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SIEBENTES KAPITEL. DIE OASE DJOFRA.

Die Alten kannten Djofra. - Plinius über den Mons ater, heute die Djebel Ssoda (Schwarzes Gebirge). Woher der Name Djofra? - Der altarabische Geograph Edris. - Uadan im Alterthum Mittelpunkt der Oase. - Leo Africanus, Hornemann, Ritchie, Barth, Vogel berichten über Djofra. - Gestalt, Berge, Flüsse, Bodenbeschaffenheit, Versteinerungsschichten im Gebirge. - Unversieglichkeit der Brunnen eine Folge des Regens. - Die sehr hohe Temperatur. - Die Hitze in der Sahara eher zu ertragen, als am Mittelmeer. - Winde, Wolkenbildungen, Zodiakallicht. - Ausgezeichnete Gesundheitsverhältnisse. - Verhältnissmässig wenig Augenkrankheiten. - Ursache der häufigen Augenkrankheiten in Nordafrika. - Ursache der unschönen körperlichen Beschaffenheit. - Die ohne Regen aus der Luft sich ernährenden Pflanzen. - Datteln nicht von der feinsten Art. - Die Verbüschung der Palmen im Süden des Syrtenufers. - Früchte, Gemüse, Getreide. - Keine Blumen. - Keine Quellen, nur Brunnen. - Sorgfältige Bedüngung der ummauerten, unkrautfreien Gärten. - Hausthiere. - Wilde Thiere. - Die Dubechse. - Araber und Berber. - Rangklassen. - Verschiedenheit der Gesichtsbildung. - Magerkeit. - Gaben bei Heirathen. - Leichtigkeit der Ehescheidung. - Tracht. - Amulete. - Solide Wohlhabenheit. - Abgaben. - Kein Militärdienst. - Keine Vaterlandsliebe. - Ritus und Unterricht in den Schulen. - Sokna, der Regierungssitz. - Verkaufsbuden, Moscheen, Handelsartikel. - Armuth des Dialektes. - Einförmigkeit des Gesanges. - Eigenthümliche Zahlenbezeichnungen. - Die Stadt Hon. - Uadan, die heilige Stadt mit nur einer Moschee!

Wenn, wie Duveyrier annimmt, Bondjem das Boin des Plinius gewesen ist, und "die berühmte Hauptstadt[39] der Garamanten, Garama, durch römische Waffen überwunden wurde, dass Cornelius Balbus über sie triumphirt, dass er die genannten Städte eingenommen und ausser Cidamus (Rhadames) und Garama (Djerma) noch die Namen und Schilderungen aller übrigen Völker und Städte im Triumph aufgeführt habe", so können wir alle diese angeführten Städte und Namen, deren Schilderung sehr dürftig ist, übergehen, weil sie uns für die Oase Djofra absolut keinen Anhaltspunkt geben. Sicherlich aber haben die Römer eine so wichtige Oase gekannt. Es ist um so weniger daran zu zweifeln, als Plinius den Mons ater oder niger ausdrücklich hervorhebt, und ein Gebirge von so ausdrucksvoller Farbe kann gar kein anderes sein, als die Djebel Ssoda, welches übrigens so, wie es heute besteht, von Plinius genau beschrieben wird: "Von hier streckt sich von Morgen gegen Abend ein langes Gebirge, welches wir, weil es von Natur wie angebrannt oder durch die zurückgeworfenen Sonnenstrahlen wie entzündet aussieht, Ater nennen; und dahinter liegt eine Wüste." Der Harudj Assod, die Djebel Ssoda bilden ein und dasselbe Gebirge, welches bei den Alten den Namen führte, den die Farbe jedem schon von selbst in den Mund legt. Die Berber, die Araber konnten, und endlich wir, wenn wir wollen, können diese mächtige Kette mit ganz richtigem Ausdruck "Schwarzes Gebirge", "Black mountains" oder "Montagne noire" nennen. Am Fusse dieses Gebirgs nun liegt eine der fruchtbarsten Oasen: Djofra.

Diesen Namen arabischen Ursprungs gab man der Oase wegen ihrer Bodenbeschaffenheit, denn Djofra ist abzuleiten von Djof, Bauch, welches Wort von den arabischen Geographen oft für Einsenkung oder Depression gesetzt wird. Denn die Einsenkung, obwol keine echte oder absolute, ist doch eine solche im Verhältniss der sie umgebenden Berge, namentlich der "schwarzen". Auch im Mittelalter wird der Oase keine Erwähnung gethan, bis Edris, der im 2. Jahrhundert dieses Jahrtausends lebte, wenigstens von einem Orte der Oase, der seiner Lage und örtlichen Beschaffenheit nach allerdings der älteste zu sein scheint, nämlich von Uadan spricht. In Edrisi's "Afrika"[40], cur. Hartmann, S. 135, finden wir: "Terra Vadan. Terra Vadan dicuntur insulae palmarum occidentem inter et orientem mare versus latissime protentae." Ferner heisst es bei demselben Schriftsteller: "A Sort ad Fadan 5 stationum iter; sita antem est Vadan in australi parte (urbis) Sort. etc." Es wird hervorgehoben, dass Vadan von Karar (dies ist offenbar ein Schreibfehler und soll Kanar oder, wie Hartmann schreibt, Cavar heissen) Alaun und Färbekraut (lutum) bezöge. Indess soll damit nicht gesagt sein, dass nur Edris und nicht auch die übrigen arabischen Geographen Uadan oder die Oase Djofra gekannt hätten. Bakui spricht z. B. von Uadan als einer im Süden Afrikas gelegenen Stadt.

So hat Herr Gotthold Krause in seinen geschichtlichen Studien in Malta und Tripolis im 13. Bande der Zeitschrift der Berliner Gesellschaft für Erdkunde, S. 356 fg., über Uadan noch ältere Mittheilungen gemacht, indem nach ihm im Sommer 644 der Feldherr Amr Tripolis eroberte und während der Belagerung dieser Stadt seinen Unterfeldherrn Bosr ihn Arta nach Uadan schickte. Zwei Jahre später, wie Herr Gotthold Krause berichtet, wurde Uadan noch einmal wegen Treubruchs erobert und dem Könige dieses Landes sogar wegen Verraths ein Ohr abgeschnitten.

Dass aber Uadan unter den Alten der Mittelpunkt der Oase gewesen ist, geht wol am besten daraus hervor, dass man auf dem Hügel, um welchen herum Uadan erbaut ist, Subconstructionen in Quadern antrifft, die wol römischen Ursprungs sein dürften. Es ist dies um so unzweifelhafter, als hier noch häufig römische Münzen, Intaglien und Cameen gefunden werden. Ein hübscher, uns zum Verkauf gebrachter Intaglio hatte leider einen zu hohen Preis. In Hon und Sokna ist von alten Mauerresten oder von Funden aus den Zeiten der Römer nichts zu bemerken, und beide Orte dürften daher verhältnissmässig neuern Ursprungs sein. Aufgabe zukünftiger Reisenden wäre es - namentlich wenn die religiös-fanatischen Anschauungen der Bewohner sich sollten geändert haben -, ihr Augenmerk besonders auf Uadan zu richten. Nachgrabungen führen vielleicht zu Aufdeckungen, welche wie in Rhadames für die Geschichte Anhaltspunkte ergeben könnten.

Auch Leo Africanus nennt Uadan. In der Lorsbach'schen Uebersetzung, S. 449, heisst es: "Guaden (Waden) ist ein Dörfchen in der numidischen Wüste, an der Grenze Libyens, wo nichts als eine kleine Quantität Datteln wächst. Die Einwohner sind viehisch, arm und fast ganz nackt. Sie können wegen Streitigkeiten mit den Nachbarn ihre Hütten (fast) nicht verlassen. Sie beschäftigen sich sonst mit der Jagd und fangen wilde Thiere, z. B. Elamth und Strausse, in Fallen, geniessen auch kein anderes Fleisch, denn ihre wenigen Ziegen halten sie blos wegen der Milch. Sie sind übrigens mehr schwarz als weiss." Diese Beschreibung stimmt noch recht gut: Streitigkeiten mit den Nachbarn bewirken auch in der Jetztzeit häufig genug, dass die Bewohner ihre Häuser und Orte nicht verlassen können; in allen Orten wird die Jagd leidenschaftlich betrieben; das Fleisch der Antilope und Gazelle ist auch heute noch an der Tagesordnung, und die Hautfarbe eher dunkel als hell zu nennen. Das Auffallendste ist aber, dass wir bei unserm spätern Vorrücken öfter auf uralte Straussenfallen stiessen, welche jetzt allerdings gar keinen Werth mehr haben, da die Strausse längst aus dieser Gegend verschwunden sind.

