bewirthung, die wir in Mai-dug-eri gefunden, Speisen in Hülle und Fülle, und Almas erhielt eine schöne kulgu (das Kleidungsstück, das arabisch tobe heisst) zum Geschenk, worauf er sich nicht wenig einbildete. Ja man bezeigte mir förmliche Ehrfurcht; begegneten mir Weiber auf der Strasse, so liessen sie sich, den Kopf zur Erde gebeugt, auf die Knie nieder und verharrten in dieser demüthigen Stellung, bis ich vorüber war. Leider herrscht unter den Schua in entsetzlichem Grade die constitutionelle Syphilis, und das Uebel wirkt um so verheerender, weil sie gar keine Mittel dagegen kennen. Ich wurde daher von allen Seiten, auch von zwei Töchtern des Mai, deren er glaube ich elf hat, um Medicin angegangen, konnte aber nicht damit dienen, da ich meine Medicamente, ausser Chinin, Opium und Weinstein[57], in Kuka gelassen hatte. Auf Begehren der Kranken schrieb ich ihnen Sprüche auf; sie waschen dann die Tinte von der Schrift, trinken das geschwärzte Wasser und halten dies für die beste Arznei. Ohne Zweifel waren es Araber, durch die den Negern die Venerie zugeführt wurde. Woher käme es sonst, dass z. B. die Kanúri in ihrer doch so wortreichen Sprache keinen Ausdruck für das Uebel haben, sondern es mit "franssa" (Franzosen) benennen, einen Namen, den sie nur von aus Norden kommenden Arabern hatten hören und aufnehmen können. Wenn früher, namentlich von ältern Afrikareisenden, welche die Seuche bei den Negern vorfanden, umgekehrt behauptet wurde, durch geschlechtlichen Umgang mit Negern sei die Syphilis erst den Weissen mitgetheilt und nach Europa gebracht worden, so war dieser Irrthum wol daher entstanden, weil man noch nicht wusste, dass Araberstämme, wie die Schua und die Uled Raschid, bereits seit 600 Jahren in Centralafrika sesshaft sind.
Andern Tags zogen wir in der Richtung von 130deg. am Flusse aufwärts, bald näher, bald etwas weiter von seinem Ufer. Im Südosten tauchte die Bergspitze des Delalebá vor uns auf. Felder, mit karess, gobeh (Gemüse), koltsche, ngángala und tjerga, einer mir neuen Getreideart, bebaut, wechselten mit Waldstrecken, in denen der schöne Ngábbere-Baum voll grosser glänzender Blätter und die riesigen Stämme der Kuka-Adansonie, oft 18 Meter und darüber im Umfang, immer häufiger werden; den Hauptbestandtheil des Waldes aber bildet der Kalul-Strauch, dessen lange Schoten ein gutes Rindviehfutter abgeben. In der Ferne sah ich bisweilen eine flüchtige Gazelle oder einen Strauss vorüberjagen.
Um während der heissen Tagesstunden zu rasten, hielten wir Einkehr in dem links vom Wege liegenden Dorfe Amarúa, das ganz von Schua-Arabern bewohnt ist. Ich gewahrte unter den Aermsten ebenfalls viele Opfer der Syphilis; aber auch der arabische Schmuz ist bei ihnen zu Hause, wie denn alle Schua-Dörfer in dieser Hinsicht sehr unvortheilhaft von den reinlichen Kanúri-Dörfern abstechen. Ursprünglich gelb, haben jetzt schon über die Hälfte der Schua zufolge ihrer Vermischung mit den Negern schwarze Hautfarbe, auch sind sie längst aus Nomaden sesshafte Ackerbauer geworden, und in nicht ferner Zeit werden sie sich nur noch durch die Sprache von den Kanúri unterscheiden. Sie reden nämlich den alten arabischeu Dialekt, der von ihren vor 600 Jahren hier eingewanderten Vorfahren gesprochen wurde und der mit dem heutigen Arabisch, dem maghrebinischen, ägyptischen oder syrischen, nur geringe Aehnlichkeit hat. Ihre Weiber tätowiren und bemalen sich stark an Brust, Rücken und Armen, das Haar hängt ihnen in Löckchen, nicht in Zöpfen um den Kopf, und manche tragen Ringe an den Fusszehen. Als besondere Merkwürdigkeit erwähne ich, dass die Schua-Weiber, wie man mir sagte, beschnitten werden.
