<< >> Up Title Contents

ZEHNTES KAPITEL. BENGASI.

Der herrliche Anblick auf die Stadt. - Cyrenaïka, zu einer von Tripolis unabhängigen Provinz erhoben. - Der neue Gouverneur, Ali Nemali Pascha, wird erwartet. - Der in Bengasi anwesende, für die Expedition sehr wichtige Schich der Sauya zu Kufra, Omar Bu Haua, entzieht sich dem Reisenden. - Die Unkenntniss der europäischen Bewohner von Bengasi mit arabischen Verhältnissen. - Ankunft Ali Kemali's und seiner Clienten. - Die Suya-Araber und ihre drei Hauptstämme. - Ihre Charakterbeschaffenheit und semitische Körperbildung. - Berichtigung der falschen Urtheile über die culturellen Leistungen der Araber überhaupt und beziehungsweise in Spanien. - Das Parasitenthum dieser Semiten. - Unterredung mit Ali Kemali. Vergebliche Unterhandlungen mit drei Suya-Schiuch, worauf sie der Schich der Snussi in Bengasi excommunicirt und Ali Kemali sie einsperren lässt. - Neue Verhandlungen mit andern Suya-Schiuch, unter diesen der Verräther Bu Guetin. - Der in sechs Exemplaren ausgefertigte Contract mit den Saya-Schiuch. - Ein Uebereinkommen mit Ali Kemali

Keine Stadt hat auf mich einen feenhaftern Eindruck gemacht als Bengasi, wenn man von Süden kommt. Die blendende Weisse der Häuser, das hohe Castell, die Minarets, die hohe Kuppel der römischen Kirche erscheinen deshalb so zauberhaft, weil man schon auf eine Entfernung von 40 km die durch Luftspiegelung hervorgehobene und bedeutend nach oben verlängerte Stadt sieht. Und es scheint, als ob dies immer so wäre, denn als wir von Kufra zurückkamen, hatten wir ganz denselben Eindruck. Dazu der dunkle Palmenwald, die glitzernde Silberfläche der Salz-Sebucha, das blaue Meer und im Hintergrunde das Gebirge von Cyrene tragen nicht wenig dazu bei, das Ganze zu beleben.

Wir hatten also die Reise schnell gemacht, denn wenn in gerader Luftlinie die Entfernung von Audjila nach Bengasi 370 km beträgt, so muss man die Weglinie mindestens zu 400 km rechnen. Wir waren 6 volle Tage und Nächte und 23 Stunden unterwegs gewesen, hatten also im ganzen 167 Stunden gebraucht und in 24 Stunden stets 55 km zurückgelegt. Da wir aber den ersten Tag um 4 Uhr nachmittags aufbrachen und am letzten Tag bereits um 3 Uhr nachmittags in Bengasi eintrafen, so machten wir factisch täglich 60 km, also immerhin mindestens doppelte Militärmärsche.

Bei der Chuebia kamen uns schon Dr. Stecker, Consul Rossoni, der französische Consul Ricard, Herr Andonian, der Dolmetscher der türkischen Regierung, entgegen. Ich setzte mich von meinem Kamel auf ihren Wagen, und in schneller Fahrt ging es zur Stadt hinein, wo Herr Rossoni und Stecker bereits eine Wohnung gemiethet hatten, von welcher ich, jetzt mit meiner ganzen Karavane wieder vereint, Besitz nahm.

Wie es die türkische Sitte will, wurde beim ersten Besuch mit keiner Silbe des Zweckes meines Kommens erwähnt, nur theilte mir Raif Bei mit, was ich übrigens schon wusste, dass am Tage meiner Ankunft die geraubten Kamele zürückgebracht seien. Zugleich kam aber auch die Nachricht, dass man stündlich der Ankunft eines neuen Gouverneurs entgegensehe, und dass bei dessen Erscheinen die Erhebung Barkas zum Vilayat in Aussicht stände.

Trotz der Irade und Firmane, und trotz eines unter Cheir ed Din's Grossveziriat erst vor wenigen Monaten bekannt gemachten Erlasses, dass die Generalgouverneure mindestens zwei Jahre auf ihren Posten verbleiben und die Kaimakamlik nur von Eingeborenen besetzt werden sollten, wechselte man immer lustig darauf los, weil eben der Wechsel der Stellen eine Haupteinnahmequelle der türkischeu Minister ist. Die Erhebung Cyrenaïkas zu einer von Tripolis unabhängigen Provinz konnte man indess nur mit Freuden begrüssen, weil der Verband durch nichts motivirt ist und bei wichtigen Entscheidungen nur eine Verschleppung und Verlangsamung der Verhandlungen zur Folge hat.

Wenn man so der Erhebung der Provinz zu einem selbständigen Vilayat mit Genugthuung entgegensah, so wurden doch, je näher man dem Augenblicke kam, die Gemüther um so aufgeregter, weil die Person, um die es sich als Gouverneur handelte, bei allen Europäern und Eingeborenen im schlechtesten Andenken stand. Ali Kemali, so hiess der erwartete Pascha, war in der That schon einmal Gouverneur von Barka gewesen, musste jedoch wegen Misregierung das Land verlassen. Daraus zog aber das türkische Ministerium den Schluss, er müsse ein äusserst brauchbarer Mann sein, und beförderte ihn zum Generalgouverneur von Tripolitanien. Hier konnte er sich indess nur zwei Monate lang halten. Aber nicht etwa auf Veranlassung der europäischen Consuln verliess er Tripolis, sondern die eingeborene Bevölkerung drohte mit Empörung. Es kam auch thatsächlich zu Excessen, sodass Ali Kemali Pascha nach Konstantinopel zurückkehren musste. Man kann sich denken, dass man der Ankunft eines solchen Mannes mit Bangen entgegensah; jeder sagte sich, dass keiner besser als er und sein Schwager das Erpressen verstände.

