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ACHTES KAPITEL. VON SOKNA NACH AUDJILA.

Mishelligkeiten mit dem Mutassarif Ali Bei. - Versöhnung. - Lagerung im Uadi Missifer. - Die kaiserlichen Geschenke noch immer nicht da. - Aufbruch. - Von nun an noch nie betretenes Gebiet. - Ankunft in Sella. - Die Uled Chris. - Die von den Sellensern unter Anführung des Mohammed Tarrhoni ausgerüstete Expedition zur Entdeckung einer Oase, genannt Uau el Namus. - Tarrhoni tritt in den Dienst des Reisenden und berichtet demselben über die entdeckte Oase. - Aufbruch von Sella. - Ein Samum. - Geburtstag des Kaisers. - Die Oase Abu Naim. - Allgemeiner Charakter der Sahara. - Schwefelhaltige Quellen. - Pflanzenwuchs. - Nach Osten hin zunehmende Trostlosigkeit der Sahara. - Gazellen, Antilopen, Springratten, Hornvipern. - Unbestimmtheit des türkischen Gebietes. - Abu Naim, ein Aufenthaltsort für Banditen und Wegelagerer. - Schwefelgruben. - Die Oase Djibbena. - Das Grab dicht neben dem Quell. - Die Kalauscha Sserir. - In den April geschickt. - Am 2. April Ankunft in Audjila.

Am Montag Morgen, 10. März 1879, verliessen wir die Stadt und bezogen Lager. Das Abschiednehmen erheischte es, dass wir uns nicht gleich auf den Weg machten. Wir hielten uns ja wochenlang in Sokna auf und standen mit den Bewohnern immer im besten Einvernehmen. Nur am Tage vor unserer Abreise drohte ein Bruch einzutreten zwischen dem Mutassarif Ali Bei und mir. Er hatte mir nämlich mündlich einen warmen Empfehlungsbrief für die Midjeles in Sella versprochen, schickte mir aber ein in so zweifelhaften Ausdrücken abgefasstes Schreiben, dass ich nicht umhin konnte, es dem Hauptmann, der es überbrachte, zerrissen vor die Füsse zu werfen. Der Brief hätte mir eher geschadet als genützt: er enthielt eine indirecte Aufforderung, mich nicht gut zu empfangen. Es fiel mir dies um so mehr auf, als ich Ali Bei sehr hübsche Geschenke gemacht hatte, unter andern einen Revolver, einen Krimstecher u. s. w. Er schickte nun die Geschenke zurück, und wer es weiss, was es heissen soll, wenn ein Araber (Ali Bei war Araber) Geschenke zurückschickt, wird ermessen können, bis zu welchem Punkte wir gekommen waren. Im Grunde genommen ging seine Absicht wol dahin, mich von meinem Vorhaben, nach Sella zu gehen, abzubringen, mich zu zwingen, mit ihm nach Fesan zu kommen.

Als Ali Bei nun aber sah, dass ich wirklich Ernst machte, dass ich ohne Bedenken aufbrach, dass ich einen Führer gemiethet, schickte er nicht nur meinem Verlangen gemäss den Empfehlungsbrief, sondern auch einige Saptieh als Bedeckung. Letztere waren eigentlich nicht nur unnütz, sondern konnten mir unter Umständen einen unangenehmen Willkommen bereiten, denn sie hatten den Auftrag, in Sella eine ausserordentliche Steuer einzutreiben und, "falls die Bewohner nicht zahlen wollten, den Schich Ibrahim von Sella in Ketten nach Sokna zu bringen".

So kam denn Ali Bei in eigener Person, von seinem ganzen Stab umgeben, um sich zu verabschieden, es kam der Kaimakam von Djofra, die ganze Midjeles von Sokna, der Schich Scherif von Uadan, einige von den Honensern abgeschickte Leute, mein Sprachlehrer, der Professor Abdallah, und als alle diese Herren ihr Tässchen Kaffee getrunken und eine Cigarrette geraucht hatten - ohne dies geht es nun einmal nicht -, brachen wir am 11. März in südöstlicher Richtung auf.

Indem wir den eigentlichen Filgi nordwärts behielten, die Djebel Ssoda dagegen immer dicht im Süden liessen, marschirten wir an dem Tage nur eine kurze Strecke und lagerten schon nach circa 14 km im breiten und mit vielen Akazien bestandenen Uadi Missifer. Da nämlich bald der Schantat (Post) von Tripolis eintreffen musste, der mir Nachricht über den Verbleib der Geschenke bringen konnte, so beschloss ich, diesen Zeitpunkt abzuwarten. Aber auch diesmal kam nichts. Die ganze Post war sogar ausgeblieben, weil Mahmud Damadh sich auf die Jagd begeben und mit derselben zugleich eine Geldeintreibung, also das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden hatte. Ueber einer so wichtigen Angelegenheit vergass man in Tripolis die Post zu expediren!

Am Freitag den 14. März begannen wir dann die eigentliche Weiterreise. Während wir bis Sokna durch Gegenden zogen, welche Reisende vor uns schon erforscht hatten, betraten wir von jetzt an vollkommen jungfräuliches Gebiet. Der Weg vor uns war noch von niemand begangen worden.

Die Uidian aber, um sie zu Papier zu bringen, machten insofern manche Schwierigkeit, als die Wüstenbewohner die Gewohnheit haben, ein ganzes Stromsystem mit einem Namen zu belegen. So heissen wenigstens vier oder fünf Rinnsale Uadi Missifer, die aber wol alle einem Stamm angehörten, und wenn man vielleicht auch das unterscheidende Merkmal anwandte, dass man dem einen Arm ein "kebir, gross", dem andern "sserhriv, klein", oder dem einen ein "schergi, östlich", dem andern ein "rharbi, westlich" beilegte, so musste man doch sehr aufpassen, um nicht Verwirrung in das einzutragende System zu bringen. Es verhielt sich ungefähr so, als ob wir alle Nebenflüsse der Elbe: Moldau, Mulde, Havel u. s. w. nicht mit eigenen Namen nennen, sondern nur dadurch unterscheiden würden , dass wir solchen Nebenflüssen etwa die Ausdrücke: "südliche Elbe", "grosse Elbe", "mittlere Elbe", "östliche Elbe" beisetzten. Uebrigens haben wir ja in der Schweiz an Vorder-, Mittel- und Hinterrhein etwas Aehnliches.

Wir brauchten vier starke Tagemärsche, um Sella zu erreichen, sodass wir durchschnittlich täglich 50 km zurücklegten. Die Gegend ist hier vollständig Wüste, nirgends bewohnt, und die zahlreichen Uidian sind so spärlich mit Vegetation bestanden, dass auch sie für Nomaden keinen Grund zum Herbeiziehen bilden. Desto zahlreicher trafen wir hier Rudel von Gazellen, von denen wir mehrere erlegten. In der Entfernung beobachteten wir auch Uadan-Antilopen.

