Ausmarsch. Nachtlager in Kasaróa und Mule. Willkommen in Magómmeri. El Alamino. Eine Straussenzucht. Die Zibethkatze.
Als ich mit meiner Reisebegleitung am 13. December nachmittags durch die Strassen ritt, riefen mir die Bewohner von allen Seiten freundliche Abschiedsgrüsse zu, nur ganz einzelne Stimmen liessen sich vernehmen: "Gottlob dass er fortgeht, der Ungläubige, der Heide, der Christenhund!" Fünf Monate waren seit meinem Einzug in Kuka verflossen, die Stadt mit ihren grünumrankten Hütten und den schattigen, stets von einer muntern Vögelschar belebten Bäumen war mir wirklich lieb geworden, und nicht ohne Bedauern kehrte ich ihr für immer den Rücken. Wie in Kuka verwenden die Kanúri in allen ihren Städten und Dörfern bemerkenswerthe Sorgfalt auf die Anflanzung schattengebender Bäume; sie unterscheiden sich dadurch vortheilhaft von den Schua, die als echte Abkömmlinge der fatalistischen Araber zwar Gott für den Schatten danken, den ihnen ein am Wege stehender Baum gewährt, aber nicht daran denken, selbst einen Baum zu pflanzen, wo es Allah nicht gefiel einen wachsen zu lassen. Kaum waren wir durch das Südthor ins Freie gelant, so entzog der dichte Blätterschmuck die Häuser der Ost- und Weststadt Kuka unsern Blicken.
Ich hatte meine Diener nach und nach entlassen und nur den treuen Hammed, den Marokkaner, und den Negerknaben Noel, der sich kräftig entwickelte, bei mir behalten. Mohammed Gatroni, bei dem sich das Alter sehr fühlbar zu machen begann, sollte mich noch bis Magómmeri begleiten, von da aber nach Kuka zurückkehren, um zwei von dem Dug-ma für mich in Verwahrung genommene Kisten, meine gesammelten Mineralien und Sämereien, die mir vom Sultan geschenkten Proben der bornuer Kunstindustrie und andere für die Reise entbehrliche Gegenstände enthaltend, mit der grossen Karavane, die zu Ende des Rhamadan von Bornu abzugehen pflegt, nach Fesan zu bringen und sie dort Ben-Alua zur Weiterbeförderung nach Tripolis und Europa zu übergeben. Ausserdem bildeten mein Gefolge ein berittener Kam-mai-be mit zwei Leuten, den mir der Sultan, und zwei Sklaven, die mir der Alamino durch seinen Intendanten in Kuka zur Verfügung gestellt. Zu den zwei Pferden, die ich besass, hatte ich mir ein drittes nebst zwei Lastochsen gekauft, und statt meines grossen Zeltes ein kleineres anfertigen lassen, das für die verminderten Reiseeffecten genügenden Raum bot.
Die Physiognomie der Landschaft war, seit ich sie das letzte mal durchzogen, eine völlig andere geworden. Das frischgrüne Gras war in dürres Stroh verwandelt, und der herrschende Wüstenwind hatte alle Vegetation, auch die immergrünen Büsche mit grauem Staub bedeckt. Die damals unter hohem Grase verborgene Kranka-Pflanze mit den grossen fleischigen Blättern stand jetzt frei da und in solcher Fülle, dass man Bornu für ihre eigentliche Heimat halten möchte. Gegen Abend kehrten wir in Hadj-Aba ein, wo ich diesmal recht gastlich aufgenommen, auch nicht von den Flöhen gepeinigt wurde; denn einen Monat nach der Regenzeit verschwinden sowol die Flöhe wie die Mosquitos und Schnaken, ausgenommen in der unmittelbaren Nähe von stehendem Wasser.
