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XVII. Die Hauptstadt Kuka und ihr Markt.

Name der Stadt. Bauart. Lebensweise der Bewohner. Die Nokna. Geld. Die Hochschule. Der grosse Markt. Zollfreiheit. Import und Export. Preise der Producte und Waaren. Bedingungen für Herstellung eines directen Handelsverkehrs von Europa nach Centralafrika.

Das heutige Kuka wurde erst in neuester Zeit, von dem Vater des jetzt regierenden Sultans, dem Schich Mohammed el kanemi erbaut. In Bornu wird die Stadt nie anders als "Kuka" genannt, wogegen man im Sudan, vorzugsweise in Kano, ausschliesslich den Namen "Kukaua" hört. Sie erhielt den Namen Kuka von einer einzelnen Adansonie ("kuka" heisst im Kanúri der Riesenbaum, Adansonia digitata), welche, weil der Baum sonst in dieser Gegend noch nicht vorkommt, als besonders merkwürdig erschien, und es ist daher falsch, Kukaua mit "die an Kukabäumen reiche Stadt" zu übersetzen. Kukaua, die Pluralform von Kuka, bedeutet vielmehr: "die zwei Kuka".

In der That besteht die Stadt aus zwei Theilen, zwei länglichen Vierecken, die durch eine zehn Minuten breite Ebene voneinander getrennt sind. Die langen Seiten liegen gegen Nordwesten und Südosten, die kurzen gegen Nordosten und Südosten. Der westliche, grössere Theil heisst Garfote oder Billa-Futebe, der östliche Gergedi oder Billa-gedibe, eine dazwischen befindliche Gruppe von Häusern und Hütten hat den Namen Ngimsegeni. Ausserdem stehen ringsumher zerstreut viele einzelne Häuser und Gehöfte.

Gergedi ist der Sitz der Regierung; hier residirt der Sultan, hier wohnen seine Söhne und Brüder sowie die obersten Beamten des Reichs, und auch die meisten Soldaten und Eunuchen sind hier einquartiert. Garfote hat mehr den Charakter einer Handelsstadt; es ist Wohnort der fremden Kaufleute aus Tripolis, Fesan, Kairo u. s. w., und in seinen Mauern befindet sich die Hauptmoschee. Beide Stadttheile sind mit ungefähr 20 Fuss hohen und an ihrer Basis fast ebenso breiten Erdmauern umschlossen, die von aussen gerade, von innen aber, damit, bei einer Belagerung die Vertheidiger bequem zu den oben angebrachten Schiessscharten gelangen können, treppenförmig aufsteigen. Thore hat Garfote fünf: eins nach Norden oder vielmehr Nordnordwesten, zwei nach Westen, eins nach Süden und eins nach Osten; Gergedi vier: zwei nach Westen und zwei nach Osten.

Die Bauart von Kuka weicht wesentlich von derjenigen der nordafrikanischen Städte ab, indem hier die Nationalbehausung der Neger vorherrscht. Es ist dies eine kunstvoll von dünnen Baumästen gefügte Hütte mit spitzem, regendichtem Strohdach, die auf einer runden Basis von 15-20 Fuss Durchmesser sich 10-15 Fuss hoch erhebt. Um die Wände rankt sich im Sommer, das heisst während der Regenzeit das grüne Laub der Kürbisse oder Melonen, und nie unterlässt man, die Dachspitze mit einem, manchmal mit mehrern Strausseneiern zu schmücken. Als Eingang und zugleich als Lichtzulass dient eine niedrige mit Matten zu schliessende Oeffnung. Das Innere enthält nichts als ein paar Kürbisflaschen, Töpfe, Lederbüchsen, Matten und in einigen ein breites mannslanges Rohrbett. Gekocht wird meistens im Freien unter einem gegen Sonne und Regen schützenden Dache. Zur Wohnung einer Negerfamilie, einem sogenannten Fato, gehören in der Regel drei bis vier solcher Hütten, die innerhalb einer Umzäunung von Thon oder Matten zusammenstehen. Die Häuser des Sultans, der Vornehmen und der fremden Kaufleute aber sind aus Erdklumpen errichtet und haben flache Dächer, von denen der Regen nicht genügend ablaufen kann, sodass sie nach jedem starken Regengusse der Reparatur bedürfen.