Hornemann in seiner 1802 erschienenen Reisebeschreibung nennt wenigstens Sokna, Hun und Wodon unter den bedeutenden Städten Fesans, und in den geographischen Erläuterungen zur Hornemann'schen Reise von Major Rennel sagt derselbe im selben Reisewerke, S. 183: "Sokna, eine nicht ganz unbeträchtliche Stadt, liegt in der Mitte zwischen diesem Wege und Gadamis, und man weiss, dass die schwarze Wüste südlich von ihr läuft. Es ist also kaum zu bezweifeln, dass Plinius recht habe (wie wir oben auch schon auseinandergesetzt), wenn er den Mons ater sich westlich nach Cydamus oder Gadamis und ansehnlich weit östlich von diesem Orte erstrecken lässt."

Die erste neuere Beschreibung erhalten wir sodann aus dem Reisebericht von Lyon, welcher mit Ritchie jene denkwürdige Reise nach Fesan unternahm. Lyon nennt aber nicht den Namen Djofra als Namen für die ganze Oase, obschon derselbe zu seiner Zeit wol schon bestand. Diese Expedition ist überhaupt die einzige gewesen, die vor der unserigen die Orte Hon und Uadan besuchte, alle übrigen Reisenden berührten nur das an der jetzigen Heerstrasse gelegene Sokna.

Lyon sagt: "Sokna liegt in einer immensen Kiesebene, hat als Südgrenze in etwa 15 Miles Entfernung die Schwarzen Berge, und im Osten in einer Entfernung von circa 30 Miles die Uadan-Berge, sowie im Westen einen entferntem Gebirgszug."

Es kamen dann im Jahre 1822 Denham, Oudney und Clapperton auf ihrem Zuge nach Centralafrika durch Sokna und berichteten von den guten Datteln, sowie dass die von einer Mauer umgebene Stadt über 3000 Einwohner, über eine Mile im Umfang und acht Thore habe und von einer alle überraschenden Reinlichkeit und Sauberkeit sei.

Barth berührte die Oase nur auf seiner Rückreise und sagt von Sokna, dass es "wichtig" sei.

Die von Vogel angegebene Länge und Breite von Sokna stimmt vorzüglich mit den von Ritchie gemachten Beobachtungen. Er fand die Breite der Stadt im Garten des Gouverneurs nahe beim östlichen Stadtthor 29deg.4'44'', die Länge zu 15deg.48'30'' östl. L. von Greenwich. Aber alle übrigen Angaben Vogel's über Sokna sind entweder seiner Phantasie entsprungen, oder die Eingeborenen haben ihn durch falsche Angaben beeinflusst und zum Theil irregeführt. Die Notiz, welche er z. B. gibt: östlich vom Meridian von Sokna bilden die Schwarzen Berge ein vollkommen ebenes Plateau, welches bei der tiefblauen Farbe des Gesteins täuschend den Anblick des Seehorizonts gibt, ist ganz unrichtig, denn östlich von Sokna gibt es in der Nähe nur die Kette der Filgi-Berge, und wenn die Luft günstig einwirkt, kann aus dem Horizont durch Spiegelung zuweilen die Uadankette hervorgehoben werden.

Dr. Nachtigal beschreibt die Oase in seinem Werke "Sâhârâ und Sudan" ausführlicher als alle seine Vorgänger, und die Bewohner Soknas haben Edris Efendi auch ein dankbares Andenken bewahrt. Aber man muss es als irrthümlich bezeichnen, wenn Nachtigal die Djofra-Oase vom Tar-Gebirge mit bewässert werden lässt. Es ist dies einfach nicht möglich, weil zwischen dem Tar-Gebirge und Djofra eine Wasserscheide besteht. Die Uidian des Tar-Gebirgs gehen nordöstlich zur Syrte, und ebendahin wenden sich auch die Rinnsale der Oase von Diofra. Auch heisst der Berg nördlich von Sokna nicht Tûrîrîn (es ist das wol Schreib- oder Druckfehler), sondern Turinin. Nach Nachtigal kamen noch die beiden belgischen Reisenden Ramakers und Hautrive hin, die aber über ihre Reise nie etwas publicirten. Es ist das um so mehr zu bedauern weil beide Herren sich gerade als Object ihrer Reise den Weg von Tripolis nach Mursuk nahmen, und jedenfalls, da sie vorzüglich veranlagt waren, genaueste topographische Erforschungen mit nach Hause brachten. Unser leider so früh verstorbener Landsmann von Bary berührte auf seiner Reise nach Rhat die Oase Djofra nicht, sondern nahm ungefähr dieselbe Route, welche Barth auf dem Hinwege nach Bornu befolgte.

Ueber die neuern innern geschichtlichen Angelegenheiten ist wenig Interessantes zu berichten, und Kämpfe und Fehden wie die eingangs geschilderten zwischen Hon und Sokna haben so wenig allgemeines Interesse, kommen so oft vor, dass es gewiss genügt, jenes eine Factum angeführt zu haben, um sich ein Bild von den Zuständen in der Oase machen zu können. In den grössern Ereignissen folgte die Oase den Schicksalen der Provinz, wurde türkisch, als Fesan türkisch ward, während sie vorher bald zu diesem, bald zu jenem Sultanat gehörte, zuweilen aber auch die einzelnen Ortschaften eine Art Selbständigkeit behaupteten. Rhuma sowol wie Abd-el Djelil unternahmen grosse Raubzüge nach Djofra, und die wenigen wirklich alten Palmbäume zeugen, dass die grossen Parteiführer den heiligen Baum auf ihren Kriegsfahrten nicht schonten. Von allen Palmgärten Soknas gibt es nur einen, welcher, weil sein Eigenthümer mit Abd-el Djelil befreundet war, hochstämmige alte Palmen aufweist, alle andern Gärten haben jungen Nachwuchs von einigen dreissig Jahren, die sich aber gerade jetzt in der Periode der grössten Tragfähigkeit befinden.

Die Oase Djofra bildet gegenwärtig ein vom Mutassarifiat Fesan abhängiges Kaimakamlik. Der Kaimakam aber wird nicht vom Mutassarif ernannt, sondern, wie das jetzt in allen türkischen Vilayaten der Fall ist, direct vom Vali oder Generalgouverneur der Provinz. Der Regierungssitz ist Sokna.

Die Oase hat eine längliche Gestalt, derart, dass der grösste Durchmesser von Westen nach Osten verläuft. Bei einem Flächeninhalt von circa 2000 qkm, also um ein Geringes grösser als das Herzogthum Sachsen-Koburg-Gotha, kann man aber nur sagen, dass der zwanzigste Theil des Ganzen cultivirbares Land ist. Zwar wird sie wie kaum eine andere Oase von zahlreichen Uidian durchzogen, und entfaltet, zumal in der Frühjahrszeit, einen üppigen Pflanzenwuchs, indess kann doch von Anpflanzungen oder Ackerbau keine Rede sein. Die Umgegend von Hon ausgenommen, in welcher verschiedene Uidian die sogenannten Gerara bilden, wo von den Honensern in manchen Jahren geackert wird, findet sich in allen Theilen viel zu viel Geröll und Gestein, um Sämereien aufnehmen zu können.

Die Oase hat im Norden die Machrik-Berge sowie die von Hon und Uadan. Die erstern und letztern biegen sich nach Westen und Osten um und helfen somit hier die natürliche Grenze ziehen, während diese im Süden durch die Djebel Ssoda gegeben ist. Von den zahlreichen Uidian sollen nur das Uadi Machrich, Miuter Garar, Sofedjilla und Missifer genannt werden; sie vereinigen sich, nachdem sie an verschiedenen Stellen das Hon- und Uadan-Gebirge durchbrochen haben, mit dem Missifer, welcher östlich vom Uadan-Gebirge herauskommt und geben in Nordostrichtung durch das Uadi es Scheffar zum Mittelmeer. Es kommt wol äusserst selten vor, dass die Wasser oberirdisch das Meer erreichen, aber es kommt vor, und die Wasserspuren, welche man in allen Uidian von Djofra aufs deutlichste sehen und nachweisen kann, bezeugen, dass auch hier manchmal Wasser unaufhaltsam sich fortbewegt.