In südöstlicher Richtung entbehrt die Gegend an manchen Stellen einer gewissen Grossartigkeit nicht. Das sich verflachende Schwarze Gebirge heisst zuerst Djebel schirgia, später Harudj assod, endlich im Süden Harudj abiod und ist, wie ich an anderer Stelle schon hervorhob, durchweg ein und dasselbe Massiv. Aus Sand- und Kalkstein aufgebaut, mit mächtigen Versteinerungsschichten durchsetzt, ward es von vulkanischen Durchbrüchen auseinandergerissen, die es mit ihren schwarzen lavaartigen Massen überzogen und die Namen "ater, assod, ssoda, schwarz" herbeiführten. Wegen seiner Farbe und Zerrissenheit hat das Gebirge einen äusserst trostlosen, mitunter aber auch grossartigen Charakter. Vegetation ist nur in den Rinnsalen vorhanden, welche auf dem Wege nach Sella alle ihre Richtung nordöstlich nehmen und die Syrte unterirdisch bewässern. Ausser einem aus dem Gebirge von der Jagd heimkehrenden Araber von Sokna begegneten wir keiner Seele, verloren aber drei Neger, welche sich weigerten, weiter mitzureisen. Und wenn ich auch nach dem Contract auf ihrem Mitgehen bestehen konnte, wollte ich sie doch lieber missen, als wider Willen mitnehmen.

Am 17. März überwanderten wir noch während des ganzen Nachmittags ein trostloses Plateau: eine Hammada, welche von Harudj ausläuft und wegen der schwarzen Farbe der sie bedeckenden Steine den Namen "Ssodaya" erhielt. Alsdann erreichten wir nach einem jähen Abstieg von von circa 150 m abends 9 Uhr die äussersten Palmgärten von Sella, wo uns die Arbeiter und Sklaven recht freundlich empfingen. Froh waren wir, nach dem langen Wüstenmarsch wieder mit Menschen verkehren zu können! Und als wir am andern Morgen früh der Stadt entgegenzogen, trat bald darauf das hoch auf einem Berge gelegene Sella aus dem Palmhain hervor. Je näher wir aber der Stadt kamen, desto mehr Leute sammelten sich an. Keiner ging seiner Arbeit nach, sondern mit der Hacke auf dem Rücken, oder den mit Mist beladenen Esel einfach seinem Schicksal überlassend, indem man vertraute, dass er allein schon den Weg zum Garten finden würde, kehrte alles wieder mit uns um, sodass wir, als wir endlich im Osten des Ortes halt machten, um zu lagern, einige hundert Leute jedes Alters und Geschlechts um uns sahen.

Bald darauf kamen aber Schich Ibrahim und die Aeltesten von Sella mit der angenehmen Nachricht, sie hätten einen ihrer Schnellläufer[56] nach Sokna geschickt, um mich einzuladen, nach Sella zu kommen. Dieser Schnellläufer, Urida (Röschen) hiess er, hatte uns verfehlt, weil er wahrscheinlich auf Richtwegen ging. Aber trotz der so freundlichen Aufnahme seitens der Behörde war die Zudringlichkeit der übrigen Bewohner, die entsetzliche Neugier der Kinder überaus belästigend, wogegen man indess nichts machen konnte. Wie wenig Autorität hier aber die Pforte besass, wurde mir gleich im ersten Augenblick klar, denn kaum liessen die Saptieh, welche uns begleiteten, nur ein Wort von Geldzahlung fallen, als man sie einfach auslachte. Natürlich war nun auch keine Rede mehr davon, den Schich Ibrahim in Ketten zu legen.

Sella oder, wie die Stadt geschrieben wird, Salla ist eine von alters her bekannte Stadt. Edris nennt sie eine kaufmännische Stadt, die von Suila zehn, von Syrt neun Tagemärsche entfernt liege. Vor mir besuchte sie nur Moritz von Beurmann, welcher von Audjila nach Mursuk reiste und am 16. März 1862 in Sella ankam. Seit einem Menschenalter also sahen die Bewohner keinen Europäer, und da Beurmann in Mohammedanischer Tracht reiste, nahmen die meisten von seinem Kommen wol gar nicht einmal Notiz. Einigen war er indess in gutem Andenken geblieben, namentlich einem Verwandten des Schich Ibrahim, bei dem unser so früh verschiedener, verdienstvoller Landsmann Wohnung genommen.

Damals war die gleich nördlich von Sella gelegene Oase Tirsa auch noch bewohnt, deren Bewohnerzahl von Beurmann[57] u 300 Seelen angibt, die von Sella dagegen zu 500, wo ihm die Einwohner sagten, dass ihre Vorfahren vor circa 1000 Jahren aus Aegypten gekommen seien und die frühern christlichen Besitzer vertrieben hätten u. s. w.

Nach unsern eigenen Erfahrungen liegt Sella unter 28deg.32'9'' nördl. Br. und 17deg.30' östl.. L. von Greenwich[58], während die Höhe über dem Meere circa 200 m beträgt. Die Oase, auf allen Seiten von steil abfallenden Bergen eingeschlossen, welche zum Harudj gehören und zum Theil davon abgelöste isolirte Kalkzeugen sind, hat von Westen nach Osten eine Ausdehnung von circa 12 km, während die Breite von Norden nach Süden etwa, 5 km beträgt. Die nördlich davon liegende Oase Tirsa ist augenblicklich nicht bewohnt, jedoch im Besitz der zum Stamme der Uled Chris (Uled Harres, Moritz von Beurmann) gehörenden Bewohner Sellas, letztere mit einer Bevölkerung von circa 1200 Seelen; dies bedeutende Mehr erklärt sich durch den Zuzug der Bewohner von Tirsa nach dem Hauptorte.

Der, wie vorhin erwähnt, auf einem Felsen malerisch erbaute Ort ist befestigt, was in diesem abgelegenen Theile der Wüste zum Schutz vor den räuberischen Einfällen der Syrtenaraber nothwendig war. So leben zur Zeit die Uled Chris in Fehde mit den Orfella, welche im Jahre 1876, einige hundert Mann stark, einen Ueberfall auf Kamele machten, welche den erstern gehörten und nördlich von Tirsa weideten. Die Räuber waren aber noch nicht 50 km weit mit ihrer aus einigen Hunderten von Kamelen bestehenden Beute gekommen, als die nachsetzenden Uled Chris sie ereilten und ihnen nicht nur die Kamele wieder abnahmen, sondern auch, wie sie aussagten, mehr als funfzig Orfella tödteten. Diese Todten sind noch nicht gerächt, weshalb seit Jahren die Uled Chris nicht nach Tripolis direct reisen können, da ihnen die Orfella den Weg versperren. Man ersieht hieraus, zumal ja auch Sella nicht weit vom Mittelmeer liegt, die in diesen Gegenden noch immer vorherrschenden mittelalterlichen Zustände: Fehden, Kriegszüge, Raubunternehmungen, Wegelagerei, Faustrecht sind dort an der Tagesordnung.

Sella hat zwei Moscheen und zwei Schulen, aber keine einzige Sauya. Wenn man weiss, wie das Ordenswesen in den Mohammedanischen Ländern sich Eingang verschaffte, sodass es fast keinen Ort, keinen Stamm, keine Stadt gibt, welche nicht mindestens einen religiösen Orden aufwiese, deren Mitglieder, wahre Parasiten, auf Kosten ihrer Mitmenschen sich nähren, der wird es gewiss wunderbar finden, dass in einer so reichen Oase das fanatisch-religiöse Element so wenig Wurzel fasste. Denn Sella ist eine der reichsten Oasen der östlichen Sahara, reich, weil ein grosser, ausgedehnter Palmenbestand, etwa 100000 Palmen, vorhanden ist, und ausserdem die Uled Chris so grosse Kamelheerden besitzen, wie keine andere Oase. Um sicher vor Diebereien zu sein, halten sich die Kamelheerden jetzt südlich von der Oase auf, in den Uidian und Gerarat des Harudj.