Von weitem gleicht Kuka, da es der Thürme und sonstiger hoher Gebäude ermangelt, hingegen fast alle Höfe und Hütten mit Bäumen beschattet sind, eher einem Walde als einer Stadt. Unter den Bäumen zeichnen sich aus: der Djedja-Baum, eine Feigenart, mit langen Luftwurzeln und grossen glänzenden Blättern, der Gunda-Baum mit schön gezackten Blättern und saftigen Früchten von der Grösse eines Kindskopfs, und die Akazie, deren gelbe Blüten heliotropähnlichen Wohlgeruch verbreiten. Natürlich nisten auf den Bäumen Schwärme von Vögeln. An die Zweige des Korna-Baums und der Akazie hängt der kleine Webervogel, der unermüdliche muntere Sänger, sein beutelförmiges Nestchen; über funfzig dergleichen kann man nicht selten an einem einzigen Baume sehen. Turteltauben und graue Waldtauben beleben die höchsten Baumwipfel. In der Regenzeit kommen die Wasservögel von den Ufern des Tschad-Sees hierher, und stets, bei Tage wie bei Nacht, schweben über den Strassen und Plätzen die Aasgeier, ohne welche, da sie rasch alle Fleischabfälle vertilgen, Kuka ein Herd der Pest sein würde.

Beide Stadttheile haben nur eine breite und ziemlich gerade Strasse, den "Dendal", von Barth sehr passend mit "Königsstrasse" übersetzt. Links und rechts von ihr ist ein Labyrinth enger und krummer Gassen, Steine zum Pflastern gibt es nicht, die Strassen bilden daher in der trockenen Jahreszeit ein Staubmeer und in der nassen Lachen, Sümpfe und Seen, die oft selbst zu Pferde nicht zu passiren sind.

Das Leben in der Hauptstadt beginnt des Morgens nicht eben sehr zeitig. Zuerst durchziehen die Bauern aus der Umgegend die Strassen und bieten, laut schreiend: "kiam, kiam" (Milch, Milch), "kandágo, kanda-a-a-a-a-go" (Butter, Buttttttrrrr), "ngóbbel koki be" (Eier) u. s. w., ihre Producte feil. Alle, auch die schwersten Lasten, werden auf dem Kopfe getragen; Negerfrauen und Mädchen balanciren Gefässe, die 40-50 Liter Wasser halten, auf dem Kopfe und verheeren infolge des Drucks vorzeitig das Haupthaar an den betreffenden Stellen.

Wenn die Stadtbewohner sich vom Lager erhoben haben, waschen sie sorgfältig Gesicht und Hände, versäumen auch nicht den Fussboden auszukehren, denn im Punkte der Reinlichkeit unterscheiden sich die Kanúri auf das vortheilhafteste von den Berbern und Arabern Nordafrikas. Nach eingenommenem Frühstück geht es an die Arbeit. Die meisten Hantierungen werden im Freien betrieben, und auch die Handwerker: Baumwollenweber, Sattler, Waffenschmiede, Schuster, schlagen ihre Werkstätten auf der Strasse, vor der Thür ihrer Wohnungen auf.

Am belebtesten ist der östliche Stadttheil vormittags um 10 Uhr. Da sprengen die hohen Würdenträger, die, Prinzen und Anverwandten des Sultans auf feurigen Rossen, gefolgt von einer Schar keuchender Sklaven zu Fuss, den Dendal entlang, um sich in die Rathsversammlung (Nokna) zu begeben. Jener Reiter dort in reicher arabischer Tracht ist Aba Bu-Bekr, der älteste Sohn des Mai; aber vor dem Eingang des Schlosses angekommen, muss auch er so gut wie alle andern seine gelben Stiefel und den seidenen Turban ablegen, denn niemand, hoch oder niedrig, darf anders als barhaupt und barfuss vor dem Sultan erscheinen; auch er muss sich zur Begrüssung auf den Boden werfen, das Gesicht platt an die Erde drücken und mit der Rechten eine Handvoll Sand aufs Hinterhaupt streuen. Die Rathsversammlung dauert ungefähr eine Stunde, die meist mit Stadtklatsch und Besprechung der unwichtigsten Vorfälle hingebracht wird. Wer dem Sultan die frischeste und pikanteste Neuigkeit mitzutheilen weiss, ist der erklärte Günstling des Tages. Solange ich in Kuka weilte, war meine Person der beliebteste Gegenstand des Gesprächs. Dass der Weisse selbst auf den Markt gegangen und dies oder jenes gekauft habe, dass der Christ, ohne dass man wisse warum, spazieren geritten, kurz jeder Schritt, den ich that, wurde beobachtet und als ein Ereigniss weitläufig durchgesprochen. Gegen das Ende der Versammlung bringen Sklaven des Sultans kolossale hölzerne Schüsseln voll Speisen in den Saal - an einer einzigen solchen Schüssel haben 6-8 Mann zu tragen -, womit die Anwesenden bewirthet werden.