In der Nacht kühlte sich die Temperatur bedeutend ab, und morgens vor Sonnenaufgang sank das Thermometer bis auf +10deg., was mir um so empfindlicher war, als in dem von Mauern und Bäumen geschätzten Kuka die Temperatur nie unter +15deg. herabging. Wir brachen deshalb erst um 8 Uhr 20 Minuten auf. Der Weg führte in südwestlicher Richtung durch eilte dichten Wald von Ertim-, Mimosen-, Hadjilidj- und Korna-Bäumen, deren Laub ebenfalls theils grau gefärbt war, theils verdorrt am Boden lag. Alle Vögel, bis auf einzelne Tauben, Sperlinge, Raben und einen oder den andern grössern Raubvogel hatten den schon ganz und gar ausgetrockneten Wald verlassen; kein Perlhuhn sah ich mehr durch die Büsche schlüpfen. In den spärlich vorhandenen Brunnen stand das Wasser 60 bis 100 Fuss tief. Nachdem um 11 Uhr an dem Brunnen Uom-eri unser Vieh getränkt worden und um 1 Uhr einen Flintenschuss rechts von uns der bedeutende Ort Lagarétte liegen geblieben, lenkten wir gerade südlich vom Wege ab, um in dem Dorfe Kasaróa zu lagern, das wir um 2 Uhr erreichten. Merkwürdigerweise gab es hier noch sehr viel Flöhe, obgleich der Ort kein Wasser hatte, sogar der nächste Brunnen eine Stunde weit entfernt war. Ich liess mir mein Zelt aufschlagen und schickte die Leute mit den Ochsen und Pferden an den Brunnen, um die Thiere zu tränken und unsere Schläuche mit Wasser zu füllen.
Auch am folgenden Tage wurde erst um 81/2 Uhr aufgebrochen. Die Nacht war noch kälter gewesen als die vorige, das Thermometer sank bis auf +7deg.. Dagegen fiel jetzt in der Nacht kein Thau trotz der Nähe des Tschad-Sees, dessen Wasser doch um diese Zeit noch unvermindert hoch steht; es ist eben der Staub der Wüste, welcher nun der Luft alle Feuchtigkeit benimmt. Immer in sandiger, dichtbewaldeter Ebene weiterziehend, gelangten wir um 10 Uhr an den Brunnen Karangúa, der eine Tiefe von 100 Fuss hat. Zehn Minuten östlich davon liegt der gleichnamige Ort, und ebenso weit westlich der Ort Gamgállerge. Um 11 Uhr überschritten wir die Grenze der Provinz Allarge. In einem der nächsten Dörfer wollte ich um 1 Uhr lagern lassen, aber die Besitzerin desselben, eine dicke Negerin, die früher Sklavin im Harem des Schich el-Kanemi gewesen war, gab vor, es sei kein Brunnen in dem Orte, und rieth uns, lieber nach dem eine halbe Stunde rechts vom Wege liegenden Dorfe Toë zu gehen. Der Billa-ma (Ortsvorsteher) von Toë nahm mich sehr freundlich auf, ja er war so aufmerksam, dass er meine Hütte mit hohen Matten umgeben liess zum Schutz gegen die Kälte, die seinem Gefühl schon fast unerträglich erschien. Die Bewohner dieses Ortes, wie aller andern Orte zwischen hier und Kuka, sind Kanembu, d. h. Abkömmlinge der Bewohner Kanems, und mit dem Vater des jetzigen Sultans von Kanem nach Bornu übergesiedelt. Die Dörfer südlich von Toë aber haben eine aus Schua, Kanúri und Gámergu gemischte Bevölkerung, und zwar bilden letztere, Vettern der Uándala, welche selbst wieder mit dem Kanúri- und Kanembu-Stamme nahe verwandt sind, die überwiegende Zahl.