Mein Begleiter, Dr. Stecker, war inzwischen nicht unthätig gewesen, er hatte namentlich eine Zusammenkunft mit Omar Bu Haua, dem Schich der Sauya in Kufra, zu veranstalten gewusst,da dessen Einffuss und eine Empfehlung von ihm für uns von grösstem Nutzen sein konnten. Leider gab dieser ärgste Christenhasser den Empfehlungsbrief nicht, obwol er mit Herrn Stecker zusammenkam. Aber was half ein Austausch leerer Höflichkeiten? Und merkwürdig! am selben Tage, als ich in Bengasi einzog, verliess Omar Bu Haua die Stadt, in der offen zu Tage liegenden Absicht, einem Besuche meinerseits auszuweichen. Bu Haua wusste, dass ich ihn nicht loslassen würde, ohne einen Brief von ihm zu besitzen, und wie viel Unglück hätte ein solcher verhindern können! Mit einem Empfehlungsschreiben Bu Haua's oder Sidi el Madhi's wäre der Ueberfall in Kufra unmöglich gewesen, moralisch müssen also die Snussi, welche als die eigentlichen Herren von Kufra zu betrachten sind, für den Angriff und die Ausplünderung verantwortlich gemacht werden.

Der Besuch bei Si Abd er Rahim, dem Schich der Snussi-Saûÿa in Bengasi, auf welchen Herr Rossoni so viel Gewicht legte, war von vornherein unnütz, und wenn ich dennoch zu ihm ging, so geschah es, um nichts unversucht zu lassen, zumal die Araber, also auch die Suya, während ihres Aufenthaltes in Bengasi seine Sauya zu frequentiren pflegten. Nach aussen hin aber hatte Si Abd er Rahim durchaus keinen Einfluss, und namentlich stand ihm ein solcher auf Kufra nicht zu.

Unbegreiflich blieb mir immer die Unkenntniss der Europäer mit den Verhältnissen des Landes, in welchem sie geboren oder doch seit Jahren ansässig sind. Obwol sie alle fertig arabisch sprachen, besassen sie über die Sitten und Gebräuche der Araber die unklarsten Vorstellungen. Von Kufra hatten sie erst gehört, seitdem unsere Expedition dorthin wollte. Und das erstemal, als Dr. Stecker ihnen mittheilte, wir müssten nach Kufra, wurde ihm von allen Seiten gesagt: "Questo è assolutamente impossibile!" Uadaï kannten alle in Bengasi nur insoweit, als sie mit diesem Worte die Begriffe "Sklaven", "Federn" und "Elfenbein" verbanden. Und selbst die nächste Umgebung der alten berühmten Stadt Euhesperidae oder Berenike erweckte so wenig das Interesse der europäischen Bewohner, dass die wenigsten von ihnen den Lethefluss besucht hatten, dass niemand wusste, wo die Hesperidengärten, der Tritonsee u. s. w. zu finden wären. Niemand aber hatte je daran gedacht, einen Ausflug ins Innere der alten Cyrenaïka zu unternehmen. Was kommt dabei heraus? fragten sich die meisten, und als sie sich keine genügende Antwort geben konnten, blieben sie lieber daheim.

Nach meiner ersten Unterredung mit Raif Bei, dem Gouverneur, einem apathischen, aber rechtlich denkenden Manne, der vorurtheilsfrei und ohne Fanatismus war, und seine Stelle nur verlor, weil er nicht genug erpresste, also auch nicht genug nach Konstantinopel abführte, gewann ich zwar die Ueberzeugung, dass ich nach Kufra und Uadaï würde kommen können, dass aber an einen Aufbruch vor Herbst nicht zu denken sein würde. Dies reifte bei mir den Entschluss, den Vorstand der Afrikanischen Gesellschaft zu ersuchen, mich von dem Posten eines Führers der Expedition zu entheben. Ein ganzes Jahr war verloren gegangen, und somit die Dauer der Expedition, sollte sie, wie geplant, durchgeführt werden, auf mindestens drei Jahre ausgedehnt. Ein solches Opfer zu bringen war mir unmöglich.

Das sah ich indess gleich, dass man unter den obwaltenden Verhältnissen einen entscheidenden Entschluss nicht fassen konnte, alles Mögliche wurde daher versucht, und ein Regierungscourier sollte gerade nach Djarabub, dem religiösen Centrum der Snussi, geschickt werden, mit der Bitte, mir einen Empfehlungsbrief für die Chuan[78] in Kufra zu geben, als die Kunde die Stadt durcheilte, der neue Pascha sei angekommen, und in der That, nach einigen Stunden warf ein türkischer Regierungsdampfer Anker auf der Rhede von Bengasi.

