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IV. Rückreise nach Kuka.

Ausmarsch aus Doloo. Von Baendje nach Díkoa über die Dörfer Adjabína, Tjétjele, Abinde, Konomengúddua und Maidjigíddi. Der Ngúrrum-Fluss. Die Städte Díkoa, Ala, Jéde und Ngórnu.

Am Morgen des 1. October waren wir marschbereit und eben im Begriff aufzubrechen, als mich der Sultan nochmals zu sich entbieten liess. Er hatte vergessen, mir seine Aufträge für Kuka zu ertheilen, und nannte nun die Waaren: Papier, Pulver, Thee, Kampher u. s. w., die ich dort einkaufen und ihm mit erster Gelegenheit senden sollte. Beim schliesslichen Abschiede wiederholte er das Versprechen, allen Europäern, die nach Uándala kommen würden, gastliche Aufnahme und Förderung ihrer Absichten zutheil werden zu lassen. Darüber wurde es 11 Uhr, ehe wir, bei gutem Wetter, aus dem Thore von Doloo ausückten. Mehrere Eingeborene hatten sich meiner Karavane zür Reise nach Kuka angeschlossen, darunter ein Sklavenhändler aus Anay, der ein Pferd und verschiedene Stoffe gegen sechs Negerkinder vom Sultan eingetauscht. Wir durchschnitten das Bett des Jánoe und nächtigten dann, nichts weniger als gastfreundlich aufgenommen, in dem Dorfe Scheriferi.

Den folgenden Tag wurde um 7 Uhr aufgebrochen. An einer Stelle vor dem Orte Grea tritt der Delalebá in die nördliche Schneide des Grea, sodass ich seine Entfernung von letzterm auf etwa drei Stunden in der Richtung von 180deg. bemessen konnte. Ich war mit meinen Begleitern vorausgeritten und erreichte um 11 Uhr Buendje. Eben waren wir unter Dach und Fach, da strömte wieder ein Regenguss herab, der die eine Stunde später ankommende Karavane ganz durchnässte und den Weg für die nächsten Stunden noch ungangbarer machte, als er bis dahin schon war. So sahen wir uns genöthigt, den Rest des Tages und die Nacht, obgleich wir die Ungastlichkeit der Bewohner auf der Hinreise kennen gelernt hatten, in Buendje liegen zu bleiben.

Mit Sonnenaufgang setzte sich die Karavane wieder in Marsch und gelangte bald an den kleinen Fluss im Norden von Buendje. Der Regen hatte sein Bett bis an den Rand gefüllt, woraus mit Gewissheit zu schliessen war, dass es unmöglich sein würde, die viel breitere und tiefere Nschúa, zu durchwaten. Wir mussten deshalb nach Buendje zurückgehen, um dort Kürbissehalen zu leihen und Leute mitzunehmen, die uns beim Uebersetzen über die Nschúa behülflich wären. Im weitern Verlauf meiner Reisen habe ich auch bei den Negern hier und da Brücken angetroffen; in den Ländern aber, die ich jetzt durchreiste, ist mir nirgends eine Brücke zu Gesicht gekommen. Zum Uebersetzen über angeschwollene Gewässer dienen den Eingeborenen mit Luft gefüllte Schläuche, auf welchen sie rittlings sitzen, am häufigsten jedoch ausgehöhlte Kürbisse. Es gibt deren bis zu 2 Fuss Durchmesser, die allein einen Menschen zu tragen vermögen; mehrere zusammengebunden dienen einem rohen Floss zur Unterlage. Natürlich hat diese Art des Transports grosse Unzuträglichkeiten, weshalb ich für meine Person gewöhnlich vorzog, frei durch den Strom zu schwimmen, und zu dem Ende stets einen Schwimmgürtel von Gummi bei mir führte. In Buendje weigerten sich indess die Leute hartnäckig, trotzdem ich ihnen gute Bezahlung bot, uns mit ihren Kürbisschalen an die Nschúa zu folgen. Almas wollte Gewalt brauchen; ich verhinderte ihn aber daran und befahl endlich, um den Uebergang über die Nschúa entbehrlich zu machen, dass der Weg über Díkoa eingeschlagen werde.