Sind die Theilnehmer an der Rathsversammlung nach Hause zurückgekehrt, dann erstirbt das Leben auf den Strassen; alles zieht sich in das Innere der Wohnungen zurück, um während der heissen Tagesstunden der Ruhe zu pflegen oder zu schlafen. Aber zwischen 3 und 4 Uhr nachmittags entwickelt sich wieder ein anderes Bild. Heerden von Kamelen, Schafen und Rindvieh werden durch die engen Gassen getrieben, und der tägliche Markt beginnt, der bis zum Abend sowol in dem westlichen Stadttheil als vor den Thoren der Oststadt abgehalten wird. Auch in der Stadt selbst liegen in Buden oder auf freiem Raum Butter, süsse und sauere Milch, Eier, Knoblauch, Erdnüsse, Zwiebeln, gesäuerte Brote aus Argum moro, Hühner und täglich frisches Rindfleisch zum Verkaufe aus.

Die grosse Münze bildet auch hier wie in ganz Centralafrika der Mariatheresienthaler mit der Prägung vom Jahre 1780. Als Kleingeld cursiren zumeist die Muscheln einer Cypraea-Schnecke von der Grösse einer kleinen Haselnuss, die vom Ostindischen Archipel, namentlich durch den Golf von Guinea an die Südostküste Afrikas gebracht und von da weiter ins Land eingeführt werden. Sie heissen bei den Arabern kauri (englisch cowry), bei den Kanúri kungena, bei den Haussa-Negern kerdi. Früher gab es nach Barth Kupfergeld in Bornu, daher noch jetzt die Benennung ein Rtl für 32 kungena gäng und gebe ist. Das Werthverhältniss der kauri zum Bu-Thir (Mariatheresienthaler) stellt sich an den verschiedenen Orten verschieden, es steigt, je tiefer man von der Küste in den Continent eindringt. Doch suchen auch die Herrscher und die Grossen des Landes den Curs, je nachdem es ihr Vortheil mit sich bringt, künstlich hinaufzutreiben oder herabzudrücken. So schreibt Barth: "Das Verhältniss des österreichischen Thalers zum kleinen Gelde blieb ein äusserst unbestimmtes in Bornu, was, wie ich gestehen muss, den Speculationen der herrschenden Männer und namentlich denen meines verstorbenen Freundes Hadj Beschir zuzuschreiben ist ... Im allgemeinen schwankt der Werth eines Thalers zwischen 3-4000 Muscheln." Vor noch nicht langer Zeit waren auch noch die hier gewebten langen und schmalen Streifen Baumwollenzeug, Gabaga genannt, als Geld im Gebrauch, 4 Spannen Gabaga galten einen Rtl. Uebrigens findet allerorten mehr oder weniger Tauschhandel statt.

Mit Sonnenuntergang nimmt der Kanúri seine Hauptmahlzeit ein. Nach derselben versammeln sich in Kuka die Männer auf den öffentlichen Plätzen, wo sie unter einem mächtigen Gummibaum einander mit Neuigkeiten unterhalten, während die Damen, die sich hier von der mohammedanischen Sitte des Verschleierns emancipirt haben, Besuche machen, oder in Begleitung ihrer cavalieri serventi promeniren, oder geradezu auf Liebesabenteuer ausgehen. Von ehelicher Treue haben sie, freilich auch die Männer, äusserst laxe Begriffe. Besonders zeichnen sich durch Sinnlichkeit aus die Pullo- oder Fellata-Frauen, deren Hautfarbe, ein helles Bronze (französisch basané), eine eigene Nuance bildet zwischen dem Weiss der Kaukasier, dem Gelb der Malaien und dem Roth der amerikanischen Indianer. Selbst Jünglinge von 15 und Mädchen von 12 Jahren nehmen an dem nächtlichen Treiben theil, und dass es dabei an unschuldigem Spiel und Gesang nicht sein Bewenden hat, ist bei dem heissen Temperament und der luftigen Bekleidung kaum anders zu erwarten.

