Livingstone's Ruhm. - Die hohen Verdienste des Königs der Belgier um die Civilisation der Neger. - Die dem Reisenden von der "Afrikanischein Gesellschaft in Deutschland" gestellte Aufgabe. - Vortheile des Eindringens von Norden her. - Sind indische Elefanten in Afrika verwendbar? - Versuche des Königs der Belgier zur Bezähmung afrikanischer Elefanten. - Die Tragfähigkeit des Elefanten im Verhältniss zu der des Esels. - Esel und Maulthiere sind Elefanten vorzuziehen. - Das Kamel als Beförderungsmittel. - Die Sahara in gesundheitlicher Beziehung. - Ein vom Sultan ausgestellter Firman ali, in welchem der Reisende zum Bei ernannt wird. - Die vom deutschen Kaiser für den Sultan von Uadaï bestimmten Geschenke. Viele, namentlich Musiker, melden sich zur Theilnahme an der Expedition. - Ein vom Dr. Wetzstein zu Berlin ins Arabische übersetzter Empfehlungsbrief Nachtigal's an den Sultan von Uadaï. Soll man einzelne oder mehrere auf Entdeckungen aussenden? Soll man europäische Diener mitnehmen oder nicht? - Dr. Anton Stecker als wissenschaftlicher Begleiter. - Leopold von Csillagh aus Graz, der sich auf eigene Kosten der Expedition angeschlossen, stirbt auf dem Rückwege nach Tripolis. - Franz Eckart aus Apolda und Karl Hubmer aus Graz zur persönlichen Hülfleistung. - Ausrüstungsgegenstände - Instrumente, Medicamente, Waffen, Zelte, Cantinen, Lebensmittel, namentlich Zwiebeln u. s. w. - Fussbekleidung. - Kopfbedeckung.
Einer der grössten Afrikareisenden hat den Anstoss gegeben zu einer wirklichen Periode der Entdeckungen, in welcher wir seit fast einem Jahrzehnt leben, um den schwarzen Continent zu entschleiern. Neidlos sagen wir es, dieser Afrikareisende war kein Deutscher, sondern ein Engländer. Bewundernd mussten wir aufsehen zu dem Manne, der nicht nur selbst so Grosses leistete, sondern dessen anregende Persönlichkeit eine Reihe von Expeditionen ins Leben rief, welche in der That für die afrikanische Entdeckungsgeschichte, sowie für die Civilisation der Neger von einschneidendsten Folgen gewesen sind. Denn war nicht Cameron's Reise verursacht worden durch die Kunde, Livingstone sei verschollen? Und die bedeutendste Entdeckung bezüglich hydrographischer Verhältnisse im letzten Decennium, ich meine die Erforschung des Congo durch Stanley, war diese nicht eine natürliche Folge seiner Reise: "Wie ich Livingstone fand"? Und als der grosse Erforscher und Dulder am 1. Mai 1873 seinen Leiden und körperlichen Anstrengungen in Ilala am Bangueolosee erlag und dann seine Leiche von seinen treuen Dienern auf den Schultern bis zum Ocean getragen wurde, um sie am 18. April 1874 in der Westminster-Abtei in London beizusetzen, hatte damit keineswegs seine Wirksamkeit aufgehört.
Auch über das Grab hinaus dauert die Kette fort, die uns mit Livingstone verbindet; denn durch die Nachricht, Livingstone sei verschollen, wurde der König der Belgier, dieser hochherzigste und uneigennützigste Förderer afrikanischer Interessen, zuerst auf den Gedanken gebracht, den verschwundenen und todtgeglaubten englischen Reisenden aufsuchen zu lassen. Und als man später glücklicherweise Livingstone wieder auffand, liess der König der Belgier den Gedanken Livingstone's, die Neger zu christianisiren und zu civilisiren, keineswegs fallen, denn jedermann weiss, dass keiner zäher festhält am Gedanken, den schwarzen Continent zu eröffnen, als der Präsident der internationalen Association, König Leopold.
Aber auch in Deutschland erfasste diejenigen, welche sich besonders mit Afrika, mit der Erforschung dieses Welttheils, mit der Civilisation der schwarzen Rasse beschäftigt hatten, ein verstärkter und verjüngter Enthusiasmus, und war es namentlich unser um die Erforschung der ganzen Erde so hochverdienter Bastian, welcher das schon erwachte Interesse für Erschliessung Afrikas neu zu beleben verstand.
"Nach der politischen Geltung eines Volks bemisst sich die Höhe der Verpflichtungen, die ihm in Lösungen der Culturaufgaben obliegen. Seit Deutschland wieder den ihm gebührenden Sitz im Rathe der Nationen eingenommen hat, muss es auch in der Pflege der Wissenschaft mehr noch wie früher voranstehen, ziemt es ihm vor allen, in der Leitung geographischer Unternehmungen, die neue Gegenden der Kenntniss gewinnen sollen, an die Spitze zu treten, denn solche Erwerbungen werden in der Geschichte unter dem Namen desjenigen Volks verzeichnet, das zuerst kühn und entschlossen sich die Bahn nach ihnen brach." So sprach Bastian, und sein Aufruf fand Beifall. Alle geographischen Gesellschaften vereinigten sich im April 1873, und es wurde die "Afrikanische Gesellschaft" gegründet, welche als specielle Aufgabe sich die Erforschung Südcentralafrikas gesetzt hatte.
Mit welch unermüdlichem Eifer die Gesellschaft bestrebt war, und wie die von ihr ausgesandten Reisenden bemüht gewesen sind, das Ihrige beizutragen zur Erforschung des schwer zu besiegenden Continents, das ist allen, die sich mit der Entdeckungsgeschichte Afrikas beschäftigen, genugsam bekannt. Nicht jedem ist es vergönnt, ein Stanley zu werden, und wie wenige haben die Mittel zur Verfügung, welche dem kühnen Amerikaner den Zug von Bagamoyo bis Emboma ermöglichten. Aber auch die Reisenden der Afrikanischen Gesellschaft, wie Güssfeldt, Pogge, Soyaux, Lenz, Lux, Pechuel-Lösche u. s. w., alle haben, jeder in seiner Art, ihr Verdienst an der Entschleierung des geheimnissvollen Erdtheils. Zeitgenössische Neider und Nörgler vermögen nichts davonzunehmen.
Die Afrikanische Gesellschaft oder wie der officielle Titel lautete: die "Deutsche Gesellschaft zur Erforschung Aequatorialafrikas", kann gewissermassen als die Mutter der internationalen afrikanischen Gesellschaft betrachtet werden, welche Leopold II., der König der Belgier, im September 1876 ins Leben rief, und welche, da Deutschland sich an derselben mit regstem Eifer betheiligte, dahin führte, dass der deutsche Theil der internationalen afrikanischen Association und die schon bestehende deutsche afrikanische Geseltschaft sich im December 1876 zu einer "Afrikanischen Gesellschaft in Deutschland" bildete.
Wenn erstere Gesellschaft mehr die rein wissenschaftlichen, rein geographischen Ziele im Auge hatte, so verfolgte die neue afrikanische Gesellschaft als Zweigverein der internationalen Association gleichzeitig die Aufgabe, auf die Cultur und Civilisation der Eingeborenen, also vorzugsweise der Schwarzen, hinzuwirken, Handel und Verkehr als hauptsächlichsten Hebel der civilisatorischen Bestrebungen zu beleben und endlich nach Kräften dem Sklavenhandel entgegenzuarbeiten.
Und so erhielt ich denn im Herbste des Jahres 1878 vom Vorstand der Afrikanischen Gesellschaft den Auftrag, von Norden her vorzudringen. Als eigentliches Erforschungsobject hatte ich selbst bezeichnet: die Wasserscheide festzustellen zwischen Benue, Schari und Congo, eventuell Ogowe, und auch heute bildet dies immer noch in Afrika eins der wichtigsten zu lösenden Probleme. Die Afrikanische Gesellschaft billigte insofern vollkommen meinen Vorschlag, als sie ihrerseits die Aufgabe stellte: die Erforschung des nördlichen Theils des Beckens des Congo und der angrenzenden Gebiete, insbesondere der Wasserscheide des Schari und Ogowe, sowie beider Flüsse gegen den Congo hin. Dies wurde als das zu erforschende Gebiet bezeichnet und deshalb sollte die Expedition von Tripolis abgehen und dem Eindringen über Kufra der Vorzug gegeben werden.