Wir nahmen die Richtung von 20deg. und bogen nach einer Stunde ganz nach Norden um. Der Weg war entsetzlich, kein Weg, sondern ein fliessender See von 1, oft 2 Fuss Tiefe, beständig in dichtem Walde, der eben nur einen schmalen Raum zum Hindurchkommen frei liess. Das Wasser strömte mit ziemlicher Geschwindigkeit von Süden nach Norden, und es erschien mir nun glaubhaft, dass die meisten dieser Flüsse nicht in ihrem Bette den Tschad-See erreichen, sondern sich weit über das Land ausbreiten und so erst ihr Wasser mit demselben verbinden. Nach zwei Stunden kamen wir zu dem Dorfe Sserádja, das mit seinen Fruchtfeldern wie eine Insel aus dem Wasser hervorragte. Unsere Thiere, die beständig im Wasser wateten und nicht selten bis an den Bauch in den thonigen Boden einsanken, bedurften dringend der Ruhe; zudem war die heisse Tageszeit herangekommen, da wir mit dem Umkehren und den Verhandlungen in Buendje viel Zeit verloren hatten. Ich liess also hier halt machen.

Um 3 Uhr 10 Minuten setzten wir unsere nasse Reise fort. Meine Füsse hingen fast immer im Wasser, und ich konnte vom Pferde herab mit der Hand in dasselbe hineinlangen. Einer der Lastochsen trug auf dem Rücken mein Bett: Matratze, Kissen und wollene Decken, während zwei Kisten mit Kleidern und andern Gegenständen ihm in Ledersäcken zu beiden Seiten hingen. Oben auf dem Bett sass das Aeffchen, das ich vom Sultan geschenkt bekommen. Plötzlich sprang das drollige Thier, wahrscheinlich von den Leuten gereizt, dem Ochsen auf den Nacken, dann zwischen die Hörner; der Ochs wurde wild, warf sein ganzes Gepäck ins Wasser, nur den Affen konnte er nicht abschütteln, und es kostete Mühe, ihn wieder zu bändigen. Als ich mein Bett und die Kisten, in denen auch Thee, Zucker und dergleichen verpackt war, im Wasser liegen sah, ergriff ich voll Zorn den Veranlasser dieses Unheils, den Affen, und schleuderte ihn in die Flut. Wie ein Mensch, der dem Ertrinken nahe ist, flehte das Thierchen um Hülfe, bis es von Hammed herausgezogen wurde. Letzterm überliess ich es auch später als Eigenthum. Nach einer Stunde hatten wir mitten im See ein Flussbett zu durchwaten, vermuthlich das des Flusses von Buendje, und noch eine Wegstunde nördlich brachte uns zu dem Dorfe Adjabina. Hier übernachteten wir, konnten aber ungeachtet grosser Ermüdung, wegen der Mosquitos kein Auge zuthun.

Von Adjabina nahm ich einen Führer mit, der uns, bald östlich, bald westlich von der geraden Nordrichtung ablenkend, von Insel zu Insel lootste. Wir waren um 61/4 Uhr ausmarschirt und passirten um 8 Uhr wieder mitten im See, wie an der grössern Tiefe und dem schnellern Lauf des Wassers zu merken war, das Bett der Nschúa. Von 11 bis 3 Uhr nachmittag wurde in dem Dorfe Uye gerastet. Hinter Uye überflutete zwar nicht mehr, wie bis dahin, fliessendes Wasser voll Fischen, Muscheln und Schnecken den Weg, dennoch war der Marsch womöglich noch beschwerlicher, denn er führte nun über Sumpfboden, den man eben beackert hatte, um eine Art ngáfoli, massikúa (Holcus cernuus) darein zu säen. Wie unsere Pferde und Ochsen dieses haltlose, tiefeingefurchte Terrain überwinden konnten, ist mir heute noch unbegreiflich. Scharen wilder Enten flogen vor uns auf, aber wir hatten weder Lust noch Zeit, sie zu schiessen, unsere ganze Aufmerksamkeit wurde von dem Bemühen, nicht im Boden stecken zu bleiben, in Anspruch genommen. Der Sumpf bildet die Grenze zwischen Uándala und Bornu, und um 4 Uhr kehrten wir in dem ersten bornuer Dorfe, Tjétjele, ein. Die Nacht verbrachte ich abermals schlaflos; meine Matratzen und Decken waren noch nass, auch gönnten uns die Schnaken keinen Augenblick Ruhe.