Unter der Regierung des jetzigen Sultans hat Kuka weit und breit in den Negerländern den Ruf einer vorzüglichen Hochschule erlangt, und es mögen wol 2-3000 junge Leute im Alter von 20-25 Jahren daselbst studiren. Ihr Studium besteht aber in nichts weiter, als dass sie die zum Beten nothwendigen Surate auswendig und die arabische Schrift mechanisch lesen und schreiben lernen, ohne von dem Inhalt nur ein Wort zu verstehen. Statt aller Bekleidung tragen sie ein Ziegenfell um die Hüften geschlungen; eine hölzerne Tafel, ein kleines irdenes Tintenfass, ein paar Schreibfedern von Rohr und eine Kürbisschüssel machen ihre ganze Habseligkeit aus. So ziehen sie bettelnd und namentlich die Lebensmittelverkäufer brandschatzend den Tag über durch die Strassen, denn nur ein Theil erhält Wohnung und Beköstigung in den Häusern der Vornehmen, bei denen es Sitte ist, ihre Söhne mit einigen Studenten zusammen unterrichten zu lassen. Nicht viel mehr Verständniss als die Schüler haben die Lehrer vom Arabischen, und da die Kanúri keine eigene Schriftsprache besitzen, ist eine fortschrittliche Bildung des Volkes fast unmöglich. Für den Gelehrtesten der Gelehrten galt damals der Mallem Mohammed Komami, weil er ziemlich correct arabisch schreiben, wenn auch nicht sprechen konnte. Allein obgleich er sich fast mit jeder Karavane aus Tunis, Tripolis und Aegypten Bücher schicken lässt, dürfte er doch den Ruf der Gelehrsamkeit mehr seinem Reichthum, den er durch lucrative Geschäfte zu vermehren weiss, als seinen Büchern verdanken. Zur Medressa wird die Hauptmoschee in der Weststadt benutzt. Hier sitzen die weisen Mallem, umlagert von ihren gähnenden Schülern, und disputiren über den Bart Mohammed's; hochmüthig sehen sie auf das unwissende Volk herab, das nicht lesen kann, mit Verachtung betrachten sie jeden Musgu, denn sie allein haben den rechten Glauben, und Flüche murmeln sie auf den verhassten Christen, den ungläubigen Hund.

Jeden Montag wird der grosse Markt vor den Westthoren von Garfote abgehalten. Er übertrifft an Bedeutung weit den von Abuam in Tafilet und soll nur dem Markte von Kano etwas nachstehen. Zunächst am Thore werden vor einem Schuppen Pferde verauctionirt. Den Pferden von Bornu gibt man im ganzen Negerlande den Vorzug, und in der That lassen es sich die hiesigen Händler angelegen sein, durch Kreuzung mit von Norden eingeführten Pferden immer die Rasse wieder aufzufrischen und kräftig zu erhalten. Ich erstand ein brauchbares, aber kleines und kurzgebautes Reitpferd für 20 Thaler; ehe ich Kuka verliess, sank der Preis für dieselbe Qualität auf 10 bis 6 Thaler herab. Grosse Staatspferde und Grauschimmel, die in Tripolitanien mit 20 bis 30 Thaler zu haben sind, erzielten Preise von 100 bis 150 Thaler. Durch eine lange Reihe von Verkäufern der gröbern Matten, die zur Einfriedigung der Höfe, zur Dachbedeckung oder, mit Dornen zusammengeflochten, zum Verschluss der Thüröffnungen dienen, gelangt man auf den Platz, wo die Kamele, die Rinder und Esel zum Verkauf stehen. Dicht daran stösst der Sklavenmarkt. Weisshaarige Greise und Matronen, Säuglinge, an fremden Brüsten saugend, junge Mädchen und kräftige Männer, Leute aus Bornu, Bágirmi, Haussa, Logon, Musgu, Uadaï und noch entferntern Landstrichen werden zur Auswahl feilgeboten. Die einen sind ganz nackt, andere haben einige Lumpen um die Hüften geschlagen; die Leute aus Musgu sind daran kenntlich, dass ihre Ober- und Unterlippe mit einem grossen Stück Kupfer, Zinn oder Kürbisschale durchwachsen, wie ein Rüssel vorstehen und beim Sprechen geräuschvoll aufeinander klappen. Tätowirungen am Körper haben mehr oder weniger alle, auch die Bornuer, Haussaner und Tebu pflegen sich mit drei Längsschnitten die Wangen zu tätowiren. Zwischen den Gruppen der Sklaven gehen die Käufer umher, messen mit der Hand deren Höhe (man spricht von vier, fünf, sechs, siebenspännigen Knaben oder Mädchen), besehen die Zähne, erkundigen sich nach dem Appetit, denn Hunger haben hält man für gleichbedeutend mit gesund sein, und gefällt ihnen die Waare, so wird der Handel abgeschlossen. Junge Burschen kosteten damals 15 bis 30 Thaler, junge Mädchen, unter denen die Fellata die gesuchtesten sind, 30 bis 60 Thaler, betagte Männer und Frauen, desgleichen kleine Kinder 3 bis 10 Thaler. Auf den Montagsmarkt werden manchmal Tausende von Sklaven zum Verkauf gebracht, Partien von Hunderten gibt es schon auf dem täglichen Markte.