Es lässt sich nicht leugnen, dass man dem Vorgehen vom Norden her manche gewichtige Bedenken entgegenhalten konnte, namentlich die Entfernung vom eigentlichen Erforschungsobject und besonders die Roheit und den Fanatismus der zu durchziehenden Mohammedanischen Stämme. Denn das lässt sich nicht hinwegleugnen, dass der religiöse Fanatismus den Reisenden mindestens ebenso gefährlich in Afrika ist, als das mörderische Klima gewisser Regionen. Von den vielen, die dem religiösen Fanatismus erlagen, nenne ich nur Hornemann, Röntgen, Vogel und Moritz von Beurmann. Engländer und Franzosen sind gleichfalls mit einem starken Contingent von Märtyrern vertreten. Dieser religiöse Hass findet sich aber nur bei den semitischen Monotheisten, demnach auch in Nordafrika bei den Mohammedanischen Völkern und selbst bei den "christlichen" Abessiniern ausgeprägt. Die Grenze des fanatischeu Hasses gegen Andersdenkende erstreckt sich etwa von Norden her bis zum 5.deg. nördl. Br. Von den polytheistischen Negern hat aus religiösen Gründen noch nie ein Reisender Schwierigkeiten erfahren, geschweige dass er deshalb ermordet worden wäre. Die Länge des Wegs also und die auf Fanatismus beruhende Feindseligkeit der Eingeborenen waren für das Eindringen vom Norden her die gefahrdrohendsten Momente. Andererseits aber bot das Vorgehen vom Mittelmeer aus viele nicht zu unterschätzende Vortheile. Den Verkehr mit dem Vorstand der Afrikanischen Gesellschaft, sowie mit dem Gesammtvaterlande konnte man lange unterhalten; ja, wenn dort nicht die unglückliche Nachlässigkeit der türkischen Regierung herrschte, würde man von Tripolis aus mittels des Telegraphen direct mit Berlin verkehren, also Nachrichten z. B. von Sokna aus in 5 Tagen nach der Hauptstadt des Deutschen Reichs übermitteln können. Und Sokna liegt circa 500 km von Tripolis entfernt. Der einst arbeitende telegraphische Draht zwischen Tripolis und Malta liegt aber jetzt zerbrochen auf dem Grunde des Meeres. Kein Mensch denkt daran, ihn wieder aufzunehmen und herzustellen. Als Dr. Nachtigal von hier aus seine ruhmvolle Reise nach Bornu und Uadaï unternahm, erhielt er von der Regierung telegraphisch seine Mission angewiesen. Im Jahre 1868 hatte Tripolis telegraphische Verbindung, 1878 existirte sie nicht mehr. So etwas kann doch nur in solchen Ländern vorkommen, welche unter der Regierung der türkischen Efendis stehen. Man schreitet nicht vorwärts, sondern fällt zurück in Barbarei.
Aber abgesehen davon, hat doch Tripolis noch immer bessere und schnellere Verbindungen mit Europa, als sie gegenwärtig von der Loangoküste und Angola aus bestehen. Und können wir Deutschen nicht gerade Tripolitanien bezüglich des wissenschaftlich-geographischen Standpunktes als unsere ureigenste Domäne bezeichnen? Hornemann begann ja erst von hier aus seine Reise. Barth hatte Tripolis als Anfang und als Endpunkt seiner ausgedehnten Wanderungen genommen und vorher schon ganz Tripolitanien auf seiner Reise längs der Gestade des Mittelmeeres durchwandert. Vogel, Overweg und Moritz von Beurmann gingen von Tripolis aus. Keiner von ihnen sah zwar das Vaterland wieder: sie wurden alle drei ermordet; von Maltzahn weilte längere Zeit in Tripolis, und Nachtigal trat von hier aus seinen kühnen Flug an, der ihn nach dem nie betretenen Tibesti, Borgu und Uadaï brachte. Ich selbst hatte Tripolis vorher schon dreimal besucht - 1864, als ich von der Uebersteigung des grossen Atlas zwischen Fes und Mikenes über Tafilet und Tuat bei Tripolis das Mittelmeer wieder erreichte; 1865, als ich von hier aufbrach, um Afrika zu durchqueren, und 1868, als ich abermals von hier aus meine Reise nach Cyrenaïka unternahm. Mit den örtlichen Verhältnissen war ich also vertraut.
Ein anderer nicht zu unterschätzender Vortheil ist aber der, dass man nirgends in Afrika so gute Transportmittel findet, als an der Nordküste. Im Süden dieses Erdtheils hat man allerdings jene Ochsenkarren, deren sich auch Eduard Mohr bediente, als er seinen Zug nach den Victoriafällen des Zambesi unternahm. Aber sie werden doch eigentlich nur in Ländern angewandt, wo die Cultur bereits Wurzel schlug: in der Capcolonie, dem Orange-Staat, in Natal, Transvaalien und in der Kalahariwüste. Weiter nach dem Norden zu hat man als einziges Transportmittel an beiden Küsten bisjetzt nur den Menschen selbst. Wenn wir von den Gestaden des Rothen Meeres absehen und vom französischen Senegalien, von wo aus man mit Pferden, Maulthieren und Eseln (die Engländer verwendeten zu ihrem Eindringen in Abessinien auch Kamele und sogar Elefanten) vorgehen kann, hat man jenen grossen Raum zwischen dem 10.deg. nördl. Br. und 20.deg. südl. Br., auf welchem man in Afrika bislang nur auf den Transport mit Menschen angewiesen ist. Wie umständlich, unsicher und namentlich unangenehm eine solche Fortschaffung der Gegenstände ist, haben wir sattsam aus den Berichten aller Reisenden entnehmen können. Dazu kommt, dass ein Träger durchschnittlich nicht mehr als 25, höchstens 30 kg fortschaffen kann. Und nicht jedem Reisenden gelingt es, Träger zu bekommen, wie z. B. Stanley das Glück hatte. Die meisten müssen immer darauf vorbereitet sein, dass die Leute eines schönen Tags Gepäck und Flinte in den Busch werfen und aus irgendeinem, zuweilen stichhaltigen, meist aber eingebildeten Grunde erklären, die Reise nicht weiter fortsetzen zu wollen. Das ist noch halbwegs günstig, denn sehr häufig ziehen sie es vor, sans adieu, mit oder ohne Gepäck, mit oder ohne Waffen abzuziehen. Auf diese Art vordringen zu müssen, gehört an beiden Küsten zu den grössten Unannehmlichkeiten und ist oft genug die Ursache des Mislingens einer Expedition.
Nun hat zwar König Leopold II. von Belgien den Versuch gemacht, mit Elefanten den Waaren- und Gepäcktransport zu bewältigen; aber zur Zeit würde es noch zu früh sein, ein endgültiges Urtheil über die Verwendbarkeit indischer Elefanten in Afrika abzugeben. Als die Engländer mit vierundvierzig Elefanten nach Abessinien kamen, starben von diesen nur fünf. Aber die Thiere hatten nur geringe Lasten zu tragen, und waren andererseits vorzüglich genährt, mit Futter, welches andere Lastthiere mitschleppten. Von den vier indischen Elefanten, die der König Leopold in Bagamoyo ausschiffen liess, starben zwei unterwegs, der dritte, "Sokannalli" genannt, dicht vor dem Ziele. Der vierte Ueberlebende aber, er hiess "Pulmalla", ertrug nicht nur die Anstrengungen des Marsches, sowie das fremde Futter - die indischen Elefanten waren ausschliesslich auf die afrikanische Vegetation angewiesen -, sondern befand sich, nach den Berichten der Herren Carter, Popelin und Cambier, als er Karema erreichte, in einem bessern körperlichen Zustande, als zur Zeit seiner Abführung von der Küste Sansibar.
Man hat bisjetzt nicht versucht, mit andern Lastthieren von den Küsten aus ins Innere zu dringen, und doch ist es keineswegs erwiesen, dass der Importation von Büffeln, Lastochsen, Pferden, Maulthieren oder Eseln unüberwindliche, namentlich durch den Stich der Tsetse verursachte Schwierigkeiten entgegenstellen. Nur sind jene Lastthiere an den Küsten leider noch nicht heimisch. Als ich 1867, aus dem Innern kommend, Lagos am Golf von Guinea erreichte, wurde die ganze Stadt in Bewegung gesetzt durch drei Esel, welche mein Gepäck trugen; man hatte diese Vierfüssler dort nie gesehen.
Im Jahre 1873 machte ich der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung Aequatorialafrikas den Vorschlag, Esel und Maulthiere versuchsweise zum Transport zu verwenden, wie solches in Nordcentralafrika von allen Reisenden geschehen sei, namentlich von Denham, Clapperton, Mungo Park, Barth u. a., die sich zum Transportiren ihres Gepäcks auch der Lastochsen, Pferde, Maulthiere und Esel bedient hätten. Aber man wollte nichts davon wissen, und namentlich bekämpfte Dr. Boer, damals Vorstandsmitglied der Gesellschaft, aufs heftigste meinen Vorschlag. "Die Frage der Träger", wie der verewigte Petermann sagte (Petermann's "Mittheilungen", 1875, S. 9), "oder sonstiger Beförderungsmittel erscheint in jeder Beziehung eine so wichtige, zunächst und vor allem auch für Leben und Gesundheit der einzelnen Reisenden und Forscher selbst - die je nach der Verlängerung ihres Aufenthaltes in den Küstenstrichen mehr oder weniger gefährdet sind -, dass ich an die Verwendung von Elefanten zu erinnern mir erlaube, selbst auf die Gefahr hin, dass sie sich eventuell als unnöthig erweisen sollte." Der Verwendung von Elefanten für Centralafrika möchte ich jedoch unter allen Umständen die der Maulthiere und Esel vorziehen, denn erstere können z. B. nicht überall hingehen und namentlich nicht die dichten Urwälder durchdringen. Ausserdem ist es noch nicht bewiesen, ob die zumal nur auf die afrikanischen Pflanzen angewiesenen indischen Elefanten im Stande sind, dem Klima, den Beschwerden und dem Aufenthalt in Afrika überhaupt Widerstand zu leisten. Versuche zur Zähmung afrikanischer Elefanten hat man noch nicht gemacht, obschon man auch in dieser Richtung jetzt, wie wir mit Freuden vernehmen, Experimente auf Befehl des Königs der Belgier unternimmt.