Andern Tags befanden wir uns von neuem, nachdem wir früh um 6 Uhr aufgebrochen, so tief im Wasser, dass die Füsse der Reiter davon bedeckt waren. Es wimmelte darin von Fischen, die theils aus dem Jádsaram und andern Flüssen, theils aus dem Tschad-See hierher kommen, wo sie auf dem grünen Boden reichliche Nahrung finden. Desgleichen bemerkte ich viele Käfer, darunter gewiss manche seltene oder noch unbekannte Species, sowie verschiedene Arten üppig wuchernder Wasserpflanzen. Doch kamen wir auch über trockene Stellen, die sich inselartig aus der Flut erhoben, und um 10 Uhr zu dem allerdings nur aus wenigen Hütten bestehenden Dorfe Aúaram, dessen ärmliche Bewohner uns mit Fischen, essbaren Muscheln und Schnecken bewirtheten. Obgleich wir bereits seit 4 Stunden auf dem Marsche waren, hatten wir wol kaum mehr als 2 Wegstunden zurückgelegt: so schwierig war es, bald durch Wasser, bald über schlüpfrigen Thon- oder grundlosen Sumpfboden vorwärts zu kommen. Ich selbst war so mit meinem Pferde beschäftigt gewesen, dass mir nicht einmal Zeit blieb, die Richtung des Weges genau zu beobachten; sie dürfte sich zwischen 340 und 350deg. bewegt haben. Nachmittag 2 Uhr zogen wir weiter durch den Wald. Trockenes Land wurde jetzt immer häufiger, zugleich begann eine Reihe meist von Schua bewohnter Ortschaften. Etwa eine Stunde, nachdem wir Aúaram verlassen hatten, ward ich, sei es infolge der anstrengenden Wassermärsche und schlaflosen Nächte, sei es dass ich mir an ngángala den Magen verdarb, von starkem Fieber befallen; mit Aufbietung all meiner Willenskraft erhielt ich mich noch funfzehn Minuten im Sattel, dann aber wurde es mir schwarz vor den Augen, ich musste absteigen und mich zu Fusse fortschleppen bis nach dem schmuzigen Schua-Dorfe Abénde, das wir um 4 Uhr erreichten. Trotz der vielen Mosquitos schlief ich diese Nacht; freilich war es kein ruhiger, erquickender, sondern ein fieberhaft aufgeregter Schlaf. Indess fühlte ich mich am Morgen so weit gestärkt, dass ich wieder mein Pferd besteigen konnte, als wir um 6 Uhr aufbrachen.

Auf ziemlich trockenem, nur selten noch durch Sumpf oder Wasser unterbrochenen Pfade ritten wir in nördlicher Richtung durch einen hochstämmigen Wald. Er lieferte uns wilde Weinbeeren und fast reife Tamarinden, deren Genuss wohlthuend auf meinen Zustand wirkte. Die Tamarinde ist eine für dieses Fieberland unschätzbare Frucht; zerstossen dem Wasser beigemengt gibt sie ein sehr angenehmes säuerliches Getränk und unter Zusatz von Zucker die schönste Limonade. Wir kamen um 10 Uhr in das Dorf Ngusadúbua, rasteten daselbst bis gegen Abend und gingen dann noch 21/2 Stunden nach dem zum Nachtlager ausersehenen Dorfe Konomengúddua.

Früh 51/2 Uhr wurde die Weiterreise angetreten. Nach einer halben Stunde passirten wir links an dem grossen Dorfe Kuka, nach 11/2 Stunden rechts an dem Dorfe Golumfáne vorbei. Ich sah hier viele mit massakúa bebaute Felder. Man säet die massakúa gegen Ende der Regenzeit und versetzt die Pflanzen, wenn sie 2-3 Zoll hoch sind, auf abgetrockneten Sumpfboden, reihenweis 2-3 Fuss auseinander, worauf nach drei Monaten die Ernte erfolgt. Hinter Golumfáne gelangten wir an ein langsam von Süden nach Norden fliessendes Wasser von 2-3 Fuss Tiefe, das aus dem Jádsaram kommen soll, und erreichten dann, an mehrern kleinere Weilern vorbei, um 9 Uhr das Dorf Maidjigíddi. Hier waren meine Kräfte wieder dermassen erschöpft, dass wir für diesen Tag von Fortsetzung der Reise abstehen mussten.