Mit der Ankunft Ali Kemali's hatte denn die Regierungszeit Raif Bei's ihr Ende erreicht. Der Empfang des erstern war grossartig. Militär, einige hundert Mann, brachte er selbst mit, und die in Bengasi befindliche Garnison stand am Strande, um ihm militärische Ehren zu erzeigen. Ausser den europäischen Consuln in Uniform waren alle Beamte der Regierung, die Honoratioren der Stadt in grösster Gala erschienen, um ihren neuen Herrn und Gebieter zu begrüssen. Welche Hoffnungen knüpften sich aber auch daran und wie Vieler Existenz hing davon ab! Diese Hoffnungen und Aussichten schwanden jedoch bei den meisten, als sie sahen, mit welch grossem Gefolge von Clienten Ali Kemali ans Land stieg und das Gasr betrat. Nun wurde mir auch klar, warum der Oberbürgermeister, der Polizeidirector und verschiedene Unterbeamten den weiten Weg von Bengasi nach Audjila nicht gescheut hatten: es geschah einzig in der Absicht, durch meine Fürsprache sich ohne zu grosse Bakschische auf ihrem Posten erhalten zu können. In ihrer Herzensangst kamen sie jetzt zu mir gerannt und baten flehentlich, für sie bei Ali Kemali ein Wort zu ihren Gunsten einzulegen, was ich auch versprach. Für den Polizeidirector gelang es mir auch, er wurde sogar, da er gut mit Geldmitteln versehen war[79], im Range befördert, aber der arme Oberbürgermeister, ein rechtlicher Mann, soweit ein arabischer Beamter rechtlich sein kann, blieb nur während meines Aufenthalts zu Bengasi im Amt. Noch vor meiner Ankunft in Audjila entsetzte ihn Ali Kemali Pascha seines Postens, den er einem reichen Kaufmann verlieh, welcher dem Gouverneur bereits nach Konstantinopel hin ein Angeld von 200 türkischen Lire (circa 4000 M.) entgegengeschickt hatte. Ich führe diese Thatsachen nicht etwa um des Skandals willen an, sondern um damit zu illustriren, dass alle Reformen in der Türkei nur auf dem Papiere stehen, denn sozusagen gestern passirte das. Ali Kemali brachte in der That ausser seiner grossen Verwandtschaft, welche versorgt sein wollte, ein ganzes Heer hungriger Türken mit, denen er im voraus schon die versprochenen Stellen verkauft hatte. Es fand ein allgemeiner Stellenwechsel statt. Das musste auch so sein, denn womit hätte er sonst seine Stelle bezahlen sollen? Glücklicherweise waren einige Stellen seinem Einfluss entzogen. Die Beamten der Douane, der Hafenkapitän, die Offiziere der regelmässigen Armee und noch einige andere Beamte hängen direct vom Ministerium ab.

Inzwischen war der von Dr. Stecker in seinem Bericht erwähnte Hadj Medhuï, ein Geschäftsfreund des Consuls Rossoni, nicht unthätig geblieben, wie denn beide die Expedition ungemein zu fördern suchten. Wenn man mitunter falsche Mittel und Wege anwandte, welche der Expedition zum Schaden gereichten, so geschah das gewiss nicht aus Mangel an Energie oder gar aus bösem Willen, sondern viel eher aus zu grossem Eifer und dem nicht vollständigen Erfassen der Gesammtaufgabe der Expedition. Der Hadj Medhuï, aus Mahadia in Tunesien gebürtig, war schon seit Jahren in Bengasi ansässig. Den Choms[80] angehörend, hat er trotzdem und sogar unter den eingeborenen Kaufleuten bis vor kurzem in Bengasi eine Stelle bekleidet, die unserer Präsidentschaft einer Handelskammer entsprechen würde, wenn es erlaubt ist, Kleines mit Grossem zu vergleichen. Als aber der Aufschwung des Handels mit Uadaï eine so grossartige Entwickelung annahm, warf er sich ganz auf die Vermittelung dieses Handelszweigs und entfaltete namentlich eine grosse Thätigkeit als Mittler zwischen den Suya-Arabern und den Kaufleuten, welche von Tripolis und Tunesien kamen und nach Uadaï wollten. Er war es, der die Kamele von den Suya miethete und die Preise bis Kufra, bis Uadjanga oder jetzt bis Uadaï festsetzte. Auf Veranlassung des Consuls Rossoni schrieb er an einige der angesehensten Suya-Schiuch, sie möchten nach Bengasi kommen, ein angesehener Europäer, beschützt von der Regierung des Sultans, halte sich dort auf und wünsche, mit ihrer Hülfe nach Uadaï oder nach Kufra zu reisen.

Andererseits erhielten die Suya schon längst von Bengasi aus Nachricht über unser Vorhaben, und es scheint mir wahrscheinlich, dass sie sich nach und nach mit dem Gedanken vertraut machten, mich mitzunehmen. Die richtige Vermittelung hatte mir gefehlt. Denn wie man sich erinnern wird, war meine Botschaft von Djalo an die Schiuch in Schchörre nicht ausgerichtet worden und würde auch schwerlich eine Wirkung erzielt haben, weil die vornehmen Schiuch zu der Zeit unter ihren Zelten in der Gegend am Uadi Fareg wohnten.

Da nun die Suya-Araber von jetzt an in den Vordergrund der Action treten, so dürfte es an der Zeit sein, den Leser mit diesem Stamme der Araber bekannt zu machen.