Durch einen heftigen Gewitterregen zurückgehalten, konnten wir uns erst nachmittags 3 Uhr wieder in Marsch setzen. Wir verfolgten die Richtung von 130deg., passirten mehrere kleine Schua- und Kanúri-Dörfer und blieben in dem Dorfe Roding-eri an der Ngádda, die an dieser Stelle weit über ihre Ufer getreten war. Man quartierte uns in einer eigens zur Herberge für Gäste bestimmten geräumigen Hütte ein und bewirthete uns reichlich mit aus moro oder ngáfoli zubereiteten Speisen.
Ein nur einstündiger Marsch in der Richtung von 120deg., zwischen wohlangebauten Getreidefeldern, brachte uns am andern Morgen, den 18. September, nach der Stadt Kuintaga, wo ich einen Tag zu verweilen beschloss, um meine Vorräthe wieder zu ergänzen; denn von den drei Märkten des Landes, Mai-schig-eri, Kassukula und Kuintaga, ist letzterer der bedeutendste. Die Stadt, deren Häuser zum Theil wie in Kuka aus Thonerde gebaut sind, gehört dem Bruder des Sultans, Mustá (Kanúri-Form für Mustafa). An der Spitze der Verwaltung steht ein Billa-mápema (Ortsvorsteher); ihm sind fünf Billa-ma (Polizeibeamte) untergeben, und diesen wieder acht Máinta-ma (Strassenaufseher); letztere haben die Abgaben einzuziehen, welche dann vom Billa-mápema an Mustá eingeschickt werden. Wie in vielen an der Ngádda liegenden Orten treiben die Bewohner von Kuintaga ausser Ackerbau und Viehzucht auch Gerberei, und das von ihnen bereitete Leder kommt an Geschmeidigkeit und Güte fast dem von Haussa gleich, das mit dem marokkanischen concurrirt.
Nachmittags begab ich mich auf den Marktplatz vor der Stadt. Pferde, Rinder, Schafe, Fleisch, Milch und Butter, Honig, getrocknete Fische, Feld und Baumfrüchte, Taback, Salz, Sudanpfeffer, rohes und verarbeitetes Leder, Baumwolle, Zeuge und fertige Kleider, Schüsseln und Krüge, Glasperlen und verschiedene andere Karavanenwaaren wurden hier feilgeboten. Unter den Früchten erwähne ich die gadagér-Wurzel, von der Form und Grösse der Georginenknollen, die aus dem Walde geholt und roh gegessen wird, und die ngálibi, eine ölhaltige, der Olive ähnliche Frucht von süssem Geschmack. Auch einige Sklaven standen zum Verkaufe aus für einen jungen kräftigen Burschen verlangte man 18 Thaler, hätte ihn aber wol um die Hälfte des geforderten Preises losgeschlagen. Die Baden und Verkaufsstände waren in Reihen abgetheilt, und jeder Artikel hatte seine besondere Reihe; dank dieser Einrichtung kam es nirgends, obgleich der Markt sehr belebt und lärmend war, zu erheblichen Unordnungen. Sowol Producte als Waaren werden meist in Tausch gehandelt, nur theuere Gegenstände werden mit Geld bezahlt. Als Kleingeld dienen statt der Muscheln die gobegá, 2 Zoll breite und 4 Ellen lange Streifen des im Lande gefertigten Baumwollenzeugs, die aber auch bis zu 50 und 100 Ellen Länge zusammengenäht sind. Für 1 Thaler erhielt ich 47 gobegá. Uebrigens hat die gobegá an den verschiedeneu Orten verschiedene Länge, in Kuka z. B. nur 3 Ellen, in Mándara nur 1; dazu ist auch die Elle, mit dem arabischen Worte "dra" benannt, nicht überall von gleicher Länge: dort reicht sie nur vom Elnbogen bis zum Handgelenk, in Kuintaga bis zur Spitze des ausgestreckten Mittelfingers. Ich kaufte mir auf dem Markte, da mein letzter europäischer Anzug schon sehr dünn zu werden anfing, eine kulgu von weissem inländischen Kattun, reich gestickt und sehr hübsch gearbeitet, und bezahlte dafür 31/2 Thaler. In einer Bude bemerkte ich eine Partie der Glasperlen, die ich in Kuka verkauft hatte und hier leicht wiedererkannte, weil sie von einer Sorte waren, welche sonst in dieser Gegend nicht vorkommt, sondern nach Timbuktu und den westlichen Negerländern geht, und wirklich sagte der Verkäufer auf Befragen, sie seien von dem Christen, der sich jetzt in Kuka aufhalte.