Auf dem Wege hierher bemerkte ich wieder eine Menge oft 5-6 Fuss hoher Ameisenhügel von eigenthümlicher Form. Kein Land dürfte so viele Ameisen haben und so verschiedene Arten wie Bornu in seinen ausgedehnten Waldungen. Die Ameisen, die meine Wohnung zu Kuka scharenweis heimsuchten, gehören zu der grossen rothen Art. Vor ihrer Gefrässigkeit und ihrem Spürsinn ist nichts Süsses sicher; den Zucker musste ich alle Tage anderswo aufhängen, sonst hatten sie ihn gleich ausgekundschaftet und verzehrt. Aber sie beissen den Menschen nicht. Hingegen verursacht der Biss einer andern in den Häusern Kukas heimischen Art, die sich grosse Vorrathskammern von Getreide- und andern Abfällen unter dem Boden anlegt, eine sehr schmerzhafte, stundenlang bleibende Anschwellung. Eine dritte Hausameise, die jedoch auch im Freien vorkommt, ist die kleine röthliche Art. Im Walde beobachtete ich bisjetzt vier Arten: erstens die bekannte rothköpfige, von der es mehrere, Unterarten zu geben scheint, indem die einen 10-15 Fuss hohe senkrechte Thürme mit runden Oeffnungen bauen, die andern ebenso hohe Haufen ohne sichtbare Oeffnungen, und noch andere nur 2-3 Fuss hohe, inwendig wie ein Schwamm durchlöcherte Kegel aufwerfen; zweitens die grosse schwarze, die ihren Bau meist unter Büschen und Bäumen anlegt, um ihn durch die Wurzeln gegen das Ausgraben des Ameisenfressers zu sichern; drittens die mittelgrosse schwarze, deren Bau sich kaum über den Boden erhebt, von dem aus aber geebnete, einige Zoll breite Wege nach allen Richtungen hin auslaufen, auf denen die Thierchen ihre Vorräthe herbeischleppen; viertens endlich die silberne oder weisse, die auch in der Grossen Wüste sehr verbreitet ist. Ein Ameisenfresser, so häufig dieses Thier hier sein soll, ist mir nie im Freien begegnet.
Am 16. December rückten wir früh um 7 Uhr aus. Nachdem wir wieder auf den Weg eingelenkt, wurde dieselbe Richtung wie am vorigen Tage verfolgt. Je weiter wir vordringen, desto dichter wird der Wald, obgleich die hohen Bäume nur durch die schwarzschattige Tamarinde vertreten sind. Eine Stunde von Toë liegt noch ein kleinerer Ort, der ebenfalls Toë heisst, etwas links vom Wege, dann hört jede Spur von Anbau auf. Dagegen ist der Wald wieder reich mit Thieren bevölkert: Heerden von Wildschweinen stürzen mit krachendem Geräusch durch die Büsche; Gazellen und Antilopen weiden zur Seite des Wegs, ohne sich durch unser Herannahen verscheuchen zu lassen; das kleine Ichneumon eilt von einem Schlupfwinkel zum andern; hier zeigten sich auch wieder grosse Ketten Perlhühner, und viele andere, meist buntgefiederte Vögel, darunter der Pfefferfresser mit seinem langen krummen Schnabel. Auf der breiten Strasse, die durch diesen Wald führt, kamen mehrere Karavanen sowie einzelne Wanderer an uns vorüber. Gegen 1 Uhr waren meine Kräfte wieder dermassen erschöpft, dass ich mich nicht länger auf dem Pferde zu halten vermochte. Unter dem schirmenden Blätterdach einer dichtlaubigen Tamarinde liess ich Rast machen. Eine Tasse Kaffee, etwas Zwieback, Koltsche und Datteln, welches Frühstück mit Ausnahme des Kaffees meine Leute mit mir theilten, und eine Stunde Ruhe frischten mir die Lebensgeister wieder an, und so konnte ich noch bis zu dem 11/2 Stunden entfernten Dorfe Mogur reiten, wo das Lager aufgeschlagen wurde.
