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SECHZEHNTES KAPITEL. VON KUFRA NACH BENGASI.

Langsameres Reisen wegen vieler Entbehrungen. - Am 14. October in Djalo. - Besseres Benehmen der Einwohner. - Zwei Tage in Audjila. - Auch hier Umschwung der Stimmung. - Omar Bu Haua. - Dr. Stecker und Schich Krim el Rba voran nach Bengasi, um die Freigebung der als Geiseln zurückbehaltenen Schiuch zu verhindern. - Zu spät! - Am 25. Ootober in Bengasi. - Der vom Reisenden aus Nufra an den italienischen Consul Rossoni arabisch geschriebene Brief. - Der Reisende gedenkt schliesslich dankbar des Herrn Rossoni; des Herrn von Goyzueta und dessen Gemahlin; des deutschen Consuls, Herrn Ferro in Malta; des Vorstandes der Afrikanischen Gesellschaft; des Grafen Hatzfeldt in Konstantinopel. - Das feindliche Benehmen der Snussi und Ali Kemali's, der selbst ein Chuan der Snussi, gegen Schich Krim. - Der Lebensretter Schich Krim Bu Abd el Rba stirbt plötzlich zu Bengasi, nachdem er bei Ali Kemali eine Tasse Kaffee getrunken.

Nachdem ich den Leser mit Kufra bekannt machte, einer Oase, welche, obwol von Reisenden oft erstrebt, bis 1879 nie erreicht ward, erübrigt mir noch, den Rückzug nach Bengasi kurz zu beschreiben.

Wir legten die Entfernung von Buseïma nach Djalo in etwas längerer Zeit zurück als auf der Hinreise. Trotzdem war der Weg beschwerlicher, da wir uns erschöpft fühlten, denn seit dem Tage des Ueberfalls lebten wir nur von Mehl, Wasser und, Datteln, und in Kebabo, abgesehen von den drei Ziegen, konnten wir uns von den Tebu nur für einige Tage Butter verschaffen. Bis auf einige Fleischbüchsen, die aber trotz sorgsamster Eintheilung nicht auslangten, waren ja alle Lebensmittel geraubt worden, und die früher von uns aufgekauften Hühner hatten die Räuber selbst verzehrt.

Am 14. October kamen wir in Djalo wieder an, wo wir diesmal von den ersten Kaufleuten sympathisch empfangen wurden. Sie hatten Mitleid mit unserer unglücklichen Lage, und einige der Reichern erboten sich sogar, uns Geld zu leihen. Jetzt brauchten sie ja wegen Uadaï keine Furcht mehr zu hegen, und da der Ort von der bengasinischen Regierung wegen schlechten Verhaltens eine heilsame Lection bekommen hatte - der Pascha liess in Bengasi Modjabra einstecken und erpresste von ihnen wegen schlechten Benehmens gegen mich 100000 Piaster -, so wussten sie uns diesmal nicht genug Gutes zu erweisen. Europäische Genüsse, die der Kaimakam uns brachte, Zwieback, Oliven, Käse von Kreta u. s. w., waren uns am allerwillkommensten.

Wir blieben in Djalo nur eine Nacht und zogen alsdann nach Audjila, wo wir ebenfalls nur zwei Tage verweilten. Auch hier fanden wir einen vollkommenen Umschwung der Dinge. Selbst Omar Bu Haua, der Schich der Sauya el Istat von Kufra, welcher gegenwärtig in Audjila sich aufhielt, schickte nicht nur seinen Sohn zu uns, uni sein Bedauern über das Vorgefallene ausdrücken zu lassen, sondern sogar Lebensmittel und eine Mahlzeit. Selbst zu kommen, dazu konnte er sich indess nicht entschliessen.