Abends badete ich wieder in der 1 Kilometer von der Stadt entfernten Ngádda. Sie ist hier, mit ihrem Laufe gerade von Osten nach Westen gerichtet, bedeutend kleiner als bei Mai-dug-eri, durchschnittlich etwa 20 Meter breit und 5 Meter tief, hat auch eine sanftere Strömung, was mich vermuthen lässt, dass sie auf der Zwischenstrecke durch neue Zuflüsse verstärkt wird. Auf dem klaren, fischreichen Wasser tummeln sich eine Menge wilder Enten, schwarzgefiedert, mit weisser Brust und einer hohen Fettwulst auf dem Schnabel; ich versuchte später das Fleisch derselben, fand es aber von widerlichem Thrangeschmack, wogegen die im Tschad-See lebenden Enten, die diesen Fettwulst nicht haben, sehr wohlschmeckend sind. Zur Abendmahlzeit wurden uns von dem Billa-mápema und von unsern Nachbarn so viel Speisen geschickt, dass ein grosser Theil davon übrigblieb.
Nächsten Tag erfolgte der Aufbruch früh 6 Uhr 25 Minuten. Wir marschirten in der Richtung von 120deg. und hatten bald üppig wucherndes Unkraut oder Gras und Buschwerk, bald Argum-, Máttia-, Koltsche- und Baumwollfelder zur Seite. Neu treten jetzt auf: der schönbelaubte kassaissa-Baum, wol eine Abart der djedja (Gummibaum), und der hochstämmige, unserer Buche vergleichbare gelto; ferner die mássabe-Staude, deren Knollen eine intensive gelbe Farbe von grosser Dauerhaftigkeit liefern, aber auch geniessbar sind. Von 9 bis nachmittags 23/4 Uhr rasteten wir in dem etwas östlich vom Wege abliegenden Dorfe Uám-eri. Dann ging es gerade ostwärts weiter, zwischen Argumfeldern und an: mehrern kleinen Ortschaften vorbei, bis uns gegen Abend ein Urwald von majestätischen Bäumen aufnahm, in dem mehr als mannshohes Gras und dichtes Dornengestrüpp oft ganz den Durchgang versperrte, oder stachlichtes Unterholz, wie Akazien und Korna, kaum 1/2 Fuss breit vom Wege frei liess. Unmöglich wäre hier mit dem grossen Pferde, das mir Sultan Omar geschenkt, noch mit einem Kamele durchzukommen gewesen; die Lastochsen zwängten sich wohl oder übel hindurch, freilich nicht ohne dass ihnen die Ladung mehrmals vom Buckel gerissen wurde. Zum Glück schien der Mond und konnten wir den Dornen so weit ausweichen, dass sie uns nicht noch mehr, als es geschah, Gesicht und Hände blutig kratzten; meine Kleidung aber hing mir in Fetzen am Leibe, als wir 91/2 Uhr die ngáfoli-Felder von Madegón-eri erblickten und kurz darauf in den Ort selbst einritten. Obgleich die meisten Eihwohner schon zur Ruhe gegangen waren, fanden wir gute Aufnahme. Doch raubte ein Heer blutgieriger Schnaken, die ihren Stachel selbst durch dicke wollene Decken in die Haut senken, Menschen wie Thieren den Schlaf.
Eine Stunde südlich von Madegón-eri fliesst der Jádsaram, den man mir als ein schwaches Flüsschen bezeichnet hatte. Wie erstaunte ich daher, andern Morgens an seinem Ufer angelangt, einen reissenden Strom von fast 500 Meter Breite vor mir zu sehen! Die Bewoher des hart am linken Ufer gelegenen kleinen Ortes Kór-eri sagten mir, in der Mitte sei er über 6 Meter breit; seit 113 Tagen fliessend, habe er gerade an dem Tage (20. September) den höchsten Stand erreicht, was ich indess bezweifelte. Sein Grund, wo man durch das klare Wasser bis zu ihm hinabsehen konnte, war mit grobem Kies bedeckt, offenbar Rudimenten von Granit. Er soll von Adamáua kommen und bei Díkoa vorbei, ohne sich mit der Ngádda zu vereinigen, in den Tschad fliessen.