Am folgenden Morgen fühlte ich mich wohler. Wir setzten um 7 Uhr unsern Marsch fort, gingen die erste Stunde gerade westwärts, bogen dann aber nach Südwesten um und behielten diese Richtung den ganzen Tag bei. In den Morgenstunden war es empfindlich kühl, sodass ich für nöthig fand, über meine Kulgu aus Bornu noch eine wollene fesaner Djilabe anzuziehen. Der Wald wurde Aun weniger dicht, besonders das Unterholz, und obgleich die Bäume zur Hälfte ihr Laub verloren hatten, liess sich doch erkennen, dass die Vegetation hier sich zu ändern beginnt. An Stelle der Kranka und Ertim, die im nördlichen Bornu und in Kanem heimisch sind, treten jetzt andere Bäume und Sträucher. Ebenso werden Veränderungen in der Thierwelt bemerkbar. Es erscheinen neue Vogelarten, viele von schönen Farben und Formen; sehr zahlreich sind namentlich die Langschnäbler und Langschwänzer. Vormittags 9 Uhr kamen wir zu dem Brunnen und Dorfe Tjíroa, und um 10 Uhr zum Brunnen Mátaram. Um 1 Uhr traf unser Weg wieder mit der grossen Strasse zusammen, von der wir indess schon nach einer halben Stunde von neuem ablenkten, um nach dem Dorfe Mule zu gehen, das zum Nachtlager bestimmt war. Der Ort bestand nur aus drei Hütten. Hier im Süden Bornus haben die Hütten eine von der im Norden gebräuchlichen schon erheblich abweichende Form, indem die Wände aus grob geflochtenen Matten mit Moro-Stroh überwölbt sind. Im allgemeinen habe ich die Bemerkung gemacht, dass vom Innern Afrikas nach der Küste zu die Bauart der Hütten sich allmählich immer mehr vervollkommnet, bis sie zuletzt ganz in den Häusentil übergeht. Nochmals sei übrigens bei der Gelegenbeit wiederholt, dass alle von Kanúri und Kanemgu erbauten Orte bei weitem reinlicher, wohnlicher und gefälliger aussehen als die Dörfer der Schua-Araber, denen eben jeglicher Sinn für Comfort und Sauberkeit abgeht. Man bewirthete uns in Mule mit Perlhühnern, die hier in Schlingen gefangen werden. Nebst den Hühnern halten die Eigeborenen Ratten für den feinsten Leckerbissen, daher sie ihnen mit Fallen eifrig nachstellen.
Ein dreistündiger Marsch in südwestlicher Richtung, theils durch Wald, theils zwischen Feldern und an einer Reihe kleiner Ortschaften vorbei, brachte uns am andern Tage vormittags 10 Uhr nach Magómmeri, dem Sitz und Eigenthum des Alamino. Noch ehe die Hütten des Orts sichtbar wurden, vernahmen wir den Schall der grossen Trommel, die Tag und Nacht vor dem Hause des Gutsherrn von Magómmeri geschlagen wird. Zugleich begegnete uns ein Trupp festlich angethaner Reiter, von einem Schmaus und Reiterspiel heimkehrend, wozu sie vom Alamino zur Feier der Beschneidung seines jüngsten Sohnes geladen waren. Ich hatte mich tags zuvor durch einen Boten bei demselben anmelden lassen; er schickte uns daher zwei gepanzerte Reiter entgegen, die mich in seinem Namen begrüssten und uns in die bereit gehaltene Wohnung geleiteten. Es war ein grosses mit Matten umfriedigtes Gehöft, eigens, wie es schien, zum Funduk (Gastherberge) eingerichtet.