Diofra, 250-300 m über dem Ocean, hat einen sandigen, mit Kalkpartikelchen durchmischten Boden. Die nächsten umliegenden Berge sind durchschnittlich 200 m[41] höher. Fast mitten durch die Oase zieht sich beinahe in nordsüdlicher Richtung eine Kette, welche mit dem auf der Wasserscheide zwischen dem Tar-Gebirge und Djofra gelegenen Hamora anfängt und mit der Djebel Afia oder auch mit der Garat Lochmani endet. In der Mitte heisst diese Kette Filgi. Der Grund aller Berge besteht aus Sandstein und Kalk, aber auf der Djebel Ssoda sowol wie auf den andern Bergen gibt es Ueberzüge, Rinden, welche manchmal aus einer Kruste von Brauneisenstein bestehen, manchmal wie ein Lavaüberguss aussehen. Denham scheint sich ganz entschieden für die basaltische Natur der obern Schicht der Djebel Ssoda auszusprechen; auf S. 20 seines in deutscher Uebersetzung erschienenen Werks sagt er: "Grosse Massen von tafelförmigem Basalt und unregelmässige Abhänge, die dieser Formation eigen sind, findet man zerstreut in diesen Hügeln und auf der ganzen sie umgebenden Ebene. Die höchsten Höhen sind die, welche die ununterbrochensten Seiten von tafelförmigem Basalt haben u. s.w. Die untere Schicht dieser Hügel ist ohne Ausnahme Kalkstein, mit einem röthlichen Thon vermischt. Hügel von demselben stossen nahe an die basaltischen: einige sind mit Basaltstücken von verschiedener Grösse bedeckt u. s. w. Andere Hügel von Kalkstein findet man wieder, ohne dass irgendetwas Basalt daran vorkommt."

Auf dem Filgi fand ich oben eine mächtige Feuersteinschicht, auf der Djebel Ssoda ebenfalls eine Versteinerungsschicht, und Stecker eine solche mit zahlreichen Orbitolithen in der Djebel Ferdjan. Hornemann hält den Harudj Assod, welcher mit der Djebel Ssoda ein und dasselbe Gebirge bildet, für Kalkstein und Basalt. Djebel Ssoda ist nach Duveyrier[42] ein vulkanisches Massiv gleich dem Harudj, isolirt wie dieser inmitten einer Kalkhammada. Aber Harudj und Djebel Ssoda sind ein und dasselbe Gebirge, nur mit verschiedenen Namen, wie das auch Hornemann schon ausspricht. Nachtigal führt Kalk-, Basalt- und Sandsteine an.

Man trifft wol schon bei 5 m Tiefe in der ganzen Oase auf Wasser, die Brunnen in den Städten und Gärten haben es meistens schon bei 3,50 m. Das Wasser findet sich gleich unter einer Kalksteinschicht, welche durchbrochen werden muss.

Da die Brunnen in Djofra nie versiegen, da an einen Abfluss aus dem eigentlichen Centralafrika wol kaum gedacht werden kann, so muss man wol annehmen, dass das Wasser in denselben seinen Ursprung dem Regen verdankt, der doch stärker und häufiger in der Djebel Ssoda und im Harudj vorkommt, als man bislang glaubte. Denn von diesen Bergen kommen ja hauptsächlich die Rinnsale, welche die Oase mit Wasser versorgen. Und wenn auch die nächsten Berge südlich von Sokna nicht höher als 5-600 m sind, so steht nichts der Annahme entgegen, dass die Djebel Ssoda auf ihren höchsten Stellen 1000, ja l500 m erreichen. Habe ich doch selbst, als ich die Djebel Ssoda auf meiner Reise von Misda nach Mursuk kreuzte, den Chorm Ifrisch 2982 engl. Fuss hoch gefunden. Bei einer so bedeutenden Höhe ist aber ein feuchter, vom Mittelmeer durch Wolken herbeigeführter Niederschlag in viel zahlreicherm Masse möglich, als in den tiefern Ebenen. Und wenn die Gewässer auch nicht immer oberirdisch fortgeführt werden, so kann ein solcher Abfluss unterirdisch nach den Oasen hin geschehen. Dass aber auch oberirdisches Fliessen des Wassers in den Uidians öfter stattfindet, haben wir schon erwähnt. Wir würden also wol die Zone der Mittelmeerregen weiter nach Süden verlegen müssen, als es bisjetzt geschah, und ich glaube behaupten zu dürfen, dass man da, wo man noch ackert, auch noch die Regenzone annehmen muss. In Djofra wird noch geackert und zwar ohne künstliche Berieselung.

Es scheint überhaupt, dass die Aussagen der Eingeborenen, als regne es in einigen Theilen der Sahara niemals, mit Vorsicht aufzunehmen sind. Ich selbst erlebte in Fesan, also viel weiter nach Süden zu, einen sehr anhaltenden Regen, und Spuren, oft recht arge, von stattgehabten Regenschauern zeigen fast alle Wohnungen der verschiedenen Oasen.

Uebrigens participirt Djofra im allgemeinen an der Trockniss der Sahara; es hat ein durchaus trockenes Klima. Die mittlere Jahrestemperatur dürfte wol fast 30deg.C. erreichen, sodass die Oase zu den heissesten Theilen der Erde gerechnet werden muss. Indess ist hier die hohe Temperatur, wie überhaupt in der Sahara, viel leichter zu ertragen, als z. B. am Mittelmeere selbst, wo die grosse Feuchtigkeit jede Verdunstung der Haut verhindert und beim Menschen das Gefühl erweckt, als ob er sich in einem türkischen Dampfbade befinde. Innerhalb der Oase scheint das Thermometer wol nie unter Null zu fallen, während man wol mit Sicherheit annehmen kann, dass solches auf den umliegenden Bergen während der Monate December, Januar und Februar der Fall ist. Ja, es soll vorkommen, dass es selbst in Djofra schneit, wenn es anders seine Richtigkeit mit Anführung der Thatsache seitens Barth's hat, welcher im Jahre 1850 schrieb: "Ebenso haben wir Nachricht aus Fesan, dass der Schneefall in Sokna Anfang Januar so stark gewesen, dass die Leute für den Einsturz ihrer Häuser gefürchtet haben."[43] Ich konnte darüber nichts in Erfahrung bringen, im Gegentheil, die Bewohner Soknas behaupteten sogar, es regne niemals, obschon auch in unserer Wohnung, namentlich im Zimmer Dr. Stecker's, sowie in allen Uidian Spuren von stattgefundenen Regenschauern und Wasserschwemmungen sichtbar waren.

Die herrschenden Winde kommen vom Norden und zwar meistens von Nordnordwest; wenn aus entgegengesetzter Richtung, so sind in der Atmosphäre Störungen vorhanden. Die obwol zuweilen sanften Süd- oder Südostwinde treten meist mit stürmischer Heftigkeit auf oder entwickeln sich doch aus Calmen zu Orkanen. Sie haben dann stets jene eigenthümlichen, bereits erwähnten elektrischen Erscheinungen im Gefolge. Eigentliche Gewitter kommen selten vor, häufiger sollen sie in der Djebel Ssoda beobachtet werden. Die zahlreichen, am Fusse des Harudj und weiter östlich vorgefundenen Blitzröhren sprechen auch genugsam dafür, wie oft in jenen Gegenden die elektrischen Entladungen sein müssen. Sicher aber kommen in der Wüste öfter die sogenannten trockenen Gewitter vor, als die von Regen begleiteten.