Obschon ich die Nacht, von Mosquitos gepeinigt, nicht hatte schlafen können. liess ich morgens 61/2 Uhr aufbrechen. Wieder wateten wir stundenlang tief im Wasser, das bald nach Norden, bald nach Nordosten strömte, bis wir um 11 Uhr ans Ufer des Flusses Ngúrrum (so wurde er mir in Díkoa genannt) anlangten. Sein Bett hatte nur etwa 20 Meter Breite, aber, da es vollständig mit Wasser gefällt war, mindestens 6-7 Meter Tiefe. Es war hier eine Art Fähre eingerichtet, bestehend aus einem hohlen Baumstamm, in dem vier Menschen Platz nehmen konnten; mittels dieses primitiven Fahrzeugs wurde die Reisegesellschaft nach und nach übergesetzt, und in Zeit von 11/2 Stunden befanden wir uns alle am jenseitigen Ufer.

Der Ngúrrum fliesst in nordöstlicher Richtung, nimmt bei Bama, wo er dreimal grösser ist und oft zwei Drittel seiner Wassermasse über das Land ergiesst, den Namen Jádsaram an und mündet östlich von Ngála in den Tschad. Barth, der ihn Jaloe nennt, fand sein Bett Anfang December 20 Klafter (etwa 30 Meter) breit und von 12-15 Fuss hohen Ufern eingefasst, statt eines fliessenden Stroms aber nur unzusammenhängende Wassertümpel von 1-11/2 Fuss Tiefe darin. Auch er betont, dass es derselbe Fluss sei, den er auf der Reise nach Adamana bei Udjë zuerst gesehen habe.

Nachmittags 2 Uhr zogen wir in die Stadt Díkoa ein. Wir wurden von drei Söhnen des dortigen Sultans empfangen und in ein leidlich gutes Haus einquartiert. Díkoa war die Hauptstadt eines selbständigen Königreichs gleiches Namens, das aber viel früher schon als Uándala seine Selbständigkeit an Bornu verlor und dem immer weiter um sich Greifenden Bornu-Staate förmlich als Provinz einverleibt wurde. Behielt auch der jetzige Sultan, der noch souveräner Herrscher gewesen, seinen Titel Mai, so ist er doch nichts mehr als ein Beamter des Sultans von Bornu; man sagte mir, er sei über 120 Jahre alt, und allerdings sind mehrere von seinen Söhnen schon hochbetagte Greise. Die Stadt zählt 15000 Einwohner, hat ausser der weitläufigen Wohnung des Mai nur unansehnliche Häuser und Hätten und ist von zum Theil verfallenen Mauern umgeben, während Barth die Einwohnerzahl noch mit 25000 angibt und von dem guten Aussehen der Stadt und ihren 30 Fuss hohen Mauern berichtet. In Díkoa soll das beste Kanúri gesprochen werden. Rings um die Stadt wächst viel Reis, der auf dem sumpfigen Boden fast gar keines Anbaues bedarf.

Ich musste eilen, nach Kuka zu kommen; Almas litt an einer Verletzung der Hand, die er sich beim Abfeuern seiner zu stark geladenen Flinte zugezogen, seinen Diener hatte Krankheit marschunfähig gemacht, und Ali war unterwegs auf allen unerklärliche Weise von der Karavane verschwunden. Da man uns überdies zum Abend sehr schlecht und kärglich mit Speisen versorgte, beschloss ich, gleich am andern Morgen weiterzugehen.

