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11. Consulatswesen.

Kein einziger Staat auf der ganzen Erde hat sich so in seiner Abgeschlossenheit zu erhalten gewusst wie Marokko. Während die Türkei schon seit langer Zeit in diplomatischem Verkehr mit allen europäischen Mächten steht, in allen europäischen Ländern Gesandte und Consuln unterhält; während China, wenn es auch noch keine Agenten in Europa hat, doch fortwährend in diplomatischer Verbindung mit den christlichen Mächten steht und das Reich der Mitte jetzt den Europäern geöffnet ist, bleibt der äusserste Westen, el-Rharb-el-Djoani, geheimnissvoll verschlossen.

Weder die Schlacht von Isly oder des Prinzen von Joinville Bombardement von Tanger und Mogador, noch die Einnahme von Tetuan haben vermocht, irgendwie eine Veränderung herbeizuführen. Mit Ausnahme einer einzigen Macht, Englands, sind die Beziehungen, Marokko's zu allen übrigen Mächten förmlich und kalt; sie beschränken sich eigentlich auf Differenzen der Mohammedaner und Christen in den marokkanischen Hafenstädten.

Es haben indess früher wohl bessere Zeiten existirt, wir wissen, dass nach den heftigsten Feindseligkeiten der Christen mit den Mohammedanern Spaniens und Marokko's Pausen eintraten, in welchen beide vereint den Wissenschaften oblagen. Die erste Vertreibung der Mohammedaner aus Spanien, endlich die letzte im Jahre 1609, legte Grund zu jenem unauslöschlichen Hasse, den die Norwestafrikaner von nun an gegen alles Christliche kund geben. Dazu kamen auf den Thron von Marokko neue Dynastien, die erste der Filali oder Schürfa, dann zu Anfang des 17. Jahrhunderts die zweite Dynastie der Schürfa.

Marokko wetteiferte um diese Zeit mit den übrigen Raubstaaten im Capern christlicher Schiffe, keine Macht war sicher, und hatte je ein europäisches Schiff das Unglück an der gefährlichen Küste, die sich von der Strasse Gibraltars bis zur Sahara hinerstreckt, zu stranden, so waren das Schiff und was es enthielt unbedingt Beute der umwohnenden Völker, die Bemannung aber wurde gemordet, verstümmelt, geschändet, im besten Fall aber ins Innere geschleppt, um dort als Sklaven mittelst härtester Arbeit das Leben zu fristen.

Und haben diese Verhältnisse vielleicht Besserung erfahren? Keineswegs! Allerdings hat schon Sultan Soliman, oder Sliman, wie ihn die Marokkaner nennen, die Aufhebung der christlichen Sklaven decretirt, und erleidet jetzt ein Schiff irgendwo an der marokkanischen Küste Schiffbruch, so wird die Mannschaft nicht mehr verkauft, sondern gemeiniglich nach langen Leiden ausgeliefert. Werden unter der Zeit einige davon gemordet, werden, falls Frauenzimmer dabei sind, diese nicht respectirt, so hat das noch nie Folgen gehabt. Eigenthum wird aber auch heutigen Tages noch nie geachtet; der Schiffsladung beraubt, des persönlichen Eigenthums bestohlen, so werden die armen Verunglückten dem betreffenden Consul überhändigt. Sicher verlangt der mit der Uebergabe Betraute vom christlichen Consul noch ein bedeutendes Geschenk, möglicherweise wird auch noch eine Rechnung für Verpflegung eingereicht. Und die Consuln zahlen und danken.