Bei den Uferbewohnern waren keinerlei Vorrichtungen zum Uebersetzen über den Strom zu finden, denn sie selbst schwimmen behend hindurch, ihre Sachen auf dem Kopfe mit sich nehmend. Meine Leute trieben endlich ein Dutzend grosse Kürbisschalen auf, mittels deren unser Gepäck, Stück für Stück einzeln, und auch mein Hund Mursuk, der sehr elend war, hinübergeschafft wurde. Die Pferde und Ochsen, ans Schwimmen gewöhnt, bedurften keiner Nachhülfe. Ich und meine Begleiter liessen uns, indem jeder mit beiden Händen eine Kürbisschale fasste, durch die starke Strömung hindurchtreiben, wobei die Nichtschwimmer von den Eingeborenen unterstützt wurden. Zuerst von allen betrat ich das andere Ufer, wo ich das Landen der Gepäckstücke überwachte. Bis nachmittags 3 Uhr beschäftigte uns das Herüberholen der Sachen. Als das letzte Stück glücklich gelandet, gab ich den 20 Negern, die uns dabei behilflich gewesen, ein Schaf, und sofort machten sie sich darüber her, es zu braten und zu verzehren. Ausserdem verehrte ich dem Billa-ma von Kór-eri einen rothen Fes; der Beschenkte setzte ihn in meiner Gegenwart seinem ältesten Sohn auf, wandte sich dann zu mir und sagte, er sei zu alt, um noch die neuen Moden mitzumachen; barhäuptig geboren, wolle er auch so sterben!
Mit dem Flussübergange waren jedoch noch nicht alle Schwierigkeiten dieses Tages überwunden. In östlicher Richtung weiterziehend, hatten wir bedeutende Hinterwasser zu durchwaten; an manchen Stellen ritt ich bis an die Knöchel im Wasser, und der Theil des Gepäcks, der zu schwer war, als dass ihn die Leute auf dem Kopfe hindurchtragen konnten, so namentlich mein Zelt und mein Bett, musste der eindringenden Nässe preisgegeben werden. Endlich, nachdem auch diese letzte Fährlichkeit bestanden war, wurde noch vor Abend Bama, die Grenzstadt des zu Bornu gehörigen Gebietes, erreicht. Hier ward mir seitens des Ortsvorstehers gastliche Aufnahme und Bewirthung zutheil. Auch belästigten mich merkwürdigerweise trotz der Nähe des Flusses und der stehenden Wasser in der Nacht die Schnaken nicht, sodass ich eines ungestörten, nach den Strapazen des Tages doppelt erquickenden Schlafes genoss.
Zwischen Bama und der Grenze von Uándala hat man einen Wald zu passiren, in dem oft heidnische Gámergu die Hindurchziehenden überfallen und für die Rasien, die gegen sie angestellt werden, an ihren Feinden, den mohammedanischen Bornuern, Wiedervergeltung üben. Unter gleichen Verhältnissen herrscht übrigens in allen Grenzgebieten der Negerländer grosse Unsicherheit, weshalb sie auch meist schwach oder gar nicht bewohnt sind. Der Stadtvorsteher hielt es daher für nöthig, als wir am folgenden Morgen 63/4 Uhr aufbrachen, uns eine Schar mit Spiessen, Bogen und Pfeilen bewaffneter Neger zur Bedeckung mitzugeben; sie hatte die grosse Kriegspauke, Hörner und kleinere Trommeln bei sich und machte damit im Walde, ich weiss nicht ob mir zu Ehren oder um sich selbst Muth einzuflössen, fortwährend eine greuliche Musik. Dazu führten die nackten Gestalten kriegerische Tänze auf, indem sie heulend in das Dickicht rannten, dann plötzlich mit hochgeschwungenem Speer auf mich zustürzten, doch ebenso plötzlich einige Schritte vor mir wieder stehen blieben, an ihre Schilder schlugen und, indem sie sich tief verneigten, die Spiesse neben sich in die Erde steckten. Auch ohne diese Escorte hätten indess die Gámergu unsere Karavane, da wir hinlänglich mit Schiessgewehren versehen waren, wol kaum anzugreifen gewagt. Wir durchzogen den Wald in östlicher Richtung. Dichtverwachsenes Unterholz und üppige Schlinggewächse, die mit ihrer Last die höchsten Bäume fast zu erdrücken schienen, machten den Weg namentlich für unsere Thiere äusserst beschwerlich. Nach 3 Stunden eines mühseligen Marsches gelangten