Kaum waren wir unter Dach, so erschien ein Diener des Alamino und lud mich ein, sogleich mit zu seinem Herrn zu kommen. Ohne Zögern folgte ich. Die herrschaftliche Wohnung, ziemlich entfernt von dem Funduk, ist sehr weitläufig, sie nimmt fast die ganze nördliche Hälfte des Orts ein. Man hiess mich in einen grossen Vorhof treten, in dem viele Männer um ein mit türkischen Teppichen verhängtes Bettgestell aus Delebpalmenholz im Sande hockten, die auf Einlass zu warten schienen. Hier nahm mich ein anderer Diener in Empfang und führte mich zu einem der innern Höfe. Inmitten desselben unter einem schönbelaubten Kornu-Baume lag der Herr des Hauses, in eine einfache schwarze Kulgu gekleidet und von rings aufgehäuftem Reisegepäck umgeben. Nachdem er mich herzlich willkommen geheissen, sagte er mir, er sei im Begriff sich nach Kuka zu begeben, um die Ränke seiner Feinde und Neider am Hofe zu hintertreiben, habe aber meinetwegen die Reise verschoben, denn er wisse, dass es ihm der Sultan sehr übelnehmen wurde, wenn er mich nicht selbst auf seinem Territorium gastfreundlich bewirthet hätte, und er hoffe, ich werde ein paar Tage in Magómmeri verweilen. Da ich ohnedies der Ruhe bedurfte, auch an meiner Ausrüstung mehreres zu ordnen und zu vervollständigen hatte, gab ich ihm die gewünschte Zusage. Hierauf erkundigte er sich, was es Neues in Kuka gebe, und es entschlüpfte ihm dabei die Frage: "Wie hoch steht jetzt Moro dort im Preise?" Doch ohne meine Antwort abzuwarten, fuhr er fort: "Verzeih! Ich vergass, dass ihr euch um dergleichen nicht bekümmert, da ihr nicht um zu kaufen oder zu verkaufen in unser Land kommt, wie die Araber und Berber, sondern nur hier euer Geld ausgebt." - "O!" erwiderte ich, "du bist im Irrthum, wenn du glaubst, alle Christen seien so reichlich mit Geld versehen, wie es dein Freund Abd-el-Uáhed gewesen. Mein Vorgänger Ibrahim Bei musste sich hier Geld leihen, auch ich selbst war genöthigt, wie du wol gehört haben wirst, ein Darlehen in Kuka aufzunehmen, und sinne und sorge nun beständig, ob ich mit meinem Gelde bis an das grosse Meer ausreichen werde." - "Gott wird schon helfen!" tröstete er. "Gehe nur vorerst in deine Herberge und stärke dich mit den Speisen, die ich inzwischen hingeschickt."
El Alamino, derzeit nach dem Sultan der reichste und mächtigste Mann in Bornu, besass kaum 15 Jahre vorher nichts als das Hemd, das er auf dem Leibe trug. Er ist vom Stamme der Schua-Araber und war der vertraute Diener des Hadj-Beschir, der zur Zeit von Barth's erstem Aufenthalt in Bornu allmächtiger Minister am Hofe von Kuka war. Als Abd-er-Rahman, der Bruder Sultan Omars, sich des Thrones bemächtigte, tödtete er Hadj-Beschir und verbannte dessen Diener und Anhänger, zu denen ausser dem Alamino auch Mohammed Kománi und der jetzige Dug-ma Ibrahim gehörten. Nach kurzer Zeit wurde aber Abd-er-Rahman erdrosselt, und Omar gelangte wieder zur Herrschaft. Dieser rief die Verbannten nicht nur zurück, sondern machte Ibrahim zu seinem ersten Minister, Mehammed Kománi zu seinem Privatsecretär und obersten Kadhi des Landes und schenkte dem Alamino unter Verleihung der Kogna-Würde den grössten Theil der Güter und Ländereien, welche Hadj-Beschir besessen hatte. Einmal über so reiche Mittel verfügend, wusste der Alamino rasch seine Macht zu mehren, indem er auf eigene Hand Kriegszüge gegen die Heiden in und ausserhalb Bornus bis nach Adamáua hin unternahm. Ganz Margi wurde durch ihn bezwungen und zu einer Dependenz des Bornureiches gemacht, und eben in den Tagen meines Aufenthalts kamen Abgesandte des Sultans von Tjibuk, einem kleinen Königreich drei Tagereisen südöstlich von Lage, nach Magómmeri, welche eine Summe Geldes in Kattunstreifen, den Ertrag einer von jedem Bewohner dieses Landes zu entrichtenden jährlichen Steuer, als Tribut überbrachten. Wenn Barth im dritten Bande seines Reisewerks vom Alamino erzählt, derselbe sei früher ein gefürchteter Strassenräuber, dann hartherziger Polizeichef unter Hadj Beschir gewesen, so steht das in offenbarem Widerspruch mit andern Stellen, wo er dessen Gutmüthigkeit und Liebenswürdigkeit rühmt. Mir gegenüber hat sich der Mann, wie vor mir gegen Beurmann und Vogel und später gegen Dr. Nachtigal, stets in uneigennütziger Weise gefällig und huldreich erwiesen.