Im selben Jahr 1852, als der englische Admiral Napier marokkanische Unbilden, gegen englische Unterthanen begangen, rächen wollte, aber nur unnützerweise seine Flotte angesichts der marokkanischen Küste spazieren führte, im selben Jahre wurde die preussische Brigg Flora an der Rifküste geplündert. Vier Jahre später wurde Prinz Adalbert von Preussen, der jetzige Admiral des Deutschen Reiches, an der nämlichen Küste beim Wassereinnehmen verrätherisch angegriffen und verwundet. Marokko hat nie Satisfaction dafür gegeben, gegen Preussen liess es sich durch den schwedischen General-Consul damit entschuldigen (wie mir später der marokkanische Grosswessier, Si Thaib Bu Aschrin selbst bestätigte): der Sultan habe keine Gewalt über die Rif-Bewohner, und lehne daher jede Verantwortung für dergleichen Acte ab, und mit England wurden die guten Beziehungen dadurch wieder hergestellt, dass das stolze Königreich dem Sultan Geschenke machte.

Um die Politik Englands zu verstehen, müssen wir bis zum Jahr 1684 zurückgehen, zu welcher Zeit England die Stadt Tanger, welche Karl II. von seiner portugiesischen Gemahlin Katharina zwanzig Jahre früher bekommen hatte, freiwillig aufgab. Dieser unkluge Streich, einen Stützungspunkt am Eingange des Mittelmeers freiwillig zu verlassen, wurde für die englische Regierung dadurch neutralisirt, dass schon 20 Jahre später der kaiserliche Feldmarschall Prinz Georg von Hessen-Darmstadt Gibraltar für England eroberte, und Grossbritannien ist seitdem im stetigen Besitze dieser Veste geblieben.

War es nun in früheren Zeiten England hauptsächlich darum zu thun, mittelst Gibraltars die dortige Meerenge beherrschen zu können, dort am Eingange des Mittelmeeres einen sichern Punkt für eine Kriegsflotte zu besitzen, so hat die Dampfschiffahrt hierin eine vollständige Veränderung hervorgerufen. Seitdem ein Dampfschiff in einer Stunde 15, ja ausnahmsweise 20 Knoten zurücklegen kann, beherrscht der Fels von Gibraltar die Meerenge nicht mehr. Ueberdies lässt sich mit den weittragendsten Kanonen die ganze Passage bis zum afrikanischen Ufer nicht bestreichen.

Für England aber wird Gibraltar immer Wichtigkeit behalten wegen der Nähe von Marokko und als Sammelplatz für eine Flotte. Aber weit wichtiger in dieser Beziehung würde für England der Besitz von Ceuta sein. Was die Lage dieses Ortes anbetrifft, so ist sie ebenso günstig wie die von Gibraltar, in Beziehung zu Marokko aber bedeutend günstiger. Und insofern ist es wohl zu verstehen, dass in jüngster Zeit immer wieder das Gerücht auftauchte, England beabsichtige Gibraltar gegen Ceuta auszutauschen.

Das Interesse nun, welches England an Marokko bindet, liegt zum Theil darin, weil der englische Handel, die englischen Producte fast ausschliesslich den marokkanischen Markt beherrschen, dann in Eifersucht gegen fremde Mächte, vorzugsweise Spanien und Frankreich. Und diese Eifersucht entspringt hauptsächlich wieder daraus, dass England fürchtet von eben diesen Mächten vom marokkanischen Markte verdrängt zu werden. Wir wollen nicht zurückgreifen, und daran erinnern, wie England der Staat war, der die Eingeborenen Algeriens und namentlich Abd-el-Kader thatsächlich gegen Frankreich unterstützte, wir wollen bei den letzten Ereignissen stehen bleiben.

Als am 25. März 1860 Mulei Abbes und O'Donnell Frieden schlossen, hatte bald darauf der spanische General Ros de Olano, von seinen Soldaten Abschied nehmend, vollkommen Recht zu sagen: "Wir haben einen für uns neuen, ja einzigen Krieg in seiner Art beendigt, in welchem, nach meinem Urtheile, wir bei jeder Action siegreich gewesen sind, aber dennoch die Campagne verloren haben."

