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VII. Eintritt ins Reich der Pullo.

Der Fluss Góngola. Im ersten Pullo Dorfe. Die Doppelstadt Birri. Sendung Hammed's nach Tapë an den Sultan von Kalam. Ueber die Abstammung der Pullo. Durch Duku nach der Hauptstadt Gombë.

Morgens 71/2 Uhr am Neujahrstage 1867 waren wir von dem Grenzort Gebë aufgebrochen. Bis 11 Uhr blieb unsere Marschrichtung Westsüdwest, dann wendete sie sich nach Südwest bis zum Flusse Góngola, an dessen Ufer wir eine Stunde gerade gen Süden gingen, um von da noch eine Stunde wieder südwestwärts vorzuschreiten. Die Gegend charakterisirt sich durch Hügel und Wald; rechts im Norden streicht das niedrige Degal-Gebirge, und am Góngola sahen wir gerade nördlich von uns in einer Entfernung von ungefähr acht Stunden den Berg Figa auftauchen. Je mehr wir uns dem Flusse nähern, desto reicher wird die Vegetation; die Bäume auf dem durchfeuchteten Boden sind mit frischgrünem Laubwerk geschmückt wie mitten in der Regenzeit, ja ein Gürtel von fruchttragenden Palmen erfreut das Auge. Desgleichen verkünden ausgetretene Spuren von Elefanten, Löwen, Panthern und vielen andern Vierfüsslern die Nähe fliessenden Wassers. Der Góngola breitet seine Hinterwässer hier am linken Ufer weit im Lande aus; der Strom selbst war in der Furth, durch die wir hinüberpassirten, zwar nur 2 Kilometer breit, aber reissend und tief genug, dass er unsern Pferden bis an den Bauch ging. Sein klares Wasser fand ich von vorzüglichem Geschmack und von belebender Wirkung auf meinen durch Fieber geschwächten Körper. Der Grund ist mit Kies und einer Schicht groben Sandes bedeckt; er liegt auf gleicher absoluter Höhe mit Kuka. Eine Stunde unterhalb von hier biegt der bis dahin direct südwärts gerichtete Lauf des Flusses nach Südosten um. Zuerst wurde der Góngola von Vogel besucht, der ihn auch Góngola nannte. Barth meint, es sei dies nicht sein wirklicher Name, sondern der Name eines Stammes; wäre das richtig, dann müsste er "Fluss der Góngola" heissen, was aber nicht der Fall ist.

Um 11/2 Uhr kehrten wir in dem ersten Pullo-Dorfe ein; es heisst gleich dem südlich davon sich hinziehenden Gebirge ebenfalls Góngola.

Das Reich der Pullo besteht, wie das der Kanúri, aus einer Menge kleinerer und grösserer Sultanate, die alle dem Sultan von Sókoto unterthan sind. Sókoto ist die gegenwärtige Hauptstadt, deshalb wird jetzt häufig das ganze Reich so genannt; die Residenz kann aber leicht einmal anderswohin verlegt werden, und dann würde auch der Name des Landes sich wieder ändern. Und nicht blos nach dem Namen der Hauptstadt, auch nach dem Namen des regierenden Fürsten pflegen die Neger ein Land zu benennen; so hörte ich Kalam immer Koringa nennen, weil dessen Sultan Mohammed Koringa heirst, während dasselbe Land bei Barth Bóberu genannt wird nach dem damaligen Sultan Bóberu, dem Grossvater Koringa's. Erst einige Tage vor meiner Ankunft in Góngola war Sultan Hamedo von Sókoto gestorben und sein Neffe Alio, der Sohn seines verstorbenen Bruders Bello, zur Regierung gelangt. Alle Sultane des Landes, sagte man mir, begeben sich nun nach Sókoto, um dem neuen Herrscher zu huldigen, und ich würde daher wahrscheinlich Mohammed Koringa nicht in Gombë antreffen.