Einst war Sella auch berühmt wegen seiner Straussenzucht, obschon ich mir kaum denken kann, dass dieselbe in einer Oase, wo man die Strausse doch schliesslich nur auf Dattelnahrung anweisen musste, bedeutend gewesen sei. Man hält jetzt noch in Sella zwei Strausse, die einzigen, welche überhaupt in der ganzen Sahara in künstlicher Zucht sich befinden. Der Eigenthümer soll von ihnen an Federn jährlich einen Reinertrag von circa 150 M. erzielen. Im übrigen treiben die Einwohner keinen Handel, und eigentlich haben und verfertigen sie, bis auf Kattunstoffe und Kleinigkeiten, alles selbst; auch das in der Oase sowie in Tirsa gebaute Getreide genügt ihnen zu ihrem Unterhalte. Das wie in den übrigen tripolitanischen Oasen auch in Sella übliche Geld ist hier nicht häufig. Nur kommt zum Maria-Theresienthaler zu 25 Piastern noch eine andere österreichische Münze hinzu, deren Erscheinen gerade hier um so mehr überrascht, als sie in Tripolis und Bengasi selbst keinen Cours hat.

Auffallend und unerklärlich ist es schon - bisietzt gab noch niemand einen vernünftigen Grund dafür an -, warum gerade der Maria-Theresienthaler vom Jahre 1780 mit fast unbestrittener Herrschaft auf der ganzen Nordostküste von Afrika bis fast zum 6.deg. nördl. Br. sich einbürgerte. Fast noch merkwürdiger aber ist es, dass sich beinahe unter unsern Augen eine andere österreichische Münze und noch dazu eine recht schlechte Scheidemünze, die sogenannten Sechser, d. h. 6-Kreuzerstücke, plötzlich in der Syrtengegend und in diesen Oasen Geltung verschaffte. Man nennt diese Münzen Ssifrit und sie gelten 2 Piaster (also circa 40 Pf.). Sollte vielleicht Ludwig Salvator, der österreichische Erzherzog, der Urheber dieser Münzeinführung gewesen sein? Sollte der kaiserliche Reisende vielleicht bei seiner Syrtenreise solches Kleingeld als Backschich gegeben haben?

Wenn nun auch die Sellenser sich nicht durch viel Vorliebe für die äussern Gebräuche und Formalitäten ihrer Religion auszuzeichnen schienen, so meine ich, dass sie ebendeswegen zu den besten, aufrichtigsten und ehrlichsten Bewohnern der Sahara gehören. Ausserdem bezeugten sie ein gewisses Streben nach Belehrung, einen Trieb nach Erkenntniss, wie er sonst den Mohammedanern gerade nicht eigen zu sein pflegt; sie haben im Jahre 1876 auf Gemeindekosten unter Führung eines gewissen Mohammed el Tarrhoni eine Expedition ausgerüstet, welche in gewissem Sinne eine wissenschaftliche genannt werden kann, da sie sich die Auffindung oder Entdeckung der Oase Uau el namus zum Object nahmen, und Mohammed Tarrhoni, der mein Führer wurde und später ganz allein von Sokna durch die Wüste die kaiserlichen Geschenke nach Audjila holte, gelang es auch wirklich, nach Uau el namus zu kommen.

Man wusste seit längerer Zeit, dass südöstlich von Fesan eine Oasengruppe, Uau genannt, existire. Moritz von Beurmann war es vorbehalten, Uau el Kebir zu entdecken, und er sagte[59] über die andern Uau: "Was ich über die übrigen Inseln der Uau-Gruppe habe in Erfahrung bringen können, ist Folgendes: Drei Tagereisen östlich von Uau liegt Wau sqair[60] oder, wie es gewöhnlicher genannt wird, Wau namus, wegen der unzähligen Menge von Mücken- und Mosquitos so benannt. Es wird daselbst ein sehr schöner weissgelblicher Schwefel gefunden und es ist reich an Datteln. Den Weg indessen von Wau kbir (zum Unterschied von Wau sqair) aus weiss man nicht mehr, da vor zwei Jahren der einzige, der ihn kannte, in hohem Alter gestorben ist. Man hat mehrere Versuche angestellt, es zu finden, indess bisjetzt ohne Erfolg. In Sella dagegen existiren Leute, die den Weg von dort aus zu finden wissen, und ich mache meine etwaigen Nachfolger auf den Mohammed Sabi aufmerksam, der mit diesem Theil der Wüste sehr vertraut ist. Jedenfalls muss Sella als Ausgangspunkt erwählt wer den, um diese Gegenden zu erforschen" u. s. w.

Moritz von Beurmann fährt sodann fort: "Ich komme nun zu dem dritten Wau oder Wau harir. Alles, was davon erzählt wird, ist äusserst unsicher und unbefriedigend, doch will ich hier mittheilen, was mir der Kern der Sache zu sein scheint. Es existiren zwei Erzählungen bezüglich seiner ersten Entdeckung. In Sella hörte ich, dass vor 18 Jahren der Führer einer Karavane, bestimmt, von Wadai nach Bengasi zu gehen, unterwegs gestorben sei. Die Karavane habe den Weg verloren und in der höchsten Verzweiflung den Beschluss gefasst, Fesan zu gewinnen zu suchen. Demgemäss habe sie eine westliche Richtung eingeschlagen und sei auf diese Oase gestossen, die sie vom unvermeidlichen Untergange gerettet. Nach vierzehntägigem Aufenthalte daselbst schlug sie nun wieder eine nördliche Richtung ein, erreichte den Harutsch und ging über Sella und Marade nach Bengasi. Einige Araber von Sella haben sich dann sofort aufgemacht, diese Oase zu finden, indess ohne Erfolg. Einer andern Erzählung gemäss ist einem Araber in Wau kbir sein Kamel abhanden gekommen; er folgte den Spuren des Thieres und fand dieses Wau harir. In der Beschreibung der Oertlichkeit kommen beide Erzählungen gut überein. Es ist ein durch Bäche bewässertes Thal, reich an Palmen und anderer Vegetation, sowie an Wildpret, das so zahm ist, dass man es mit der Lanze tödten kann. Namentlich finden sich Ovis tragelaphus und Antilope bubalis, auch verwilderte Kamele soll es daselbst geben, und in der Mitte des Thals liegt eine verlassene Ortschaft."

Wenn man den geringen Gemeinsinn der Araber kennt, sobald es sich um äussere Angelegenheiten und namentlich um solche handelt, wobei nicht viel Geld zu verdienen ist, so staunt man, dass sie in der That eine Expedition ausrüsteten, Mohammed Tarrhoni mit der Leitung derselben betrauten und dies Unternehmen auch wirklich zu Stande brachten!

Mohammed Tarrhoni, bekannt als der beste Antilopenjäger und vorzüglichste Führer der Gegend, welcher jeden Fussbreit Landes zwischen der Syrte und Uabri, zwischen Sokna-Mursuk und Audjila-Kufra kannte, war kein geborener Uled Chris, sondern als kleiner Knabe mit seinem flüchtigen Vater, der, wie der Name schon besagt, von den Tarrhona stammte und einen Orfella erschlagen hatte, nach Sella gekommen. Die Uled Chris, fast immer in Fehde mit den Orfella, verweigerten seine Auslieferung und so bürgerte sich die Familie ganz ein. Mit einer Frau der Uled Chris verheirathet, hatte er auch schon wieder mit den Uled Chris verheirathete Kinder, konnte also in der That ganz als einer der Ihrigen betrachtet werden.