In meine Herberge zurückgekehrt, fand ich einen lächerlichen Ueberfluss von Speisen und Lebensmitteln vor: ein fettes Schaf, ein paar Dutzend Hühner, mehrere Krüge Butter und Honig, einen Korb voll Eier, grosse Schüsseln mit Reis, andere mit gebratenen Perlhühnern und mit Giraffenfleisch. Zu dem Feste am Tage vorher war nämlich ausser vielen Schafen, Kühen und Hühnern auch eine riesige Giraffe geschlachtet worden; das Thier lieferte nach Aussage der Diener nicht weniger als sechs Kamelladungen Fleisch, jede von 5 Centner Gewicht, und noch an den aufgehäuften Knochen, die mir später gezeigt wurden, konnte man seine ungeheuere Grösse ermessen.
Als Gegengeschenk übersandte ich meinem splendiden Wirth drei rothe Mützen, Pulver, Zündhütchen, Schreibpapier und nebst andern Kleinigkeiten 25 Pfund Datteln und 5 Pfund Zuckermandeln. Letztere, welche die Bornuer wie alles Süsse sehr lieben, hatte ich in Kuka von der aus Fesan gekommenen Karavane gekauft. Da der Alamino schon früher mehrmals von mir beschenkt worden, unter anderm mit einer Doppelflinte, so hatte er diesmal, wie er mich wenigstens versicherte, nichts erwartet und zeigte sich daher sehr befriedigt von der verhältnissraässig geringen Gabe.
Nachmittags fand vor seinem Hause eine Fortsetzung des gestrigen Festes statt. Mehrere hundert Männer zu Pferde, die meisten in bunter Festkleidung, Andere halb nackt und einen langen Speer in der Hand schwingend, übten wetteifernd ihre Reiterkünste, in denen die Kanúri es wol mit allen Pferde züchtenden Nationen aufnehmen können, jedenfalls aber den Arabern und Berbern weit überlegen sind. Müde vom Sehen spät abends wieder in meinem Funduk angekommen, empfing ich noch Besuch von dem ältesten Sohne des getödteten Veziers Hadj-Beschir, Namens Abd-el-Kader, der nach Gudjba gehen wollte, um dort Elefanten zu jagen. Der gesprächige junge Mann hatte von Overweg die Abenteuer Robinson Crusoës erzählen gehört und unterhielt mich nun mit diesen, auf seine Art wiedergegebenen Geschichten.
Andern Tags machte ich einen Ritt durch das Dorf. Magómmeri, recht hübsch auf einer kleinen Anhöhe gelegen, hat gegen 4000 Einwohner, sämmtlich Sklaven oder Leute des Alamino, und eine entsprechende Zahl von Hütten. In dem Umzäunten Hofe vor der Hütte weiden ein oder zwei Pferde, mit welchen die männlichen Bewohner ihrem Herrn auf seinen Rasien zu folgen haben. Durch den ganzen Qrt gewähren angepflanzte Korna- und Hadjilidj-Bäume wohlthuenden Schatten. Die nächste Umgegend ist etwas gewellt: und mit Gruppen herrlicher Tamarindenbäume bewachden.