Es wäre um so wünschenswerther, mit Maulthieren und Eseln vorzugehen, als diese Thiere um einen äusserst billigen Preis in Nordafrika oder Asien zu haben sind und sich mit dem am Wege gefundenen Futter begnügen. Ausserdem ist ihre Tragfähigkeit relativ grösser, als die der Elefanten, ja absolut so gross als die der Kamele. Ein Elefant kann auf dem Transport nur mit einer Last von 400 kg beschwert werden.[1] Ein Esel trägt 50, 70 bis 80 kg. Acht Esel entsprechen also einem Elefanten, oder wenn man die stärksten Langohren nimmt, würden vier Esel einem Elefanten an Tragfähigkeit gleichstellen.. Rechnet man die Anschaffungskosten hinzu und bedenkt man, daso die Elefanten nicht durch Urwälder gehen können, dass sie täglich Wasser nicht nur zum Trinken, sondern zum Selbstbespritzen bedürfen[2], so erscheint es noch um so wunderbarer, dass man aus Scheu vor dem Gespenste der Tsetse nicht einmal mit den andern Quadrupeden Versuche[3] anstellen will. Angesichts der grossen, durch falsche Transportmittel verursachten Verluste hätte man aber längst Versuche machen sollen mit andern Lastthieren. Herr Dr. Datriene, einer der belgischen Forscher, welcher der Expedition von Sansibar aus als Arzt beigegeben war, sagt[4]: "Die Tsetse greift Esel, Maulthiere und Rindvieh an, aber nicht alle. Nichts ist allgemein geltende Regel, noch bestimmt vorgeschrieben. Eine gewisse Zahl dieser Thiere widersteht dem Bisse in nicht zu leugnender Art und Weise. Es vollzieht sich hier gleichsam eine wirkliche Selection. Uebrigens starben die von der Tsetse gestochenen Thiere nach sehr verschiedenen Zeiträumen, einige erliegen den Stichen erst nach Monaten, sie können also immer noch während verschiedener Wochen benutzt werden."
Im Norden von Afrika hat man hieran gar nicht zu denken. Das Kamel ist dort für den Reisenden wie gemacht, und wer die Wichtigkeit der Transportmittel für das Eindringen anerkennt, muss in dem Vorhandensein einer so wichtigen Beförderungsart allein schon die Berechtigung eines Vordringens vom Norden her zugeben. Dazu kommt, dass, wenn man glücklich zu Kamel die Sahara durchzogen hat, man in ganz Nordcentralafrika so vorzügliche Lastthiere vorfindet und zu so unglaublich billigen Preisen, wie vielleicht nirgends in der Welt. Es ist wahr, dann muss man das Kamel einfach stehen lassen; nach einer Durchquerung der Sahara wird es momentan ganz dienstuntauglich, und das Futter im Süden selbst ist nicht dazu angethan, dem erschöpften Thiere neue Kräfte zu verleihen. Im Gegentheil, Futter und das warmfeuchte Klima beschleunigen nur noch sein frühes und schnelles Verenden. Blos das schleunigste Zurücktreiben zu einem nördlichen Hattieh in der Sahara oder zur Vorwüste selbst kann das Thier retten. Meistens wird dies versäumt, oder man unterlässt es, das Kamel unbeladen schnell zurückzusenden; kurz es ist verloren. Wenn dagegen bei Anwendung von Eseln oder Maulthieren nach der Ankunft im Sudan der Reisende oder der eingeborene städtische Kaufmann aus Nordafrika etwas, im günstigen Falle einige Thaler[5] für sein Lastthier erhält, so steht er sich noch immer besser, als wenn er ein Kamel gemiethet hätte. Auch befindet er sich nun an der Schwelle des reichen centralen Afrika, wo für sein ferneres Fortkommen durch eine Auswahl der verschiedensten Lastthiere um ein Billigstes gesorgt ist.
Ebenso ist der Umstand wohl in Erwägung zu ziehen und fällt für ein Vordringen vom Norden schwer ins Gewicht, dass der Reisende, namentlich der, welcher die Tücken des afrikanischen Klimas noch nicht kennen gelernt hat, sich bei einer Reise durch die Wüste acclimatisirt. Nicht nur wird er auf diese Weise vorbereitet auf die höchsten Hitzegrade, welche man überhaupt beobachtet, sondern der oft sehr schroffe Wechsel von Kälte und Wärme, von Frost und Hitze stählt den Körper. Denn wenn der Reisende einmal die üble Erfahrung einer kalten Sahara gemacht hat, weiss er sich vor den Wirkungen der kühlen Nächte schon zu schützen. Im übrigen ist aber die trockene und reich mit Ozon geschwängerte Luft der Sahara von dem vortheilhaftesten Einfluss auf die Constitution des Reisenden. Die Trockenheit wirkt keineswegs schädlich auf den Körper. Im Gegentheil, die Haut befindet sich fortwährend in einer heilsam energischen Thätigkeit, da es fast nie zu jäher Schweissbildung kommt, weil der Verlust der Feuchtigkeit mittels der Haut unbemerkt vor sich geht. Dagegen haben die Nieren Zeit zur Erholung, und es wäre vielleicht eine von den Aerzten zu untersuchende Sache, ob die Sahara, die man ja jetzt schon vielfach als erprobtes Sanitarium für Schwindsüchtige empfiehlt, sich nicht auch als solches für die mit gewissen Nierenkrankheiten Behafteten erweisen möchte. Und wenn ja der Reisende durch die meist allerdings sehr ungesunden Oasen seine Gesundheit gefährdet sähe, so hat er es leicht in der Hand, sich diesen gefährlichen und oft sein Leben bedrohenden Einflüssen durch ein Uebersiedeln auf das gesunde Hochplateau der Sahara zu entziehen. Die Sahara an sich hat das gesundeste Klima der Welt.
Dass der Reisende, welcher von Norden kommt, sich bis zu einer gewissen Grenze nach dem Süden des Schutzes der türkischen Regierung erfreut, ist ein nicht zu unterschätzender Vortheil. Namentlich in den Städten, wo türkische Beamte und türkisches Militär sich befinden, ist derselbe von wirklichem Nutzen, und wenn auch oft vom Herzen aus widerstrebend, sind im allgemeinen die Türken äusserst zuvorkommend gegen die Europäer. Je weiter man sich von der Küste entfernt, desto unwirksamer wird der türkische Schutz, bis er sich endlich bis auf ein Nichts reducirt. Will der Reisende sich über fortwährende Täuschung und Enttäuschung nicht ärgern, so muss er allerdings, wenn er seinen Fuss auf afrikanischen Boden setzt, seine Begriffe von "Wort" und "Ehrgefühl" bezüglich der Eingeborenen über Bord werfen, und zu diesen darf man, was das anbetrifft, getrost die Osmanli rechnen. Der höchste türkische Beamte findet nichts Ehrloses darin, sein Wort und seine bündigsten Versprechungen zu brechen. Er hält dies für erlaubt nicht nur gegen seine Glaubensgenossen, sondern auch und noch mehr gegen Andersgläubige. Mögen die höchsten türkischen Beamten noch so sehr glänzen vom Firnis modernster pariser Civilisation, im Grunde ihres Herzens ist immer eine Kammer voll von Hass gegen die Christen.
Wenn der Reisende einen sogenannten Firman ali, d. h. eine vom Sultan selbst unterzeichnete Urkunde besitzt, so ist er dadurch mit den weitgehendsten Befugnissen ausgerüstet. Einen solchen früher leicht zu bekommenden Firman ali verleiht die hohe Pforte beute nur ungern. Ich erinnere daran, welche Schwierigkeiten Schliemann bereitet wurden, um einen solchen behufs archäologischer Untersuchungen zu erhalten; ebenso Homann für seine pergamenischen Ausgrabungen.
Rechnet man aber nun alles zusammen: Leichtigkeit der Beförderung, bessere Acclimatisation u. s. w., so wird man zugeben müssen, dass dem Eindringen von Norden her, namentlich wenn es sich um rein wissenschaftliche Zwecke handelt, grosse Vortheile zur Seite stehen. Auf meine Bitte hatte mir zu meinem Unternehmen der kaiserliche Gesandte bei der Hohen Pforte, Graf Hatzfeldt, einen Firman ali ausgewirkt, welcher eigentlich nur eine Erneuerung und Bestätigung desjenigen war, den ich vom Sultan 1865 erhielt, als ich von Tripolis aus meine Reise ins Innere von Afrika antrat.