Olano hatte vollkommen Recht so zu sagen, denn gewonnen haben die Spanier in diesem Feldzuge nichts. Das Versprechen Agadir abzutreten ist nicht gehalten worden, im Gegentheil, im Jahr 1862 konnte ich mich überzeugen, dass der Sultan Sidi Mohammed aufs eifrigste damit beschäftigt war, diesen Ort, der früher nur mangelhaft befestigt war, durch neue und gut ausgeführte Befestigungen zu schützen. Eine Mission in Fes und Mikenes einzurichten, daran haben die Spanier bis jetzt nicht denken können, trotzdem, dass auch dies beim Friedensschluss verabredet war. Tetuan musste wieder herausgegeben werden, und die Kriegskosten sind noch lange nicht bezahlt, und werden es auch, wenn es so fort geht, nach eigener spanischer Berechnung in hundert Jahren noch nicht sein.

Und wer brachte diesen für Spanien so ungünstigen Frieden zuwege? Wer verhinderte die Spanier von Tetuan nach Tanger zu marschiren, wer verhinderte das Bombardement von Tanger, Mogador und anderen marokkanischen Hafenplätzen? Nur England! Sidi el Hadj Abd es Ssalam, Grossscherif von Uesan, erzählte mir sogar ein Jahr später, dass englische Soldaten als Marokkaner verkleidet, an den Batterien in Tanger gestanden haben, um die Kanonen zu bedienen, falls die Spanier dennoch einen Angriff wagen würden. Natürlich kann ich nicht einstehen für die Wahrheit dieser Aussage, sie bekundet aber, wie innigen Antheil England derzeit an Marokko nimmt.

Die ersten regelmässigen Beziehungen Spaniens mit Marokko fanden im Jahr 1767 und 1798 statt. Wie die übrigen christlichen Nationen verstand auch Spanien sich zu einem jährlichen Tribut, der sich indess nur auf etwa 1000 Thlr. belief. Freilich mussten bei einem jeden Consulatswechsel 12,000 Thlr. extra bezahlt werden. Spanien betonte übrigens in dem 1798 abgeschlossenen Vertrage, die Geschenke nur deshalb leisten zu wollen, damit die in Mikenes, Marokko, L'Araisch und Tanger bestehenden Klöster ohne Hinderniss ihre Religion ausüben könnten. Die Klöster im Innern waren hauptsächlich errichtet, christliche Sklaven freizukaufen und ihnen in Krankheit Beistand zu leisten, namentlich auch sie in der christlichen Religion zu stärken und zu erhalten. Höst in seinem 1781 erschienenen Werke erwähnt noch dieser Klöster. Aber da der religiöse Fanatismus in Marokko bis jetzt immer noch wachsend gewesen ist, sah sich Spanien genöthigt, schon Ende des vorigen Jahrhunderts die Klöster von Mikenes und Marokko aufzuheben; das von L'Araisch wurde 1822 geschlossen.

Augenblicklich lebt der spanische Generalconsul in Tanger mit der Regierung von Marokko auf gutem Fusse, spanische Agenten theilen mit denen des Sultans sämmtliche Hafeneinkünfte aller Häfen, damit Spanien so zu seiner Kriegskostenentschädigung komme.

Der einzige Staat, der es verschmäht hat, je Verbindung mit Marokko anzuknüpfen oder gar Tribut zu zahlen, ist Russland, und eigenthümlich, Russland ist in Marokko am meisten gefürchtet, den Namen "Muscu" spricht jeder Marokkaner mit einer gemessenen ehrfurchtsvollen Scheu aus.

Frankreich behauptet[108], schon 1577 Consuln in Fes gehabt zu haben, ob dem so ist, wollen wir dahin gestellt sein lassen. Die ersten diplomatischen Beziehungen waren der Vertrag vom 3. Sept. 1630, vom 17. und 24. Sept. 1631, vom 16. Jan. 1635 und vom 29. Jan. 1682[109], endlich 1693 zur Zeit Louis XIV.

Letzterer trat erst 1767 in Kraft. Frankreich bezahlte keine bestimmte jährliche Summe, aber die jährlichen Geschenke giebt Hemsö auf mehr als 100,000 Thlr. an.

