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DREIZEHNTES KAPITEL. KUFRA (Fortsetzung).

Die durch verschiedene Umstände verschlimmerte Lage des Reisenden. - Eine hauptsächlich aus den Uled Bu Guetin zusammengesetzte Midjeles. - Djib el Lah el Abid, der gutgesinnte Schich der Ait Amera. - Sidi Agil, ein wüthender Christenhasser und Chuan der Snussi, erscheint. - Der Reisende setzt seine Gefährten von der lebensgefährlichen Lage in Kenntniss. - Sidi Agil überfällt mit einer Bande Suya das Lager. - Der Reisende begibt sich mit seinen deutschen Gefährten, um nicht ermordet zu werden, nach Surk in den Schutz des Schich Krim Bu Abd el Rba. - Bu Guetin mit seiner Bande plündert das Lager. - Djib el Lah kommt nach Surk. - Gleich darauf eine feierliche Midjeles. - Djib el Lah und Krim el Rba reiten unter starker Bedeckung nach Boëma, um die geraubten Sachen zu retten. - Eckart und Hubmer ebenfalls dorthin, und grosse Gefahr derselben. - Djib el Lah veranlasse zur Sicherung des Reisenden eine Uebersiedelung desselben von Surk nach Djof. - Grosse Rathsversammlung daselbst, wo auch der Räuber Bu Guetin sich einfindet. - Ein Kurier Sidi el Madhi's, des obersten Schich der Snussi zu Djarabub. - Bu Guetin sucht vergeblich das von ihm Geraubte zu verkaufen. - Eine Scene mit dem frommen Beutelschneider Sidi Agil. - Eine bei Djof lagernde Karavane. - Die Tebu. - Die Gärten um Djof. - Der Reisende fasst den Beschluss zur Umkehr.

Man wird nach dem über diesen einflussreichen Orden der Snussi im vorhergehenden Kapitel Gesagten den Verlauf der Handlung besser würdigen und sehen, welche klägliche Rolle diese Religiosen, namentlich die obersten Chuan derselben spielten.

Man hielt nun täglich lärmende Sitzungen in Boëma, oft ohne mein Beisein, oft auch wurde ich zugezogen. Immer handelte es sich um Gelderpressungen. Die Summe, welche ich in Bengasi erlegen musste, war deshalb so hoch angesetzt worden, weil die Escorte erklärte, sie hätten an alle ihre Angehörigen einen bestimmten Theil dieses Geldes abzugeben; nun aber verlangten die in Kufra schon wohnenden oder sich aufhaltenden Suya, ich solle noch einmal zahlen; man verlangte 1000 Maria-Theresienthaler. Ich weigerte mich natürlich, denn hätte ich gezahlt, so würde eine weitere Erpressung die Folge gewesen sein.

Aber andern Erpressungen konnte ich mich nicht entziehen. Es ging das Gerücht, der Sultan von Uadaï wolle weder Türken noch Christen in sein Land hereinlassen, und eine gewisse Wahrscheinlichkeit hatte das ja für sich. Man beschloss darauf, Boten nach Uadaï zu senden, und zum Theil bezahlte ich dafür die Gelder; aber der Bote ging nie ab. Vollkommen isolirt war ich jetzt, aber vor meiner Gefangenschaft schon hatte Bu Bekr Bu Guetin und sein ganzer Stamm den Entschluss gefasst, mich zu ermorden und auszuplündern.

Dass man unsere Diener, welche zum Einkaufen nach Djof gehen sollten, zu beschimpfen und zu schlagen begann, dass man sogar so weit ging, mir selbst vorzuwerfen, ich ässe Fleisch und sie hätten nur Datteln zur Nahrung, dass man also jeden Respect, wodurch sich der unter wilden Menschen befindliche Reisende allein zu schützen vermag, ausser Acht nahm, liess mich von jetzt an das Schlimmste befürchten. Und doch war nichts zu machen, um uns aus dieser entsetzlichen Lage zu befreien. Laut unserer Uebereinkunft in Bengasi, so stand im Contract, sollte ich von Kufra aus meine Ankunft daselbst sofort durch einen Kurier melden, um die Freilassung der Geiseln zu erwirken. Ich wollte denn auch gleich am Tage nach unserer Ankunft in Boëma einen Rkas (Bote, der kamelberitten ist) miethen und absenden, aber alles vergeblich: die Antwort war stets: "Wir wollen erst einen Boten abwarten, um zu sehen, ob unsere Geiseln noch in Bengasi sind." In Wahrheit aber wollten sie deshalb keinen Boten senden, weil sie glaubten, die Geiseln wären durch irgendeinen günstigen Umstand ohnedies frei geworden oder seien vielleicht entflohen.