Der Firman lautete in deutscher Uebersetzung:
"Die Botschaft Seiner Majestät des Deutschen Kaisers und Königs von Preussen bei meiner Pforte der Glückseligkeit hat mittels amtlicher Note uns benachrichtigt, dass Mugtafa-Bei[6], einer der angesehensten deutschen Unterthanen, eine Reise durch Afrika anzutreten gedenkt, und uns gebeten, ihm einen kaiserlichen Firman auszustellen. Ich fordere dich, Generalgouverneur von Tripolitanien, daher auf, den genannten Mustafa-Bei bei seiner Ankunft in Afrika, sobald er auf seiner Reise die unter deiner Verwaltung stehenden Länder betritt, gastfreundlich aufzunehmen und ihm die gehörigen Ehrenbezeigungen zu erweisen. Du sollst ihm Speise und Trank verschaffen und gegen Entgelt die erforderlichen Reitthiere zur Stelle bringen. Wenn er es verlangt, sollst du ihm eine genügende Anzahl von Bewaffneten beigeben und derart acht geben, dass er wohlbehalten und sicher reist. Zu diesem Zwecke habe ich vorstehenden kaiserlichen Firman ergehen lassen. Handle seinem erhabenen Inhalte gemäss.
Geschrieben am 8. Tage des Silkade-Monats, 1295.[7]
Unterschrift des Sultans."
Die deutsche Botschaft liess es hierbei nicht bewenden, sondern Graf Hatzfeldt erwirkte mir noch ein Privatempfehlungsschreiben von Safvet-Pascha für den Generalgouverneur von Tripolitanien, das folgenden Wortlaut hatte.
"Die hiesige deutsche Botschaft hat uns gebeten, dem Herrn Gerhard Rohlfs, deutschem Unterthan und Person von Ansehen, bei einer in Afrika zu unternehmenden Entdeckungsreise den grösstmöglichsten Vorschub zu leisten. Folglich empfehle ich ihn dir, ihm so viel, wie es nur angeht, nützlich zu sein. 23. Silkade, 1295. Safet." (18. Nov. 1878.)
Da sich die beiden Schriftstücke in vollkommenster Ordnung befanden, wenigstens keine sichtbaren geheimen Zeichen trugen,[8] auch an einer Ecke abgeknipst waren und oben das geheimnissvolle stand, so meinte ich in dieser Beziehung aller Befürchtungen überhoben zu sein, und in der That muss ich von vornherein anerkennen, dass fast alle türkischen Beamten bemüht gewesen sind nach besten Kräften meine Mission zu fördern.
Aber auch die Afrikanische Gesellschaft hatte es an nichts fehlen lassen, um mir das Erringen des Ziels soviel wie möglich zu erleichtern. Nicht nur kostbare Geschenke verschaffte mir der Präsident der Gesellschaft von Seiner Majestät dem Kaiser, sondern auch die wärmsten Empfehlungsbriefe für den Sultan von Uadaï, der die Geschenke erhalten sollte. Und wenn dieselben auch ursprünglich nur für diesen Fürsten bestimmt waren, um ihm den Dank unsers Kaisers auszudrücken für die Gastfreundlichkeit, mit der er unsern Landsmann Nachtigal empfing, so liess andererseits mit Bewilligung des Kaisers der Vorstand der Afrikanischen Gesellschaft mir so weiten Spielraum in der Verwendung derselben, dass ich sie eventuell, falls ich nicht Uadaï erreichen sollte, jedem andern beliebigen Negerfürsten zum Geschenk machen konnte, und zwar demjenigen, welcher der Expedition am nützlichsten sein würde.
Die Geschenke selbst bestanden meist aus deutschem Fabrikat: vor allem ein prachtvoller grünseidener Sonnenschirm, mit weissseidenem Atlasfutter, von aussen reich mit Goldarabesken gestickt und mit langen goldenen Fransen versehen. Der mit Goldblech ausgeschmückte Stab hatte 2m Höhe, der Schirm selbst 1m 50cm Durchmesser. Ein dem Schirm durchaus gleichwürdiges Geschenk war das grosse, in Solingen aus feinstem Stahl gefertigte und reich damascirte Schwert, eigentlich ein Riesenrichtschwert, in rothsammtner goldumsponnener Scheide. Dann zwei Mausergewehre neuester Construction. Die Kostbarkeit dieses Geschenks bestand nicht so sehr in den Waffen selbst, als in den prächtig gearbeiteten Nussbaumkästen, welche die schönsten Metalleinlagen und namentlich in der Mitte auf dem Deckel das kunstreich angefertigte Wappen des deutschen Reiches zeigten. Zu den Gewehren gehörten 6000 Metallpatronen. Besonders schön waren zwei in Tunis gearbeitete Burnusse: der eine von violettem Sammt, der andere von rothem Tuch, beide äusserst geschmackvoll mit Goldstickerei bedeckt, für europäischen Geschmack vielleicht überladen, aber durchaus dem Sinne jener südlichen Völker entsprechend, denen ja nirgends Gold und hochtönende Farbenwirkung zu viel ist. Diesen kaiserlichen Geschenken hatte ich aus, eigenen, d. h. aus den mir zur Verfügung gestellten Mitteln noch Waffen, Uhren, eine schöne genfer Spieluhr, sowie ein kleines tragfähiges Klavierharmonium hinzugefügt, Aus eigener Erfahrung die Vorliebe der Neger für Musik kennend, glaubte ich durch Beigabe dieser musikalischen Instrumente einigermassen den Gedanken jener zahlreichen Musiker Rechnung zu tragen, welche sich für die Expedition angeboten hatten. In der That fand ich bei schliesslicher Durchblätterung der Anmeldebriefe, dass von den circa 600, welche mich zu begleiten wünschten[9], ungefähr 50 der edeln Musica angehörten. Einer, früher ein Schüler Liszt's, wollte bezüglich der musikalischen Leistungen der schwarzen Söhne Afrikas theoretische Forschungen anstellen; ein anderer, ein Franzose, in Erfahrung bringen, ob die Studien "de Mr. David sur la musique des Arabes" nicht auf dem Mangel musikalischer Kenntnisse beruhten; ein dritter, ebenfalls Franzose, untersuchen, ob "les extrêmes se toachaient", nämlich inwieweit die Wagner'schen Compositionen mit denen der Meister der Neger Berührungspunkte fänden. Der Unglückliche! Er wusste gar nicht, dass jetzt fast jeder Deutsche ein Wagnerianer ist und dass ich selbst, einer der eifrigsten Verehrer des grossen Meisters, die Baireuther Blätter sogar für Kufra nachgeschickt erhielt. Aus der Blumenlese dieser musikalischen Anerbietungen darf ich eine nicht vergessen, die aus Kaiserslautern mit dem Vorschlag kam, mich mit einer vollständigen Musikbande durch Afrika zu begleiten, "um durch schöne Musik die grausamen Herzen der schwarzen Könige weich zu stimmen". Und als ich auch dieses Anerbieten dankend ablehnen musste, glaubte der Musiker durch das Ins-Treffen-Führen des Ewigweiblichen mich selbst "weich" machen zu können - seine stattliche Schwester solle als Köchin mitgehen; indess auch jetzt musste ich antworten: "Alles besetzt!" Aber nicht nur für Geschenke hatte die Deutsche Afrikanische Gesellschaft gesorgt, sondern wie gesagt auch für Empfehlungsbriefe. Den Brief von Dr. Nachtigal an den Sultan von Uadaï übersetzte der berühmte Orientalist Dr. Wetzstein zu Berlin ins Arabische, und zwar so gut und so dem Geiste des elastischen Koran-Arabischen entsprechend, dass er überall das Erstaunen und die Bewunderung der eingeborenen Schriftgelehrten hervorrief, wenn ich ihnen denselben vorzeigte. Sie erklärten neidlos und anerkennend, dass heutzutage kein Mensch in Tripolitanien im Stande wäre, ein solches Schriftstück zu verfassen. Der Brief lautete:
"Nachdem wir Eurer Majestät unsern Gruss nebst den feierlichen Huldigungen dargebracht, zeigen wir Eurer Majestät an, dass wir, der Schreiber dieser Zeilen, vor fünf Jahren, und zwar zu Lebzeiten Eures Herrn Bruders, des Sultans Muhammed Ali, glückseligen Angedenkens, in Eurem blühenden Reiche waren und in Eurer Residenz Abeschr gegen acht Monate sicher und geehrt weilten, wofür wir Gott und dem Herrn Sultan, glückseligen Angedenkens, dankbar sind. Und als wir Euer Reich verliessen, erleichterte der Sultan, glückseligen Angedenkens, unsere Abreise in jeder Weise, sodass wir unsere Heimat erreichten und mit unsern Lieben wieder vereinigt wurden, wohlbehalten und mit Dank erfüllt gegen Seine Majestät, den der Allbarmherzige aus dem Rahik el Ginan (ein Fluss im obersten Paradies) tränken möge! Und als wir gehört, dass Hochderselbe in die Barmherzigkeit Gottes eingegangen sei und Eure Majestät den Thron bestiegen haben, so dankten wir dem hochgelobten Gott, dass er den Edlen zum Nachfolger des Edlen machte. Nie möge die Sonne Eures Glückes sich verdunkeln und niemals der Neumond Eures Ruhmes untergehen.