Von dem ersten Tage der Eroberung Algeriens an hat Frankreich beständig mit Marokko auf dem qui vive gestanden. Die Schlacht von Isly, durch den jetzt regierenden Sultan Sidi Mohammed verloren, das Bombardement von Mogador und Tanger haben keineswegs dazu beigetragen, die Franzosen beliebt zu machen. 1844 als Friede und ein neuer Vertrag geschlossen wurde, konnte Abd-er-Rhaman sich nicht dazu verstehen, den französischen Gesandten in Fes zu empfangen, er ging eigens zu dem Ende nach Rbat.

Seit der Zeit hat Frankreich keine ernste Streitigkeiten mit Marokko gehabt, die Expedition gegen die Beni-Snassen war lokal und geschah mit Genehmigung des Sultans, andere Differenzen, z. B. manchmal Auslieferungen algerinischer Verbrecher und Revolteure, wurden immer dadurch beigelegt, dass Marokko wo es nur konnte aufs schnellste Frankreichs Wünsche erfüllte. Denn England wird in Marokko geliebt, Spanien gehasst, aber Frankreich gefürchtet. Das ist die eigene Aussage des marokkanischen ersten Ministers.

Obgleich England nicht zu den Mächten gehört, welche die ältesten Tractate mit Marokko geschlossen haben, so sehen wir doch schon, dass zur Zeit der Regierung der Königin Elisabeth englischer Handel sich an der marokkanischen Küste entwickelte. Am 2. Januar 1718 wurde der erste[110] und unter Georg II. und Sultan Mulei Hammed el Dahabi im Juni i729 ein zweiter Vertrag geschlossen. Von den Sultanen Sidi Mohammed 1760, von Mulei Yasid 1790, und von Mulei Sliman 1809 wurde dieser Vertrag bestätigt[111]. Denn die Sultane von Marokko anerkennen die Acte ihrer Vorgänger nur, wenn sie dieselben ausdrücklich bestätigt und erneuert haben, namentlich solche mit den christlichen Mächten. Ein Hauptgrund zu einem solchen Verfahren ist, dass bei einer Vertragserneuerung die betreffenden Staaten bedeutende Geschenke an den Sultan und seine Regierung zu machen haben. In einer 1815 vom englischen Parlament veröffentlichten Liste ersehen wir, dass Marokko mit einer jährlichen Liste von 16,177 Pfd. St. von 1797 bis 1814 figurirt als Kriegsunterstützung[112]. Ausserdem hat die grossbritannische Legation in Marokko über jährliche 10,000 Piaster zu Geschenken zu verfügen, und versorgt zum Theil Marokko gratis mit Munition[113] und Waffen wegen der Erlaubniss, nach Gibraltar Vieh und Getreide so viel es braucht ausführen zu können.

Die grössten Erfolge verdankt England jedoch seinem jetzigen Repräsentanten in Marokko, Sir Drummond Hay. Um Männer zu haben, die genau mit den Sitten und mit der Sprache des Volkes bekannt sind, hat England zu seinen Vertretern in Marokko nur solche Leute genommen, die dort im Lande geboren sind. So auch Sir Drummond, der wie kein anderer das Land kennt, und mit Hoch und Niedrig umzugehen weiss. Am 9. December 1859 schloss Sir Drummond mit Abd-er-Rhaman einen neuen Handelsvertrag, und traf Bestimmungen, von denen alle christlichen Mächte profitiren sollten. Indess beanspruchte im Vertrage von 1861, der, was das Commercielle anbetrifft, revidirt wurde, England für sich eine Ausnahmestellung.