Wolkenbildung, meist in Cirrus-, und Stratusform, zeigt sich morgens und abends fast immer; aber gegen 8 Uhr morgens pflegt der Himmel schon wolkenlos zu sein, wenn auch nicht von jener tiefblauen Färbung, wie in den mitteleuropäischen Zonen. Die schmuzige, bleierne Farbe bei vollkommener Wolkenlosigkeit rührt meist von Staubpartikelchen her, welche sich bei windstillen Tagen oft längere Zeit nach vorangegangenen Stürmen in der Luft schwebend erhalten. Wenn nun auch, namentlich im Sommer, selten Thaufall beobachtet wird, so zeigen doch die zahlreichen Mondhöfe, Nebenmonde und andere spiegelnde Erscheinungen am Himmel während der Nacht, dass um diese Zeit in den höhern Regionen ein grösseres Quantum von Feuchtigkeit vorhanden sein muss. Aber auf dem Wege nach Sokna und auch noch während unsers Aufenthalts daselbst beobachteten wir sowol des Abends als des Morgens die häufigen und besonders schönen Erscheinungen des Zodiakallichtes. Und vielleicht trägt etwas zur Erklärung dieses Phänomens die Wahrnehmung bei, dass je nach den verschiedenen Auf- und Untergangspunkten der Sonne, d. h. je nachdem sie z. B. weiter nach Norden im Westen unter den Horizont sinkt, das Zodiakallicht sich immer verschiebt, d. h. dasselbe geht der Sonne nach. Man dürfte demnach vielleicht annehmen, dass diese milchstrassenartige, zuckerhutförmige Erscheinung am Himmel für ihr Nach- und Vorleuchten von der Sonne abhängig ist.

Die Gesundheitsverhältnisse in Djofra sind ausgezeichnete, und ausser Augenkrankheiten scheint es in dieser Oase keine wirklich endemischen Uebel zu geben. Jene eigenthümliche, von den Engländern cyprische, von den Arabern in Tunesien und Tripolitanien Bu-Dabus[44] genannte Krankheit, welche z. B. im Herbst 1878 an allen afrikanischen Küsten des Mittelmeers und auf den Inseln desselben grassirte, hat man in Djofra nie beobachtet. Das in vielen andern Oasen so sehr gefürchtete Wechselfieber ist in Djofra so unbekannt, dass man diese Krankheit, tritt sie ja einmal auf, die "fesanische" nennt. Den sonst ebenfalls oft in den Oasen verbreiteten Kopfgrind bekamen wir in Sokna nicht zu sehen. Und selbst Augenkrankheiten, welche in allen Oasen wie überhaupt in ganz Nordafrika so ausserordentlich häufig sind, kommen hier verhältnissmässig weniger vor. Die Augenkrankheiten der Bewohner Nordafrikas haben ihre Ursachen theils in ihren schmuzigen Verhältnissen und der nicht genügenden Reinigung der Augen, welche um so nothwendiger ist, als sich die Luft häufig genug mit feinem Staub anfüllt, theils aber auch in der starken Sonneneinwirkung auf die schutzlosen Augen. Das Tragen des sogenannten Fes ohne Schirm, oder jenes weissen Käppchens, oder auch des Turbans, oder gar das Exponiren des ganz nackten Kopfes in der Sonne trägt ohne Zweifel zur Erzeugung von Augenentzündungen bei. Die Franzosen haben daher auch keinen grössern hygienischen Fehler bezüglich ihrer in Algerien stationirten Truppen begehen können, als dass sie, wenn auch nur den Zuaven und Tirailleurs indigènes, den Fes als Kopfbedeckung gaben, abgesehen von der Geschmacklosigkeit derselben. Wie ganz anders und viel vernünftiger verfahren da die Engländer, welche in den Tropen ihre Soldaten mit einem leichten, reichlich Schatten gebenden Helm bedecken.

Trotz dieser im allgemeinen so gesunden Verhältnisse in Sokna kann man keineswegs sagen, dass die Bewohner der Oase ein frisches, blühendes Aussehen hätten. Der Grund der gelben, wächsernen, pergamentartigen Farbe der Eingeborenen muss eben in den schlechten Ernährungsverhältnissen, in einer unrationellen Lebensweise, in zu früher Verheirathung und zum Theil auch wol in der mangelhaften Beschaffenheit des Trinkwassers gesucht werden. Ja, ich stehe nicht an, zu erklären, dass, falls nicht die bösen Einflüsse des letztern der beständige Aufenthalt in freier, frischester Luft paralysirte, gewiss typhöse Krankheiten und Epidemien sehr häufig sei würden. Aber weil alle Häuser offen sind - Glasfenster gibt es nirgends -, weil der Mensch selbst im Zimmer eigentlich im Freien ist, so befindet er sich bei überall unbeschränktester Circulation der Luft mit seinen Athmungswerkzeugen stets im reinsten Element. Dies und die Mässigkeit beim Essen bedingen im wesentlichen die guten gesundheitlichen Verhältnisse. Djofra besitzt inmitten der Palmenwälder das beste und süsseste Trinkwasser, aber das der Brunnen innerhalb der Ortschaften ist nicht nur brakisch, sondern wird durch das Anbringen derselben in der Nähe der Aborte noch untrinkbarer. Gewöhnlich sind aber die Bewohner viel zu faul, um ihren Bedarf aus den entfernten Brunnen zu holen; sie ziehen es vor, die in den Höfen ihrer Wohnungen oder in den Strassen befindlichen zu benutzen.

Wir befanden uns in Djofra im Frühjahr 1879 leider in zu ungünstigen Verhältnissen, um auch nur annähernd ein zutreffendes Bild von der dort vorkommenden Pflanzenwelt entwerfen zu können. Seit zwei Wintern blieb der Regen aus, während zweier Jahre hatte man in Djofra nicht geackert, und auch in den Uidian beschränkte sich der Pflanzenwuchs auf solche Gewächse, die ohne alljährlichen Regen bestehen können. Grössere Bäume, wie Mimosen, welche zwischen den Palmen in herrlichen Exemplaren wachsen und auch in den Flussbetten vorkommen, sowie Tamarisken und Sarachbäume erfreuten zwar noch immer durch ihr Grün, aber es fehlten ganz und gar jene grünen, mit buntblütigen Blümchen untersprenkelten Teppiche, welche im Frühjahr die Rinnsale so reizend machen. Und wenn man in den Flussbetten jene Bäume und Tamarisken und Seyal-Akazien im frischesten Grün sah, wenn man die Gewissheit hatte, dass sie mit ihren Wurzeln die Wasserschicht, falls überhaupt eine solche existirte, nicht erreichen konnten: dann muss man sich doch wol zu der Annahme entschliessen, dass in der Luft selbst für diese Gewächse eine hinlängliche Menge Feuchtigkeit vorhanden ist und dass sie die Fähigkeit besitzen, diese Feuchtigkeit mit ihren Blättern aufs innigste zu verbinden, um leben zu können. Denn nicht nur hier, sondern auch anderswo habe ich oft genug Bäume in der Sahara, namentlich Talha- und Ethel-Bäume gefunden, welche voll und kräftig wuchsen, die aber vielleicht seit Jahren ohne Regen zubrachten. Aber zugegeben auch, dass sie alle Jahre ein oder zwei Schauer bekämen, so ist doch die Luft so trocken, dass der Boden gleich noch am selben Tage wahrnehmbar keine Feuchtigkeit mehr enthält; die meisten müssen also doch die Fähigkeit besitzen, aus der so trockenen Luft noch Feuchtigkeit einzusaugen. Bei manchen Pflanzen scheint auch ihr Salzgehalt oder das sie bedeckende Salz zur Aufsaugung der Feuchtigkeit förderlich zu sein. Ethel-Bäume sind fast immer mit einer dicken Salzstaubschicht bedeckt. Und wenn man zugesteht, dass es Bäume gibt, welche die Feuchtigkeit aus der Luft derart anziehen, dass es unterhalb ihres Laubdaches durch Wiedervonsichgeben derselben zum Regen kommen kann, so findet die Behauptung, verschiedene Pflanzen in der Sahara vermöchten ohne Regen und ohne Bodenfeuchtigkeit zu bestehen, wol keine Gegner mehr. Im nördlichen Peru[45], in den Wäldern bei Mopobamba, existirt ein Baum, von Professor Ernst in Caracas Pitecolobium Samam genannt, welcher die Feuchtigkeit der Luft mit solcher ausserordentlichen Kraft an sich zieht, dass man das Wasser vom Stamme herabrieseln und wie Regen von seinen Zweigen herunterfallen sieht, sodass in der Umgebung ein förmlicher Sumpf entsteht.