Als ich endlich einen Mann - er war vom Stamme der Bu Guetin - mit vielen Briefen, mit Berichten für die Afrikanische Gesellschaft, und mit einer ganzen Kiste voll Naturalien, worunter besonders kostbare Unica an Spinnen und Eidechsen sich befanden, zum Aufbruch vermochte, nachdem ich ihm das Geld dafür gegeben, ging er zwar, aber nur zum Schein. Nach einigen Tagen kehrte er zurück mit dem Bemerken, man habe ihn in Hauari angehalten, da die übrigen Suya nicht wünschten, dass ich einen Bericht über Kufra nach der Heimat sende. Später erfuhr ich, dass mein specieller Beschützer Bu Bekr Bu Guetin einfach die Kiste erbrochen, die Briefe und Berichte zerrissen, die Pflanzen und Thiere fortgeworfen, die Steine aber seinen Landsleuten gezeigt und gerufen habe: "Seht die Christen, sie sind in unser schönes Land gekommen, um es auszukundschaften; seht da die Steine, in denen Gold enthalten ist, und welche sie nach ihrer Heimat schicken, um andere Leute hierher zu locken. Bei Gott, das soll nicht geschehen, ungläubige Hunde sollen nicht zum zweiten mal das Land besudeln!"

Man kann sich denken, dass derartige Reden nicht dazu beitrugen, unsere Lage zu verbessern, und als ich die Trümmer unserer mit Mühe gesammelten Naturalien, die Fetzen unserer Briefe sah, da war es mir, als sollten wir Kufra nicht wieder verlassen.

Aber unsere Lage verschlimmerte sich erst recht durch einen von dem Hadj Medhuï von Bengasi an die Schiuch der Suya geschriebenen Brief, in welchem er ihnen anzeigte, der Pascha habe auf meinen von Audjila aus geschriebenen Brief die Geiseln nicht freigegeben, "dass aber eigentlich ich an der Einkerkerung der Schiuch schuld Sei und nur ich sie befreien könne". Das war eine offenbare Unwahrheit, denn ich hatte, wie man sich erinnern wird, nicht nur nicht die Schiuch einkerkern lassen, sondern sogar den Pascha gebeten, sie wieder in Freiheit zu setzen. Dies verweigerte der Pascha aus Utilitätsgründen. Begreiflicherweise goss ein solcher Brief Oel ins Feuer, zumal noch hinzugefügt war, die Geiseln seien in Ketten und einer derselben sei erkrankt. Vergebens erbot ich mich, sofort einen Rkas nach Bengasi zu senden; ich sagte ihnen offen, dass der Gouverneur auf einen nur arabisch geschriebenen Brief gar nicht eingehen würde, weil er einen solchen als erzwungen betrachte. Sie wollten von nichts wissen.

Am 24. August rief man eine Midjeles zusammen welche hauptsächlich aus den Uled Bu Guetin, welche mich doch eigentlich hätten schützen sollen, und den Ait Gaderroha bestand. Nach einer stürmischen und lärmenden Berathung wurde ich gerufen und mir die Mittheilung gemacht, ich sei von jetzt an Gefangener. Wenn es sich bewahrheite, dass die Geiseln zu Bengasi in Ketten seien, wie nämlich der Rkas, der den Brief überbrachte, ausgesagt hatte, dann würde man mich auch in Ketten legen; wenn aber einer von ihnen stürbe, würden sie mich auch tödten. In der That schien Ali Kemali die Schiuch nach einem Fluchtversuche in Ketten gelegt zu haben. So erzählte mir wenigstens später Herr Andonian, der Regierungsdolmetsch. Vor allem aber, das sah ich jetzt, war ihr Bestreben nun darauf gerichtet, womöglich die Geiseln frei zu bekommen, um dann ungehindert über uns und unser Eigenthum verfügen zu können.