Früh 61/2 Uhr zogen wir durch das nördliche Thor. Meine Kräfte waren durch die Nachtruhe in Díkoa ziemlich wiederhergestellt, nur die Anschwellung der Milz, eine Folge des überstandenen Fiebers, verursachte mir noch einige Unbequemlichkeit. Kaum hatten wir die Stadt im Rücken, so kamen drei Reiter heraus und im Galop an meine Seite gesprengt. Es waren die Söhne des Sultans, von denen wir bei der Ankunft empfangen worden, und die nun ihr Vater mir nachschickte, um mich bitten zu lassen, ich möge mit ihnen umkehren und wenigstens einen oder zwei Tage sein Gast in Díkoa sein; jedenfalls weil er Angst bekommen hatte, dass ich mich über seine schlechte Aufnahme beim Sultan von Bornu beschweren würde. Ich schlug die Einladung zur Umkehr mild ab, versprach jedoch, bei meiner bevorstehenden Reise nach Uadaï länger in seiner Stadt verweilen zu wollen. Nachdem sich die drei verabschiedet, setzten wir unsern Weg fort, der in der Richtung von 230deg. zwischen aufblühenden Massakúa-Feldern hinführte. Auch diese Gegend hatte unter Wasser gestanden, aber die Regenzeit war hier schon seit einem Monat zu Ende und der Boden inzwischen durch die Sonnenhitze getrocknet, ja stellenweis bereits in tiefe Risse zerbersten. An mehrern kleinen Dörfern rechts und links vom Wege vorüber, deren Namen man mir nicht nennen konnte, erreichten wir nach 21/2 Stunden das Dorf Udjele. Während wir hier im Schatten zweier schönbelaubten, mit langen Luftwurzeln behängten Lita-Bäume, einer Abart der djedja, lagerten, kam nochmals einer von den Söhnen des Sultans herbeigeritten. Er bat mich um Entschuldigung wegen der mangelhaften Verpflegung, die wir in Díkoa gefunden, indem er schwur, sein Vater habe keine Kenntniss von meiner Ankunft gehabt. Zugleich überreichte er mir einen Topf voll Honig und Almas den ihm als Kam-maibe gebührenden Thaler. Das süsse Geschenk wurde von mir mit einem entsprechenden Gegengeschenk erwidert, und befriedigt, wie es schien, kehrte der Prinz nach der Stadt zurück. Wir aber marschirten vorwärts in der Richtung von 30deg.. Binnen einer Stunde war das Schua-Dorf Kadjë erreicht, und wieder nach einer Stunde kreuzte unsern Weg ein hoch angefülltes Flussbett, über das wir schwimmend und watend, alles Gepäck auf den Köpfen tragend, hinübersetzen mussten. Der Fluss war kein anderer als mein alter Bekannter von Mai-dug-eri, der Ngádda, der sich, statt wie sonst das Land zu überschwemmen und in Gestalt einer Reihe von Teichen mit dem Tschad-See zusammenzufliessen, dieses Jahr ein eigenes Bett gewühlt hatte, in dem er von Südwesten nach Nordosten floss. Man sieht, auch Afrika unterliegt immer noch Veränderungen und Umbildungen in hydrogeographischer Beziehung.

Das Land ist von hier an leicht gewellt, und auf einer der kleinen Anhöhen lag bei Sonnenuntergang die Stadt Ala vor uns, die ebenfalls einst Hauptstadt eines unabhängigen Reiches gewesen, doch längst von Bornu annectirt worden ist. Sie zählt jetzt in ihren Mauern 3-4000 Einwohner, die hauptsächlich Tabacksbau betreiben, wozu sich der Boden umher allerdings sehr gut zu eignen scheint, denn ich sah Stauden in Höhe von 3-4 Fuss. Wir zogen in die Stadt ein und hielten vor der Wohnung des Mai. Er kam selbst, auf eine Krücke gestützt, heraus, um uns willkommen zu heissen. Darauf liess er uns ein Haus zur Herberge anweisen, in dessen beschränkten Räumen wir jedoch nicht alle Unterkommen fanden, und auch die Bewirthung war nichts weniger als königlich. Die frühern Sultane von Ala waren wegen Strassenräuberei berüchtigt; jetzt ist ihnen dies Handwerk gelegt, und der Reisende geniesst hier wie in ganz Bornu vollkommene Sicherheit.