Wenn es aber noch eines Beweises bedürfte, um die Behauptung zu stützen, es gäbe Pflanzen, welche ohne Regen und Bodenfeuchtigkeit existiren könnten, so braucht man ja nur auf die zahllosen Thiere in der Sahara hinzudeuten, welche, ohne je mit Wasser in Berührung zu kommen, jahrelang zu leben im Stande sind.

Palmen bilden in Djofra natürlich einen Hauptbestand unter den Pflanzen, ja, den vornehmsten, wie in den meisten Oasen. Alle Reisenden loben die vorzüglichen Früchte, aber das Lob geht doch nur von solchen aus, welche keine andern Datteln vorher kennen lernten. Es gibt nur ungefähr dreissig verschiedene Sorten in Djofra, und diese Armuth erklärt sich daraus, dass man auf die Production einer guten Mittelsorte, welche gross und süss ist, hauptsächlich Gewicht legt. In Fesan kommen schon feinere Sorten vor. Je weiter aber nach Westen, desto edler werden die Datteln, bis sie im Uadi Draa den höchsten Grad von Vollkommenheit erreichen.

Das nach Schweinfürth allerdings zweifelhafte Vorkommen der wilden Dattelpalme in den östlichen Oasen der Sahara, namentlich in den Syrten-Oasen, in Kufra und Fesan, erhält durch jene Thatsache Bestätigung. Denn da in den westlichen Oasen, wie ich aus eigener Anschauung bezeugen kann, die Palme wild nicht vorkommt, sondern durch die Menschen erst importirt wurde, so nahm man hierzu natürlich nur die besten Sorten, und durch beständige Veredelung hat man immer bessere Früchte erzielt.

Die wilden Palmen, welche hauptsächlich in den Oasen südlich vom Syrtenufer, also in Abu Naim, Marade, Djibbena, sodann in Audjila und Kufra vorkommen, zeigen eine bedeutende Neigung zum Verbuschen, d. h. zu einer Verästelung vom Erdboden an. In Kufra überwiegen die Büsche bei weitem die Palmen. Diese Tendenz ist so gross, dass selbst einzelne Setzlinge sich nicht abhalten lassen, sich gleich ihren Nachbarn zu verästeln. Die wilden Palmen haben viel kürzere Blätter (Djerid), dünnere Stengel und feinere Befiederung. Djofra hat keine wilden Palmen. Die Zahl der zahmen beläuft sich, wie man mir sagte, auf 5000, dürfte aber viel bedeutender sein, vielleicht das Dreifache betragen, da die Bewohner wegen der Besteuerung der Palmen die Zahl derselben so gering wie möglich angeben. Man wird kaum weit von der Wahrheit abgeben, wenn man die von der Behörde oder den Besitzern angegebene Zahl immer dreimal zu klein annimmt.

Die übrigen Fruchtbäume kommen kaum in Betracht. Wein, Mandeln, Oliven, Quitten, Granaten, Feigen, Aprikosen, Pfirsiche und einige Aepfelbäume, welche letztern nussgrosse Früchte hervorbringen, bilden den Bestand, und von Gemüsen zieht man die in den andern Oasen vorkommenden, hauptsächlich Rüben, Eierfrüchte, Tomaten, Zwiebeln, Kohl, Knoblauch, Wassermelonen, Kürbisse, süsse Melonen, Sauerampfer. Blumen, selbst Rosen und Jasmin, die man doch sonst mit Vorliebe in den nördlichen Oasen pflegt, fehlen hier. An Getreide bauen die Bewohner Reis, Weizen, Gerste und Negerhirse in den Gärten; aber, wie schon hervorgehoben, in regenreichen Jahren bringen wenigstens die Honenser auch Getreide in die mittels des Pflugs bearbeitete Erde.

Das Einpflanzen und Einsäen aber der obenerwähnten Pflanzen findet auf kleinen, etwa 1 qm grossen, von hohen Erdrändern umgebenen Beeten statt, die man regelmässig aus Brunnen bewässert, denn eine Quelle ist in ganz Djofra nicht vorhanden. Als besonders bemerkenswerth muss man hervorheben, dass alle diese Gartenfelderchen ganz unkrautfrei waren, und selbst längs der Wasserrinnen nur Malven und Queckengras sich fanden. Da die botanischen Resultate in einem besondern Kapitel von Professor Ascherson, dem bewährten Kenner afrikanischer Flora, zusammengestellt werden, wie er denn auch mit Bereitwilligkeit die Bestimmung der gesammelten Pflanzen übernommen hat, so brauchen wir hier nicht länger dabei zu verweilen.

Hervorgehoben soll nur noch werden, dass die Bearbeitung der Gärten ganz in derselben Weise und mit derselben kurzstieligen eisernen Hacke erfolgt, wie in den übrigen Oasen, und dass man grosse Sorgfalt auf die Düngung des Bodens verwendet. Zu dem Ende werden Küchenabfälle, Strassenkehricht, Dünger u. s. w. gesammelt und in Körben auf Eseln nach den Gärten geschafft. Nach Unterbringung des Düngers geschieht dann gleich die Berieselung der Felder, aber nicht auf einmal, sondern eines Feldes nach dem andern, sodass zu diesem Geschäft immer zwei Arbeiter nothwendig sind und ausserdem noch ein Ochs oder Esel, die das Heraufziehen des Wasserschlauches besorgen.

Die Gärten sind alle musterhaft gehalten, sämmtlich von mannshohen Mauern aus Stein umfriedigt, und fast alle haben ihre eigenen Brunnen; in vielen stehen auch Landhäuser, von denen einige den Namen einer Villa führen könnten. Die Pflege der Gärten, das Ueberwachen des Aufziehens des Wassers, das Umarbeiten des Bodens, das Ernten ist fast ausschliesslich Sache zahlreicher Sklaven, oder auch in den Händen von Fesasna, welche in Menge ihre zu stark bevölkerte Oase Fesan verlassen, um sich anderswo kärglichen Lohn zu verdienen. Eine Zeit lang im Jahre verbringen die Städtebewohner auch in ihren Gärten.

An Hausthieren hat man in Djofra einige Pferde, dann Esel, Rinder (diese werden fast nur zum Wasseraufziehen benutzt), Schafe[46] (Fettschwänze), Ziegen, Katzen, Hunde, und zwar Slugi und Araberspitze, ferner Hühner und Tauben. Von wilden Thieren ist vor allen zu nennen die Uadan-Antilope, welche vom Gebirge Uadan den Namen erhielt, aber heute viel zahlreicher in der Djebel Ssoda und im Harudj vorkommt als in den Uadan-Bergen. Sodann die Gazelle. Das Fleisch der Uadan-Antilope ist vorzüglich, wird aber an Schmackhaftigkeit noch von dem der Gazelle übertroffen. Reissende grosse Thiere scheinen nicht da zu sein, nicht einmal Hyänen und Schakale. Der Fenneg ist wol das grösste reissende Säugethier. Ratten, Mäuse und Springratten sind häufig. Kaninchen und Hasen kommen stellenweise in den Uidian vor. Raben, Falken, Bachstelzen, Schwalben halten sich fast während des ganzen Jahres in der Oase auf, während Sperlinge fehlen. Wald- und Turteltauben kommen von Norden, sobald das Getreide und die Datteln reifen, später kehren sie zurück.

Zur Zeit des Frühjahrs und Herbstes wird Djofra auf kurze Zeit als Station für eine Menge von Zugvögeln benutzt.