Ich war in Kuka darauf vorbereitet worden, dass im Reiche der Pullo auf Gastfreundschaft nicht zu rechnen, aber der Bedarf an Lebensmitteln in jedem Orte billig zu haben sei, und in der That kamen, sobald wir uns gelagert, Weiber mit Körben und Schüsseln auf dem Kopfe herbei, die Ngáfoli, Moro, Bohnen und Koltsche zum Kauf anboten. Gegen Muscheln, welche hier die einzige Geldmünze sind (in Bornu nimmt man Muscheln nur in den grossen Städten neben Kattunstreifen als Geld, doch dehnt sich ihr Gebrauch immer weiter aus: so wurden sie jüngst auch in Bágirmi, wenigstens in dessen Hauptstadt Másseña, als Zahlmittel eingeführt), erhandelte ich von ihnen Mehl, Gemüse und einige Hühner. Zugleich mit uns und unter dem Schutze unserer Flinten war eine Karavane, die Salz und Rinder zum Verkauf brachte, über die Grenze hierhergekommen. Sie lagerte dicht neben uns, damit man glauben sollte, sie gehöre zu meinem Reisegefolge, und so ihre Waare zollfrei passiren liesse. Sonst wird für die von Bornu ins Land kommenden Producte ein Eingangszoll erhoben, für ein Pferd oder Rind 20 Muscheln, für ein Schaf oder eine Ziege 10 Muscheln, von jeder Kopflast Salz ein gewisses Quantum in natura. Der Import von Vieh und Salz aus Bornu ist bedeutend, da die Pullo wenig Viehzucht treiben, namentlich Pferde fast gar nicht züchten, und das Salz, welches sie aus der Asche des Runo-Baums gewinnen, dem, das in Nordbornu aus der Suak-Asche gekocht wird, an Güte bei weitem nachsteht.

Die Bevölkerung von Góngola, etwa 1200 Seelen stark, gehört dem Pullo-Stamme an und redet auch die Pullo-Sprache, ist aber infolge der Vermischung mit den angrenzenden Kanúri wie mit den Ureinwohnern des Landes, den Haussa, äusserlich kaum mehr von den Negern zu unterscheiden: eine Wandelung, die sich beim grössten Theil der Fellata vollzieht, da sie fast nirgends unvermischt beisammen wohnen, sondern über sehr weite Gebiete vertheilt sind.

Nach einer im Freien verbrachten kalten Nacht - vor Sonnenaufgang fiel das Thermometer bis auf +5deg. -, setzten wir uns morgens 7 Uhr wieder in Marsch, bis auf wenige Grad die direct westliche Linie verfolgend. Vom rechten Ufer des Góngola an steigt das Terrain ziemlich rasch, und von allen Seiten erheben sich schön bewaldete Berge aus Sandstein, mitunter auch aus Kalk. Um 91/2 Uhr an den Ausgang eines Engpasses gelangt, der mit einem Thor und einem starken Steinwall verschlossen wird, sahen wir in einem Thalkessel die hochummauerte Stadt Begë vor uns liegen. Ihre Hütten, aus der Ferne nicht sichtbar, sind durch einen Wald von Palmen überragt, sodass man glauben könnte, einen Ksor in der Sahara vor sich zu haben, zeigte nicht ein Blick auf die dazwischenstehenden Gunda-Bäume und auf die grünbewachsenen Berge ringsum, dass man sich in der Tropenzone des waldigen Afrika befindet. Nur nach Südwesten schweift der Blick über das Thal hinaus, bis die Aussicht fern am Horizont durch die Hochebene von Birri begrenzt wird. Wir zogen ohne Aufenthalt zwischen Tabacks- und Baumwoll-Pfanzungen an der Stadt vorbei. Dicht hinter Begë führt ein Weg ab nach dem circa 5 Stunden westlich entfernten Orte Náfata. Nach einem weitern Marsch von 21/2 Stunden erreichten wir die untere Stadt Birri, ebenfalls in einem Thalkessel gelegen, und blieben daselbst zur Nacht. Man gewährte uns gegen Bezahlung in Muscheln Quartier und gute Verpflegung. Die Einwohner, deren Zahl sich auf 1500 belaufen mag, Mohammedaner, doch frei von Fanatismus, sind Fellata, aber stark mit Negerblut vermischt und daher meist von schwarzer Hautfarbe. Ich erfuhr hier, dass Mohammed Koringa seine Hauptstadt Gombë verlassen habe, um weiter südlich eine Rasia auf Sklaven auszuführen.