Die Suya bewohnen den südlichsten Theil der Cyrenaïka, nördlich geht ihr Gebiet halbmondförmig bis zu einer Linie hinauf, welche man sich nach Osten hin von Adjedabia aus gezogen denkt, ohne bis zu dieser Oertlichkeit hinanzureichen. Ebenso ist der westliche Theil des Uadi Fareg nicht in ihren Händen, sondern in denen der Morharba. Als festen Wohnsitz haben sie nur die Oase Schehörre, besitzen indess auch hier nur wenige steinerne Wohnungen, da sie es vorziehen, als echte Beduinen in Palmenhütten zu wohnen. Aber auch in Djalo und Audjila haben sie Besitz, und die ganze Oase Kufra kann jetzt als ihr Eigenthum betrachtet werden; jedoch haben sie es bisjetzt nur in einer Oertlichkeit, in Djof, zur festen Besiedelung gebracht, welche allerdings mehr und mehr den Charakter eines aus Häusern bestehenden Ortes annimmt.

Die Suya, welche ihrer eigenen Angabe nach aus 5-6000 Individuen bestehen, sind freie Araber und haben auch alle Merkmale dieser Wüstensöhne; aber es lässt sich die Thatsache nicht leugnen, dass sie verschiedentlich von den numerisch stärkern Morharba in eine Art von Vasallenthum hinabgedrängt worden sind. Sie bestehen aus drei Hauptstämmen: den Sdeïdi, den Djeluled und den Schuager.[81] Letztere, welche nicht nach Kufra gehen, weil sie sich am ersten Eroberungszuge überhaupt nicht betheiligten, bleiben stets in Schchörre und in der Gegend von Fareg. Die Sdeïdi[82] zerfallen in den starken Stamm der Uled Ameïra mit den Unterabtheilungen Ait Bu Schuk, Ait Bu Zahana[83], Ait Meschkueska[84], Ait el Ksir[85], Ait Gaderroha[86] und Ait Guetin.[87] Die Djeluled setzen sich zusammen aus Ait Ali[88] und Ait Auadel.[89]

Obgleich die Suya es für unschicklich halten, sich mit Negerinnen zu verbinden, kann man doch auf den ersten Blick erkennen, dass sie häufig in dieser Beziehung sündigten, wodurch sie keineswegs zur Verschönerung ihrer Rasse beitrugen. Ueberhaupt gibt es heute in ganz Nordafrika wol kaum einen Stamm ohne Negerblut, so sehr man auch bemüht ist, äthiopische Beimischung fern zu halten.

In ihrem Aeussern sind die meisten Suya allerdings noch echte Semiten geblieben. Die gebogene Nase, das stechende schwarze Auge, zurückweichende Stirn, hervortretende Backenknochen, fleischige Lippen, langes schwarzes Haar, langer Hals, langer Körper, geringe Entwickelung der Muskeln, Abwesenheit runder Formen, kleine Hände und Füsse sind die äussern Merkmale der männlichen Suya, während die Frauen, klein von Statur, sich nur in der Jugend durch mehr Fülle auszeichnen. Was ihren Charakter anbetrifft, so sind sie wie die übrigen Araber Afrikas: Treue gilt ihnen nur, wenn es mit ihrem Vortheil übereinstimmt; ein gegebenes Wort halten sie, wenn sie Nutzen davon haben; Lüge ist ihnen so zur zweiten Natur geworden, dass sie auch aus Vergnügen und ohne Vortheil die Unwahrheit sagen; eitel, hinterlistig, prahlerisch, grausam, geizig, geldgierig, ideenarm, ohne Sinn für Kunst, arbeitsscheu, abergläubig: das sind ihre Haupteigenschaften, denen man nur eine gute gegenübersetzen kann: Gastfreiheit, die sie aber wegen ihrer Armuth selten ausüben können. Dazu kommt ein ekelhafter, auf entsetzlichste Unwissenheit basirter Fanatismus. Wie oft habe ich über die landläufigen Schilderungen des Charakters der Araber den Kopf geschüttelt, wenn von ihrer Grossmuth, von der Tugend des Worthaltens, selbst dem Feinde gegenüber, von der Freigebigkeit, von der Tapferkeit und gar von ihren geschichtlichen Leistungen die Rede war. Möge man doch endlich einmal anfangen, ein Volk nach seinen gewerklichen und vollends nach seinen geistigen Hervorbringungen zu beurtheilen. Die Araber sind stets Parasiten gewesen und werden es bleiben.