Und gegenwärtig kommt zur Schwelle Eurer Majestät der Träger dieses Schreibens: unser Freund, Genab[10] Mustafa Bei el Rohlfsi, ein Mann, angesehen in unserm Lande und geehrt von unserer Regierung. Und zwar kommt derselbe in der Eigenschaft als Abgesandter mit dem Grusse unsers gnädigen Herrn, Seiner Majestät des Imperator, Königs von Borussia[11], und mit einigen Geschenken für Eure Majestät, von der Art, wie sie ein König einem Könige zu überreichen pflegt. Wir leben der Hoffnung, dass Sie diese Geschenke mit der Gesinnung annehmen, mit welcher sie gegeben worden sind, und wäre der Weg nicht so weit, die Beschwerde der Wüstenreise nicht so gross und der Gefahren auf der Reise nicht so viele, so würden den Geschenken noch andere, eines Königs würdige, hinzugefügt worden sein. Wir bitten Eure Majestät, den Mustafa Bei gnädig zu empfangen und aufzunehmen, wie die Edlen ihren Gast und die Könige ihren Schützling, einen von den Seinen getrennten Fremdling aufzunehmen pflegen. Der Fremdling steht im Schutze Gottes und im Schutze der Edlen. Ferner zeigen wir Eurer Majestät an, dass der erwähnte Mustafa Bei von Eurem Lande aus eine Reise in die südlichen Länder zu machen gedenkt, um jene fremden Völker zu sehen und jene unbekannten Sitten und Zustände kennen zu lernen, damit er in der Heimat davon erzähle und dadurch unter den Zeitgenossen Ehren erlange. Auch ist Eurer Majestät der Ausspruch der Weisen nicht unbekannt, dass der Waller (Pilger), welcher die Wunder der Schöpfung enthüllt, sich den Lohn des Schöpfers erwerbe. Wir bitten nun Eure Majestät, dem Erwähnten diese Reise zu ermöglichen und ihm dabei Eure gnädige Unterstützung angedeihen zu lassen, durch Gewährung eines zuverlässigen Dieners innerhalb Eures Landes und Erleichterung bei dem Uebertritt aus den Grenzen Eures Reiches in die südlichen Länder. Wir aber bitten Gott, dass er Eure Majestät mit seiner Huld umschliesse, dass er Eure Tage und die Tage aller derer, welche Euch theuer sind, viel mache, dass er Euch wider alle, die Euch feind sind und Euch befeinden, den Sieg verleihe, und dass er Euch die höchsten Stufen der Macht und des Ruhmes ersteigen lasse.
Geschrieben in Berlin von Eurer Majestät Fürbitter bei Gott.
Edris el Nachtigali el Brussiani." (Datum.)[12]
Alle diese Vorbereitungen berechtigten zu der Erwartung eines Gelingens. Nichts war in der That versäumt worden, um mit fast annähernder Gewissheit einen Erfolg voraussagen zu können. Aber leider ist in Afrika alles vom Zufall abhängig oder vielmehr von Ereignissen, die man wol im voraus mit veranschlagen kann, denen man aber aus dem Wege zu gehen hofft oder von denen man nur zu gern glaubt, dass sie nicht eintreten würden.
Man hat viel darüber berathen und gestritten, ob es vorzuziehen sei, bei Organisation einer Entdeckungsreise solche einem einzigen Individuum anzuvertrauen oder mehreren, und im Princip entschied sich die Deutsche Afrikanische Gesellschaft für die Entsendung Einzelreisender. Und doch ist dies beim Zustande unserer heutigen Verhältnisse gewiss nicht richtig. Mit meiner Ansicht konnte ich nicht durchdringen. Freilich hielt man nicht ohne Grund meiner eigenen besondern Erfahrung von 1873/74 in der Libyschen Wüste, wo stets zwischen allen Expeditionsmitgliedern das beste Einvernehmen stattfand, die Verhältnisse entgegen, wie sie geherrscht hatten zwischen Denham, Clapperton und Oudney, oder wie bei der Richardson-Barth-Overweg'schen Expedition, bei den Polarfahrten von Payer, Weyprecht und Koldewey u. s. w. Aber wenn immer unter den Mitgliedern jener Expeditionen mistönende Klänge die Eintracht störten, so lag das wol hauptsächlich daran, dass man vorher nicht bestimmt genug die Verhältnisse der einzelnen Theilnehmer untereinander abgegrenzt hatte.
Hören wir jedoch, was Herr Dr. Harmand nach dem "Journal officiel" in einer Sitzung der Société de géographie commerciale de Paris, gehalten im Mai 1880, sagt:
"Eine von einem einzelnen Reisenden (Dr. Harman befürwortete eine Reise nach Hinterindien) unternomme Reise kann immer nur ein mittelmässges Resultat haben. Wenn man allein ist, wird in der That die Aufmerksamkei durch unzählige Gegenstände beständig von einem einzigen abgelenkt, und man wird ohne Gnade durch eine Arbeit erdrückt und aufgerieben. Ich behaupte, dass eine auf einem Anführer und zwei wissenschaftlich gebildeten, ihm beigegebenen Männern bestehende Gesellschtft nicht nur eine dreifach grössere Ausbeute, nein, ein zehnfach grösseres Resultat gibt.
In Hinterindien sind vier Fünftel der Zeit wenigsten durch die Unterhandlungen, durch langweilige Besprechungen[13] mit den Häuptlingen und Mandarinen, durch unvorhergesehene Verzögerungein, durch Aergerlichkeiten aller Art in Anspruch genommen, ohne die Tage zu zählen, welch infolge von Fieber oder andern Krankheiten als verlore betrachtet werden können.
Bei einer zusammengesetzten Expedition werden alle diese Zeitverluste in grossen Verhältnissen herabgemindert. Während der Chef im Lager bleibt, sich beschäftigend mit den Lebensmitteln, mit dem zukünftigen Wege, mit dem Fortschaffen des Gepäcks, mit dem Auskundschaften, und während er sich in Geduld darin übt, auf kluge Weise die Spitzfindigkeiten einheimischer Autoritäten zu Schanden zu machen, brechen seine Begleiter auf und unternehmen in Begleitung weniger Diener mit geringem Gepäck ihre Entdeckungszüge nach anthropologischen zoologischen, geologischen oder botanischen Gebieten."
Ja, Dr. Harmand geht noch weiter in seinen Betrachtungen, indem er ein Bild eigener Beschäftigung an seinen Reisetagen entwirft, und beim Lesen derselben wird jeder, welcher reiste, den Eindruck bekommen, dass nichts Uebertriebenes in seiner Schilderung enthalten ist.
Darin natürlich wird jeder, der eine zusammengesetzte Expedition befürwortet, mit dem Cochinchinareisenden übereinstimmen, dass der Führer der Expedition eine unzweifelhafte Autorität über seine Gefährten besitzen und älter an Jahren sein müsse, dass man vornehmlich aber darauf sehe, dass alle Theilnehmer der Expedition wohlerzogen sind. Hierin gerade liegt das grosse Geheimniss. Nicht jeder Gelehrte ist gebildet, und noch weniger kann man behaupten, jeder Gelehrte habe eine gute Erziehung genossen. Sodann muss man den Grundsatz in erster Linie festhalten, eine nicht zu grosse Vertraulichkeit einreissen zu lassen. Georg Schweinfurth, welcher allein und in Gesellschaft reiste, erachtet es als ein vorzügliches Mittel des Einverständnisses, so wenig wie möglich mit seinen Gefährten auf dem Marsche zu sprechen. Und er hat gewiss recht.
Auch die Frage ist einer Berathung unterworfen worden, ob es wünschenswerth sei, europäische Diener auf Entdeckungsreisen mitzunehmen oder nicht. Nachtigal, der mit seinem Giuseppe Valpreda traurige Erfahrungen machte, ist dagegen. Ich kann nur sagen, dass auf der abessinischen Expedition, während welcher mich ein Franzose, und auf der von Tripolis nach Alexandrien, wo mich ein Deutscher begleitete, sowie auf der zusammengesetzten libyschen Expedition, bei der alle Herren von je einem deutschen Diener begleitet wurden, jedesmal das Resultat ein zufrieden stellendes war. Ist es in der That nicht angenehmer, persönlich von einem Europäer bedient zu werden, der ganz andere Begriffe von Reinlichkeit hat, als die reinlichsten Eingeborenen; mit dem man, falls derselbe nur einigermassen Bildung besitzt, doch vernünftige Gedanken austauschen kann, während die meisten Eingeborenen Afrikas in den Aeusserungen ihres Geistes Kindern gleichen? Ja, selbst die Völker, welche mit den europäischen Nationen in täglichem Wechselverkehr stehen, wie Türken, Araber und Berber, haben eine ganz andere Gedankenrichtung, weil ihre religiösen Ansichten und ihre ganze Halbcultur so grundverschieden von den europäischen sind.