Mit einigen tüchtigen Gefährten und einigen mit Vorräthen und Wasser beladenen Kamelen brach Tarrhoni auf und erreichte die aus Hornemann's Reise bekannte natürliche Wassercisterne Uabri oder Uabria, oder, wie Hornemann schrieb, Wabri. Da die Wüstenbewohner sehr starke Märsche machen, so kann man annehmen, dass, trotzdem sie nur einmal auf dem Wege nach Uabri campirten, namentlich in Uadi bel Adjan, diese Cisterne mindestens 80 km von Sella entfernt ist und zwar in Südsüdost- zu Südrichtung. Uabri wurde mir von Tarrhoni als eine grosse, seiner Meinung nach natürliche, aber durch Kunst erweiterte und zum Theil gewölbte Felshöhle geschildert. Hier sammeln sich durch verschiedene Uidian Regenwässer und halten selbst beim stärksten Karavanenverkehr bis zum zweiten Jahre an. Die Karavanenstrasse zwischen Kairo und Fesan, die zur Zeit der Selbständigkeit Fesans, als der Verkehr mit den ägyptisch-sudanischen Ländern von Kairo aus noch nicht in der Weise organisirt war wie jetzt, auch der Sklavenhandel noch in schönster Blüte stand, sehr belebt war, ist jetzt ziemlich verlassen. Die Thiere können zum Rhadir[61] Uabri nicht gelangen, aber trotzdem versiegt er manchmal, stets aber, wenn es in zwei aufeinanderfolgenden Wintern nicht regnet.

Mohammed Tarrhoni hatte in Djebel, d. h. am Eingange des Harudj, wo die Gegend schlechtweg so benannt wird, nicht campirt, sagte mir aber, dass eigentlich drei Tagemärsche zum Uabri-Brunnen gerechnet würden. Von hier südöstlich weiter ziehend und zwar im Harudj, also durch bekannte Gebiete, lagerten sie im Uadi bel Haidan. Dies sowol wie das andere Uadi Ben Ratga, in welchem sie am folgenden Tage halt machten, war gut mit Kamelfutter und Talh-Akazien bestanden, namentlich fanden sie frische Agol-Pflanzen. Auch kannten sie noch die Gerara Mudjra[62], eine ausgedehnte, am Ausgange des Harudj gelegene Einsenkung mit vorzüglichem Boden. Doch hört das Gebirge nach Süden nicht auf , obwol Tarrhoni das meinte, sondern zerfällt in grosse Blöcke oder Zeugen, wird charaschafartig. Diese eigenthümliche, auch nördlich von Dachel und Farafrah in so grossartiger Weise beobachtete Gebirgsformation könnte man auch als eine Corrosion des Gebirges en gros bezeichnen, denn es sieht in der That aus, als ob die Gebirge zerfressen wären. Bis zur Gerara Mudjra war man von Uabria aus in kleinen Tagemärschen und durch bekanntes Terrain marschirt, hatte auch fleissig auf Antilopen gejagt, um nicht die gewiss nicht zu zahlreich mitgenommenen Vorräthe zu schnell anzugreifen. Aber jetzt betrat man ganz unbekanntes Gebiet. Ueber eine grosse Sserir-Ebene dahinziehend, lagerten sie nach einem sehr starken Marsch bei einer kleinen Anhöhe, der sie den Namen Gelb el Hadj Mohammed gaben, sahen nach einem zweiten, starken Marsch Berge vor sich, auf die sie jedoch nicht losschritten, und im Glauben, es sei dies Tibesti, gaben sie der Gegend, in der sie Halt machten und die wieder reich an Zeugen war, den Namen Tibesti. Endlich, nach noch einem starken Marsche, erreichten sie eine grosse Oase, welche Tarrhoni für Uau el serrhir oder Uau el namus hielt.

Die Oase selbst beschrieb mir mein Führer als etwas grösser als Abu Naim, aber sie enthalte einen Salzsee und sei mit noch schönern "einstämmigen" Palmen bestanden. Dies sowie viele dort gesehene Topfscheiben bestätigten ihn in der Annahme, dass in frühern Zeiten Uau el namus wahrscheinlich von Tebu bewohnt gewesen, aber infolge eines Einbruchs durchziehender Araberhorden entvölkert worden sei. Wohnungen bemerkte er nicht. An der Westseite des Sees befand sich ein Hügel, auf welchem sie mehrere Tage campirten. Im übrigen war die Oase reich mit Agol, Binsen, Rhardek, Talha-Akazien und namentlich schönen Tamarisken bewachsen. Andere Fruchtbäume gab es nicht, doch erinnerte er sich nicht mehr, ob er nicht auch Feigen angetroffen hätte. Sie blieben längere Zeit in der Oase, konnten viele Thiere - Gazellen, Mäuse, Springratten erlegen und essen, sahen aber ausser den erwähnten Zeichen nirgends Spuren von Menschen und kehrten dann über Uau el Kebir, das sie von Uau el namus in zwei starken Tagemärschen, nordwestlich haltend, erreichten, nach Sella zurück.

In Uau el Kebir ist eine Sauya der Snussi, die sie mit Verwunderung aufnahmen. Als ich fragte, warum sie nicht auch Uau el Herir zu erreichen versucht hätten, erklärten sie, aus Mangel an Vorräthen sei es nicht geschehen; auch habe man ihnen in Uau el Kebir gesagt, dass Uau el Herir von Tebu bewohnt sei, die sich als Heiden jedenfalls ihrer Ankunft widersetzen wurden. Uau el namus entsprach aber doch wol nicht den Erwartungen der Uled Chris. Denn so schön Tarrhoni es auch schilderte und wie sehr er die grosse Zahl der Palmen hervorhob, meinte er doch auf meine Frage, warum sie dort nicht eine Ansiedelung gründen wollten, es lohne sich nicht der Mühe und, um die Datteln einzuheimsen, sei es zu weit und beschwerlich.

Ich habe geglaubt, hier ausführlich über die durch Tarrhoni geschehene Entdeckung von Uau el namus berichten zu müssen, weil sie einerseits unsers verewigten Moritz von Beurmann's Erkundigungen aufs glänzendste bestätigt, andererseits aber der ganze Hergang zur Anregung für künftige Forscher dienen soll. Von keinem Punkte der Wüste können nämlich in wissenschaftlicher Beziehung mehr lohnende Unternehmungen gemacht werden, als von Sella aus. Das Harudj Gebirge mit seinen reichen Versteinerungen, namentlich aber die Vorberge dieses Massivs, ist für jeden Geologen und namentlich für alle Paläontologen eine unerschöpfliche Fundgrube interessantester Gegenstände. Und was die Topographie jener Gegend südlich von der Uabria anbetrifft, wo der Uau-Archipel liegt, so muss man immer bedenken, dass, wenn es auch Eingeborenen gelang, dorthin zu kommen, die Gegend von Europäern noch nicht besucht worden ist.

Dazu kommt die über allen Zweifel erhabene Zuverlässigkeit der Uled Chris, sodass man in keiner Oase bessere Führer finden würde. Man könnte fragen, warum denn ich nicht von hier aus nach dem Süden zu dringen versuchte? Allerdings kam diese Angelegenheit ernstlich zwischen uns zur Sprache. Da sich aber in der Uabria kein Wasser befand, so musste ich einen solchen Plan fallen lassen, wie denn ja Kufra als Erforschungsobject vor allein in Betracht kam. Von Sella nach Kufra hätte man aber ohne vorherige Verständigung mit den Suya nicht gehen können.