Spanien kann froh sein, dass es vordem diese Semiten vertrieb. Es ist wahr, es befindet sich nicht im glänzendsten Zustande, aber hätte es diese entsetzliche Bande behalten, dann stände es etwa auf gleicher Höhe mit Marokko. Man vergleiche den Culturzustand Spaniens mit dem von Marokko, Tunesien, Tripolitanien u. s. w., und man wird erstaunen über den himmelweiten Unterschied. Der Jammer über die Vertreibung der Semiten aus Spanien hat gar keine Berechtigung. Wenn die Araber wirklich das tüchtige Volk wären, wofür man sie zu halten nur zu sehr geneigt ist, dann hätten sie doch in Marokko, Algerien und Tunesien nach ihrer Vertreibung aus Spanien dasselbe geleistet, was sie angeblich in Spanien geleistet haben sollen. Sanken denn die Franzosen, als sie blinder Religionshass unter Ludwig XIV. aus Frankreich vertrieb, in Deutschland unter ihre französische Bildung herab? Im Gegentheil, heute noch würden sie der Stolz Frankreichs sein, wie sie heute in Wissenschaft und Künsten der Stolz ihres neuen Vaterlandes sind. Weshalb, fragt der denkende Mensch, behaupteten nicht die aus Spanien vertriebenen Araber ihren auf der Iberischen Halbinsel eingenommenen geistigen Standpunkt? Oder warum suchten sie nicht wenigstens, wenn überhaupt etwas Tüchtiges in ihnen war, aus ihrer durch Vertreibung und Zerstreuung zeitweise erzeugten Versunkenheit zu früherer Höhe emporzukommen, zumal sie sich jetzt in Afrika, also auf einem ihrer Natur nicht unangemessenen Boden befanden? Die Beantwortung ist sehr leicht: diese Semiten sind eben Parasiten. In Spanien fanden die Eroberer ein günstiges Feld. Eroberer! - Schwarze Sklaven zur Bebauung des Bodens besassen sie schon, viele Christen zur Beackerung günstiger Gebiete erhielten sie noch dazu. Selbst arbeiten? Die Araber arbeiteten nie und nirgends, sie liessen für sich arbeiten. Erfindungen machten sie nicht, sie liessen erfinden. Die höhern Künste? Malerei und Bildhauerkunst sind aus religiösen Gründen verboten. Musik? Diese Semiten sind das unmusikalischste Volk der Erde. Und was die Poesie anlangt - können die Araber auch nur Annäherndes den Culturvölkern der Erde an die Seite setzen? Man sagt, um nur Einzelnes hervorzuheben, man verdanke den Arabern den Gebrauch des Rhabarbers, der Tamarinden-Pulpe, des Zimmet, des Kamphers, des Manna, der Sennesblätter, des Zuckers, der Gewürze, wie Nelken, Muskat u. s. w.: als ob sie das nicht alles durch Vermittelung der Inder erhalten hätten? Ferner: Spanien verdanke ihnen die Norias, als wenn diese Methode, Wasser zu schöpfen, nicht längst den Aegyptern, folglich den Römern bekannt gewesen wäre. Aldemiri wird der Buffon der Araber genannt, wer sagt mit Bestimmtheit, dass er geborener Semit gewesen ist? Und da komme ich gerade auf die für die Bewunderer arabischer Grössen verwundbarste Stelle: alle jene Grössen, welche die Araber in der medicinischen, astronomischen, geographischen und mathematischen Wissenschaft für sich beanspruchen, sind wahrscheinlich gar keine geborenen Semiten oder Araber gewesen, sondern Christen, d. h. Spanier, Griechen oder Italiener. Warum brachten denn die Araber, auf sich allein angewiesen, nicht solche Männer hervor? Warum leisteten sie nur in den Ländern Grosses, wo sie, wie in Syrien, Aegypten und Spanien, mit den Christen untermischt, herrschten? Ist denn nicht etwa der Rasm el Ardh (Beschreibung der Erde) etwas anderes als ein Abklatsch vom Griechischen? In der That dürfte doch wol die Frage erlaubt sein, ob alle jene in Beziehung auf Geographie verdienstvollen Männer: die Ebe-Haukal, Hasudi, Abel Uefa, Albiruni, Bekri, Jakut, Ibn Batuta, Makrisi, Leo u. s. w. wirklich geborene Araber gewesen sind? Vielleicht waren sie oder die meisten von ihnen Christensklaven und, berühmt geworden, gaben sie die Araber für die ihrigen aus. Hätten wir heute nicht genaue Geschichtsaufschreibungen, so gehörte Naivetät dazu, glauben zu wollen, dass die Osmanli den aus dem Krim-Kriege bekannten Omar Pascha, sowie den im letzten türkisch-russischen Kriege berühmt gewordenen Mohammed Pascha und ebenso die vielen in ägyptischen Diensten befindlichen Europäer nicht der Nachwelt als ehemalige Renegaten, sondern im Gegentheil als Vollblut-Mohammedaner überliefern würden.

Wir können uns mit diesem Gegenstande hier nicht näher befassen, nur möchten wir demjenigen, welcher im Araber das Vorbild vollendeter männlicher Schönheit erkennen will, den Rath ertheilen, mit den Suya Bekanntschaft zu machen oder sie Studiums halber nach Bengasi kommen zu lassen: er wird dann das phantastische Urtheil derer zu würdigen wissen, welche bezüglich der Vollendetheit dieses semitischen Volks nur aus Büchern schöpften, aber nicht von Angesicht zu Angesicht sahen. Wie kann ein Volk noch schön bleiben, von welchem wir geschichtlich nachweisen können, dass sich seit länger als Mohammed's Zeiten bis heute Männer und Weiber mit Hunderttausenden von schwarzen und andern Sklaven und Sklavinnen vermischten! -

Am Tage nach seiner Ankunft hatte ich mit Ali Kemali Pascha meine erste Zusammenkunft. Voll Liebenswürdigkeit, mit Aufmerksamkeiten aller Art mich überhäufend, einer der redseligsten Männer unter den sonst stummen Türken, schien er wirklich die Sprache nur zu gebrauchen, um seine Gedanken verbergen zu können. Aber das wusste ich gleich, dass er mit strenger Weisung hergekommen war, der Expedition in jeder Beziehung Vorschub zu leisten. Auf Veranlassung der deutschen Botschaft in Konstantinopel hatte ihn in Kreta, auf dem Wege nach Bengasi, noch ein darauf bezügliches Telegramm ereilt, und so hoffte ich denn nach dieser ersten Unterredung auf das baldige Flottwerden der Expedition.