Andern Tags wurde um 7 Uhr aufgebrochen. Wir stiegen erst durch einen 10 Minuten langen Engpass zur obern Stadt Birri hinauf, die zweimal so gross ist wie die untere, gingen deren äussere Mauer entlang und kamen durch einen etwas breitern Pass auf die in südwestlicher Richtung sanft ansteigende Hochebene. Das Gestein, das aber nur an wenigen Stellen zu Tage tritt, ist grober Sandstein; im ganzen ist der Rücken des Plateaus mit ausserordentlich dichtverwachsenem Walde bedeckt. Um meinem Kamel einen Durchweg zu öffnen, mussten oft Aeste, ja Bäume abgehauen und beiseite geschafft werden; seine Ladung zerriss an den Dornen der Akazien- und Lotos-Bäume, und uns Reitern schlug das hohe Gras über den Köpfen zusammen. So brauchten wir 7 Stunden bis zu unserm nicht mehr als 5 Kamelstunden entfernten Lagerorte, dem ärmlichen Walddorfe Uaua. Dort angekommen, ward mir gesagt, Mohammed Koringa lagere in dem Oertchen Tapë, das ungefähr 10 Stunden südlich von Uaua liege. Auf diese Nachricht schickte ich Hammed in Begleitung des Kendjam (Reiters) von Gudjba dahin ab, mit dem Auftrage, dem Sultan meinen Gruss zu entbieten und die Geschenke, die ich für ihn bestimmt hatte, zu überreichen, sodann auf dem kürzesten Wege nach Uaua zurückzukehren, wo wir bis zu seiner Wiederkunft bleiben würden.

Die Dorfbewohner verkauften mir gegen Muscheln Getreide, Gunda-Früchte und Holz, das beim Verbrennen einen angenehmen Duft entwickelte, ähnlich wie das von den Türken und Arabern zum Räuchern verwendete Gomári-Holz. Fleisch verschafften wir uns durch Schiessen einiger Waldtauben. Meine Hütte gewährte am Tage Schutz gegen die Sonnenstrahlen, welche jetzt noch nachmittags die Luft bis auf +30deg. im Schatten erwärmten, und in der Nacht vertrieb ein tüchtiges Feuer die Kälte der Hochebene.

Ich bewunderte hier wieder die Thonbauten der Ameisen, gothische Thurmspitzen von 15 Fuss Höhe und darüber. Zu den früher aufgezählten Ameisenarten tritt westlich von Gudjba noch eine neue hinzu. Kleiner als jene, welche die gothischen Bauten aufführt, baut sie 2-3 Fuss hohe Kuppeln oder Gewölbe im byzantinischen Stil; diese Kuppelbauten sind von aussen festgeschlossen, scheinbar ohne jeglichen Zugang, im Innern aber wie ein Schwamm durchlöchert. Beide Arten lassen sich am Tage nicht blicken, sondern schaffen nur in der Morgendämmerung vor Sonnenaufgang an ihrer künstlichen Architektur.

Am dritten Tage, 5. Januar, gegen Mittag kehrte Hammed von Tapë zurück. Der Sultan Koringa hatte meine Botschaft freundlich aufgenommen und liess mir sagen, ich möchte ihn in seiner Hauptstadt Gombë erwarten, wo er nach acht Tagen einzutreffen gedenke. Im Lager bei ihm befand sich sein Verbündeter, der Sultan von Messauda; diesem gab er einen Theil meiner Geschenke, unter andenn eine Harmonica. Die beiden Fürsten waren gemeinschaftlich auf den Menschenraub ausgezogen und hatten zunächst vor, den Ort Katúnga, einen Tagemarsch südlich von Tapü, zu überfallen und auszuplündern. Als Hammed sich verabschiedete, befahl Mohammed Koringa einem Mann aus seinem Gefolge, er solle mitreiten, in Duku Getreide für uns requiriren und dasselbe von dort nach der Hauptstadt bringen lassen.

Ueber den Weg zwischen Uaua und Tapë berichtete mir Hammed: Den ersten Tag hatte er ungefähr 5 Stunden in gerader Südrichtung zurückgelegt; nachdem er 2 Stunden von Uaua den Ort Komë passirt, übernachtete er in dem Dorfe Djori. Von da ritt er am nächsten Morgen 6 Stunden südöstlich, überschritt nach der vierten Stunde das Rinnsal des Kelli-Flusses, der von Süden kommend östlich dem Góngola zuströmt, und erreichte Tapë gegen Mittag. Zurück zu nahm er bis Komë eine andere, etwas nähere Tour. Nach den Angaben der Bewohner von Uaua liegt eine Tagereise südlich von ihrem Dorfe der Ort Kafaráti, eine Tagereise südwestlich der Ort Kúndulu, eine Tagereise östlich der Ort Delláu und zwei Tagereisen südlieb der Ort Bode.