Durch Vermittelung des Schich Ibrahim gelang es mir, Mohammed Tarrhoni, diesen so vorzüglichen Führer, anzuwerben, und da am Tage unserer Abreise der "Schnellläufer Urida" von Sokna zurückgekommeft war, nahm ich auch diesen noch in meine Dienste. Damit aber beide sich vorbereiten konnten, wozu sie sich einen Tag ausbedungen, zog ich mit meiner Karavane nach dem circa 3 km südlich gelegenen Auinet, dem kleinen Bache, welchem trotz seiner Kleinheit und Schmalheit die Oase ein so belebendes Aeusseres verdankt. Wie in Bondjem kamen auch nach Auinet die Kamele in langen Reihen täglich ohne Aufsicht anmarschirt, um sich selbst abzutränken und sodann allein wieder nach ihren entfernten Weideplätzen zurückzukehren.

Es war am 20. März 1879, als wir die hübschen Palmenwälder verliessen und bald, in Südsüdost-Richtung uns haltend, in eine äusserst wilde und grossartige Gebirgsgegend gelangten. Wir hielten deshalb diesen ungewöhnlichen Curs, weil wir sicherheitshalber die eigentliche Strasse nach Audjila mieden, da zu viele vertriebene Stämme jene Gegenden im Norden, wo eine Oase die andere ablöst und grosse krautreiche Ebenen den Kamelen vorzügliche Weide bieten, unsicher machten. Ganze Stämme hatten sich nämlich aus ihrer Heimat entfernt, um aus dem Bereiche der türkischen Regierung zu kommen, welche die Steuern so gewaltig erhöhte und mit so grosser Willkür eintrieb, dass sie lieber vorzogen, alles aufzugeben, als länger solchen Erpressungen ausgesetzt zu sein. Und wo konnten sie in der That besser leben, als auf der Grenze der Syrtensteppen, wo sie Weide für ihre Thiere, Gerara zum Ackern und unzählige Schlupfwinkel im Charaschaf fanden, um sich nöthigenfalls dem Arme der türkischen Ungerechtigkeit zu entziehen. In dieser selben Richtung legten wir, immer zwischen den Verbergen des Harudj, etwa 50 km zurück. Zahlreiche Uidian, welche wir kreuzten und die alle ihre Richtung nach Nordost nahmen, grössere und kleinere Geraren, welche Spuren von Ackerung zeigten, gaben uns stets den Beweis, dass die Zone der Mittelmeerregen hier noch herrschte und diese wol erst auf dem Kamme des Harudj die Südgrenze erreicht.

In dieser so grosgartigen Natur litten wir jedoch sehr durch Samumwinde, welche 1879 mit besonderer Häufigkeit zu wehen schienen. Als wir am 21. März nordöstlich den an Versteinerungen unglaublich reichen Djef-Djef von Djebel Bürsa und Remlat el Muschma und sodann die merkwürdige Gegend Dekakin durchzogen, überfiel uns im Uadi Ba Naim, als wir abends dort lagern wollten, ein so starker Samum, dass wir an Kochen und Zeltaufschlagen gar nicht denken konnten. Den Geburtstag des Kaisers hatten wir aber tags vorher im Uadi Belaun so gut und würdig wie möglich gefeiert. Das an und für sich sehr grossartige Belaun-Thal wurde noch malerischer durch die riesigen Talha-Akazien, welche dort in so grosser Zahl wuchsen, dass unsere Führer und Diener ganze Aeste, abhieben, um sie den Kamelen vorzuwerfen. Das mit den weissschimmernden Kalksteinwänden des Uadi so wunderbar contrastirende Grün, sowie unser Lager mit der entfalteten deutschen Flagge trugen nicht wenig dazu bei, dem Ganzen eine äusserst belebte Ausstattung zu verleihen. Von den Kalkwänden hallten denn auch mit vielfachem Echo unsere mit grosser Präcision abgegebenen 101 Schüsse zurück; aber die Gesundheit unsers Heldenkaisers konnten wir nur in Kaffee oder Limonade ausbringen, da alle Spirituosen fehlten. Die erstaunten Diener und unsere sellenser Führer glaubten, wir schössen einen Marabut[63]ein, bis ich ihnen sagte, wir feierten das Miludhfest unsers Kaisers, des Sultans von Brussia.

Das Uadi Bu Naim ist lang und tief eingeschnitten und erhält vor seiner Verbreiterung in die Oase Bu Naim einen ebenso bedeutenden Ast vom Westen: das Uadi Abu Hassan. Beide haben sicher unterirdisch stets fliessendes Wasser, wie denn im Uadi Abu Hassan sich ein Brunnen befindet, aber mit bittersalzhaltigem Wasser. Das Wasser in den Uidian jedoch dürfte süss sein.

Wie erstaunten wir, als wir am Morgen des 24. März beim Betreten der Oase sie so gross, so grün und verhältnissmässig so gut mit Palmen versehen fanden. Leider war aber das Wetter derart, dass wir an eine astronomische Bestimmung der Oase oder vielmehr unsers Lagerplatzes nicht denken konnten, dennoch aber wird es gelingen, mit annähernder Genauigkeit die Position derselben auf der Karte zu fixiren, um so mehr, als wir uns ja immer noch zwischen den Wegen befanden, die nördlich von uns Moritz von Beurmann, südlich Hornemann genommen hatten. Mit Gewissheit kann man sagen, Abu Naim wird vom 28.deg.30' nördl. Br. und 19.deg. östl. L. von Greenwich geschnitten. Die Höhe der Oase beträgt ungefähr 50 m über dem Meere, sie liegt verhältnissmässig sehr tief. Die Grösse ist kaum zu bestimmen, aber wenn man die Kamelweide, d. h. die Vegetation und nicht die Einsenkung selbst als Grenze bezeichnet, dann dürfte die Ausdehnung derselben doch immerhin 1500 qm betragen. Möglicherweise erstreckt sich die Oase aber viel weiter nach Westen und Osten. Bei einer Excursion nach Westen erreichte ich ihre Grenze nicht, und ebenso konnte ich nach Norden zu kein Ende finden. Ja, es wäre keineswegs unmöglich, dass Abu Naim nach Norden hin zusammenhänge mit den von Moritz von Beurmann durchzogenen Oasen, welche von Djibbena an eine ununterbrochene Kette von Hattiehs bis nach Tagrift und Sella bilden. Denn wenn auch von Beurmann factisch manchmal die Palmenhaine verliess und Plateaux zu überwandern hatte, so können dies auch Ausläufer oder grosse Zeugen gewesen sein. Auf meinem Ausflug nach Norden glaubte ich thatsächlich oft das scharf markirte Ende, die Grenze der Oase erreicht zu haben; kam ich dann näher, so schoben sich die Felswände auseinander, und wie durch Zauber sah man eine neue Hattieh vor sich.

Wie die ganze Gegend wird auch die Oase von zahllosen Kalkzeugen durchsetzt, welche mehr oder minder hoch sind, meist aber nicht die aller andern überragen, jedoch senkrecht aufsteigen und stets die sonderbarsten Formen bilden. Ueberhaupt muss man, um den Charakter der ganzen Sahara würdigen zu können, annehmen, dass alles ein Massiv war von ziemlich gleicher Höhe und dass es, abgesehen wahrscheinlich von Tibesti und Ahagar, keine eigentlichen Gebirge gibt, sondern nur zerrissenes Hochland, und wo Ketten vorkommen, wie bei Hon und Uadan, sind diese nicht höher und niedriger, als die umliegenden durchfurchten Plateaux, machen vielmehr den Eindruck losgelöster länglicher Zeugen. Aber alles in der Sahara ist in den grossartigsten Verhältnissen. So sind auch die grossen, mitten in der Oase Abu Naim stehenden Zeugen ungefähr von derselben Höhe wie das im Norden sich befindende "Scheinufer". Alle diese Kalkfelsen enthalten Versteinerungen und ganze Versteinerungsschichten, ja, zum Theil bestehen sie durchweg aus einst lebenden Thieren. Im Sandboden der Oase aber findet man zahllose Foraminiferen, oft von den zierlichsten und reizendsten Formen. Und man jammert, dass die unzähligen Ostreen, Conus, Patelliden und Ammoniten nur noch durch die Häuser derselben vertreten sind. Wie oft, wenn ich jene Spuren vergangenen Lebens durchwanderte, dachte ich an meinen Freund Zittel, welcher während der Libyschen Expedition 1873/74 von einem Entzücken ins andere fiel. Wie würde er hier geschwelgt haben!