Schich Krim Bu Abd el Rba, der mich eines Tags besuchte, und der in seiner Rechtlichkeit gar nicht fassen konnte und wollte, was Bu Guetin gegen mich plante, tröstete mich zwar und meinte, es würde alles noch gut werden, und mit meiner Gefangenschaft sei es kein Ernst. Als ich ihn dann aber fragte, ob er und die Seinigen nicht mit uns nach Uadjanga, nach Fesan oder auch nach Bengasi aufbrechen wolle, erklärte er erschrocken, ohne die übrigen könne er allein nichts unternehmen.

Einer der mächtigsten Stämme der Suya, die Ait Amera, hatte sich bisjetzt an diesem ganzen Treiben nicht betheihgt. Hauptsächlich in Djof und Tolab ansässig, war er von unserm Lager immerhin 12, resp. 50 km entfernt, jedenfalls jedoch von allen Vorgängen unterrichtet. Der Schich der Ait Amera, Djib el Lah el Abid, ein schon bejahrter Mann, war der Nachkomme jenes letzten unglücklichen Tebu-Sultans von Drángedi in Taiserbo. Sein Grossvater, den als kleines Kind die Suya fortschleppten, hatte durch eine glückliche Wendung die Liebe der einzigen Tochter des Suya-Schich gewonnen, und der aus dieser Ehe entsprossene Sohn und Enkel, Djib el Lah el Abid, war augenblicklich Schich: ein Mann von sehr ehrwürdigem Aeussern und mindestens 70 Jahre alt. Hiernach zu schliessen, muss also die Eroberung von Taiserbo seitens der Suya vor etwa 150 Jahren stattgefunden haben.

Absichtlich hatte man mich immer von den Ait Amera fern gehalten. Bu Bekr Bu Guetin, dem ich gleich bei meiner Ankunft in Boëma sagte, ich wolle den Djib el Lah besuchen und ihm ein passendes Geschenk mitbringen, war absolut dagegen. Er erklärte, der Schich sei ein Fanatiker, er würde mich gar nicht empfangen und ich dadurch nur Unannehmlichkeiten haben. Zum Schich selbst, der andererseits mich zu besuchen beabsichtigte, hatte er gesagt: "Gehe nur nicht zum Bei (meine Wenigkeit), der ist ein schmuziger Geizhals und du erniedrigst dich nur, wenn du ihn besuchst."

Am 5. September kam von Audjila ein gewisser Sidi Agil, ein Bruder des in Bengasi gefangenen Schich Krim Bu Hellak. Dieser, einer der angesehensten Chuan[105] der Snussi, ein wüthender Fanatiker und Christenhasser, brachte unsere Sache zur Entscheidung. Vom Augenblick seiner Ankunft an war ich so fest von unserm Untergange überzeugt, dass ich meinen Gefährten von unserer bedrohten unrettbaren Lage Mittheilung machte. Bislang hatte ich alles allein getragen. Dr. Stecker sowol wie Eckart und Hubmer, welche freilich wol sahen und hörten, wie ich öfter den lärmenden Versammlungen der Suya beiwohnte; die auch erlebten, wie die eingeborenen Diener, namentlich Ali der Gatroner, mishandelt und sogar geprügelt wurden, hatten doch von unserer lebensgefährlichen Lage keine genaue Kenntniss. Dass wir unser Lager von Boëma seit dem 24. August nicht verlassen durften, wussten sie zwar auch, aber dass wir jetzt nächtlich und stündlich überfallen und gemordet werden könnten, kam ihnen unerwartet.

Noch einen Versuch wollte ich machen, die Regierung von Bengasi von unserer Lage in Kenntniss zu setzen, und miethete deshalb einen Mann, von dem ich glaubte, er würde die Botschaft übernehmen und ausrichten. Ein gewisser Suya, Namens Mutta, der am östlichsten Ende der Palmenwälder von Boëma wohnte, war öfters, auch einige mal in Begleitung seiner Frau, in unser Lager gekommen, um uns Datteln oder Lakbi zu verkaufen; er machte den Eindruck eines treuherzigen Mannes, aber auch er nahm das Geld und betrog uns. Er hat nie die Oase verlassen.