Am 6. Januar früh 63/4 Uhr ging es wieder vorwärts. Immer noch war der Wald so dicht, dass er unserm Durchkommen grosse Schwierigkeiten entgegensetzte. Wir hielten die Richtung von 160deg., gelangten um 9 Uhr zu dem neuangelegten Dorfe Ssuka und kreuzten um 10 Uhr eine Strasse, welche die beiden Orte Gambë und Ualul miteinander verbindet; ersterer blieb 2 Stunden nördlich, letzterer 3 Stunden südlich von uns entfernt. Sehen eine Stunde hinter Uaua überschritten wir den höchsten Punkt der Hochebene von Birri; die Abdachung ist jedoch eine sehr sanfte, sodass ich sie nur mittels des Barometers wahrnahm. Jetzt zeigte sich am nordwestlichen Horizont der niedrige Rücken des Kalam-Gebirges, und bald darauf zogen wir in den von haben Litha-Bäumen beschatteten Ort Tinda ein. Wieder hatten wir in 7 Stunden nur 5 Wegstunden zurückgelegt.

Tinda war der erste Pullo-Ort, wo man uns gut bewirthete. Die Einwohner brachten unaufgefordert Schüsseln voll Milch, Yams, Koltsche, Morobrei nebst Hühnern und andern Lebensmitteln ins Lager; ich erfreute sie dagegen durch Gaben von Salz und einigen Taschentüchern. Gastfreundschaft ist bei den Pullo nicht vorgeschriebene Sitte wie bei den mohammedanischen Völkern, aber sie erweisen sich darum nicht minder, vielmehr in besonders anzuerkennendem Maasse gefällig und hilfreich gegen Fremde. Nirgends auch geniesst das Eigenthum der Reisenden so vollkommene Sicherheit; vor einem von Pullo bewohnten Dorfe kann man die Pferde und Kamele sammt allem Gepäck unbeaufsichtigt im Freien lassen, ohne besorgen zu dürfen, dass etwas davon entwendet werde. Und wie gegen Fremde bewähren sie im Verkehr unter sich, in ihrem Familien- und Gemeindeleben die Grundsätze gegenseitiger Billigkeit und Verträglichkeit, daher das sogenannte Sókoto-Reich zu den friedlichsten und wohlgeordnetsten Innerafrikas gehört. Zur Zeit als Clapperton zuerst Sókoto besuchte, soll der Staat fester organisirt gewesen sein, als er später von Barth und von mir gefunden wurde; vielleicht war der damalige Herrscher eine energische Persönlichkeit, welche die Theile mit kräftiger Hand zusammenzuhalten wusste.

Die Fragen über Abstammung, Herkunft und Verwandtschaft der Pullo (oder Fullo, Fullan, Fellata) sind noch ungelöst, da sie selbst keine geschichtlichen Documente besitzen und diejenigen anderer afrikanischen Völker, welche der Pullo erwähnen, nicht die geringste Auskunft darüber geben. Es ist ebenso gut möglich, dass sie vom Westen oder von Nordosten aus dem Nilthal eingewandert, als dass sie, wie Barth meint, von Osten her ins Innere gekommen sind. Nur eine tiefere vergleichende Durchforschung ihrer reichen, wohlklingenden und biegsamen Sprache, des Fulfúlde, dürfte im Stande sein, auf die Spur ihrer Verwandtschaft mit andern Völkerrassen zu leiten. Eichthal glaubt sie mit den Malaien verwandt, Richardson und Clapperton lassen sie aus Vermischung der Araber mit Negern hervorgegangen sein; beide Hypothesen aber werden von Sprachforschern verworfen. Das Gebiet, auf welchem heutzutage die Pullo ihre Wohnsitze haben, ist ein sehr weit ausgedehntes; dennoch muss ich Barth's Angabe, dass auch in Tuat von alters her Pullo ansässig seien, durchaus widersprechen. Er hielt die dortigen Mischlinge von Arabern oder Berbern und Negern irrthümlich für Pullo. Einzelne der letztern mögen wol so weit nach Norden gehen, und viele junge Pullo-Mädchen werden in die Harems verkauft, allein wirkliche Ansiedelungen von Pullo gibt es in Tuat nicht.