Und so erreichten wir denn am 25. October nachmittags Bengasi. Mein Begleiter, Dr. Stecker, der mit Schich Krim el Rba von Bir Rissam vorausgeeilt war - und zwar auf Vorstellung des rechtlich denkenden Krim, welcher zu mir sagte: "Wenn du die andern drei Schiuch noch in Bengasi halten kannst, dann hast du gleich eine Handhabe, um die Saya zahlen zu machen" - um womöglich die Wirkung meines von Kufra aus an Herrn Rossoni geschriebenen arabischen Briefes[131] zu neutralisiren, kam um einen Tag - leider! - zu spät an. Gerade einen Tag vor unserer Ankunft war es Herrn Rossoni gelungen, die Schiuch frei zu erhalten. Er schrieb dann damals an die Geographischen Gesellschaften von Berlin und Rom: "Jetzt wird es leicht sein für Rohlfs, weiter zu reisen, die Suya sind befreit, nun wird er auch frei sein." Ich war es schon seit vier Wochen und befand mich, als er das schrieb, nur noch 50 km von Bengasi, aber ausgeplündert und mehr als einmal dem Mord ausgesetzt gewesen!

Damit will ich aber keineswegs gesagt haben, dass Herrn Rossoni irgendwie eine Schuld trifft. Meinem Briefe zufolge konnte er nicht anders handeln; aber die türkische Behörde, welche unsere Abmachung bezüglich des "arabischen" Briefs kannte, hätte die Freilassung der Geisseln nicht bewilligen sollen. Die Dienstleistungen und die Gastfreundschaft des Consuls Rossoni und seiner Familie kann ich nicht genug anerkennen. Ebenso haben auch Herr von Goyzueta, der italienische Consul in Tripolis, und seine liebenswürdige Gattin trotz der tiefen Trauer, in welche ihre Familie versetzt wurde, nicht aufgehört, das Fortschreiten der Expedition mit grösster Sorgsamkeit zu überwachen, wie überhaupt alle Beamte des italienischen Consulats in Tripolis es sich angelegen sein liessen, die Expedition soviel wie möglich zu fördern.

Und wenn ich hier zugleich noch Gelegenheit nehme, meinen Dank öffentlich unserm deutschen Consul, Herrn Ferro in Malta, auszusprechen, der so manchem deutschen Reisenden - ich erinnere nur an Maltzan, Nachtigal, von Bary u. s. w. - beigestanden, und hervorhebe, wie Graf Hatzfeldt in Konstantinopel durch seine energische Unterstützung den Abgang nach Kufra ermöglichte, so glaube ich dadurch nicht wett zu sein, sondern nur meinen Gefühlen Ausdruck zu geben.

Der Vorstand der Afrikanischen Gesellschaft aber hat durch Organisation der Expedition und Bewilligung der Gelder es ermöglicht, dass, wenn auch nicht das vorgesetzte Ziel der Expedition erreicht ward, so doch die Erforschung der Libyschen Wüste mit der Exploration der Oase Kufra als abgeschlossen betrachtet werden kann.

Nur von Ali Kemali Pascha war keine Genugthuung zu erlangen. Er, der officiell, wie aus dem Contract hervorgeht, für die beiderseitige Ausführung desselben garantirt hatte, verschanzte sich jetzt hinter Mittellosigkeit, weshalb nichts anderes übrig blieb, als die Hülfe der deutschen Regierung in Anspruch zu nehmen.

Dieselbe hat auch nicht auf sich warten lassen. Seine Durchlaucht der deutsche Reichskanzler erwirkte, nachdem er sich von mir einen mündlichen Vortrag über die Expedition und die Katastrophe von Kufra hatte halten lassen, einen sofortigen Ersatz von der türkischen Regierung, welcher der Afrikanischen Gesellschaft in der Summe von 16000 Mark übermittelt wurde.

[um den 2. Teil gekürzt, CR]

[131] Dieser Brief, den ich unter den Drohungen Sidi Agil's in seiner Gegenwart arabisch verfassen musste, lautete übersetzt:

"Gruss von Mustafa Bei. Die Suya lassen mich nicht in italienischer Sprache schreiben. Sie bedrohen mich mit dem Tode, wenn der Pascha nicht ihre von ihm gefangen gehaltenen Schiuch aus dem Gefängniss befreit. Ich bin ihr Gefangener und darf weder nach Norden noch nach Süden gehen. Ich ersuche Euch daher, mit den andern Consuln zum Pascha zu gehen und die sofortige Freilassung der Schiuch zu erwirken. Wenn dieselbe auf diesen Brief hin nicht erfolgt, so werde ich von den Suya, in deren Gewalt ich bin, ermordet."


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