Nun folgen die Getreidehändler mit grossen Ledersäcken voll Weizen, Gerste, Argum, Ngáfoli, Reis und andern Körnerfrüchten; hinter ihnen stehen ihre Lastochsen oder Kamele. In guten Jahren erhält man für 1 Mariatheresienthaler 4 Kamellasten Argum oder 6 bis 8 Kamellasten Sorghum (1 Kamellast = circa 3 Centner); ich erhielt anfangs für 1 Thaler 1 Last Argum, später 2, und vor der Ernte für denselben Preis 3 Lasten Ngáfoli. Auf einem grossen Platze wird das Vieh geschlachtet und das Fleisch in Stücken verkauft, auch gleich von Garköchen an einem auf Sandhaufen brennenden Feuer geröstet. Eine von hier abbiegende Strasse enthält die im Lande gefertigten Kunstarbeiten: zierliche Matten aus Dum, von denen die feinsten, nur 5 Fuss langen und 21/2 Fuss breiten mit 1/2 Thaler bezahlt werden; einfache und buntbemalte Thürvorhänge, von Stroh zum Schutz gegen das Eindringen der Fliegen; elegante Deckel und Untersätze, ebenfalls aus Dum geflochten, die mit der Leichtigkeit der Pappe die Dauerhaftigkeit des Leders verbinden; Schüsseln in jeder Grösse, aus Kürbisschalen oder aus Holz geschnitzt, manche schön bemalt und auf drei oder vier Füssen ruhend, die Deckel mit verzierten Handgriffen versehen; endlich Töpfe, Schüsseln und Krüge von gebranntem Thon, letztere so gross, dass sie gegen 200 Liter Wasser fassen. In der nächsten Strasse ist der Fischmarkt. Frische und getrocknete Fische vom Tschad-See liegen hier aus, von 6 Fuss Länge bis auf Handgrösse; die grössten kauft man zu 10 bis 15 Pfund l'oda (ungefähr 2 Silbergroschen) das Stück. Diese Strasse mündet auf einen Platz, wo hohe Stösse, Brennholz aufgeschichtet stehen und daneben Körbe voll Holzkohlen. In der unmittelbaren Nähe haben die Grobschmiede ihre Werkstätten aufgeschlagen, indem sie zwei Schläuche als Bälge gebrauchen und das Feuer in einem Erdloche damit anblasen. Sie verfertigen Beile, Hacken und gröberes Eisenzeug. Weiterhin halten die Feinschmiede an Gestellen oder in Buden ihre Arbeiten feil: Spiesse, Wurfeisen, Bogen, Schilde und Pfeile; messingene und eiserne Fuss- und Armringe für die Frauen; Scheren, Messer und Zangen. Die Zange ist ein sehr wichtiger Artikel in Bornu, jedermann trägt eine kleine Zange im Lederfutteral bei sich, um die Dornen der Kaie damit aus den Füssen zu ziehen, welche überall in Feld und Wald den Boden bedeckt. Nach den Schmieden kommen die Lederarbeiter. Ausser Getreidesäcken und Wasserschläuchen liefern sie die mannichfachsten Erzeugnisse von Leder Büchsen, Schächtelchen, Kisten, gelbe und rothe Pantoffeln mit und ohne Stickerei, Sandalen, Sporen, Pferdegeschirre. Auch eine kleine Auswahl voll Löwen- und Leopardenfellen findet man bei ihnen. Hieran reihen sich die zahlreichen Verkaufsstände für fertige Kleider. Baumwollene Gewänder, einfache wie kunstvoll gestickte, im Lande gefertigte weisse Toben, Kulga genannt, feinere dergleichen aus Kano, Beinkleider von fabelhafter Weite, weisse Kattunmützen, dunkelblaue Frauentücher und Frauenhemden sind in grosser Menge und jedem Bedürfniss genügend zu haben. Den Fruchtmarkt fand ich, da es zur Winterszeit war, nicht sehr reichlich versehen. Es gab Datteln, aber fast so theuer wie in Europa, Hadjilidj, Koltsche (Erdmandeln), eine Art Tomate, grösser als die unserigen und von bitterm Geschmack, Fukus (eine Gurkenart) und verschiedene essbare Waldbeeren.