Der mergelige, oft auch sandige Boden der Oase kann im allgemeinen als gut bezeichnet werden, wie schon aus der reichen Vegetation genugsam hervorgeht. Aber auch grosse Strecken Djef-Djef sowie Sebucha fehlen nicht. Immerhin aber würde man ackern können und es auch wol thun, wenn nicht die Gegend zu unsicher wäre. Nirgends gibt es feste Besiedelung auf eine Entfernung von mindestens 200 km. Und die im Norden wohnenden Beduinen ziehen es vor, näher an der Küste ihr Getreide dem Boden anzuvertrauen, als mitten in der Wüste.

Dazu kommt das so wenig geniessbare Wasser, sodass man nur durch Noth gezwungen davon trinkt. Entweder ist es dicht unter den Sebchat, welche an einzelnen Stellen die Oase durchsetzen, und alsdann stark salzig sowie natron- oder bittersalzhaltig; oder es befindet sich in jenen kraterartigen Löchern, welche sich auf einer durch die Oase von Osten nach Westen gebenden Kalkrippe befinden, und enthält dann Schwefel. Diese blasenartigen und offenen Löcher sind höher, als der umgebende Boden; der Brunnen z. B. war circa 3 m höher, als unser daneben befindlicher Lagerplatz, und bestand aus einem Kalkbassin von der Form einer oben zerplatzten Blase, die sich kesselartig nach innen erweiterte und 2 m tief war. Nach unten zogen sich aber wahrscheinlich enge Spalten, welche wir beim Sondiren jedoch wegen des trüben Wassers nicht finden konnten. Ausserdem lag auf dem Boden der Quelle fusshoch Schmuz und Sand. Aber beim Ausschöpfen derselben erneuerte sich das Wasser augenblicklich und mit sichtbarer Geschwindigkeit. Bei 18deg. Lufttemperatur hatte es 18,5deg. Wärme, mit dem Pinselthermometer gemessen. Die Temperatur war immer constant, was mir einigermassen sonderbar vorkam, da bei frischem Zulauf, der Natur der Sache nach, wol auf eine höhere Temperatur hätte gerechnet werden können.

Das Wasser ist so schwefelhaltig, dass ich nicht anstehe, es für eine der stärksten schwefelhaltigen Quellen zu erklären. Schon wenn man sich auf 2 m der Quelle näherte, befand man sich in einem Dunstkreis von Schwefelwasserstoffgas. Ich bin überzeugt, dass einstmals Abu Naim Aachen und andern berühmten Schwefelbädern Concurrenz machen wird. Gewiss war es nicht angenehm, von diesem mineralischen Wasser, welches schmeckte, als hätte man faule Eier damit gemischt, trinken und damit seine Nahrungsmittel, seinen Kaffee kochen zu müssen. Und so eignet sich denn freilich Abu Naim gegenwärtig nicht zu einem Heilorte, denn was würden die Patienten eines Schwefelbades sagen, wenn man sie zwingen wollte, ausser ihrer bestimmt vorgeschriebenen Zahl von Gläsern auch ihren Kaffee, ihren Thee, kurzum ihre ganze Nahrung mit Schwefelwasser kochen zu müssen? Wir mussten nicht nur dies, sondern durch die Art des Transports wurde das Wasser immer noch schwefelhaltiger. Natürlich, das Wasser verdunstete aus den Schläuchen, aber der Schwefel blieb zurück. Vergebens fragte ich mich, ob ich eine Schwefelcur nöthig hätte, ich musste es verneinen. Und als wir endlich nach Tagen dies Wasser hinter uns hatten, begann beim Betreten der Oase Djibbena eine andere noch unangenehmere Cur: das Wasser des Brunnens Djibbena enthielt so viel schwefelsaure Magnesia, dass wir nicht aus noch ein wussten. Dies nahm erst in Audjila sein Ende.

Die Oase ist besonders reich an wilden (oder verwilderten?) Palmen, welche mit wenigen Ausnahmen nur in Buschform erscheinen. Ausserdem ist von den Bäumen Ethel (tamarix) am meisten vertreten. Die Ethel bilden nicht selten bis 8 m hohe "Neulinge". Oft findet man, dass letztere nur noch aus Wurzeln und vertrockneten Stämmen bestehen, weil der Baum oder Busch, der den "Neuling" bilden half, abgestorben ist, und nun scheinen sie allmählich wieder aufs allgemeine Niveau zurückzusinken. So ist denn überall in der Thier- und Pflanzenwelt ein ewiges Bilden, Bestehen und Vergehen, auch in der scheinbar leblosen Natur, denn auch hier bemerken wir Bewegung, folglich auch Leben und Sterben.

Die Palmen tragen Früchte, aber weil sie nicht befruchtet werden, sind sie kernlos wie auf allen herrenlosen Oasen. Ueber das wol wahrscheinliche Vorhandensein männlicher Bäume in der Oase, welche die umstellenden weiblichen Palmen von selbst befruchten könnten, liess sich nichts ermitteln, da die in unserer Nähe vorkommenden Büsche keine Früchte mehr hatten. Von den übrigen Pflanzen nenne ich Agol (Alhagi), Belbel (Anabasis articulata), Rhardek (Nitraria) und Fers, letztere beiden strauchartige Gewächse. Auch ein Rohr, Kasbah von den Eingeborenen genannt, findet sich an einigen Stellen. So wenig zahlreich diese Vertreter des Pflanzenreichs auch sind, so gewähren doch, von fern gesehen, die gleich einem Teppich von Agol bedeckten Strecken ein wiesenartiges Aussehen und verleihen dem Auge einen wohlthuenden, durch die imposanten Tamariskenbüsche noch mehr gehobenen Anblick. Es steht wol ausser Zweifel, dass man, wenn Regen einsetzen, in Abu Naim noch bedeutend mehr Pflanzen findet, wenn auch kaum neue darunter sein möchten, wenigstens im Jahre 1879 war ausser den angeführten weiter nichts zu finden.

Dürfte man eine allgemeine Regel aufstellen, so könnte man sagen, dass nach Osten hin die Oasen immer pflanzenarmer werden, wie denn überhaupt, je weiter nach Osten, desto mehr die Trostlosigkeit der Wüste zunimmt. Hätte man nicht jene Uah-Oasenkette[64] von der Oasis parva an bis Chargeh, wie öde und von allen Pflanzen entblösst würde da die ganze Libysche Wüste sein! Und jene von uns 1873 erforschten Oasen verdanken ihren grössern Pflanzenreichthum offenbar nur der menschlichen Einwirkung. Wie reichhaltig sind dagegen die Westlichen Oasen Draa, Tafilet und Tuat, und welch ein Unterschied in der Natur der westlichen Sahara und der Libyschen Wüste!