Einige Tage darauf kamen auch drei der angesehensten Suya-Schiuch nach Bengasi. Abd el Krim el Halleg, Fkrim Bu Mrhaëb und Schich el Alhuesch, und noch am selben Tage hatte ich im Beisein des Hadj Medhuï eine Berathung mit ihnen, welche aber vollkommen resultatlos blieb, weil die Schiuch so unverschämt in ihren Forderungen waren, dass es mir nicht in Gedanken einfiel, darauf einzugehen. Die erste Forderung betrug 5000 Mahbub, blos um die Expedition nach Kufra zu begleiten. Nachher blieben sie längere Zeit auf 2000 Mahbub stehen, denn von nun an folgten Tag für Tag lange Sitzungen, in welchen man zuweilen im Beisein des Stadtraths, des Gouverneurs, zuweilen auch privatim verhandelte. Ich versuchte es, ihre Hartherzigkeit durch kolossale Fleischschüsseln zu mildern, die sie gewissenhaft vertilgten, ohne auch nur einmal den "Anstandsbrocken" zurückzulassen, aber bei ihrer Forderung blieben sie stehen. Hierauf bat ich den Schich der Snussi in Bengasi, Sidi Abd er Rahim, um Intervention; er liess sie auch kommen, und ich habe nicht den leisesten Grund, an der Aufrichtigkeit seines Zuredens zu zweifeln, aber nichts konnte sie bewegen, ihre Forderungen herabzustimmen. Ja, wenn Sidi Omar Bu Haua dagewesen wäre! Aber dieser hatte sich wohlweislich aus dem Staube gemacht.

Ganz Bengasi fing an, sich für die Sache zu interessiren, aber wir kamen keinen Schritt vorwärts. Ali Kemali Pascha, ein Chuan der Snussi, wünschte durchaus, der Sache ein Ende zu machen; er hatte mehrere Zusammenkünfte mit Sidi Abd er Rahim, dem Schich der Snussi in Bengasi, und als die drei Schiuch nach allem vergeblichen Zureden sogar Anstalt machten, die Stadt zu verlassen, wurden sie auf offenem Marktplatz von Sidi Abd er Rahim excommunicirt. "Es treffe euch der Zorn des Schich!" rief er ihnen zu, und der Pascha hatte hierauf nur gewartet, um sie greifen und einsperren zu lassen.

Diese Massregel führte zu langen Erörterungen. Herrn Consul Rossoni war sie sehr unlieb, weil sein Geschäftsfreund, der Hadj Medhuï, dadurch in seinen Beziehungen zu den Suya Schädigung erlitt. Er hatte die Suya kommen lassen, er war also für ihre Sicherheit gewissermassen verantwortlich, und nun befanden sie sich mit einem mal im Kerker und sogar in Ketten. Auf Veranlassung des Herrn Rossoni - er selbst hatte leider als nicht besoldeter Consul wenig Einflass, und Ali Kemali Pascha vermied jede Unterhandlung mit ihm - schickte ich daher zum Gouverneur und verlangte die sofortige Befreiung der Suya.

Ali Kemali sandte gleich seinen Dolmetsch, Herrn Andonian, und liess mir sagen, er erwarte in diesen Tagen verschiedene andere angesehene Suya, mit denen wol leichter ein Abkommen würde getroffen werden. Die Gefangennahme der Schiuch bezwecke aber in erster Linie, die übrigen Suya zur Zahlung der rückständigen Steuern zu zwingen, welche seit sechs Jahren nicht bezahlt seien und sich auf die Summe von l50000 Piaster beliefen, sodann betrachte er die Inhaftirung der Schiuch als ein vorzügliches Pfand für mein sicheres Ueberkommen nach Kufra. Von einer Freilassung könne keine Rede sein. Da unter den Arabern die Sitte, Geiseln zu stellen, allgemein ist, so war natürlich gar nichts dagegen einzuwenden, und ich bin immer, wenn ich an die ganze Angelegenheit zurückdenke, froh, dass man den Schich Bu Halleg während meiner Anwesenheit in Kufra als Geisel in Bengasi zurückbehielt, denn dieser war und ist nach Aussage der Suya einer der grössten Schufte und Schurken, ein würdiger Verwandter des Schich Bekr Bu Guetin, der uns verrieth.

Die Einkerkerung der Schiuch der Suya hatte sich aber wie ein Lauffeuer durchs ganze Land verbreitet, und als endlich am 26. Juni mehrere andere Suya kamen, um zu unterhandeln, darunter zwei Schiuch, nämlich Krim Bu Rba und Bu Guetin, musste ich ihnen erst mein Wort verpfänden, dass der Gouverneur sie nicht einsperre, und für Bu Guetin noch speciell bürgen, da dieser Räuberhauptmann wegen Privatschulden fürchtete, von den Kaufleuten Bengasis eingesperrt zu werden.

Mit diesen Suya gelang es mir nun, allerdings auch nach langen Unterhandlungen, einen Vertrag zu schliessen, ja sogar, sie zu bewegen, die Expedition nach Abeschr, der Hauptstadt von Uadaï, zu geleiten, während sie sich zuerst nur dazu verstehen wollten, dieselbe bis Kufra, dann bis Uadjanga, endlich bis zu dem an der Grenze von Uadaï gelegenen Um Schaluba zu bringen.