Die europäiischen, überhaupt nicht bornuschen Kunst- und Naturproducte lagern in Zelten. Es sind weisse und bunte Kattune, Tuche, meist grob und von ordinären Farben, Seidenzeuge, weisswollene Burnusse, rothe Mützen, Spiegel, Rasirmesser, englische sind deutsche Nadeln, Glasperlen, Korallen, Bernstein, Antimon, Blei, Pulver (eine geringe Sorte Pulver wird in Bornu selbst bereitet), Flintensteine, Schwefel, Salz, sowol aus Asche gekochtes wie von Bilma her eingeführtes, Gewürznägelchen, indischer Pfeffer, Schita oder Sudan-Pfeffer, der indess auch in Bornu gut gedeiht, Räucherharze aus Arabien und dem Sudan, abgesehen von verschiedenen weniger gangbaren Handelsartikeln. Einige Zelte sind zu Wechslerstuben eingerichtet, in denen man Thaler gegen Muscheln umsetzen kann. Gold hat hier gar keinen Curs, und spanische wie französische Thaler sind nur mit Verlust anzubringen. In allen Strassen stehen Verkäufer von Trinkwasser, die aus grossen Krügen jedem, der Durst hat, gegen wenige Muscheln einen Trunk reichen. Ueberall herrscht geschäftiges Treiben, und obgleich weder Polizei noch Militär sich blicken lässt, kommt es doch nie zu störenden Unordnungen; Streitigkeiten oder kleine Diebstähle werden auf der Stelle vom Marktrichter abgeurtheilt.

Dass der Markt von Kuka eine solche Ausdehnung erlangt hat und mit dem von Kano rivalisiren kann, verdankt er der vollkommenen Handels- und Gewerbefreiheit, die der Einheimische wie der Fremde in Bornu geniesst. Kein Gewerbe unterliegt einer Steuer, und alle Waaren gehen zollfrei ein. Selbst die grossen Karavanen aus dem Sudan, aus Tripolis und den übrigen Berberstaaten haben keinen andern Zoll zu entrichten als eine kleine Abgabe, welche die Thorwächter der Stadt für sich in Anspruch nehmen, die aber so geringfügig ist, dass sie gar nicht in Betracht kommt. Die einzigen baaren Einnahmen, die der Sultan aus dem Markte bezieht, sind die Summen, für welche die beeidigten Versteigerer der Pferde und Kamele ihre allerdings sehr einträglichen Stellen erkaufen müssen; für jedes versteigerte Pferd oder Kamel erhält der Auctionator 1 Thaler. Sogar die Geschenke an den Sultan und an seine Beamten, die sonst in allen Negerländern von den fremden Kaufleuten verlangt werden, kommen hier in Wegfall. So erzählte mir mein Reisegefährte, der Marabut von Gatron, ein wohlhabender Kaufmann und Sklavenhändler, er habe, obgleich er schon dreimal die Reise von Fesan nach Bornu gemacht, Sultan Omur noch nie gesehen, und er gedenke auch künftig nicht an den Hof zu gehen, weil man dort allerdings nicht mit leeren Händen erscheinen könne. Wenn andere Kaufleute dem Sultan Geschenke darbringen, so geschieht es aus Speculation, denn dieser pflegt, zumal wenn die geschenkten Gegenstände seine Neugier und Aufmerksamkeit erregen, die Gabe durch ein Geschenk von einem oder zwei Sklaven oder einem Pferde zu erwidern. Freilich kosten ihm die Sklaven nichts; wenn er deren bedarf, so wird irgendwo eine Menschenrasia angestellt und die benöthigte Anzahl für ihn eingefangen. Der Scherif Hascheschi, der kurz vor mir von Tripolis angekommen war, erhielt für ein Geschenk im Werthe von etwa 150 Thalern mehrere Sklaven und Sklavinnen, die er in Aegypten zu je 200 bis 300 Thaler verkaufen kann, und ebenso wurde einem christlichen Kaufmann aus Tripolis, der einen grossen Spiegel, Tuch und Seidenstoffe überreicht hatte, von Sultan Omar ein bedeutend werthvolleres Gegengeschenk verehrt.