So heisst es z. B., Englands Consuln dürfen residiren, in welchem Hafen oder in welcher Stadt[114] es Grossbritannien für gut findet, während für die Consuln der übrigen Mächte nur die Häfen erwähnt sind. Andererseits ist anzuerkennen, dass England in diesem Vertrage zum erstenmal für alle europäischen Agenten das Recht erlangte, die Fahne da aufzuhissen, wo man es wollte, und nicht bloss wie früher im "unreinen Ghetto" der Juden. Und vor allen Dingen ist hervorzuheben, dass England den Protestanten volle Freiheit bei Ausübung ihres Cultus zusicherte. Im Jahre 1862 war Sir Drummond selbst in Mikenes während eben der Zeit wie ich dort war, und ich konnte mich selbst überzeugen, wie allmächtig sein Einfluss, mithin der Englands in Marokko ist, und irre ich nicht, so hat Drummond Hay im Jahre 1867 sogar in Fes den Sultan besucht. Derjenige, der weiss, wie sehr schwierig es ist, mit den marokkanischen Monarchen in Person zu verkehren, namentlich in einer der Hauptstädte des Landes selbst, wird ermessen können, welch grosses Zutrauen der derzeitige Sultan zum jetzigen grossbritannischen Consul hat.

Aber die englische Regierung, die weiss, dass solchen Völkern hauptsächlich durch Glanz, Reichthum und Macht imponirt wird, hat in Tanger ein Consulatsgebäude herstellen lassen, das seiner Zeit mehr als 70,000 Thaler kostete, der Generalconsul und Ministerresident bezieht einen Gehalt von mindestens 50,000 Francs; ausserdem stehen dem englischen Minister zur Seite ein bezahlter Viceconsul, ein Arzt, Prediger, verschiedene Dolmetsche, Cavassen und Diener, alle gleichfalls hoch besoldet. In Mogador, Asfi, Darbeida, Dar-Djedida, Rbat, L'Araisch, Arsila und Tetuan unterhält England ebenfalls bezahlte Consulate, Viceconsulate und Agenturen.

Im Anfang der 60er Jahre vertrat England ausserdem das Königreich Dänemark, Oesterreich und die deutschen Hansestädte.

Die Hanseatischen Städte zahlten auch Tribut. 1750 musste Hamburg 50 Lafetten liefern, ausserdem 300 Centner Pulver etc.[115].

Am 18. Juni 1753 (Höst, p. 284) schloss Dänemark einen Tractat mit Marokko; da die meisten älteren Tractate ähnlicher Art sind, heben wir daraus hervor: SS 6 und 10. Jeder Däne kann im Lande reisen und hat Sicherheit (?). Keine andere Nation ist der dänischen bevorzugt. SS 9. Kein dänisches schiffbrüchiges Schiff darf beraubt, oder die Mannschaft davon misshandelt werden (?). Kein Maure darf den Dänen zwingen, seine Waare unter dem Werthe zu verkaufen. Kein Matrose darf mit Gewalt von einem dänischen Schiffe genommen werden. SS 12. Wenn ein dänisches Schiff einige von seinen in einem marokkanischen Hafen bereits verzollten Waaren nach einem anderen Hafen in Marokko bringen möchte, so soll kein Zoll aufs neue von den an Bord befindlichen Waaren erlegt werden, die anderwärts hin bestimmt sind. Von Munition und Schiffsbaumaterialien wird kein Zoll bezahlt. - Dänemark bezahlte dafür (Hemsö p. 235) jährlich 25,000 Thaler, und ausserdem für die Erlaubniss, eine Handelscompagnie an der Küste von Sla bis Asfi anzulegen, ein Annuum von 50,000 Thlrn.

Im Jahre 1844 hat Dänemark erst aufgehört Tribut an Marokko zu zahlen, während Schweden, welches im Jahr 1763 den ersten Vertrag mit Marokko unterzeichnete, hierfür dem Sultan einen jährlichen Tribut von 20,000 Thalern gab. Vorher bestanden die Geschenke Schwedens in Naturalien: Holz, Tauwerk, Munition etc. 1771 unter Gustav III. wurde ein neuer Vertrag vereinbart, wonach Schweden jährlich zweimal einen Gesandten mit Geschenken zu schicken hatte, aber 1803 derselbe alte Vertrag wieder erneuert, wonach Schweden 20,000 Thaler leistete, und noch die Demüthigung erfuhr, dass dieses Geschenk öffentlich durch den Consul überreicht werden musste. Unter Bernadotte wurde der Tribut dann gänzlich aufgehoben; der schwedische Generalconsul hatte die Annuität von 20,000 Thalern eines Jahres zum Bau eines Consulatsgebäudes[116] benutzt, und später die Zahlung nicht weiter geleistet. Zur Zeit, als ich in Marokko anwesend war, vertrat Schweden und Norwegen zugleich Preussen.