Unter den Thieren niederer Ordnung ist die grosse Dubechse eins der interessantesten, das Fleisch derselben gilt als eine Delicatesse und schmeckt wie Aal. Sie werden bis 0,50 m lang und sind vollkommen Krokodile en miniature, meist von grauer, ins Schwärzliche, spielender Farbe. Einige Exemplare, die wir während ihres Winterschlafs in einem Kasten nach Berlin schickten, sind lebendig angekommen. Die fünf Finger der Hinter- und Vorderbeine sind mit tüchtigen Krallen bewaffnet, und der mit aufrechtstehenden scharfen Stacheln beschuppte Schwanz wird zum Schlagen gebraucht. Ausserdem fauchen sie aus ihrem gut bewaffneten Maul, sobald man sich nähert. Für kleinere Geschöpfe sind sie also gefährliche Thiere, zumal sie ziemlich schnell laufen können. Die Dubechse ist auch insofern interessant, als sie, obwol ziemlich gross, doch ohne Wasser existirt, denn wenn sie auch von Mäusen, Heuschrecken, Chamäleonen u. dgl. lebt, also mit dieser Nahrung eine gewisse Quantität Feuchtigkeit zu sich nimmt, so hält sie sich doch in von Gärten entfernten Gegenden, meist zwischen den unzugänglichen Felspartien auf, wo sie höchstens auf dann und wann eintretende Regengüsse angewiesen ist.

Schlangen, auch die Hornviper, kleinere Eidechsen, Chamäleone, Käfer, Fliegen, Mücken, Wespen (Honigbienen gibt es nicht) und zahlreiche interessante Spinnen - alles Thiere, welche lange Zeit Wasser entbehren können - bilden den übrigen Thierbestand.

Die Bewohner der Oase zerfallen in Araber und Berher, welche zum Theil eine Vermischung eingegangen sind. Die Gesammtzahl derselben durfte etwa auf 6000 Seelen zu veranschlagen sein. Ausser den beiden herrschenden Stämmen, den Arabern und Berbern, müssen bei den erstern sodann noch die Schürfa (Pl. von Scherif, d. h. Abkömmling Mohammed's) in Betracht kommen, während die Fesasna ein vorübergehendes Element bilden und die zahlreichen Schwarzen sich aus allen Ländern von Nordcentralafrika rekrutiren.

Den vornehmsten Rang in der Bevölkerung nehmen die Schürfa ein, welche ausschliesslich in Uadan wohnen. Sie wollen angeblich von Uesan aus Marokko hergewandert sein, wie denn überhaupt in ganz Nordafrika jeder, je weiter er from far west kommt, desto vornehmer ist. Wer von der Seggiat el homra sein Herkommen herleitet, oder wer unter den Schürfa der Menge weismachen kann, er stamme von Muley Edris, oder Muley Ali Scherif, oder vom Muley Thaib von Uesan ab, gilt in den Augen der Menge für viel vornehmer und heiliger, als wenn er direct von Mekka käme.

Den zweiten Rang an Vornehmheit in der Bevölkerung nehmen thatsächlich die Berber ein, welche ausschliesslich in Sokna wohnen. Freilich in ihren eigenen Augen sind die Araber die vornehmsten; wie sollten sie es auch nicht glauben, da ja Mohammed, der Gesandte Gottes, an mehr als einer Stelle im Koran sagt: Ihr seid das auserwählte Volk, gerade so wie Moses dies den Juden sagte, wie Victor Hugo und andere Franzosen es ihren Landsleuten sagen. Aber die Türken, welche auch nicht zum auserwählten Volke gehören, erkennen doch in Djofra den Vorrang der Berber insofern an, als sie den Regierungssitz in die Stadt derselben verlegten. Berber und Araber[47] gehören verschiedenen Stämmen an. Ein Unterschied zwischen ihnen in Körperbau, Gesichtszügen, Augen und Haaren ist nicht nachzuweisen. Die Bewohner von Djofra sind mittlerer Statur, haben gelbliche, oft bronzene Hautfarbe, schwarzes, meist krauses Haar, das jedoch nicht so kurz und wollig ist wie bei den Negern. Die durchweg schwarzen Augen sind nicht übermässig gross, aber auch nicht so klein und stechend wie bei den Siuahnern. Messungen anzustellen war bei dem fanatischen Charakter der Bewohner nicht möglich. Die Gesichtszüge im ganzen sind aber weit entfernt davon, schön zu sein, obschon eine grosse Verschiedenheit der Gesichtszüge dargethan werden konnte. Dies wird natürlich bedingt durch die in Djofra stattfindende beständige Vermischung.

So findet man denn auch ebenso viele Adlernasen wie plattgedrückte, ebenso viele wulstige Lippen wie feine, und das ohne Unterschied bei der halben Bevölkerung. Es gibt viele freigelassene Neger, mit denen die freie Bevölkerung Heirathen eingeht, wodurch freilich die Rasse nicht verschönert wird. Magerkeit ist bei den Einwohnern vorherrschend - in ganz Djofra sah ich keinen dickleibigen Menschen - und auffallend klein sind Hände und Füsse. Letzteres ist wahrscheinlich Resultat der Arbeitslosigkeit und des wenigen Gehens.

Heirathen werden früh abgeschlossen und jeder Mann ist verheirathet oder doch einmal verheirathet gewesen. Männer sind in grösserer Zahl[48] vorhanden als Frauen. Dass aber trotzdem jeder heirathen kann, erklärt sich aus der Zufuhr weiblicher Sklaven, aus dem Hereinziehen von Frauen aus andern Berber- und Araberstämmen sowie aus der Einwanderung fesasnischer Frauen. Die eheliche Verbindung erfordert nicht viel. Der reiche Mann muss seiner Zukünftigen zehn Anzüge geben (d. h. ein Hemd, Umschlagtuch und Jacke, alles das wird, jedes für sich, Anzug genannt), darunter ein Stück Seide. Das Ganze muss ungefähr den Werth von 200-300 Piaster[49] haben. Man findet aber, trotzdem jeder Mann heirathet, alte Jungfern oder wenigstens unverheirathet gebliebene Frauenzimmer. Gross aber ist die Zahl der verabschiedeten Frauen, Nadjela enannt, was sich aus dem abscheulichen Religionsgesetz zur Genüge erklärt. Denn unter dem nichtigsten Vorwande kann sich ja jeder Muselman von seiner Frau scheiden lassen oder, wie man sagt, er kann "sie verstossen". Vielweiberei kommt wegen zu grosser Armuth der Bewohner fast gar nicht vor. Die Frauen sind wie die aller nordafrikanischen Völker bedeutend kleiner an Statur als die Männer. Da von allzu grosser Scheu bei ihnen keine Rede ist, hatte ich oft genug Gelegenheit, sie betrachten zu können. Alte Weiber, Frauen, Jungfrauen und Mädchen im zartesten Alter - alle sind hässlich, übelriechend und abstossend wie die Negerinnen.

Die Tracht der Bewohner ist ganz ohne Unterschied bei Arabern und Berbern die der Nordafrikaner, nur herrscht das dunkelblaue Gewand der Sudaner bei den Frauen schon vor. Tätowirungen sind selten, aber jeder Erwachsene hat am kleinen Finger der Rechten einen Ring von Silber, die Armen einen solchen von Messing. Oft sind in den Ringen werthlose Steine, welchen verschiedene Eigenschaften innewohnen sollen, z. B. sie schützen gegen bösen Blick, gegen Gift oder andere gefährliche Dinge. Bei keinem fehlen Amulete in kleinen rothen Ledersäckchen, welche auf der Brust, an den Armen, auf dem Kopfe, ja überall am Kopfe getragen werden. Sie sind äusserst erpicht darauf und scheuen sich auch gar nicht, dergleichen von Christen anzunehmen, ja häufig genug sollte ich Leuten aus der Oase solche Amulete schreiben. Alle tragen Schuhe und die Reichen im Winter sogar Strümpfe, die sie selbst stricken. Viele von den Männern bedienen sich der Hosen, welche nicht so weit wie die türkischen Pumphosen und nicht so eng wie die fränkischen sind. Die Frauen führen Halsbänder aus Bernstein- oder Glasperlen, grosse Ohrringe von 6 cm Durchmesser, aus Silber oder Kupfer, und Fussknöchelringe aus verschiedenem Metall. Alle färben sich die Augenlider mit Kohöl (Antimon) und Frauen und Mädchen die Nägel und oft auch die ganzen Hände mit Henneh.