Vor allem lag mir nun daran, einen tüchtigen wissenschaftlichen Begleiter zu bekommen, und ich fand ihn schnell in dem mir vom Vorstand der Deutschen Afrikanischeu Gesellschaft warm empfohlenen jungen Gelehrten Dr. Anton Stecker aus Jungbunzlau in Böhmen. Herr Stecker war zwar von Haus aus nur Zoolog und als solcher Specialist, aber er hatte noch vor der gemeinsamen Abreise hinlänglich Zeit, sich mit den astronomischen Instrumenten vertraut zu machen, unter Anleitung des praktisch ebenso bewährten wie theoretisch vorzüglich geschulten Dr. Zenker in Berlin, sodass er auf der Reise diesen Theil der uns obliegenden Arbeiten ausführen konnte. Freiwillig schloss sich auf eigene Kosten und mit Bewilligung der Afrikanischeu Gesellschaft Herr Leopold von Csillagh aus Graz an, welcher leider - er trennte sich in Sokna von der Expedition - auf dem Rückwege von Rhadames nach Tripolis den Anstrengungen zu starker Märsche unterlag. Herr Leopold von Csillagh, ein junger Mann von äusserst kräftiger Constitution, der vielfache Erfahrungen im Reisen besass und bereits die Vereinigten Staaten von Amerika besucht hatte, schien allerdings für Ertragung afrikanischer Unbill gut disponirt zu sein. Er hatte jedoch seinem sonst eisernen Körper offenbar viel zugemuthet, ohne zu bedenken, dass man das Gleichgewicht in der Constitution des menschlichen Körper's bei grossen Anstrengungen nur durch Zuvorzüglicher und reichlicher Nahrungsmittel aufrecht erhalten kann.
Zwei junge Deutsche, Franz Eckart aus Apolda und Karl Hubmer aus Graz, ersterer Schlosser, letzterer Uhrmacher, schlossen sich als persönliche Gehülfen an.
An Instrumenten hatten wir mitgenommen[14]: ein Quecksilberbarometer, vier Aneroide (von Secretan und eins von Casella), Thermometer in genügender Zahl, alle selbstverständlich hunderttheilige und darunter Schleuderthermometer und Pinselthermometer von Bodin in Paris; Compasse verschiedenster Construction, einen Prismenkreis nebst künstlichem Horizont, ein Dollond-Fernglas, verschiedene Krimstecher, Lupen, Metermasse, und zwar feste und bandförmige, mehrere Psychrometer und ein Kochthermometer nebst Reservethermometern, verschiedene Schachteln mit Ozonpapier, das mindestens für drei Jahre dauern konnte, einen Perambulator (von mir selbst früher der Afrikanischen Gesellschaft geschenkt), der sich aber diesmal wieder ebenso unnütz erwies, als während der libyschen Expedition 1873/74, endlich ein Pedometer, das aber auch als unnnütz beiseite gelassen wurde. Wenn ich zu dieser Ausrüstung mit wissenschaftlichen Gegenständen noch hinzurechne ein halbes Dutzend eiserne Pflanzenpressen, mehrere Centner Pflanzenpapier, sodann Schreibmatelial, Bücher u. s. w., so ist damit ein Theil dessen aufgezählt, was wir als für unsere Reise zweckdienlich mitnahmen.
Fast alle Instrumente bewährten sich vortrefflich, mit Ausnahme des Quecksilberbarometers, welches wir schon nach einigen Märschen zurücklassen mussten. Die bestellten Reserveglasröhren waren nicht eingetroffen und, nur auf eine angewiesen, hatten wir das Unglück, dass dieselbe trotz der grössten Sorgfalt beim Transport des Instruments zerbrach. An Vorsicht fehlte es dabei nicht; eigens dazu engagirte Leute trugen gegen Extrabezahlung das Instrument. Bei dem heutigen hohen Grade der Vollkommenheit der Aneroide sollte man auf Entdeckungsreisen, wo man ja täglich nicht vorhergesehenen Hindernissen begegnen kann, von der Mitnahme der Quecksilberbarometer ganz absehen. Namentlich wenn man vorher beobachtete Aneroide zur Verfügung hat, womit man eine gegenseitige Controle auszuüben vermag, sollte man jene Instrumente, welche trotz aller Vorsicht vor Zerbrechen nicht geschützt werden können, lieber nur auf Stationen benutzen oder auf solchen Reisen, wo man nicht stetigen Zufälligkeiten ausgesetzt ist.
Die Mason'schen Hygrometer, oder auch schlechtweg Psychrometer genannt, bewährten sich recht gut, weniger gut die Saussure'schen Haarhygrometer, welche gar zu leicht der Staub angreift. Dann Minima- und Maxima-Thermometer, sowol die bekanntern horizontalen von Secretan aus Paris, als auch die sogenannten Rutherford'schen, welche äusserst bequem sind, aber von englischen Minima- und Maxima-Thermometern noch übertroffen werden, welche perpendiculär hängen und deren kleine Eisenstäbchen man vermittelst eines Magnets regulirt. Wir verdanken die Besorgung dieser Instrumente Herrn Rosenbusch in Malta, der sich schon so oft um die Ausrüstung der deutschen Reisenden verdient gemacht hat. Die Chronometer waren der eine von Bader und Kutter in Stuttgart, die andern beiden von Thiele in Berlin.
Der von Dr. Stecker mitgenommene Prismenkreis bewährte sich ebenfalls vorzüglich; besser aber wäre ein einfacher Sextant gewesen, wie Güssfeldt mit Recht meint, der als ein in dieser Branche besonders erfahrener Reisender Gegensatze zu Kaltbrunner vor der Mitnahme der Theodoliten warnt. Und ich glaube, dass Güssfeldt vollkommen im Recht ist. Was sollte man in manchen Fällen anfangen, um ein solches Instrument fortzubringen, wenn es auch aufs kleinste Mass zurückgeführt wäre? Merkwürdigerweise nennt Kaltbrunner in seinem "Manuel du voyageur" den Sextanten nicht einmal. Ebenso wenig wird das Hygrometer erwähnt, obschon dieses Instrument bei keinem Reisenden fehlen sollte, namentlich wenn er das so leicht unbrauchbar werdende Quecksilberbarometer zu Hause lässt.
Die übrige Ausrüstung geschah in Berlin und Malta. Den Vorzug, alles in einem Magazin vereint zu finden, wie es in den Docs de campement, Boulevard des Capucines in Paris, der Fall ist, hat man in Berlin nicht. Und selbst in London, wo auch sehr grosse Magazine für Reiseausrüstungen vorhanden sind, findet man nicht die Gegenstände, wie sie gerade der Nordafrikareisende wünscht. Durch den langjährigen Besitz der beiden grossen Colonien Algerien und Senegalien konnten die Franzosen hinlänglich Erfahrungen sammeln in Beziehung auf Boden. Klima, Bedürfnisse, überhaupt auf alles das, was der Reisende in Nordafrika braucht. Und was ist wol angenehmer, als nur hinzugehen und sich innerhalb einiger Stunden mit allem zu versorgen, was nothwendig ist und wozu andere Reisende in Deutschland oft Monate gebrauchen, um schliesslich in den Besitz unpraktischer Dinge zu gelangen. Denn wer hat in Deutschland Erfahrung in solchen Dingen? Im Gegensatz zu der Meinung des Herrn Kaltbranner, welcher als règle générale aufstellt: "Il faut bien se garder d'emporter avec sei ce qu'on peut se procurer tout aussi bien à destination ou au port de débarquement", möchte ich allen Reisenden empfehlen, ihre Ausrüstung lieber sicherer in Europa, als an einer fremden Küste zu bewerkstelligen. Ja, wenn es sich um eine Reise in Amerika, in Asien oder Australien handelt, dann mag Herr Kaltbrunner vollkommen recht haben, denn in New York und Rio de Janeiro, in Melbourne und Sydney, in Kalkutta und Schanghai kann man gewiss unter fast gleichen Preisverhältnissen alles wie in unsern grossen Städten erhalten. Und doch möchte ich Reisenden, welche diese Continente zum Gegenstand ihrer Studien machen wollen, rathen, manche Gegenstände, z. B. Instrumente, von, Europa mitzunehmen. Unbequemlichkeit hat davon der Reisende keineswegs. Ist das Gepäck nicht umfangreich, so besorgt er es selbst, hat er dagegen zahlreiche Gepäckstücke, so übergibt er sie einem Spediteur, welcher alles versendet. Jedenfalls entgeht er bei Mitnahme seines Gepäcks aus der Heimat der Unannehmlichkeit, in grosse Verlegenheit zu gerathen. Bei meiner letzten Reise verliess ich mich z. B. darauf, unsere Wasserkisten in Valetta zu bekommen. Für die libysche Expedition hatte ich dieselben in Deutschland, in Apolda, anfertigen lassen. Weshalb sollte ich aber auch nicht auf Malta rechnen? Ich vermied dadurch den langen Transport, von dem ich freilich das letzte mal, da ich 500 Wasserkisten über Triest durch Eisenbahn und Lloyddampfer nach Alexandria schaffen liess, nicht das mindeste gemerkt hatte. Ausserdem glaubte ich erwarten zu dürfen, die Kisten in dem englischen Freihafen Malta mindestens ebenso billig und gut wie in Deutschland zu bekommen. Engländer excelliren ja in Eisenarbeiten, und als Freihafen musste meiner vorgefassten Meinung nach in Valetta alles billig sein. Aber wie fand ich mich getäuscht! Der billigste Schmied verlangte in Malta für Anfertigung einer einzigen Kiste 3 Pfd. St., der theuerste sogar 5 Pfd. St. In Deutschland hätten sie kaum mehr in Thalern gekostet. Unter diesen Verhältnissen stand ich davon ab, eiserne Kisten mitzunehmen, was mir aber später die grössten Unannehmlichkeiten bereitete.