Auf meinenWunsch liess mich der Alamino von einem seiner Eunuchen in den Räumen seiner ausgedehnten Behausung umherführen. Durch mehrere kleinere Höfe, wo Sklavenkinder, Gazellen, Hühner und Perlhühner durcheinander liefen, kam ich in einen grossen Hof mit drei der umfänglichsten Hütten, die ich je gesehen. Es ist die Küche für den aus mehr als 500 Köpfen bestehenden Haushalt. Eine Menge junger und alter Weiber waren mit Zurichtung und Kochen der Speisen beschäftigt. Sie säuberten das Getreide von Kleie, stampften es in hölzernen Mörsern nach dem Takte eines eintönigen Negergesangs, oder rieben es auf Granitsteinen zu Mehl, kneteten Brot auf hingebreiteten Ziegenfellen, reinigten Honig vom Wachs, und setzten die kolossalen Giddra (thönernen Töpfe) ans Feuer. Ausser dieser Küche für das Hauspersonal und die täglichen Kostgänger gibt es noch einen besondern Küchenraum, in dem für den Alamino selbst, seinen Harem und seine vornehmem Gäste gekocht wird.
Wieder durch verschiedene Höfe gelangte ich in den Straussenhof, einen umschlossenen länglichen Raum, der 30 Straussenweibchen und einem Männchen zum Tummelplatz und zur Brutstätte diente. Die Thiere werden behufs Gewinnung der Federn, die man ihnen einmal im Jahre ausrupft, auf dem Hofe gezüchtet; alle die 30, von einem Männchen stammend, waren hier in der Gefangenschaft ausgebrütet und grossgezogen worden. Mein Führer zeigte mir in dem weissen Sande sieben Löcher, jedes mit 25 bis 80 Eiern, und belehrte mich, dass die Bruthennen ihre Eier am Tage frei liegen lassen und sie nur des Nachts bebrüten. Als Nahrung erhalten sie allerlei Fleischabfälle, Gras, Kräuter und mit Wasser getränkte Kleie. Obwol die Straussenzucht bei dem hohen Preise, mit dem die Federn bezahlt werden, sicher einen sehr lohnenden Ertrag liefern muss, war dies die einzige, die ich auf meinen Reisen in Afrika angetroffen. In Sella, das einst berühmte Straussenzucht gehabt haben soll, fand Beurmann nichts mehr davon vor. In Kuka und andern Ortschaften Bornus laufen zwar einzelne Strausse zahm auf den Strassen herum, aber von einer eigentlichen Zucht und Pflege habe ich nirgends etwas bemerkt. Nördlich von der Sahara aber und in dieser selbst wird der riesige Vogel immer seltener. Der Strauss, strutio camellus, ist, wenn jung eingefangen, leicht zu zähmen und gewöhnt sich sogar an den Menschen. So erwähnt Eduard Mohr, er habe auf seiner Reise nach den Victoria-Fällen zwei Strausse längere Zeit mit sich geführt, sie dann an eine andere Karavane verkauft, und nach Monaten hätten sie ihn wiedererkannt. Im wilden Zustande lebt der Strauss meist von Vegetabilien, doch verschmäht er auch animalische Nahrung nicht; in seinem Magen und den Excrementen finden sich sowol Pflanzenreste als kleine Knochen, Theilchen von Eidechsen, Heuschrecken und andern Thieren. Merkwürdig ist, dass die Weibchen, besonders in der Wüste eine Anzahl ihrer Eier ausserhalb des Sandnestes legen und nicht mit den andern bebrüten. Diese unausgebrütet bleibenden Eier dienen der jungen Brut zur Nahrung, solange sie nicht wie die Alten in raschem Laufe weite Strecken durchmessen kann, um sich selbst das nöthige Futter zu suchen.