Der Hadj Medhuï sowol wie auch Herr Consul Rossoni gaben sich die grösste Mühe, einen Vergleich mit den Suya zu Stande zu bringen, und der officielle, mit den Suya abgeschlossene Regierungscontract basirte auf einem von Hadj Medhuï ausgearbeiteten Entwurf. Endlich am 29. Juni nachmittags, nachdem im ganzen die Verbandlungen mit den Suya in täglichen Sitzungen gerade zwei Wochen gedauert hatten, wurde in einer feierlichen Midjeles-Sitzung unter dem Präsidium des Generalgouverneurs und in meinem Beisein und dem von 13 Suya jener Contract durchgenommen und angenommen, während die türkische Regierung sich officiell als Garantin für die Ausführung aller Bedingungen des Contracts erklärte.

Am 4. Juli 1879 wurde ebendaselbst der in sechs Exemplaren ausgefertigte Contract von der Regierung, von mir und sämmtlichen Suya unterzeichnet; nur einer konnte seinen Namen schreiben, die übrigen drückten dem Siegel ihren in Tinte getauchten Finger bei. Den Contract hatte man in arabischer Sprache und deshalb in sechs Exemplaren ausgefertigt, weil eins davon für Konstantinopel, eins für Berlin, eins für die Suya, eins für mich, eins für den Gouverneur und eins für das italienische Consulat in Bengasi bestimmt war.

Der Contract lautete in wörtlicher Uebersetzung:

"Gemäss dem Verlangen und der Bitte des wohlbekannten Reisenden Gerhard Rohlfs Bei, deutschen und preussischen Unterthans, gerichtet an die Localregierung von Bengasi, ihm einen Führer (Khabir) und Kamele zu stellen zur Weiterschaffung seines Gepäckes bis zur Grenze der ottomanischen Regierung in der Sahara durch die Provinz von Bengasi zum Gebiet der Regierung von Uadaï, welches Land Kufra genannt wird, wurden auf Fürsorge des Vali der genannten Provinz, Ali Kemali Pascha, Excellenz, acht Personen vom Stamme der Suya Sdeïdi vorgeführt, mit Namen: Aud n Noël, Bu Sif Bu Argub, Mohammed Bu Guetin, Rasel Burgheh, Alimed Bu Reseghalla, Oker Bu Schnef, Ssalem el Husein el Halleg und Smeda uld Mohammed sowie ein Mann von der Tribe der Suya Djeluled, Namens Ssaadi Bu Dib, unter Garantie der Schiuch der Sdeïdi, mit Namen Schich Krim Bu Abd er Rba, Schich Bu Bekr Bu Guetin und der Schiuch der Djeluled, mit Namen Schich Junes el Baba und Schich el Fadhil Bu Marsuk.

Sie sind mit dem genannten Bei übereingekommen, sein Gepäck und ihn selbst in Sicherheit bis Kufra zu bringen, indem sie sich verpflichten, bis zum genannten Ort ihn zu begleiten. Und nach seiner Ankunft in Kufra würde er ihnen einen Brief zu geben haben, den dieselben nach Bengasi an die Regierung zu senden haben, in welchem er anzeigt, dass er wohl und sicher die Grenze der Provinz erreicht hätte.

Sie haben auch zwischen sich vereinbart, sein Gepäck und ihn bis Bescha (Abeschr), der Hauptstadt von Uadaï, zu bringen, nach ihrem freiwilligen Uebereinkommen, und von da schnell zurückzukommen.

Der vorerwähnte Herr, zufriedengestellt durch dies ihr Benehmen gegen ihn, hat eingewilligt aus freiem Antrieb, ihnen 18000 Piaster als Lohn zu geben, und sie würden ihm die nothwendigen Kamele zu beschaffen haben von Audjila oder auch von Kufra, zum Preis von l000 Piaster jedes Kamel bis Uadaï. Und wenn er andere Kamele nöthig hätte, würde er es in Kufra mittheilen, welches die Grenze der Provinz ist, und sie würden sie zum selben Preis stellen.

Indem dies vor dem Verwaltungsrath (Midjeles-Idaret) zwischen beiden Parteien beschlossen und festgesetzt wurde, ist gegenwärtiger Contract in sechs Exemplaren ausgefertigt worden, wovon zwei in den Händen des hiesigen Gouvernements bleiben, zwei dem genannten Herrn Rohlfs Bei eingehändigt sind, einer den Suya überliefert und einer der Consularagentur von Italien behändigt wird, welche alle Contracte mit unterzeichnet hat, da er sich unter der Protection derselben befindet.

Der erwähnte Contract soll von beiden contrahirenden Parteien so ausgeführt werden, wie man übereingekommen ist.

17. Haziram 1295 und 10. Regeb[90] 1296.

(Es folgen die Unterschriften der Suya nebst ihren Siegeln sowie meine eigene nebst Siegel .)

Wir persönlich waren beim Contract zugegen und haben für die neun Personen von unsern Leuten gebürgt, dass sie die Kamele beschaffen, und den genannten Reisenden sowie sein Gepäck führen und ihn vor allen Gefahren bis zur Grenze von Bengasi, welche Kufra ist, verpflichtetermassen behüten werden, und von da bis nach Bescha (Abeschr), Hauptstadt von Uadaï, nach ihrem freiwilligen Entschluss.

Wir erachten uns gebunden und verpflichtet gegen die Regierung für alle Unterlassungen und Zuwiderhandlungen, was den Contract anbetrifft, und erklären uns dafür verantwortlich.

Daher siegeln und unterschreiben wir Gegenwärtiges.

(Folgen Siegel und Unterschriften der Sdeïdi- und Djeluled-Schiuch sowie des italienischen Consularagenten.)