Sidi Agil, welcher anfangs jede persönliche Zusammenkunft mied, weil er, wie er sagte, sich durch den Verkehr mit einem Christen nicht verunreinigen wollte, hatte endlich den klugen Gedanken ausgeheckt, ich solle einen Brief schreiben, aber nur arabisch, damit Ali Kemali die Gefangenen freilasse. Das war mir auch ganz recht, nur wünschte ich einige Worte italienisch beizufügen. Ich hatte ja vom Anbeginn meine Absicht kundgegeben, einen Kurier absenden zu wollen. Es wurde ein Brief geschrieben, zerrissen, ein neuer aufgesetzt, aber auch dieser keineswegs abgeschickt, obschon ich von neuem das Geld für den Kurier gab. Und es handelte sich nicht um kleine Summen, denn ein Kurier verlangte 200 M. Die eigentliche Absicht Sidi Agil's und des jetzt eng mit ihm verbündeten Schich Bu Bekr ging dahin, von mir einen Brief zu erhalten, wodurch sie die Gefangenen frei bekämen, den Brief abzusenden und mich dann am selben Tage zu ermorden. Das Schlimme war, dass er mich aber jetzt zwang, einen Brief an Herrn Rossoni und auch arabisch ohne italienische Begleitworte zu schreiben. Denn wenn ich auch wusste, dass der Pascha einem arabisch geschriebenen Briefe keine Folge geben würde, konnte ich nicht ein Gleiches von Herrn Rossoni erwarten.

Eigenthümlicherweise hielt Herr Rossoni auch nach meiner Rückkehr noch immer an der Meinung fest, dass die Gefangennahme der Schiuch der Suya Ursache des Misgeschicks der Expedition gewesen sei, obschon er doch selbst als Zeuge den Contract unterschrieben hatte, also damals, wenn auch ungern, die Inhaftnahme derselben billigte. Und als er selbst in diesem Sinne Berichte an die Geographischen Gesellschaften von Rom und Berlin schickte, wusste er freilich nicht, dass ich am selben Tage, an dem ich, zum wievielsten mal erinnere ich mich nicht mehr, meinen arabischen Brief schrieb, ermordet und ausgeplündert werden sollte und dass die Ausplünderung in der That auch erfolgte. Hieraus geht zur Evidenz hervor, dass die Gefangenschaft der Schiuch in Bengasi vollkommen Nebensache für die Suya in Kufra war. Als Herr Rossoni seine Berichte machte, wusste er freilich ebenfalls nicht, dass nach dem misglückten Mordversuch die Suya mich ruhig abziehen liessen, trotzdem die Schiuch noch immer als Geiseln zu Bengasi in Gefangenschaft sassen.

Unsere Angelegenheit hatte sich aber jetzt so zugespitzt, dass ich mit Bu Guetin offen über unsere Ermordung sprach. Wenn ich nun drohte und hervorhob, dass die Regierung Repressalien ergreifen, Schchörre zerstören, an den heimgebliebenen Suya sich rächen und ihnen überhaupt die Rückkehr nach Cyrenaïka verbieten werde, erhielt ich die kalte Antwort: "Wir brauchen gar nicht zurückzukehren; unsere Angehörigen benachrichtigen wir rechtzeitig, zu uns zu stossen, und dann gehen wir nach dem Sudan, wo wir unabhängig, wie die Uled Sliman, leben werden."