Ueber Charakter und seelische Zustände dieser Völker ist es für einen Nicht-Mohammedaner, wenn er ihre Sprache auch noch so gut spricht, äusserst schwer, sich einen richtigen Begriff zu bilden. Denn die meisten halbcivilisirten Völker und namentlich die, welche dem Islam huldigen, verstellen sich Fremden und besonders Andersgläubigen gegenüber mehr, als der Betreffende denkt. Mit der grössten Vorsicht sind daher Berichte von Reisenden in dieser Beziebung aufzunehmen, denn - erst nach langem Verweilen unter einem Volke, und nachdem man die verschiedenartigsten Individuen kennen gelernt, die verschiedensten Verhältnisse mit ihnen durchlebt hat, gelingt es, sich eine einigermassen richtige Vorstellung zu verschaffen. Diese Völker - wir sollten ja später über sie so traurige Erfahrungen machen - üben freilich auch untereinander Wahrheit, Aufrichtigkeit, Treue und Ehrlichkeit, aber nur dann, wenn sie diesen Tugenden durchaus nicht aus dem Wege gehen können. Das ist übrigens bei allen Völkern der Fall, deren ganzes Leben sich vorzugsweise auf religiöse Formalitäten stützt, welche zur Heuchelei, zur Scheinheiligkeit, zur Augendienerei Veranlassung geben. Nichts corrumpirt die Völker mehr als lediglich äusserliche Religionsübungen. Nicht umsonst hat Jesus Christus gesagt: "Wenn du beten willst, gehe in dein Kämmerlein", nicht umsonst eiferte Jesus gegen die Heilighaltung eines solchen Sabbats, welcher das Brechen einer Aehre und die Heilung eines Kranken ausschloss. Immer und immer tritt aber die Tendenz der Geistlichkeit wieder hervor, durch äussern Formendienst die Menschheit in ihre Bande zu legen, und bei den Mohammedanern ist dies um so schlimmer, als nicht nur die Geistlichkeit eine Controle ausübt, sondern das ganze Leben und Weben sich nur um Glauben und Geld dreht und einer den andern hinsichtlich seiner religiösen Pflichten und Exercitien beaufsichtigt.

Es ist für Abdallah eine höchst wichtige Sache, ob sein Nachbar Mohammed schon sein Nachmittagsgebet verrichtete, ob er dies zu Hause, in der Moschee, oder - was eigentlich am besten ist, denn man lässt ja so gern seine Frömmigkeit sehen - auf öffentlicher Strasse that- Ben Daud muss durchaus erfahren, ob der Hadj Ali seine Abluition in der Moschee, oder ob er sie vielleicht im Hause vornahm oder gar, ob er sie blos mit Sand vollzog.

Streitsüchtig scheinen die Bewohner nicht zu sein, trotz des eingangs erwähnten Vorfalls zwischen Honensern und Soknensern. Auch lebhaft sind sie nicht, sondern eher indolent, selbst Fanatismus im Sinne Marokkos oder der Snussi, ist unbekannt, obschon diese es an nichts fehlen lassen, um ihre Anhänger intolerant zu machen; auch den religiösen Pflichten kommen sie nur lässig nach. Die Trägheit, welche sie zur Schau tragen, ist aber Folge ihrer wirthschaftlichen Verhältnisse, weil die grosse Zahl der Sklaven den eigentlichen Bewohnern jede Arbeit abnimmt. Gastfreundschaft kennt man, aber bei weitem nicht so wie im Westen von Afrika.

Die Bewohnerschaft ist eigentlich so recht eine gartenbautreibende, denn der geringe Handel kommt kaum in Betracht, und auch die Kamelzucht der Honenser und Araber von Sokna tritt weit zurück hinter der Palmen- und Ackerbauwirthschaft. Der Hang zum Reisen, wie bei den Bewohnern von Rhat, Rhadames, Djalo und Mursuk, ist auch nicht ausgeprägt, sie hängen an der Scholle und sind mit dem zufrieden, was sie aus ihrem Grund und Boden herausschlagen. Im allgemeinen herrscht eine solide Wohlhabenheit, wie bei allen jenen Völkern, deren Erwerb vorzugsweise auf den Boden gegründet ist; daher ist grosser Reichthum und grosse Armuth unbekannt. Und kämen nicht die vielen willkürlichen und vexatorischen Steuererhebungen, Abgaben und andere Erpressungen vor, so würden sie auch über Abgabendruck nicht klagen können, denn im ganzen hat die Oase 100000 Piaster zu zahlen, wovon auf Sokna 33000, auf Hon 28500, auf Uadan nur 7490 Piaster fallen. Dazu kommt dann noch eine freiwillige Gabe von 25000 Piaster, welche die Schürfa von Uadan entrichten. Kessir als Ort zahlt keine Abgabe und die sich dort aufhaltenden Fesasna ebenfalls nicht.

Zum Militärdienst wird niemand herangezogen, wie denn überhaupt in ganz Tripolitanien bisjetzt gar keine Bestimmung darüber besteht, wer dienen muss und wer nicht. Man nimmt eben die Soldaten einfach da, wo man sie findet; man presst sie, man wirbt an durch ein kleines Handgeld, aber von einer regelmässigen Aushebung war noch nie die Rede. Tripolitanien ist eben eine Provinz, um die man sich in Konstantinopel gar nicht kümmert, jeder Gouverneur thut, was ihm beliebt. Daher haben auch die allgemeinen Gesetze für das Ottomanische Reich äusserst selten Anwendung in dieser Provinz. Von einer Beschickung des Parlaments in Konstantinopel hat man z. B. in Tripolitanien seinerzeit nie etwas gehört. Was sollte da auch wol ein Bewohner Fesans machen, oder ein Beduine aus der Syrte? Der blosse Gedanke reizt das Zwerchfell.

Einen gemeinsamen Verband aus sich heraus bilden die Bewohner nicht; niemand betrachtet die Oase als sein Vaterland, noch weniger Tripolitanien und am allerwenigsten das ganze Reich der Osmanli. Jeder kennt nur seinen Ort. Vaterlandsliebe hat kein Mohammedaner; specifische Religion ist überhaupt Feindin der Vaterlandsliebe, die Mohammedanische wie die römische machen es sich speciell zur Aufgabe, die Vaterlandsliebe zu unterdrücken. Ein Einwohner aus Sokna würde nie begreifen können, weshalb er sich für Tripolitanien erwärmen sollte, ebenso wenig macht sich ein Tripolitaner einen Begriff von der Existenz des türkischen Reichs. Er weiss wohl, dass der Sultan der Beherrscher der Gläubigen ist, aber diesem Reiche der Gläubigen steht nur das Reich der ungläubigen Christen und das der Ungläubigen überhaupt gegenüber. Natürlich hat die Türkei nie etwas gethan, um ein eigentliches Vaterlandsgefähl in ihren Unterthanen zu erwecken. Der Sultan selbst kennt auch heute nur noch seine gläubigen Unterthanen und die von den Christenkönigen regierten "Provinzen" der Christen. Ich weiss wohl, dass es jetzt an der Spitze der Regierung in Konstantinopel Männer gibt, welche die geistige und materielle Ueberlegenheit der christlichen Mächte und Völker anerkennen, aber die Dummheit, als Schwester religiösen Hochmuths, ist so gross und schlug so tiefe Wurzeln bei diesen religiösen Fanatikern, dass ich behaupte, der Sultan selbst und die Mehrzahl des türkischen Volks glaubt heute noch, an die eigene Ueberlegenheit.

Die Oasenbewobner haben den malekitischen Ritus, zu welchem sich, mit Ausnahme der hanefitischen Türken, alle Afrikaner[50] bekennen. Von religiösen Orden gibt es in der Oase den der Snussi und den des Mulei Abd es Ssalem. Ueber die Snussi wird später noch ausführlicher die Rede sein. Die Anhänger der Sauya Mulei Abd es Ssalem sind nicht fanatisch, sondern beschäftigen sich mit Unterrichtgeben und Vorbeten. Der Unterricht in den Schulen besteht übrigens in nichts anderm als in Buchstabenmalen und Buchstabirenlernen. Wenn einer einige Kapitel aus dem Koran auswendig herplappern kann, gilt er schon für einen Gelehrten, kann er aber den ganzen Koran auswendig, dann rechnet man ihn zu den Professoren.