Wo sich die Pullo unvermischt erhalten haben, da ist ihre Hautfarbe gelb wie matte Bronze, der Körperbau wohlproportionirt und die Gesichtsbildung der der kaukasischen Rasse entschieden sehr nahe stehend: etwas niedere Stirn, mitunter breite, doch nie platte Nase, schmale, nicht wulstige Lippen, keine hervortretenden Backenknochen, ausdrucksvolle schwarze Augen, dazu starker Bart und glänzend schwarzes, zwar krauses, doch langes Haar. Jedenfalls sind sie bei weitem der schönste Menschenschlag von Centralafrika. Die Männer tragen ein weisses, oben vielgefälteltes Kattunhemd mit langen weiten Aermeln; die Frauen winden ein Stück Baumwollenzeug, aus Streifen zusammengenäht, um die Hüfte, sodass der Oberkörper vom Nabel an unbedeckt bleibt; die jungen Leute gehen bis auf einen Schurz vor der Scham ganz nackt.

Höchst wahrscheinlich waren die Pullo ursprünglich ein viehzüchtendes Nomadenvölk und lernten erst von den Haussa Getreide und Gemüse bauen, sie haben aber darin, wie in andern Arbeiten ihre Lehrmeister übertroffen. Neben dem Landbau treiben sie auch jetzt noch etwas Rindviehzucht, die weiternach Süden ganz aufhört. Sie bereiten gleich den Negern gute Butter, haben es aber nicht bis zur Käsebereitung gebracht, wie überhaupt in ganz Afrika nur die Araber, Berber und Abyssinier Käse zu bereiten verstehen. Die Hütten der Pullo und der Haussa bestehen wie die im südlichen Bornu aus Thonwänden und einem bienenkorbförmigen Dache, und obwol die Wände hier viel dünner sind, leisten doch ihre Hütten infolge des bessern Materials und der dauerhaftem Arbeit stärkern Widerstand gegen die Einflüsse der Witterung als die Wohnungen der Kanúri. lhre Wasserkrüge, Esstöpfe, Matten und sonstigen Geräthe zeugen von der Geschicklichkeit und dem Farbensinn der Verfertiger; ich sah Matten in Mannshöhe von zierlichem Geflecht und geschmackvoller Zusammenstellung der Farben, die mit 4-5000 Muscheln oder einem Mariatheresienthaler bezahlt werden.

Wir verliessen das gastliche Tinda am 7. Januar früh 7 Uhr in der Richtung von 280deg. und wandten uns nach einer Stunde gerade westwärts. Durch dichten Wald und an mehreren kleinen Ortschaften vorbei gelangten wir um 9 Uhr zu dem Dorfe Báluru, wo ein kolossaler Litha-Baum, dessen Stamm wie ein Bündel Faschinen aussah, meine Aufmerksamkeit erregte. Die Luft war wieder durch Wüstenstaub so verfinstert, dass man nicht im Stande war, Gegenstände in einiger Entfernung zu unterscheiden. Hart am Wege erheben sich rechts und links niedrige Hügel, und wie ich aus meinem Aneroid ersah, neigte die Strasse immer noch langsam abwärts. Um 11 Uhr ritten wir in die auf Kalkboden liegende, von Ringmauern und doppelten Gräben umschlossene Stadt Duku ein. Sie übertrifft Kuka an Umfang, zählt aber schwerlich mehr als 15000 Einwohner, denn innerhalb der Mauern befinden sich grosse Gärten und unbebaute Plätze. Auf einem der Letztem wurde gerade Markt abgehalten, der indess nicht von Bedeutung zu sein scheint. Der von Mohammed Koringa mitgesandte Reiter hatte hier das Frühstück für uns bestellt; da ich aber noch bei zeiten Gombë erreichen wollte, stieg ich nicht vom Pferde, sondern liess den Marsch ohne Aufenthalt fortsetzen.

Hinter Duku fängt der Wald an Lichter zu werden; die stachlichten Mimosen und Korna-Bäume verschwinden mehr und mehr, und der prächtige Runo-Baum tritt an ihre Stelle. Nach einer Stunde überschritten wir das Rinnsal des Alhádi, und wieder nach einer Stunde das trockene Bett des Gana, die beide von Südwest nach Nordost dem Gombë-Flusse zufliessen. Nun öffnete sich eine weite, blühende, mit zahlreichen Dörfern und Weilern geschmückte Landschaft, in der die Hauptstadt von Kalam malerisch zwischen Hügeln und Bergen vor uns lag. Eine letzte Marschstunde brachte uns an das Ziel. Wir zogen vor die Wohnung des Sultans und wurden von dessen Bruder in das für uns bestimmte Quartier gewiesen, das aus vier Hütten bestand. In diesem Quartier fand ich zum ersten mal sogenannte Feuerbetten, lange, hohle Kasten von Thon, die in den Wintermonaten des Nachts mit Holz oder Kohlen wie ein Backofen geheizt und, mit einer Matte überdeckt, von den fröstelnden Negern als Schlafstätte benutzt werden. Gombë, eine grosse, mit gut unterhaltenen Mauern und Gräben umgebene Hüttenstadt - ich bemerkte kein einziges Haus - mag wol 20000 Einwohner haben, von denen die Mehrzahl Pullo, die übrigen Kanúri- und Haussa-Neger sind.