Andern Tags marschirten wir von früh 61/2 Uhr an in gerader nördlicher Richtung. Auf diesen Landstrich hatten sich die grossen Heusehreckenschwärme, denen wir auf der Hinreise nach Uándala begegneten, heruntergelassen und sämmtliche Moro- und Ngáfoli-Felder kahlgefressen. Angesichts der von ihnen angerichteten Verheerung wird es begreiflich, wie in anscheinend so gesegneten, fruchtbaren Ländern Hungersnoth eintreten kann, zumal wenn zu der Heuschreckenplage noch Regenmangel und Dürre hinzukommt. Die Neger bauen eben, mit wie wenig Mühe auch der dreifache Ertrag zu gewinnen wäre, nie mehr, als was für den eigenen Bedarf eines Jahres hinreicht; daher haben diejenigen Gegenden, die von Heuschrecken wie von Dürre verschont blieben, keine Vorräthe, um den nothleidenden Districten damit auszuhelfen. Wir betraten um 71/2 Uhr, den kleinen Ort Ale rechts zur Seite lassend, einen Wald, kamen nach einer Stunde links an dem Orte Alége vorbei, hatten dann eine Strecke weit sumpfiges Terrain zu überschreiten und gelangten wieder nach einer Stunde zu dem aus mehr als 200 Hütten bestehenden Orte Nkine, gingen aber noch eine Viertelstunde weiter bis Marte-gána, ehe wir Mittagsrast hielten. Die Bewohner machten zwar anfangs Miene, sich unserm Verweilen in dem Dorfe mit Gewalt zu widersetzen, beruhigten sich indess, als sie sahen, dass wir uns nicht von ihnen vertreiben liessen. Hier und in der ganzen Umgegend wurden eben die Felder abgebrannt, sodass starker Höhenrauch die Sonne wie bei einer Sonnenfinsterniss verdunkelte. Um 11/2 Uhr wurde wieder aufgebrochen. Ohne Aufenthalt passirten wir nach einer Stunde die ummauerte Stadt Marte-góra (Gross-Marte), nach Barth 4000 Einwohner zählend. Von da an führte der Weg durch Wald bis zu der gleichfalls mit Mauern umgebenen Stadt Jéde. Kurz vor Sonnenuntergang daselbst angelangt, fand ich in dem Besitzer einen mir von Kuka her bekannten Kre-ma, der uns sehr gastfreundlich aufnahm und in einem geräumigen Hause beherbergte. Ich zog indess vor, da die Nacht angenehm mild war und es hier keine Schnaken gab, mein Lager im Freien aufzuschlagen, worüber unser Wirth, als er mir noch zu später Stunde einen Besuch machte, sich nicht wenig verwundene. Meine Leute befanden sich fortwährend in leidendem Zustande. Auch die junge Sklavin war seit drei Tagen ernstlich krank und weigerte sich dabei entschieden, Medicin einzunehmen. Von Ali war nichts zu sehen noch zu hören, er blieb spurlos verschollen.

Ein zweistündiger Marsch nach Norden brachte uns am folgenden Morgen zu dem mitten in einem Mimosenwalde gelegenen Orte Ngeléoa und eine weitere Stunde an den Ausgang des Waldes. Von da ging der Weg in einer flachen Ebene eine Stunde lang nordwestlich bis zum Orte Ngaránoa, in dem wir die Mittagszeit über rasteten. In etwa 3 Stunden kann man von hier zum Tschad-See gelangen; es waren eben mehrere Leute von ihm zurückgekommen, sie erzählten, dass sein Wasser noch immer im Steigen sei. Die Bewohner von Ngaránoa erwiesen sich als sehr ungastlich, indem sie uns weder Speisen brachten, noch selbst für Geld solche überlassen wollten. Wir brachen daher baldmöglichst wieder auf, um noch vor Abend die drei Stunden nördlich gelegene Stadt Ngórnu zu erreichen. Als ich mit meinen Begleitern zu Pferde in die offene Hüttenstadt, die gegen 20000 Einwohner haben soll, einritt, sagte man uns, der Fugo-ma - diesen Titel (wörtlich: Vorsteher) führt der Stadtoberst von Ngórnu - sei schon seit einem Monat auf der Diebsjagd abwesend, das heisst, er zog von Ort zu Ort und liess sich die eingefangenen Diebe ausliefern, um sie dann zur Aburtheilung nach Kuka zu führen. An seiner Statt empfing und bewirthete uns der Alim oder Fakih des Sultans auf das Freundlichste.

Nur noch eine Tagereise trennte uns von Kuka, wohin wir uns alle, krank und geschwächt wie wir waren, sehnlich zurückwünschten. Wir verliessen Ngórnu am Morgen des 12. October um 6 Uhr und erreichten nach einem Marsch von drei Stunden in nordwestlicher Richtung das Dorf Kólla-kólla, das auf halbem Wege zwischen Kuka und Ngórnu liegt. Der von Gámergu bewohnte Ort gehört dem Alamino und dient dem Sultan als Station, wenn er sich nach Ngórnu begibt, wo er eine grosse Wohnung mit einem eigenen Weiberhause besitzt. Ich war um 1 Uhr nachmittags mit Almas vorausgeritten und traf um 4 Uhr wieder in den Mauern von Kuka ein.


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