Oesterreich, das sich jetzt auch durch England vertreten lässt, schloss, nachdem der Kaiser Rudolph II. im Anfange des 17. Jahrhunderts einen Gesandten an Sultan Abu Fers geschickt hatte, einen Vertrag mittelst des Engländers Mey; im Jahre 1783 am 17. April, also ungefähr 150 Jahre später (Schweighover, Staatsverfassung von Marokko und Fes), erneuerte es den Vertrag. Zu der Zeit hatte Sidi Mohammed einen Gesandten an Joseph II. geschickt, Namens Mohammed Abd-el-Malek, der mit dem Rath von Jenisch den Vertrag erneuerte und besiegelte. Im Jahre 1815 verpflichtete sich Kaiser Franz gegen Marokko für Venedig einen jährlichen Tribut von 10,000 Sequinen zu zahlen, wozu sich 1765 die Republik verpflichtet hatte. Im selben Jahre jedoch brach Oesterreich jede Verbindung mit Marokko ab, und hörte, wohl von allen europäischen Staaten der erste, auf, Tribut zu zahlen. Oesterreich verwies seine Unterthanen an Spanien. Die vielen Vexationen, die Sultan Abd-er-Rhaman aber gegen Oesterreicher ausübte, zwangen diesen Staat zu einer militärischen Demonstration. 1829 bombardirte der österreichische Admiral Bandierra einige Küstenstädte, aber ohne grossen Erfolg. Unter Dänemarks Vermittelung kam am 12. Februar 1830 ein Vertrag mit Marokko zu Staude, von dem nur bekannt ist, dass Oesterreich sich nicht zu Geschenken oder Tribut verpflichtete. Die Vertretung blieb Dänemark und später England überlassen.

Mit dem Sultan Sliman hatte im Jahr 1817 Preussen versucht ebenfalls einen Vertrag abzuschliessen, der aber nicht zu Stande kam, und seit der Zeit blieb, wie angeführt, die Vertretung dieses Landes Schweden überlassen. Im Anfange dieses Jahrhunderts hatte denn auch Hamburg versucht, einen Vertrag zu Stande zu bringen, da ein Hamburger Artikel früher wie auch jetzt (wenigstens dem Namen nach), nämlich weisser Kattun, "Amburgese" genannt, sehr gesucht war; auch dieser kam nicht zu Stande; Hamburg liess sich dann später durch Portugal vertreten, und zuletzt mit den übrigen Hansestädten durch England.

1825 schloss Sardinien mit Marokko einen Vertrag und verpflichtete sich, bei jedesmaliger Erneuerung des Consulats 25,000 Frcs. in Geschenken zu erlegen.

Die durch die kleinen italienischen Staaten abgeschlossenen Verträge, von Sardinien (und vordem von Genua), von Toscana, vom Königreich beider Sicilien, wurden 1859 durch einen neu zwischen Gesammt-Italien und Marokko vereinbarten Tractat aufgehoben. Man hat im letzten Jahre von Differenzen gehört, die zwischen Marokko und Italien ausgebrochen waren. Italien hat ebenfalls ein Generalconsulat in Tanger, und in den meisten Hafenplätzen Agenturen.

Die Niederlande, die am frühesten mit Marokko in Rapport waren, der erste Vertrag wurde am 5. Mai 1684, dann später einer 1692 am 18. Juli (von Du Mont, t. VII.) geschlossen, zahlten jährlich dem Sultan 15,000 Thaler. Schon 1604 hatte Sultan Abu Fers einen Gesandten nach Holland geschickt, der dort starb. Im Jahr 1815 schickte Wilhelm, König der Niederlande, eigens einen General nach Marokko, um dem Sultan zu notificiren, er sei nicht mehr tributär. Die Holländer, heute durch England vertreten, besitzen eines der schönsten Consulatsgebäude in Tanger.