Unser Fakih aus Mursuk traf in Gombë seine Nichte an und erfuhr von ihr, dass die Erbschaft, nachdem die Schulden des Erblassers bezahlt worden, sich von 60 Sklaven auf 3 und von 100 Stück Rindvieh auf 100000 Muscheln reducirt habe, welcher Rest bis zum Austrag der Sache beim Gericht deponirt sei, daher es ihm nichts nützen würde, nach Jacoba zu gehen. Er musste also mit seinen gemietheten Leuten leer nach Kuka zurückkehren. Was ihn aber im Augenblick noch mehr schmerzte als die getäuschte Hoffnung, war, dass er, weil eben das Ramadhan-Fest begonnen hatte, unter den strenggläubigen Pullo während dieser Zeit das Nbultrinken einstellen musste.

Das Getreide, das aus Duku für uns geliefert werden sollte, war nicht angekommen, auf dem Markte von Gombë aber gab es des Ramadhan-Festes wegen weder Getreide noch sonst etwas zu kaufen. Deshalb beschloss ich, die Zurückkunft Mohammed Koringas in seine Residenz nicht abzuwarten, sondern schon am nächsten Tage weiterzugehen. Der Bruder des Sultans und der Kaiga-ma suchten zwar meine Abreise zu hindern, indem sie den Eingeborenen, die ich an Stelle der bisher von mir benutzten Leute des Fakih miethen wollte, das Mitgehen bei Strafe verboten, allein ich liess mich dadurch in dem einmal gefassten Entschlusse nicht wankend machen. Morgens am 9. Januar wurde unser Kamel beladen, und da Hammed wieder so am Fieber litt, dass er nicht zu Fuss gehen konnte, übernahm ich selbst das Amt des Treibers und gab dem kleinen Noel mein Pferd.

So zogen wir um 8 Uhr 20 Minuten aus dem Thore von Gombë. Draussen boten mir zwei Kanúri ihre Dienste an, der eine als Führer, der andere als Kameltreiber. Beide verstanden sowol die Pullo- als auch die Haussa- und die Bolo-Bolo-Sprache, welche Sprachen in den südwestlichen Ländern, die ich nun zu passiren hatte, die vorherrschenden sind. Gern bewilligte ich deshalb ihre Forderungen: 6000 Muscheln an den Führer, welche sein ihn begleitender Vater sofort in Empfang nahm, und nur 1500 Muscheln, in Jacoba auszuzahlen, an den Treiber, obwol diesem eigentlich das schwerste Geschäft zufiel. Wir marschirten eine Stunde in gerader südwestlicher, dann 21/2 Stunden in südsüdwestlicher Richtung. Dank dem Segen des immer fliessenden Stromes gleicht die ganze Gegend einem anmuthigen Park, dessen grüner Rasenteppich nirgends daran erinnerte, dass die Regenzeit schon seit Monaten vorüber war. Scharen von Vögeln nisteten in den belaubten Bäumen, und gravitätisch stolzirte der Rinderhüter, der sich zur Regenzeit auch in Kuka häufig sehen lässt, hinter den grasenden Kühen einher. Begreiflicherweise haben auf dem immer durchtränkten, fruchtbaren Boden die Menschen sich ebenfalls in Menge angesiedelt. Am rechten Ufer des Flusses folgen dicht nacheinander die Dörfer Lambda, Galdjigína, Kolombári, Tjúari und Auáni, und das linke ist gewiss nicht minder stark bewohnt, nur konnte man wegen der grossen Ausdehnung der Hinterwässer dieses nicht so weit übersehen, zumal Waldrauch und Wüstenstaub die Fernsicht verdunkelten. Mehrere Canoes von ausgehöhlten Baumstämmen bezeugten, dass selbst bei hohem Wasserstande der Verkehr zwischen beiden Ufern nie ganz unterbrochen sein mag.


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