Wenden wir uns nun den einzelnen Orten zu, so beginnen wir mit Sokna, welches als Regierungssitz die Hauptstadt genannt werden kann. Der Kaimakam residirt in einem grossen, aber halb in Ruinen liegenden Castell, wo sogar noch als Symbol der Macht eine alte verrostete Kanone zu sehen ist. Zur Aufrechterhaltung seiner Autorität dienen ihm vier Saptieh. In den übrigen Orten, welche von ihren Midjeles, an deren Spitze ein Schich steht, regiert werden, ist eine polizeiliche Macht nicht vorhanden. Der Ort hat circa 1500 Einwohner[51], ist von länglicher Gestalt, ummauert und besitzt äusserst reinliche Strassen und nett aussehende, meist mit einem Stockwerk versehene Gebäude. Das Castell, einige Minarets, welche über den Mauern hervorragen, geben der Stadt ein monumentales Aussehen. Alle Strassen haben Namen, die Hauptstrasse heisst Sokna Habaret.

Sokna ist nicht blos Hauptstadt als Regierungssitz, sondern auch deswegen, weil daselbst und an keinem andern Orte der Oase einige Verkaufsläden vorhanden sind und ein täglicher Dellöl[52] stattfindet. Die vier Moscheen heissen Djemma el Mulei Abd es Ssalem, Djemma djedida, Djemma el Kebira, in welcher Freitags das Chotba-Gebet gelesen wird, Djemma el Fokara, welche den Snussi gehört.

Der Handel ist nicht bedeutend, indess kann man doch Kaffee, Zucker, einige Gewürze, Kattunstoffe, wollene Tücher, rothe, gelbe und gestickte Schuhe, Seife, Netzen, Zündhölzchen (österreichisches Fabrikat), Pulver, Kugeln, eiserne Hacken, hölzerne Schüsseln und andere Kleinigkeiten bekommen. Die kleinen Buden liegen nebeneinander in einer Strasse, zu ebener Erde, sind kaum 2 m im Geviert gross, und inmitten seines Krimskrams sitzt der Eigenthümer, der zugleich noch mit allen andern Gegenständen handelt und statt des Geldes natürlich auch jedes andere Ding, namentlich Lebensmittel, tauschend entgegennimmt.

Die Bewohner sind, wie schon gesagt, der Mehrzahl nach Berber, sie reden unter sich nur ihre Sprache, haben aber eine Menge arabischer Ausdrücke aufgenommen. Das soknensische Berberisch scheint das unvollkommenste und ärmste von allen zu sein. Der mündliche Austausch mit andern Berbern fehlt fast gänzlich, und es wäre nicht unmöglich, dass das Soknensische aussterbe, wenn die Aeltern nicht Vorsorge träfen, dass alle ihre Kinder die Sokna-Sprache erlernten. Aber jeder versteht doch Arabisch, was z. B. in Rhadames und Siuah nicht der Fall ist. Die Araber wohnen in einem besondern Stadttheil.

Während im Anfang unsers Aufenthalts die ganze Bevölkerung äusserst zurückhaltend, sogar traurig war wegen des Kriegs, wegen der Strafgelder, wegen der vielen Verwundeten, gestaltete sich das Verhältniss später besser, und wir hatten oft Gelegenheit, die Jugend vor den Thoren Kriegsspiele, Ball und eine Art Darabret spielen zu sehen. Der Gesang der Soknenser ist äusserst einförmig, sie haben nur eine Melodie, welche sie zu allen Worten singen. Mit dieser Melodie[53] gehen frühmorgens die Arbeiter zu den Gärten, mit derselben ruft der Mudhen ins Gebet, und mit derselben durchziehen sie singend die Strassen. Das ist ihr Nationallied.

Als höchst eigenthümlich möchte ich aus der soknensischen Sprache[54] einige Zahlenbezeichnugen hervorheben. So heisst z. B. 50 i fessen - tischka- didjdem - nfus, d. h vier Hände, vier Füsse und zwei Hände. Nämlich die Finger und Zehen derselben. Es gibt jedoch auch einen einfachem Ausdruck, der dem allgemeinen Tamersirht oder Masigh (Berbersprache) entsprechen dürfte, nämlich asigintmed. Die Zahl 1000 heisst neben dem arabischen "Elf" auch Abu-Mursuk, und zwar wol deshalb, weil die Soknenser zur Zeit, als Mursuk noch Residenz war, in dieser Stadt, in diesem Worte den Mittelpunkt aller Grossartigkeit und Vielheit sahen. Etwa so wie in Frankreich der Bewohner der Provinz, wenn er etwas ganz Ausserordentliches oder Ueberwältigendes vergleichsweise nennen will, sagt: "C'est tout-à-fait Paris, c'est Paris!"

Gewöhnlich indess bedienen sich die soknensischen Berber der arabischen Zahlen. Ebenso haben sie auch keine eigenen Benennungen für die Monate. Die Armuth speciell dieses Berberdialekts offenbart sich noch dadurch, dass sie für die übrigen Völker und Nationen keine besondern Benennungen haben - die sudanische Bevölkerung wird z. B. bei ihnen mit dem einen Namen "tamur-n-ilalen", alle europäischen Nationen mit dem einen Namen "tamur-t-imatar" bezeichnet, d. h. die "guten Leute", wie mir mein Gewährsmann sagte. Ich bin aber eher geneigt, zu glauben, dass sie uns "tamur-t-ingihiattar", d. h. die "bösen Leute" nennen. Die soknensischen Berber wollen auch von Marokko hergekommen sein. Da aber ihre Sprache oder vielmehr ihr Idiom mehr Aehnlichkeit hat mit dem von Audjila und Siuab, als mit dem Rhadamesischen und Targischen, so dürfte das sehr zweifelhaft sein.

Die zweite und an Einwohnern stärkste Stadt ist Hon, östlich von Sokna in circa 10 km Entfernung gelegen, mit rein arabischer Bevölkerung und von einer blendend weissen, gut unterhaltenen Mauer umgeben - mit mehrern Moscheen, in deren einer Freitags Chotba gelesen wird.

Im übrigen lässt sich von Hon mit seinen circa 2000 Einwohnern nichts Bemerkenswerthes sagen.

Uadan, die heilige und geschichtliche Stadt, liegt ausserordentlich malerisch: ein Theil derselben um einen Bergkegel, der andere, sich daran lehnend, in der Ebene. Inmitten von Palmen gebettet, wird das hübsche Bild im Hintergrund nach Osten zu von den Schwarzen Uadan-Bergen umrahmt. Uadan hat nur eine Moschee. Als ich auf diesen für eine heilige Stadt sonderbaren Umstand den uns begleitenden Schich-Scherif aufmerksam machte, erwidierte er stolz: "In Mekka ist auch nur ein Tempel, und die Beni Israel in Bit el Chuds[55] hatten auch nur einen Tempel!" Dagegen konnte ich nichts erwidern.

[39] Plinius, V, 6.

[40] Siehe auch "Zeitschrift für Erdkunde", 1889, S. 139: Die Oase Djofra.

[41] Sokna selbst 268 m, Djebel Filgi 453 m, Hon 212 m, Uadan 210 m, Garat Tschausch 420 m, Djebel Ferdjan 301 m, Ain Hammam 332 m.

[42] Duveyrier, S. 79.

[43] Petermann's "Mittheilungen", 1855, S. 250 in der Fussnote.

[44] Der Name Bu-Dabus - so sprechen Europäer und Araber ihn aus - kommt vom arabischen Wort "Dharba, Schlag" her. Bu-Dharba also: Vater des Schlags. Schlag ist ja in dem Sinne einer Ohnmacht auch bei uns gebräuchlich.

[45] "Ausland", 1880, S. 19.

[46] Die Schafe haben in Djofra noch Wolle, während sie diese in den südlichen Oasen verlieren oder gegen das kühlere Haar vertauschen.

[47] Das Verzeichniss der Stämme ist leider mit zerstört worden.

[48] Auch hier fehlen mir leider die Zahlenangaben.

[49] 1 Piaster hat 19 Pfennige Werth.

[50] Mit Ausnahme der Sansibaren, welche, irre ich nicht, Hanbalisten sind.

[51] Vogel gibt für Sokna 2500, Lyon 2000, Denham über 3000 und Nachtigal gegen 3000 Seelen an.

[52] Auction.

[53] c d es, d c es, d c es, d c e-s, c d es, c d es, c d es.

[54] Meine completen Vocabularien und eine Grammatik sind leider verloren gegangen.

[55] Jerusalem.


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