wir an das linke Ufer der Nschúa, eines kleinen Flusses, der die natürliche Grenze zwischen Bornu und Uándala bildet. Die Nschúa soll vom Deladebá-Gebirge kommen und sich weiter unten ebenfalls, ohne in ihrem Laufe den Tschad-See zu erreichen, weit im Lande ausbreiten, was ich später auch bestätigt fand. Ihr nur 20 Meter breites, 11/2 Meter tiefes und nicht sehr reissendes Wasser war bald überschritten. Trotz der Proteste unserer militärischen Begleiter, die auch hier noch einen Ueberfall der Gámergu befürchteten, lagerten wir am rechten Flussufer, wo ein Schaf gebraten und zum Frühstück verspeist wurde. Um 2 Uhr nachmittags setzten wir unsern Marsch in südöstlicher Richtung fort. Auf dieser Seite des Flusses ist der Wald weniger dicht als auf der Bornu-Seite, doch schlug uns immer noch stellenweis das Gras über dem Kopfe zusammen. Unter den Bäumen herrschte der komo vor, während die Kuka-Adansonie wieder ganz verschwindet. Ich erquickte mich an der Frucht des ngónogo, den wir hier mehrfach antrafen. Abends 7 Uhr liess ich an einem Wassertümpel im Walde das Lager aufschlagen und es mit grossen Feuern umgeben, da Löwen, Hyänen und besonders viele Büffel den Wald durchstreifen. Es war überhaupt eine sehr unbehagliche Nacht, die wir hier verbrachten; Schnaken in entsetzlicher Menge verscheuchten mir den Schlaf, und von dem starken Thau wurde ich wie von einem Regenschauer durchnässt.
Sobald die Morgensonne den Himmel röthete, wurde der Weitermarsch angetreten. Wir wandten uns ostsüdöstlich und erreichten um 8 Uhr den ersten bewohnten Ort von Uándala, das Dorf Buéndje, am rechten Ufer eines kleinen Fluss es gelegen, den die Anwohner Gua (in der Uándala-Sprache: Fluss), meine Begleiter aus Bornu aber Kolofóto nannten. Man setzte uns in dem Dorfe nichts weiter als eine schwarze Mehlspeise aus ngáfoli mit Bamien-Sauce vor, indem man uns auf den grossen Ort Grea verwies, der ganz nahe sei und wo wir von einem hohen Beamten des Sultans empfangen und reich bewirthet werden würden. Die Leute müssen ihre ngáfoli-Felder Tag und Nacht bewachen lassen, sowol gegen die Bergbewohner, mit denen sie in beständiger Fehde leben, als gegen die Affen, die in ganzen Heerden aus dem Walde kommen, um die Saaten zu plündern. Wächter, auf hohen Gestellen sitzend, schauen rings ins Land hinaus und verkünden dem Dorfe, wenn sie etwas Verdächtiges nahen sehen, mit lautem Alarmrufe die drohende Gefahr. Wir verliessen Buéndje um 2 Uhr 20 Minuten, überschritten nach 1/2 Stunde nochmals die Gua und gingen dann in südöstlicher Richtung durch einen lichten, hauptsächlich mit Gummibäumen bestandenen Wald. Als wir 1 Stunde darin gewandert waren, brach ein Gewitterregen los, vor dem wir anfangs unter einem breitästigen Baume Schutz suchten. Da er aber nicht aufhörte, befahl ich, die Sachen, die dem Verderben durch Nässe ausgesetzt waren, umzuladen, zog meine alte wollene Djilaba über, und vorwärts gings in Wind und Regen auf dem Wege weiter. Zum dritten mal mussten wir den Gua-Fluss passiren. Ich sah nun, dass man uns in Buéndje mit der Auskunft, Grea sei ganz nahe, belogen hatte, damit wir nicht mehr Essen verlangen sollten. Es wurde bereits Nacht, obendrein verbarg sich der Mond hinter dickem schwarzem Gewölk. Erst um 7 Uhr erreichten wir den Berg Grea und um 71/2 das an seiner östlichen Seite liegende Dorf gleiches Namens. Obgleich ich dem Sultan längst angemeldet war und auch die Ortsbewohner wussten, dass ein Christ ihren Herrn zu besuchen komme, fand ich doch nichts zu unserm Empfange vorbereitet. Der Ortsvorsteher war abwesend; es dauerte lange, ehe ein dürftiges Unterkommen für die Nacht ausfindig gemacht wurde, und das Essen, das man uns schickte, war so schlecht, dass ich vorzog, mich hungerig schlafen zu legen.