Ich habe geglaubt, längere Zeit bei der Vorbereitung zur Reise verweilen zu müssen, weil nichts mehr dem Gelingen derselben förderlich ist, als eine bis ins Detail gehende gute Organisation. Zu einer solchen gehören vor allen Dingen auch die nothwendigen Medicamente, Waffen, Lebensmittel und alles andere, was zur Bequemlichkeit des Reisenden nothwendig ist. Wie schon angedeutet, findet man Zelte von jeder Auswahl und Grösse, und zwar speciell für Afrika berechnet, in den Docs de campement in Paris. Dieselben sind complet eingerichtet, haben ein zusammenklappbares Bett, Tische verschiedener Grösse, von denen man sich einen passenden aussuchen kann, Stühle, und in der Regel zwei zu einem Zelt gehörende "Cantines", d. h. hölzerne, von getheerter Leinwand überzogene und stark mit Eisen beschlagene Kisten, an deren hinterer Wand eiserne Ketten und Haken sich befinden, um sie zu zweien einem Maulthier, resp. einem Kamel über den Rücken hängen zu können. Eine dieser Cantinen enthält eine complete Küche, nebst Essgeschirr für sechs Personen, alles aus Eisen und Eisenblech: Messer, Gabeln, Tassen, Leuchter, Kaffeemühle, nichts fehlt und alles ist gut und dauerhaft gearbeitet. Die andere leere Cantine dient für das Gepäck des Reisenden oder für Vorräthe der Küche. Sonstige Gegenstände, wie Gummikisten, Gummibadewannen, Gummimatratzen und Anzüge sind dort ebenfalls zu bekommen, und nach einigem Ermessen kann sich der Reisende von dem einfachsten Nähetui an bis zum prachtvollst eingerichteten Zelt innerhalb einer Stunde ausrüsten.
Unsere Waffen hatten wir bis auf einige von Berlin mitgenommen, namentlich Mausercarabiner, die sich vorzüglich bewährten. Nur muss man während des Aufenthalts in der Wüste darauf achten, die Waffe nicht mit Oel einzufetten, da sonst der mit dem Oel vermischte Staub den Mechanismus gleich unbrauchbar macht. Lefaucheux-Jagdflinten und Lefaucheux-Revolver fand ich recht gut, weniger dagegen eine in Paris gekaufte Winchester-Repetirbüchse, weshalb ich sie auch gleich als nicht praktisch für uns den Geschenken einreihte.
Die Medicamente waren natürlich in Deutschland mitgenommen worden und bestanden vor allem in einem gehörigen Quantum Chinin (500 gr), Opium, Morphium, plumbum aceticum, zincum sulph., kali hydrojod., ether sulph., tart. stibiatus, magnesia sulph. ipecacuanha und einigen Hausmitteln. Binden, Charpie, Nadeln, Bistouri, Lanzetten, Waage nebst Medicinalgewichten fehlten natürlich auch nicht, und alles war in eine stark gearbeitete Kiste zusammengethan, die im Nothfall ein Mann tragen konnte. Vom Chinin aber enthielt die Medicinkiste nur 50 gr, während das Uebrige vertheilt war, sodass jedes Mitglied der Expedition einen Theil davon im Koffer mit sich führte.
Als ein vorzügliches, wenn auch gerade nicht als Medicament anzuwendendes Mittel, um die Gesundheit in Afrika zu unterstützen, soll hier von vornherein nicht unerwähnt bleiben: der häufige Genuss von Zwiebeln. Schon Heinrich Barth hebt denselben in diesem Continent, wo man so häufig wochenlang frische Gemüse entbehren muss, als äusserst wohlthuend für die Constitution hervor. Im übrigen soll man nicht zu ängstlich hinsichtlich der Nahrung sein, und besonders versuchen, sich sobald als möglich mit den Speisen der Eingeborenen vertraut zu machen. Es ist wahr, dass man bei dem heutigen Stande der Conservirung der Nahrungsmittel für verhältnissmässig geringe Preise alles mitnehmen kann, um jahrelang von den gewohnten europäischen Speisen profitiren zu können. Aber möglicherweise treten doch Fälle ein, wo der Reisende plötzlich seiner ganzen Habe beraubt wird oder sie durch irgendeinen Zufall verliert, sodass er sich auf das angewiesen sieht, was das Land bietet und die Eingeborenen selbst geniessen. Und das ist wahrlich nicht viel; in manchen Gegenden von Afrika und bei manchen Stämmen so wenig, dass man meinen sollte, die Kunst zu kochen hätten sie erst jetzt gelernt.
Nichts ist aber verderblicher und lächerlicher, als wenn ein Entdeckungsreisender wähnt, ebenso leben zu können wie zu Hause; zu glauben, weil er um 12 Uhr mittags zu Hause gespeist habe, müsse das auf Reisen auch so sein, zu verlangen, weil bei ihm zu Hause die und die Speise so gekocht gewesen sei, müsse das auch ferner so geschehen. Bald genug belehrt ihn die eiserne Nothwendigkeit, dass auf einer Entdeckungsreise alles anders ist, als man vorher gemeint, dass die sichersten Vorherberechnungen und besten Voraussetzungen zu Schanden werden. Wäre er aber selbst unbefangen an die an sich so triviale Essensfrage herangetreten, so würde er sich und andern Aerger erspart haben, und Aerger verursacht häufig Krankheit, obgleich er auch mitunter sehr gesund ist.
Auch auf die Kleidungsfrage lege man kein allzu grosses Gewicht. Nur befolge man die Regel, dass man selbst für den heissesten Theil des afrikanischen Continents, die Wüste Sahara, nicht verabsäume, warme Kleidungsstücke mitzunehmen. Ist es heiss, wird man sich von selbst derselben entledigen, bis man schliesslich in, den heissesten Stunden des Tags sich des langen weissen Kattunhemdes bedient. Es ist aber eine längst bekannte Thatsache, dass, wenn es auch im Norden von Afrika, z. B. in Algier, Tunis, Tripolis oder gar im Nilthal fast nie friert, die Nachtfröste in der offenen Sahara während der Wintermonate mit grosser Regelmässigkeit stattfinden. Also vor allem warme Ueberröcke und grosse wollene Decken. Einige haben zwar behauptet, und zu diesen gehört der vielerfahrene G. Schweinfurth, die Mitnahme von Zelten sei überflüssig. Es ist wahr, dass man auf den eigentlichen Märschen oft tagelang nicht dazu kommt, nachts das Zelt aufzuschlagen, denn feuchte Nächte in der Sahara sind selten, noch weniger braucht man Regen zu fürchten; und hat man die sudanischen Länder erreicht, wo sich Ortschaften befinden, dann ist in der That das Zelt überflüssig. Aber wer, der in der Sahara reiste, empfand nicht das Angenehme eines Schattendaches während des Gilens[15] oder wenn Umstände den Reisenden in einer Oase zwangen, im Freien zu campiren, oder wenn ihn in den vorsudanischen Ländern ein tropischer Regen überfiel? In allen diesen Fällen fühlt man die Wohlthat eines Zeltes.