Man bescheinigt, dass der gegenwärtige Contract von beiden contrahirenden Theilen geschlossen und bestätigt worden ist im Midjeles-Idaret dieser Provinz. Und den Gebräuchen gemäss (Mohabara) zwischen der Hohen Pforte und dem Cabinet von Berlin, und dem officiellen Abschluss gemäss, garantirt die Regierung officiell dem vorerwähnten Herrn Rohlfs Bei, ihn wohl und gesund bis zur Grenze von dieser Provinz (Kufra) gelangen zu lassen. Folglich wurde festgesetzt, dass ein solches Uebereinkommen beobachtet und ausgeführt würde in jedem seiner Theile.

Da ein solcher Gegenstand von höchster Wichtigkeit ist, deshalb, und weil es sich um eine solidarische Garantie handelt, werden hier provisorisch (im Gefängniss) zurückbehalten seitens der Regierung drei hochachtungswürdige Persönlichkeiten (Mootabirini) aus den Schiuch der Suya, welche sind Schich Abd el Krim Bu Haleg, Mohammed el Rhadai und Fkrim.

Damit solche Sache jedermann bekannt sei, und endlich damit jeder gezwungen sei, dem, was er versprochen, soweit es ihn angeht, nachzukommen, und für jede Contravention verantwortlich gemacht werden könne, wurde gegenwärtiger Anhang geschrieben, das authentische Siegel deshalb beigedrückt, und demgemäss, wie festgesetzt wurde, wurden die Copien vertheilt an die, die es anging.

14. Regeb 1296 und 21. Haziram 1295.

Unterschrift und Siegel der Midjeles-Idaret."

Ich habe geglaubt, den Contract in seiner ganzen Ausführlichkeit wiedergeben zu müssen, um zu zeigen, wie klar aus demselben hervorgeht, dass die Regierung von Bengasi Kufra als türkische Provinz[91] betrachtete, dass sie officiell der Expedition die sichere Ueberkunft bis Kufra wenigstens garantirte, und dass mit Wissen der Suya die drei Schiuch derselben als Geiseln in Bengasi zurückbehalten wurden. Diese drei Punkte muss man wohl im Auge behalten, wenn man das spätere Verhalten Ali Kemali's richtig würdigen will. Die Ketten liess ich übrigens gleich am ersten Tage den Gefangenen abnehmen, und die mich begleitenden Suya erhielten in meiner Gegenwart von Ali Kemali das bestimmteste Versprechen, dass ihre Verwandten gleich in Freiheit gesetzt werden sollten, sobald ein Brief von mir aus Kufra käme. Da aber voraussichtlich schon in Audjila die nächsten Angehörigen der gefangenen Schiuch einen moralischen Zwang auf mich ausüben würden, dem Pascha zu schreiben, er möge die Gefangenen freigeben, so waren Ali Kemali Pascha und ich übereingekommen, dass er einem arabisch geschriebenen Briefe von mir keine Bedeutung beilegen solle, sondern meine wahren Absichten nur aus einem in italienischer oder französischer Sprache geschriebenen erfahren würde.

[78] Chuan, Brüder, Mitglieder des Ordens.

[79] Wie der türkische Polizeidirector sich Geld zu verschaffen wusste, erhellt am besten aus Folgendem. Eines Tages trat in Kufra ein Araber auf mich zu mit den Worten: "Ich musste für dich in Bengasi im Gefängniss sitzen und 5 Thaler zahlen." - Ich fragte ganz erstaunt: "Aber weshalb und wie so?" - "Der Polizeidirector hatte erfahren, du wollest nach Kufra reisen, und sagte, deine Sicherheit erheische, dass ich eingesperrt würde, und ich kam erst frei, nachdem ich 5 Thaler gezahlt." Zum Glück war der Mann überzeugt, dass ich nicht bei dieser Ungerechtigkeit betheiligt sei, und da man mich schon ausgeplündert hatte, verlangte er nicht einmal seine 5 Thaler zurück.

[80] Choms nennt man die, welche nicht den Riten der Hanbalisten, Schaffeïsten, Hannefiten und Malekiten angehören, den vier erlaubten oder orthodoxen Riten. Choms kommt von chamis her, d. h. fünf.

[81] Derzeitiger Schich der Schuager ist Essadi ben Hassan ben Miftah.

[82] Schich der Sdeïdi und zugleich der Gaderroha ist Abd el Krim Bu Halleg.

[83] Ihr Schich, zugleich Schich der Ameira, heisst Djib Allah el Abid.

[84] Der Schich heisst Dienab Bu Sekran.

[85] Ihr Schich heisst Krim Bu Abd er Rba und war unser Lebensretter.

[86] Ihr Schich heisst Abd el Krim Bu Haleg, er war Geisel.

[87] Der Schich Bu Bekr Bu Guetin verrieth und überfiel uns.

[88] Ihr Schich Fkrim Bu Mrhaïb war Geisel in Bengasi.

[89] Ihr Schich Mohammed ben Brahim el Rhadai el Alhueseh war ebenfalls Geisel.

[90] Regeb oder Redjeb oder Redscheb ist arabische Zeitrechnung, welche mit der persischen um ein Jahr differirt. Haziram ist persischer Monat, welcher bei feierlichen Gelegenheiten von den Türken angewandt wird.

[91] Was aber keineswegs der Fall ist, denn sowol die Regierung von Kufra, d. h. die Snussi, wie die Besitzer des Bodens, die Suya, protestiren gegen diese Annahme. Die Türken sind nie in Kufra gewesen und erhalten daher keinen Para Abgabe.


<< >> Up Title Contents