Obschon wir selbst keinen Gazellen begegneten, deuteten doch die überaus zahlreichen Spuren auf das Vorhandensein derselben hin. Auch Eindrücke von grössern Antilopen (A. bubalis?) bemerkten wir, hatten aber ebenfalls nicht das Glück, die Thiere zu Gesicht zu bekommen. Die Jagd auf Antilopen und Gazellen ist im Norden der Sahara äusserst schwierig, dagegen sehr leicht in den Steppen südlich der grossen Wüste. Man kann ihnen nur durch Beschleichen nahe kommen; es ist jedoch bei der Furchtsamkeit der Gazellen die grösste Vorsicht geboten. Durch Wegtreiben der Jungen von den Alten wird das Jagen manchmal sehr erleichtert, weil man die unerfahrenen Jungen leichter fangen kann, die Alten aber alsdann durch nichts sich von der Wiedervereinigung mit denselben abhalten lassen.

Schakale, Fennegs, vielleicht auch Hyänen, denn Mohammed Tarrhoni wollte Hyänenspuren gesehen haben, ferner Mäuse, Ratten, Springratten bilden wie in den übrigen Oasen den Bestand der Säugethiere, welche überhaupt ebenso wie die Pflanzen überall und immer in den Nordoasen dieselben sind. Einige Sperlinge - in Sokna und Sella gibt es keine, auch in Audjila, Djalo und Kufra nicht -, Bachstelzen, Raben und Wiedehopfe scheinen ein beständiges Contingent in Abu Naim zu bilden, während einige Schwalben sowie ein paar Störche, welche letztere gravitätisch alle Büsche auf Schlangen und anderes Gewürm absuchten, wol nur eine Pause machten, um sich von ihren weiten Wanderungen vom Norden nach dem Süden und umgekehrt zu erholen.

Von den Schlangen ist, ausser der gemeinen Hannesch, namentlich die von den Arabern Lefa, von uns Hornviper (Cerastes cornutus) genannte zu finden. Diese kleine, von de Arabern sehr gefürchtete und verabscheute, weil für giftig gehaltene Schlange scheint gerade hier sehr häufig zu sein, denn von unsern Leuten wurden zwei gefangen. Vielleicht kommt die Furcht mehr von dem sonderbaren Aussehen der beiden kleinen, wie Ziegenhörner aus ihrem Kopfe hervorstehenden Hörnern. Die Cerastes ist jetzt in den meisten zoologischen Gärten zu finden. Verschiedene Echsen, Gecko, Chamäleone, Wespen (auch die schöne, grosse, blaue Mauerwespe), ferner Mücken nebst Fliegen, verschiedene Ameisensorten bilden den Bestand der Fauna dieser Oase, welche sich also in nichts von dem der übrigen Oasen unterscheidet.

Menschen gibt es in Abu Naim nicht, die Oase ist also im vollsten Sinne des Wortes als herrenlos zu bezeichnen: wie schon angeführt, in erster Linie eine Folge der schlechten Beschaffenheit des Wassers. Aber möglicherweise könnte man doch durch Graben oder gar durch Bohrversuche dem Boden gutes Wasser entlocken. Da aber in den nördlich von Abu Naim gelegenen Oasen nirgends ein Repräsentant türkischer Regierung zu finden ist, und mir die türkische Behörde, namentlich Ssabri Pascha[65], einer der Gebildetsten dieser Nation, officiell erklärte, ich verliesse mit Sella das türkische Gebiet: so scheint es mir doch bei der jetzt so brennenden Mittelmeerfrage - welche freilich uns in Deutschland wenig interessirt - von Wichtigkeit zu sein, schon jetzt etwas näher die Grenzen der Gebiete ins Auge zu fassen, welche türkisch sind und welche es nicht sind. Hätte Frankreich bei der Regelung seines afrikanischen Landes nach dem Westen zu von vornherein mehr Gewicht auf die alte historische, von der Natur selber gezogene Grenze gelegt, so würde es jetzt nicht in Streitigkeiten darüber mit Marokko gerathen können und manche Revolte vermieden haben, welche gerade in diesen Gegenden ihre Entstehung fand. Denn es ist historisch leicht nachzuweisen, dass die ehemalige Grenze des Deithums Algerien viel weiter westlich verlief und dass das ganze Muluya-Thal algerisch war, wie im Alterthum auch. Und da Meorade und Djibbena ebenfalls nicht besiedeltes, also herren- und abgabenloses Gebiet sind, so fällt die Grenze der Türken viel weiter nach Norden.

Nach Abu Naim begeben sich Beduinen aller Stämme, um die etwaigen, jedenfalls sehr schlechten Datteln einzuheimsen. Man kann im wahren Sinne des Wortes sagen: wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Die Uled Sliman, Uled Schich, die Morharba, die Sauya (nicht zu verwechseln mit den Suya), die Uled Chris, alle unternahmen Streifereien hierher, abgesehen davon, dass Abu Naim oft der Aufenthaltsort vieler Banditen und Wegelagerer ist, welche von Norden kommen. Die zahlreich angezapften Palmen kennzeichnen das am besten, denn jene vogelfreien Existenzen haben oft Ursache, über Nacht entfliehen zu müssen, ohne vorher noch Zeit zu gewinnen, Vorräthe einzusammeln. Eine Zeit lang sind sie dann ganz und gar auf Lakbi und herrenlose Datteln angewiesen: freilich keine angenehmen Nahrungsmittel, aber wenn es sein muss, frisst der Satan Fliegen, sagt der Araber.

Interessant in dieser Oase sind noch die Schwefelgruben, wie denn überhaupt die ganze Gegend von hier bis nordwärts zum Mittelmeere reich an Schwefel ist. Die "Hofrat el Kibrit" genannte Schwefelgrube befindet sich nach Dr. Stecker, der eine Excursion dahin unternahm, circa 20 km in südöstlicher Richtung von unserm Lagerplatz. Die von meinem Begleiter mitgebrachten Proben waren allerdings schwefelhaltig, aber im Grunde genommen nicht mehr, als andere bei andern Gelegenheiten vorgefundene. Es ist übrigens möglich, dass der Führer absichtlich vermied, Dr. Stecker nach den reichhaltigen Gruben zu führen. Die bekannten Schwefelgruben, welche Mehemed Ali Pascha von Aegypten seinerzeit ausbeuten liess, und die später zwischen einem französischen Unterthan und der türkischen Regierung zur Erörterung kamen, liegen näher der Küste zu, indess habe ich nicht unterlassen wollen, unternehmungslustige Leute auf diesen noch immer ungehobenen Schatz aufmerksam zu machen.

Wir verliessen Abu Naim am 26. März und näherten uns nun immer mehr, indem wir fast östliche Richtung hielten, der Route von Beurmann und Hornemann, welche etwa in Djibbena mit dem von uns genommenen Wege zusammenfällt, Von Djibbena aus westlich ziehend, verfolgte ersterer die grosse nördliche Heerstrasse über Marade, während letzterer den direct nach Mursuk führenden Weg über Temissa einschlug. Unser Marsch war insofern mühsam, als wir mehreremal Dünen zu übersteigen und mit stürmischem Wetter zu kämpfen hatten. Endlich am 29. erreichten wir die so malerisch gelegene Oase Djibbena oder Djibbene.

Diese Oase, eine mindestens ebenso grosse wie Abu Naim, verdiente eigentlich eine speciellere Beschreibung, aber abgesehen von der Form derselben, müsste man doch alles über Abu Naim Gesagte nur wiederholen: so vollständig an Producten gleicht sie dieser. Sie liegt östlich von einem von Norden in die Sahara hereinragenden Kalkplateau, das wenigstens als solches erscheint. Die zahllos vorgelagerten riesigen Zeugen geben indess auch der Vermuthung Raum, dass das Ganze eine Ansammlung solcher Felsklötze sein könnte. Nordwärts dürfte sich die Oase bis zum Brunnen Sidi Hammed erstrecken.