Eine Hauptsache ist die Schuhzeugfrage. Man könnte ja unter Umständen ganz davon absehen, Schuhe oder Stiefeln mitzunehmen, wenn es Europäer gäbe, welche barfuss zu laufen vermochten wie die Eingeborenen Afrikas; aber unter den Reisenden gibt es schwerlich solche, die von Jugend auf an Barfusslaufen gewöhnt gewesen wären, und ich muss es als Aufschneiderei bezeichnen, wenn Reisende zur Hervorhebung ihrer meistens ja schon an sich genug wiegenden Thaten die Behauptung aufstellen, sie seien wochenlang barfuss gewandert. Ich selbst habe eine ziemlich abhärtende Erziehung erhalten, aber in der Jugend bin ich immer beschuht gewesen, und so wird es wol den meisten Reisenden gegangen sein. Durch fortwährende Beschuhung und das Tragen von Strümpfen wird aber der Fuss und die Sohle so weich, dass es unmöglich ist, einen Gang über kiesigen Boden oder gar durch jene überall in Centralafrika vorhandenen stachlichten Gräser zu machen, ohne dass derselbe schon in den ersten Stunden wund wäre. Ich versuchte einmal auf meiner ersten Reise, als ich noch nach einem Ueberfall än den Folgen der offenen Wunden auf Sandalen weiter zu kommen, aber auch das war Unmöglich, da schon nach kurzer Zeit die Riemen, von welchen die Sandalen festgehalten werden, Einschnitte zwischen den Zehen verursachten. Für die Wüste kann man indess als vorzüglich zweckmässig die gelben Pantoffeln der Eingeborenen empfehlen, woran sich die Europäer leicht gewöhnen und deren Brauchbarkeit für jene Gegen den eben durch das Tragen derselben seitens Millionen von Eingeborenen dargethan wird. Und wenn man das Gehen in denselben ohne Strümpfe als Barfussgehen bezeichnen darf, dann haben mein Begleiter, Dr. Stecker, und ich ebenfalls den grössten Theil der letzten Expedition barfuss zurückgelegt.
Von besonderer Wichtigkeit ist die Kopfbedeckung. Die Eingeborenen bringen zwei Systeme in Anwendung, welche beide den extremsten Methoden huldigen. Während man sowol unter den Negern wie unter den Arabern Stämme und Individuen findet, die trotz der sengenden Sonne ihren glattrasirten Schädel den direct darauf fallenden glühenden Strahlen aussetzen, gibt es andere, welche aufs eifrigste bemüht sind, ihren Kopf vor den Einflüssen directer Insolation zu schützen, und zwar dadurch, dass sie denselben durch grosse Tücher oder oft 20m lange und 1m breite Turbane sorgsam umwickeln und vielleicht noch einen gewichtigen breitkrämpigen Strohhut darüber stülpen. Beide Systeme sind gleich unbrauchbar für Europäer. Wenigen möchte es gelingen wie dem Maler Zander, welcher bei dem König Theodoro's von Abessinien Kriegsminister war, sich so abzuhärten, um ungestraft blankköpfig seine künstliche oder natürliche Glatze der afrikanischen Sonne auszusetzen, und wenige werden es angenehm finden, das allerdings nicht schwere, aber lästige Gewebe eines nicht endenwollenden Turbans auf dem Kopfe zu tragen, wie Major Laing es that. Noch weniger zweckmässig ist der Fes, die Tracht der Mittelmeerbewohner Nordafrikas, weil er die Augen vor den Einwirkungen der Sonne nicht schützt. Als beste Kopfbedeckung für Europäer kann man jenen indischen Helm empfehlen, den die Briten bei ihren unter den Tropen befindlichen Regimentern längst eingeführt haben, der nicht nur das Haupt vollkommen vor den Sonnenstrahlen schützt, sondern auch durch einen doppelten Einsatz eine Luftcirculation über den Kopf weg ermöglicht. Denn man muss durchaus darauf achten, dass der Kopf stets kalt gehalten wird, und ich glaube, man kann während der heissesten Tage in seinen Vorsichtsmassregeln nicht weit genug gehen, sodass denn ein öfteres Nassmachen des Kopfes mit möglichst kaltem Wasser sehr zu empfehlen ist.
Was die Lebensmittel betrifft, so verlasse man sich nie darauf, in den betreffenden Ländern selbst etwas zu finden, sondern nehme davon mit, soviel man kann, und wo möglich das doppelte Quantum von dem, was man seiner Schätzung nach glaubt nöthig zu haben. Namentlich versäume man nicht, grosse Quantitäten von Kaffee und Thee, Tartarsäure[16], Zucker mitzunehmen. Letztere beiden Gegenstände sind das beste lindern Mittel, und die Weinsteinsäure kann ausserdem in etwas concentrirter, mit Wasser vermischter Form als Essig zur Anwendung kommen. Condensirte Milch, in Blechbüchsen präservirte Butter, dann alle jene Fleischconserven, namentlich Liebig's Fleischextract, dürfen heute bei keiner Ausrüstung mangeln; in dieser Beziehung Sparsamkeit dem Reisenden anzuempfehlen, heisst demselben einen schlechten Dienst erweisen.
Denn man kann nicht leugnen, dass seit Einführung des Chinin und seitdem europäische Nahrungsmittel dem Reisenden zu verhältnissmässig billigen Preisen mit auf den Weg gegeben werden können, die verderblichen klimatischen Einflüsse viel von ihrer Gefährlichkeit verloren haben. Daher soll der Reisende auch nicht auf die Meinung derer hören, welche behaupten, dass man in den subtropischen und tropischen Gegenden weniger Fleischnahrung bedürfe, als in unserm Klima. Das mag für diejenigen Anwendung finden, die in einem Orte jener Zone bleibend oder längere Zeit wohnen, aber nie für Reisende, welche tagelang unterwegs sind und grosse Strapazen erdulden müssen. Sie werden wohl thun, die verlorenen Kräfte durch nahrhafte Speisen zu ersetzen und zu erhalten. Als vorzüglich kann man in dieser Beziehung das von Amerika importirte Corned beef, ein Pökelfleisch, empfehlen. Hat man kein Fleisch, dann suche man wenigstens dem Mehl, Reis und ähnlichen Lebensmitteln so viel Fett in Gestalt von Butter oder Oel beizuthun, dass dadurch der Nahrungswerth jener Speisen ein erhöhter wird. Hülsenfrüchte, wie Erbsen, Linsen, Bohnen, sind leicht zu transportiren, sie sollten daher nie fehlen.
[1] Ein Elefant kann 2500 kg tragen, aber gewöhnlich belastet man ihn nur mit 400 kg. Die Belgier gaben ihren Thieren 500 kg zu tragen, was angesichts der schlechten Ernährungsverhältnisse wol zu viel sein dürfte.
[2] Finden die Elefanten in der heissen Zone nicht täglich Wasser zum Bespritzen, so leiden sie, und dies allein dürfte vielleicht den Verlust der drei belgischen Elefanten erklären helfen; vgl. Brehm's "Thierleben", III, 469 fg.
[3] Die belgische Expedition wendet jetzt mit Erfolg Esel zum Transport an.
[4] "La question africaine", par le Dr. Dutriene (Bruxelles 1880), s. 10.
[5] Wenn von Thalern die Rede ist, so sind damit immer die österreichischen Maria-Theresienthaler gemeint, die den Werth von 4 Mark oder 5 Frc. haben.
[6] Im Jahre 1865 wurde mir vom Sultan Adul Asis die Bei-Würde verliehen: eine hohe Auszeichnung im türkischen Reiche, wenn sie vom Sultan selber ausgeht. "Bei" bedeutet eigentlich Fürst und entspricht dem Worte Beg. Wird der Titel, wie das häufig vorkommt, von Statthaltern, z. B. vom Vali von Tripolis verliehen, so hat derselbe in der Türkei keinen berechtigenden Werth.
[7] Entspricht dem 3. November 1878.
[8] Alle arabischen, türkischen und persischen Schriftstücke tragen am Kopfe irgendein geheimnissvolles Zeichen, meistens einen Buchstaben, über dessen Bedeutung die meisten Schreiber selbst keine Auskunft geben können. Der Gebrauch, irgendeine Ecke an einem Schriftstück, meist oben rechts, abzuschneiden, soll Glück bringen. Oft aber tragen die Briefe Zeichen, wodurch man den Adressaten benachrichtigt, das Gegentheil von dem zu thun, worum er brieflich angegangen wird.
[9] Ganz abgesehen von den Massebegleitungen, worunter z. B. einige mit 100 Bewaffneten, andere sogar mit mehrern Tausenden den Zug wie einen Eroberungszug mit unternehmen wollten.
[10] Genab heist eigentlich "Seite" ein sehr beliebter Ausdruck der Araber in der Rede und in Briefen; man kann es mit "theuerster Freund" übersetzen.
[11] Bei fast allen Völkern in Afrika ist der Deutsche und Deutschland selbst unter dem Namen "Boruss, Borussia" eingebürgert. "Nemsa" ist Oesterreich.
[12] Da der Originalbrief nebst Uebersetzung von den Suya vernichtet worden ist, kann ich aus dieser abschriftlichen Uebersetzung das Datum nicht herausfinden, Der Brief wird wol im October 1878 verfasst sein.
[13] In Centralafrika sind die langweiligen Palaver ebenfalls zeitraubend genug, und ehe ich in Bengasi meinen Contract mit dem Suya zu Stande brachte, wurden mindestens ein Dutzend stundenlange Sitzungen gehalten.
[14] Es ist mir leider nicht mehr möglich, genau die Provenienz der Instrumente anzugeben, da diesbezügliche Noten verloren gegangen sind.
[15] Gilen, d. h. die heisseste Zeit des Tags mit Zeltmachen verbringen.
[16] Die Weinsteinsäure ist bedeutend billiger als Citronensäure, erfüllt aber ebenso gut denselben Zweck wie diese.