Zuletzt wurde ich in die Höfe geführt, welche die Rüst- und Waffenkammern sowie die Vorrathshäuser für die Lebensmittel umschliessen. Jene enthielten Lanzen, Wurfspiesse, Köcher voll vergifteter Pfeile, Panzer, Schilde von verschiedener Form und aus verschiedenen Stoffen, vom schweren ledernen bis zum leichten aus Stroh geflochtenen; ferner Sättel und wattirte Ueberzüge für die Pferde - wol zur Armirung von 1000 Reitern ausreichend. Die Vorrathshäuser waren angefüllt mit Töpfen voll Honig und ausgehöhlten Kürbissen voll Butter. Alles Getreide aber lagerte in aus Matten geflochtenen Körben, deren jeder 10 bis 15 bremer Last Getreide fassen konnte, im Freien, damit die Würmer nicht hineinkommen; nur während der Regenzeit wird es zum Schutz gegen Feuchtigkeit und Schimmel in Thürmen von Thon aufbewahrt.
Nach Beendigung meines Rundgangs liess der Alamino eine Zibethkatze bringen, um mir das Ausleeren der Moschusdrüse zu zeigen. Die Katze befand sich in einem engen Käfig. Durch dessen Gitter wurde eine Stange gesteckt und das Thier damit eine Zeit lang gereizt. Hierauf packte ein Mann den Schwanz der Katze, zog ihre beiden Hinterbeine durch die Stäbe des Käfigs, quetschte die Drüse stark mit der Hand, stülpte sie um und schabte mit einem elfenbeinernen Stäbchen das stinkende weissliche Fett heraus. Dann wurde die Drüse mit Butter eingeschmiert, und der Hinterkörper des gequälten Thiers wieder in den Käfig gezwängt. Das gewonnene Fett that man in eine kleine lederne Büchse; es färbt sich nach einigen Tagen röthlich und wird mit der Zeit immer dunkler. Bei uns hat man das Zibethfett durch Bibergeil ersetzt; bei den Mohammedanern aber ist es noch das beliebteste Parfum, das wie Gold und die kostbarsten Essenzen mit Metkal gewogen wird. Die Zibethkatze, viverra civetta, erreicht eine Länge von gegen 2 Fuss, ohne den Schwanz, der die gleiche Länge hat. Ihr Kopf ist rundlich, die Schnauze spitz, ähnlich der des Fuchses. Das weisse Fell hat dunkelgraue Streifen, die von einer schwarzen über den Rücken verlaufenden Borste oder Mähne ausgehen, aber den Bauch weiss lassen. In der Freiheit geht die Zibethkatze nur des Nachts auf Raub aus, daher sie auch im Käfig während der Nachtstunden wie toll umherspringt. Man füttert sie mit Hühnern, Kröten und andern kleinen lebendigen Thieren, denn sie frisst, wie behauptet wird, kein geschlachtetes Fleisch.
Am dritten Tage machte ich mich zur Weiterreise fertig. Der Alamino, der mir fortwährend ungeheuere Quantitäten von Speisen schickte, hatte mich gebeten, einen Brief an Sultan Omar zu schreiben, worin ich die in Magómmeri gefundene Aufnahme und Bewirthung rühmte, und ich erfüllte gern seinen Wunsch. Ich tauschte von ihm gegen ein Pferd, die beiden Lastochsen und eine einläufige Flinte ein Kamel ein und liess ihm, um das Gepäck noch mehr zu erleichtern, meine Matratze und einen Teppich zurück, mit der Bitte, er möge die beiden Gegenstände andern, nach mir kommenden Reisenden zur Bénuëzung überlassen. Beim Abschied ertheilte er mir durch seine Fakih den Segen zur Reise.