Am 11. September aber stürzte abends eine Bande von 30 bewaffneten Suya unter Anführung des frommen Sidi Agil in unser Lager. Es war 9 Uhr abends. Stecker und ich sassen vor seinem Zelt, hatten gerade unser frugales Abendbrot beendet und beriethen, was wol zu thun sei, als wir uns im Nu von einer Menge langer Flinten umstellt sahen und Sidi Agil in fieberhafter Aufregung 1000 Thlr. verlangte, um, wie er sagte, mit diesem Gelde den Pascha Ali Kemali zu bestechen, die Gefangenen frei zu geben. Die drohenden Geberden, die fremden Gesichter, von denen wir viele zum ersten mal sahen, das Geldgierige in ihren Mienen, das Schreien und Schimpfen der Rotte hätte mich trotzdem kaum bewogen, ihrem Verlangen nachzugeben. Erst als ich sah, dass sie wirklich Ernst machten, und mein Leben sowie das meiner drei Landsleute auf dem Spiele stand, wich ich. Ich hielt das stets in einzelnen Säcken verpackte Geld hauptsächlich in den Kisten, aber auch Stecker sowie Hubmer und Eckart hatten Geldsäcke, und letztere beiden die grössten. Ich rief ihnen also zu, einen Sack zu 400 und einen zu 300 Thlrn. zu bringen, indem ich erklärte, nicht mehr zu besitzen. Es stellte sich dann heraus, dass aus dem einen Sack schon 10 Thlr. verbraucht waren, factisch also bekamen sie nur 690 Thlr. Die Scene aber, wie die ganze Bande auf der Erde lag, wie sie die blanken neuen Thaler bei Fackel- und Kerzenbeleuchtung zählten, wie Bu Bekr Bu Guetin den Versuch machte, während des Zählens für sich 10 Thlr. beiseite zu bringen, was nur durch die Aufmerksamkeit Stecker's vereitelt wurde - diese Scene vergesse ich niemals! Habgierigere Mienen, funkelndere Blicke, geldgierigere Finger wird man nirgends wiedersehen können. Der fromme Sidi Agil nannte dies eine Anleihe, während Bu Guetin sich mit den Worten entfernte: "Für diesmal haben wir genug!"

Am andern Morgen fanden wir, dass ein Koffer aus dem Lager gestohlen war, und zwar der, aus welchem Eckart das Geld nahm und worin man noch mehr vermuthet hatte. Der Dieb, ein Vetter Bu Guetin's, oder sein Bruder, oder er selbst, konnten nicht zur Rechenschaft gezogen werden, wie man denn überhaupt die Sache so nebensächlich behandelte, als ob sie sich von selbst verstanden hätte. Die Uled Bu Guetin und die Gaderoha, in deren Mitte wir ja lagerten, verfügten jetzt so unumschränkt über unsere Gegenstände, als ob wir gar nicht mehr für sie existirten. Mehrere ihnen anvertraute Ladungen Gerste verbrauchten sie, als ob es ihr Eigenthum gewesen sei.

Die Gelderpressung konnte aber nicht verheimlicht werden und brachte in der ganzen Oase eine grosse Aufregung hervor. Es war ein beständiges Kommen und Gehen, und auch unser Lebensretter Krim Bu Abd el Rba stellte sich ein. Bu Guetin und Sidi Agil, der fromme Chuan, glaubten aber jetzt, den Zeitpunkt beschleunigen zu miissen, und so luden sie denn auch Krim el Rba ein, sich ihrem Bündnisse anzuschliessen, mich zu ermorden und die Gegenstände zu theilen. Dieser Vorschlag, den uns Schich Krim el Rba nicht verschwieg, rettete uns. "Diese Nacht", sagte er, "wollen sie dein Lager überfallen. Schläfst du, wird man dich während des Schlafs abstechen. Bu Guetin und Sidi Agil haben mindestens 70 Mann. Falls du Widerstand leistest, bist du verloren. Ja, tödtest du nur einen Suya, dann hast du auch alle andern Stämme gegen dich, selbst meine Leute würden sich dann gegen dich wenden, denn dann wird es nicht heissen, du habest dich zur Wehre gesetzt, sondern als Christ einen Moslim getödtet, und du weisst, was das bedeutet."

"Aber was ist zu thun", erwiderte ich, "ist denn niemand von den Garanten da, um mich zu beschützen?" - "Rechne auf mich! für einige Tage kann ich dich in meinem Lager schützen, aber dahin musst du kommen." - "Aber", erwiderte ich, "was wird aus meinen Landsleuten, ich werde die nicht allein lassen." - "Für die brauchst du nicht zu fürchten, man wird ihnen, sobald man dich in Sicherheit weiss, nichts thun, auch nicht wagen, deine Sachen anzurühren, solange du lebst. Also komm nur nach Surk. Wenn ich auch nicht so viele Leute wie Bu Guetin und Sidi Agil habe, bist du jedenfalls dort in Sicherheit und, einmal frei, können wir alles abwarten." - "Soll ich gleich mit dir kommen oder wann? Aber noch einmal: ohne meine Landsleute gehe ich nicht, und wer bürgt mir, dass ich dir trauen darf?" - "Das ist deine Sache. Ich muss gleich fort, denn bleibe ich hier, würde auch ich, ohne am Ueberfall theilzunehmen, von den übrigen als Mitschuldiger genannt werden." - "Gut, wir werden kommen, aber hast du niemand, der uns abends führt?" - "Mein Schwiegersohn, Smeida, bleibt hier, er weiss alles. Sobald es dunkelt, verlasst ihr das Lager und nehmt nichts mit, als etwas baares Geld, denn danach wird man vielleicht suchen, alles andere lasst an Ort und Stelle."