Portugal unterhält wie England, Frankreich und Spanien einen Generalconsul und Ministerresidenten. Seitdem 1769 der Sultan Mohammed Masagan den Portugiesen genommen hat, sind die Beziehungen gut gewesen. Und Portugal ist der einzige Staat, von dem man sagen kann, Marokko behandle ihn auf gleichem Fuss, denn die jährlichen Geschenke, welche der Sultan von Marokko an den König von Portugal schickt, sind allerdings nicht so werthvoll, wie die, welche er empfängt, deuten aber doch die Achtung vor der portugiesischen Macht an.

Selbst die Vereinigten Staaten von Nordamerika konnten dem Tribute nicht entgehen, den fast alle christlichen Staaten die Feigheit begingen, Marokko jährlich zu entrichten. 1795 wurde mit Mulei Sliman ein Vertrag auf 50 Jahre geschlossen, also bis 1845; in diesem verpflichteten sich die Amerikaner zwar nicht zu einer bestimmten jährlichen Summe, indess die Zwangsgeschenke betrugen alle Jahre ungefähr 15,000 Thaler. 1845 wurde eine neue, diesmal für Amerika günstigere Uebereinkunft getroffen. Amerika hat in Tanger ein Generalconsulat.

Brasilien und einige kleinere amerikanische Staaten haben ebenfalls in Tanger und den übrigen marokkanischen Hafenorten Vertretung.

Heute ist die Stellung der europäischen Consuln in Marokko eine ganz verschiedene, aber dennoch ist die Macht derselben weit entfernt von der, welche die christlichen Consuln in der Türkei haben. Für das Innere gelten auch heute alle Verträge und Bestimmungen nicht, sobald sie Europäer betreffen; das Ansehen eines europäischen Consuls ist im Innern gleich Null. Tribut zahlt heute kein einziges Consulat mehr, aber die mehr als königlichen Geschenke, die vor und nach namentlich England und Spanien an Marokko geleistet haben, habe ich selbst bewundern können; und so erfordert es ausserordentliche Klugheit und Gewandtheit für einen Consul mit den Marokkanern zu verkehren. Wenn Fälle wie ehedem auch wohl nicht mehr vorkommen, wo europäische Consuln willkürlich auf ein Schiff gepackt und fortgeschickt wurden[117], falls sie den Marokkanern nicht gefallen, so verweigerte doch 1842 der Sultan dem französischen Consul Pelissier in Mogador das Exequatur, bloss weil es Sr. marrokkanischen Majestät so gefiel. Leon Roche musste von Tanger abberufen werden, weil er zu genau die marokkanischen Interessen und Zustände kannte, und England und Marokko dies nicht dulden wollten. Nach 1844 ist zwar Frankreich ganz anders aufgetreten.

Was Marokko selbst anbetrifft, so hat es nie daran gedacht sich im Auslande vertreten zu lassen oder aus eigenem Antriebe diplomatische und commercielle Verbindungen mit fremden Mächten anzuknüpfen. Die verschiedenen Gesandtschaften, welche die Regenten Marokko's nach Europa schickten, hatten alle nur den Zweck Geschenke flüssig zu machen und Gelder zu erpressen. Eine möchten wir ausnehmen: die von Mulei Abbes, Bruder des jetzigen Sultans, nach Spanien im Jahre 1860/61. Sie hatte natürlich nicht im Auge Gelder oder Geschenke zu bekommen, es handelte sich darum eine Ermässigung der Entschädigungsgelder für Marokko zu erlangen, und auch diese wurde nicht aus freiem Antriebe entsandt. Spanien hatte ausdrücklich erklärt über diesen Gegenstand nur mit dem Bruder des Sultans im eigenen Lande verhandeln, zu wollen. Und Marokko erlitt die Demüthigung, dass, nachdem man Mulei Abbes durch Spanien spazieren geführt hatte, kein Deut von den Kosten erlassen wurde.