In Djibbena gibt es drei Brunnen: Ain Djibbena, Ain Dikker und Ain Nischa, alle drei mit gleich schlechtem Wasser, welches sich übrigens so nahe an der Oberfläche befindet, dass man beim Graben von 1 oder 11/2 Fuss schon Wasser antrifft. Wir campirten bei Ain Dikker, wo, wie der Name schon andeutete, männliche Palmen zu finden sind. Mochte das nun in der That so sein, aber die allerdings noch zahlreich vorgefundenen Datteln waren alle unbefruchtet. Möglich auch, dass früher bei der Quelle männliche Palmen standen, die man aber seitdem vernichtete, denn mit Vorliebe pflegen die Araber die männlichen Palmen anzuzapfen, weil der Lakbi von diesen Bäumen kräftiger sein soll, als der von den weiblichen. Wir fanden übrigens, dass vor einigen Tagen hier eine Karavane oder Wegelagerer gewesen waren. Nicht allein die frischen Spuren von Menschen und Kamelen verriethen das, sondern auch verschiedene Haufen von Datteln, die man hatte liegen lassen, als ob man in Eile aufgebrochen wäre.

Höchst merkwürdig nahm sich dicht bei Ain Dikker ein von Djerid (Palmzweigen) umfriedetes Grab aus. Es war noch neu. Vier oder fünf Jahre mochten es her sein, so erzählte Mohammed Tarrhoni, da erschien der reiche Modjabra[66] Si Hammed ben Abdallah aus Bornu mit einer grossen Karavane. Man war, von Mursuk kommend, den beschwerlichen Weg über Temissa gezogen, man hatte tagelang gedurstet und die Wasserrationen aufs kleinste Maass beschränkt. Hier angelaügt, stürzte sich seine einzige Tochter Chadidja an den Brunnen, trank hastig einige Züge daraus und sank dann todt daneben. Man hatte sie nun dicht neben der Quelle begraben - keineswegs eine angenehme Nachbarschaft: eine Leiche circa 1 m von der Quelle, aus welcher jede Karavane schöpft! Mitten auf dem Grabe befand sich ein Holzgerüst mit wenigstens einem Dutzend mehr oder weniger langer Zöpfe: alle ursprünglich pechschwarzes, festes, krauses, aber kaum negerhaftes Haar. Auf meine Frage, wer denn so viele Zöpfe geopfert habe, erwiderte Tarrhoni: die Sklavinnen der Tochter, und als ich entgegnete, dass die Negerinnen doch nicht so lange Zöpfe zu tragen pflegen, meinte er, es müssten wol Fulaner gewesen sein.

Wir übernachteten in Djibbena. Dann zogen wir weiter, indem wir immer noch dieselbe Dünenkette überkletterten, liessen dieselbe hierauf nördlich liegen und erreichten nachmittags am 31. März nach Osten zu die Grenze der Sandberge. Aber so grossartig endigen diese, dass sie im Rhart Rumani, der äussersten Ostspitze, die von Dr. Stecker gemessene ansehnliche Höhe von 150 m relativ betragen. Für die von Audjila kommenden Karavanen dient die Düne Rumani zugleich als Wegweiser, und man sieht diese fast 500 Fuss hohe um so weiter, als von Audjila bis zu den Dünen gar keine die Aussicht hemmenden Gegenstände vorhanden sind.

Sobald man den südlich am Fusse des Rhart Rumani gelegenen Sebucha el Ethel durchschnitten hat, betritt man nun jene entsetzliche Kalauscho Sserir, die nur an grossartiger Einförmigkeit von der Sserir südlich von Audjila und Djalo übertroffen wird, aber eigentlich ja auch nur einen Theil jener grossen Kreisebene bildet, welche die südlichen cyrenaischen Oasen von Kufra trennt. Wir brauchten zwei volle Tagemärsche, um die Sserir zu durchziehen. Die Zeit wurde uns um so länger, und die Entfernungen dünkten uns um so grösser, weil unsere Führer, ohne es freilich selber genau zu wissen, uns versichert hatten, dass wir am 1. April abends in Audjila eintreffen würden. Als wir jedoch lagerten, waren wir noch circa 30 km von der ersehnten Oase entfernt. Zwar hatten alle Diener, aus Freude, bald frische Datteln geniessen zu können, schon viel Pulver verschossen; aber nachmittags am 1. April sahen wir, dass wir in den April geschickt worden, welcher Casus uns denn herzlich lachen machte. Dr. Stecker seinerseits liess es sich nicht nehmen, nach alter deutscher Sitte unsere beiden deutschen Begleiter extra in den April zu schicken, und jeder in ähnlicher Weise den andern so. Ich selbst musste auch mit daran, keiner entging seinem Schicksal. Wir Deutsche aber gedachten mit Stolz dieses Tages als des Geburtstags unsers grossen Reichskanzlers.

[56] Solche Schnellläufer legen unglaublich grosse Entfernungen in kürzester Zeit zurück, wenigstens 100 km innerhalb 24 Stunden. Schich Urida machte den Hin- und Rückweg von Sella nach Sokna in 31/2 Tagen. Hätten wir nicht später mit dem Suya auch solche Parforcetouren gemacht, würde ich immer noch an einer solchen Leistung zweifeln und trotz seiner brieflichen Bescheinigung nicht darauf schwören, dass Schich Urida in Sokna gewesen sei.

[57] Ergänzungsband II, 75.

[58] Nach Moritz von Beurmann.

[59] Ergänzungsheft II, 90.

[60] Sqair soll sserhir, klein, heissen.

[61] Rhadir ist Cisterne.

[62] Einsenkung, in der nach Regenjahren geackert zu werden pflegt.

[63] Die Marabutin oder Heiligen haben meistens bunte Flaggen und Fahnen, oft zweifarbig und dreifarbig, auf ihren Gräbern; alle Farben sind dabei vertreten. Die Eingeborenen pflegen in ihrer Sprachweise die Person an die Stelle der Decoration oder umgekehrt zu setzen.

[64] Das Wort Uah findet sieh überall in der Libyschen Wüste wieder. Si-uah, Uah-dan und die Oasen Uau hängen etymologisch auch wol mit Uah zusammen. Nach Brugsch ist Uah das ägyptische Wort für Oase.

[65] Ssabri Pascha, bei meiner Ankunft Generalgouverneur von Tripolitanien, wurde später nach Konstantinopel berufen, um dort einen hohen finanziellen Posten einzunehmen. Seine Allgemeinbildung muss entschieden als eine gute bezeichnet werden, und auch seine geographischen Kenntnisse gingen weit über das Durchschnittsmaass seiner vornehmsten Landsleute hinaus. Das Gegenstück von ihm war Ali Kemali Pascha, Generalgouverneur von Cyrenaïka. Er war so naiv in seinen Anschauungen, dass er glaubte, Uadaï, Bornu und alle andern nordcentralafrikanischen Länder seien Provinzen des Reiches der Osmanli. Auch von seiner eigenen Provinz hatte er nur so viele Kenntniss gewonnen, als ihm seine Fahrten durchs Land, um Geld einzutreiben, verschaffen konnten. Dass er, der hohe türkische Beamte, im übrigen noch ganz auf vorsündflutlichem Standpunkte sich befand, wenn das Gespräch auf Kosmologie kam - und er liebte dies Thema vorzugsweise -, bedarf kaum der Bestätigung.

[66] Bewohner von Djalo.


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