Bisjetzt ist der einzige sichere Weg von der Küste des Mittelländischen Meeres nach Bornu der, welcher von Tripolis aus durch die Sahara über Fesan und Kauar geht. Auf diesem Wege aber, der mit beladenen Kamelen nicht in kürzerer Zeit als in 6 bis 8 Monaten zurückzulegen ist, werden europäische Kaufleute nie mit den Arabern und Berbern zu concurriren vermögen, denn die letzteren, an die Strapazen der Wüstenreise gewöhnt, bringen Zeitverlust, Gefahr und Beschwerden nicht in Anschlag. Ganz anders wäre es, wenn England, Deutschland und Frankreich, welche Länder Innerafrika hauptsächlich mit Waaren versorgen, es unternehmen wollten, einen directen Weg von der Küste über Jola herzustellen. Würde derselbe auch vorerst nur bis Jola geführt, so wäre dies schon ein ungeheuerer Gewinn für den europäischen Handel, da die Bornuer, Bagirmier, Haussaner und andere Völker Innerafrikas sehr bald gewahr werden müssten, um wieviel vortheilhafter es für sie sei, die Waaren dort von den Europäern selbst einzutauschen, als sie sich von den Arabern und Berbern auf dem weiten Wege durch die Wüste bringen zu lassen.

Producte, die aus Bornu in Masse exportirt werden könnten, sind: Pferde, Rinder, Esel, Schafe, Ziegen, Wildpret, Elfenbein, Straussfedern, getrocknete Fische, Honig und Wachs, Häute, Löwen, Panther, Leoparden und andere Thierfelle, ferner Getreide, Koltsche und sonstige Bodenerzeugnisse, deren Cultur die Einwohner bei entsprechendem Absatz fleissiger betreiben würden. So liesse sich der Anbau von Baumwolle, Taback und Indigo sehr erweitern, sowie Gummi aus dem grossen Mimosenwalde nördlich vom Tschad zu einem wichtigen Exportartikel machen.

Die Durchschnittspreise stellten sich auf dem Markte von Kuka wiefolgt: ein dauerhaftes, wetterhartes Pferd, hellbrauner oder Fuchs, 20 Thaler, ein Lastochse oder eine Kuh im einzelnen 3 Thaler, in Heerden noch billiger, eine Ziege 1/3 Thaler, ein Schaf 1/2 Thaler, ein solches von einer besonders grossen Rasse 1 Thaler; eine Ochsenladung (2- 21/2 Centner) Ngáfoli (Sorghum) und Argum moro (Negerhirse, Pennisetum typhoideum) 1 Thaler, Weizen und Reis 2 Thaler; 5, 8 oder 10 Rindshäute, je nach der Grösse, 1 Thaler, ein schönes grosses Panther-, Leoparden- oder Löwenfell 2 Thaler, ein kleineres 1 Thaler, ein Straussenbalg je nach der Güte 1 bis 3 Thaler (in Tripolis 40-60 Thaler); der Centner Elfenbein von kleinen Zähnen 20 Thaler, ein Zahn im Gewicht von 1 Centner 35 bis 40 Thaler. Zu Barth's Zeiten waren die Preise noch bedeutend billiger; drei Ochsenladungen Getreide kosteten 1 Thaler, ein Ochs 11/2 Thaler, ein Pferd 6 bis 8 Thaler u. s. w. Im Innern des Landes werden auch heute noch die meisten landwirthschaftlichen Producte viel wohlfeiler verkauft, z. B. 40 bis 50 Pfd. Butter für 1 Thaler, während man in Kuka denselben Preis für 20 Pfd. bezahlt.

Von europäischen Waaren brauchen die Bornuer Kattun, Tuch, Papier, Rasirmesser, Steinschlossflinten, Nadeln, kleine Spiegel, Glaskorallen, echte Korallen, Bernstein, Weihrauch, Benzoë, Pulver, Blei, Schwefel, Salpeter, Salz und, vorläufig nur als Luxusartikel der Reichen, auch Zucker. Kaffee und Thee sind den Bewohnern von Bornu ganz entbehrlich, sie kauen dafür den ganzen Tag die Bohne der Goronuss. Dass die nach Centralafrika eingeführten Waaren, namentlich Spiegel, Nadeln, Messer, Schwerter, Büchschen, Papier, zum grossen Theil deutsches Fabrikat sind, habe ich an anderer Stelle bereits hervorgehoben.