Morgens beim Erwachen versetzte mich der Anblick des schönen Berges, ein Anblick, den ich so lange entbehrt hatte, wieder in bessere Stimmung. Bis zum Gipfel war der Grea grün bewaldet, hier und da streckten sich an den Abhängen Getreidefelder hin, aus denen die Hütten freundlicher Weiler hervorlugten, und an seinem Fusse weideten Rinder- und Schafheerden in hohem Grase. Als mir nun Hammed eine Schale voll süsser Milch, die er im Dorfe aufgetrieben, als willkommenen Zusatz zu meinem Thee brachte, da vergass ich vollends alles Ungemach der letzten Reisetage. Doloo, die Hauptstadt Uándalas, liegt noch 4 Stunden von Grea entfernt. Von hier aus, meinten Almas und der mir von Aba-Bu-Bekr mitgegebene Begleiter, müsse ich dem Ceremoniell gemäss den Sultan um Erlaubniss bitten lassen, seiner Hauptstadt nahen zu dürfen. Ich ging aber auf ihre Anweisungen nicht ein, sondern befahl, die Pferde zu satteln, und ritt mit ihnen um 81/2 Uhr voran. Der Gatroner und die andern Diener sollten mit den Lastochsen und meinem kranken Mursuk, dessen Zustand sich mehr und mehr verschlimmerte, langsam nachfolgen.
Gleich hinter Grea ward in der Richtung von 130deg. der Berg sichtbar, an dessen Fusse Doloo gelegen ist. Sodann führte der Weg, oft wahrhaft grundlos, durch einen Wald von Gummibäumen um 91/2 und 10 Uhr links an den Dörfern Scherif-eri und Djia vorbei zu dem nordöstlich strömenden Flusse Jakoa. Wie bei allen Gebirgsströmen wechselt der Wasserstand des Jakoa nicht regelmässig nach der Jahreszeit, jeder starke Regenguss schwellt ihn an, und ebenso rasch sinkt er wieder. Er war hier ungefähr 300 Meter breit, wird aber unterhalb, wo er mehrere Zuflüsse empfängt, viel bedeutender und soll bei Ngála in den Tschad-See einmünden. Da an den tiefsten Stellen das Wasser nur bis an den Bauch der Pferde ging, konnten wir ihn leicht durchreiten. Jenseit des Flusses war der Weg womöglich noch unpassirbarer als im Walde, alle Augenblicke blieben unsere Thiere in dem zähen, aufgelösten Thonboden stecken. Wir arbeiteten uns indess mühsam vorwärts, bis wir um 121/2 Uhr die Häuser von Doloo erblickten. Jetzt liess ich unter einem schattigen Baume halt machen und sandte Hammed ab, meine Ankunft zu melden und um Erlaubniss zum Eintritt in die Hauptstadt zu ersuchen. Nicht lange hatten wir gewartet, da nahte sich vom Thore her eine Reitergruppe. Der an ihrer Spitze auf einem prächtigen Schimmelhengst Reitende, in einen Burnus von feuerrothem Tuch gekleidet, bewillkommnete uns und sagte, dass er gekommen sei, uns in die Stadt zu geleiten, worauf wir uns der Cavalcade anschlossen. Ausserhalb am Thore erwartete mich Hammed, der bis dahin die Stadt nicht hatte betreten dürfen.
[56]Von dem Ngábbere-Baume hat wahrscheinlich der Vogel fato-ngábbere seinem Namen; "fato"l heisst Haus, also "fato-Ngàbbere" etwa: der auf dem Ngábbere-Baume wohnt.
[57]Zur Bereitung von Limonade.