An Consuln besitzt Marokko nur einen[118]. Es ist dies der Hadj Said Guesno, der in Gibraltar gewissermassen das ganze Consulatswesen seines Monarchen gegenüber den Christen repräsentirt. Was für eine Art dieser Consul ist, davon kann sich der Leser am besten einen Begriff machen aus dem Briefe eines Freundes in Gibraltar, datirt vom 18. Mai 1871: "Mein marokkanischer College, ein Ex-Slave, jetzt Pantoffelnfabrikant und schwarz wie ein Teufel, würde sehr staunen, wenn ich fragen würde, ob er mir einige Aufklärungen geben könnte über diesen oder jenen Stamm, ob er arabischen oder berberischen Ursprungs sei - er würde mich gar nicht verstehen, erstens weil er über solche Dinge wohl nie nachgedacht hat, und zweitens weil sich sein ganzes Sinnen und Trachten auf seine gelben Pantoffeln concentrirt[119]." Dies ist der einzige würdige Repräsentant seiner unfehlbaren marokkanischen Majestät im Auslande.

Es tritt nun noch die Frage auf, wäre es wünschenswerth für das deutsche Reich eine Vertretung in Marokko zu haben? Wir müssen dies auf alle Fälle bejahen. Unsere politischen Interessen sind in Marokko so ziemlich identisch mit denen Englands, das ausserdem seine wichtigen commerciellen Angelegenheiten zu wahren hat. Wir stimmen insofern mit den Ansichten Englands vollkommen überein, dass Frankreich seine Herrschaft nicht auf Marokko ausdehne. Allein schon die Nähe der französischen Colonie macht es für uns nothwendig in Marokko Vertreter zu haben.

Da natürlich eine Consulatseinsetzung in Marokko nicht so ohne weiteres vor sich gehen kann, so müssten vor allen Dingen erst Unterhandlungen angeknüpft werden, entweder vermittelst eines schon in Marokko bestehenden und anerkannten Consulats oder direct mit der Regierung des Sultans. Wählt man das erstere, so würde jedenfalls das grossbritannische Generalconsulat am geeignetsten sein, es ist die Persönlichkeit Sir Drummond Hay's, des englischen Ministers, die in Marokko beliebteste und geachtetste. Wählt man den Weg einer directen Verständigung, so wurde jedenfalls das Beste sein den Zeitpunkt abzuwarten, wo der Sultan, der ganze Hof und die Regierung sich in Rbat befinden, dort den Abgesandten des deutschen Reiches durch einige Kriegsschiffe hinbegleiten zu lassen, damit dadurch zugleich Marokko eine sichtbare Vorstellung von der Macht unseres Landes bekäme. Natürlich müsste mit der Anknüpfung diplomatischer Beziehungen ein Geschenk verbunden sein, aber einige 1000 Chassepots, dem Sultan gegeben, würde ein ebenso angenehmes Geschenk für ihn wie ein für uns erpriessliches sein.

[108] Jules Duval, Rev. des deux mondes 1859.

[109] Du Mont, Corps diplomatique t. V. VI. u. VII.

[110] Du Mont, Corps diplom. T. VIII.

[111] Gråberg di Hemsö, p. 232.

[112] Revue des deux mondes 1844. Maroc, ses moeurs et ressources.

[113] S. Calderon.

[114] Um Marokko nicht zu verletzen, würde übrigens England wohl nie darauf bestehen, im Innern des Landes Consuln zu halten.

[115] Pacy, La piraterie musulmane, Revue africaine. 1858.

[116] Siehe von Maltzan: "Drei Jahre im Nordwesten von Afrika."

[117] Die marokkanische Regierung kann dies heute schon deshalb nicht mehr, weil sie kein einziges Schiff zur Disposition hat.

[118] Der ehemals in Genua residirende marokkanische Consul existirt dort seit Jahren nicht mehr.

[119] Ich hatte diesen Freund gebeten, mir vom marokkanischen Consul einige Noten über marokkanische Stämme zu erbitten.


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