Was die Preise betrifft, welche für europäische Waaren in Kuka bezahlt werden, so kommt es darauf an, ob man die Waare gegen Sklaven in Tausch gibt oder Geld dafür haben will, und im letztern Falle wieder, ob man sie auf Credit gibt oder baare Zahlung verlangt. Ich kann nur mittheilen, was ich selbst für meine eigenen Waaren in Kuka gelöst und was mich dieselben bei den jüdischen und christlichen Händlern in Tripolis, die doch gewiss ihre 100 Procent daran verdienten, gekostet haben. Für einen Tuchburnus (Einkaufspreis in Tripolis 10 bis 12 Thaler) 35 bis 40 Thaler, für ein 70 Ellen langes Stück Mahmudi, weissen englischen Kattun, (Einkaufspreis 5 Thaler) 10 bis 12 Thaler, für ein Stück andern Kattun, hier Cham, im westlichen Afrika Malte, in Marokko Ameriken, in Algerien und Tunis Hamburgese genannt, (Einkaufspreis 3 Thaler) 7 bis 8 Thaler, für ein Packet Glaskorallen (Einkaufspreis 11/2 Thaler) 4 Thaler, für zwei Rasirmesser, die mich 1/2 Thaler gekostet, 2 Thaler, und für 3000 bis 5000 Nadeln 1 Thaler, soviel als ich in Tripolis für 20000 bezahlt hatte. Der Gewinn wäre also bedeutend, allein man darf nicht vergessen, abgesehen von den Entbehrungen und Gefahren, die Fracht sowie den Unterhalt für Menschen und Thiere auf einer viermonatlichen Reise durch die Wüste zu den Kosten hinzuzurechnen. Die Miethe für ein Kamel, das 3 Centner tragen kann, beträgt von Tripolis bis Sokna 6 Thaler, von Sokna bis Mursuk ebenfalls 6 Thaler, von Mursuk bis Tedjerri 1 Thaler, von Tedjerri bis Kauar 5 Thaler, von Kauar bis Bornu wieder 5 Thaler, demnach im ganzen 23 Thaler; der Unterhalt kostet wenigstens 6 bis 7 Thaler, sodass eine Kamelladung von Tripolis nach Bornu auf 30 Thaler zu stehen kommt. Angenommen nun auch, dass sich bei grössern Transporten von zwanzig und dreissig Kamelen die Kosten einer Ladung bis auf 20 Thaler ermässigen, so wird doch ein lohnender Gewinn an den Waaren immer nur dann zu erzielen sein, wenn Sklaven, Elfenbein und Straussfedern dagegen eingetauscht werden. Man meint vielleicht, es wäre vortheilhafter, nicht gemiethete, sondern eigene Kamele zum Transport zu verwenden; allein durch die Länge des Weges und das Passiren von Strecken wie südlich von Fesan, wo gar kein frisches Futter zu finden ist, kommen die Thiere vollständig von Kräften, und nur wenige sind im Stande, mit 3 Centner Last, wozu oft noch gegen 2 bis 3 Centner Wasser und Lebensmittel kommen, in Einer Tour von Tripolis bis Kauar zu marschiren. Endlich in Bornu angekommen, erliegen dann auch die stärksten, wenn sie nicht bald wieder zurückgeführt werden, dem dortigen Klima, das dem nordafrikanischen Kamel verderblich ist; von 18 Kamelen, die der Sherif Hascheschi von Tripolis nach Bornu gebracht, starben 14 in den nächsten vier Monaten, auch meine vier Kamele, obgleich sie stets leichte Last zu tragen und keine sehr anstrengenden Märsche zu machen hatten, überdies während meines Aufenthalts in Kauar sich genügend ausruhen konnten, magerten zusehends ab, und niemand wollte mir die vom Norden gekommenen Thiere abkaufen.

Genug, Europäer werden sich nicht eher an dem Handel nach Bornu betheiligen können, als bis ein directer Weg vom Ocean nach dem Tschad-See eröffnet ist. Die den Tschad-See umgebenden Länder: Kanem, Bornu, Uadaï und Bágirmi, gehören zu den productionsfähigsten der Erde, und ihre Bewohner zu den tolerantesten und umgänglichsten Afrikas. Wenn in neuerer Zeit einige ihrer

Herrscher sich feindselig gegen die Christen gezeigt haben, so ist dies lediglich den Einflüsterungen der fanatischen Araber und ihrer Zöglinge der Berber zuzuschreiben. Von hier, aus dem Herzen Afrikas, wäre dann leicht eine fahrbare Strasse anzulegen, auf der Waarentransporte in dreissig Tagen den Golf von Guinea erreichen würden.


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