Ich ersuchte ihn dann noch, mein Pferd zum Reiten mitzunehmen. Bezwecken wollte ich dadurch, einen Diener, der es angeblich zurückreiten sollte, fortzusenden. Dieser, ein Neger, Klili hiess der Würdige, war nämlich von Bu Guetin engagirt, uns auszuspioniren, und ihm von allen unsern Handlungen Nachricht zu bringen. Ich bat Schich Krim, den Klili zurückzubehalten, das Pferd natürlich auch. Es war 4 Uhr nachmittags geworden, als Krim el Rba vor unserer Lagerthür mein Pferd bestieg. "Du bleibst nicht?" fragte ihn Bu Guetin, der zufällig oder absichtlich herbeikam. - "Nein, ich will nicht", erwiderte jener. Ich that, als ob ich das "ich will nicht" nicht verstände. - "Aber warum gibst du dem Schich dein Pferd, und warum geht der Klili mit?" fragte mich nun Bu Guetin. - "Ich leihe ihm mein Pferd, weil es sehr heiss ist zum Gehen, und Klili geht mit, damit er mir noch heute das Pferd zurückbringt." Das schien dem Bu Guetin sehr einleuchtend und, mir höhnisch zurufend: "Ja, das ist gut, lass dir dein Pferd nur bald zurückbringen", entfernte er sich nach seinem Palmengebüsch.

Ich rief nun meine Landsleute herbei, theilte ihnen alles. mit und gab ihnen die Vorschrift, sich schon jetzt genau mit dem Kompass eine gerade Südlinie zu bezeichnen, abends nach dem Dunkelwerden 500 Schritt abzuzählen und dann zwischen den Hadbüschen auf mich zu warten. Smeïda aber, der in unserm Lager blieb, sagte ich, er möge abends im rechten Augenblick bereit sein, mich abzuholen.

Im übrigen verblieben wir in unserer gewöhnlichen Thätigkeit. Unsere eingeborenen Diener wussten von nichts, nur Ali hatte ich gesagt, einem etwaigen Ueberfall keinen Widerstand entgegenzusetzen und, sobald es dunkelte, die übrigen Eingeborenen irgendwie zu beschäftigen, damit unser Abmarsch verborgen bliebe.

Soweit ging auch alles gut. Wir assen zu Abend und, sobald es Nacht geworden, ging zuerst Hubmer, dann Eckart, endlich Dr. Stecker aus dem Lager. Kaum hatte letzterer es verlassen, als Smeïda hereinkam und mich aufforderte, ihm zu folgen, es sei die höchste Zeit. Meine drei vorangegangenen Landsleute hatten sich leicht zurecht gefunden; aber erst nach einigen Versuchen konnte ich selbst den Punkt ausfindig machen, wo sie auf mich warteten. Ich hatte nicht gezählt, ging nur gerade südwärts, Smeïda flüsterte mir stets zu: "Komm westlich", während ich ihm sagte, erst müssten die Gefährten gefunden sein. Endlich antwortete ein leises Husten auf das meinige und, der Richtung des Schalles folgend, fand ich alle drei beisammen. Es war so dunkel, dass man keinen Schritt vor sich sehen konnte, denn ausnahmsweise hatte sich der Himmel umwölkt.

Jetzt ging es schnell und geräuschlos vorwärts, Smeïda voran und wir hintendrein. Es war ein fürchterlicher Marsch, um so entsetzlicher, als wir aus der Richtung kamen, in einen Sebcha geriethen, dann wieder zwischen Had und Binsen uns durcharbeiten mussten, ausserdem der Sack platzte, in welchem Hubmer einige hundert Maria-Theresienthaler trug, und schliesslich, als wir nach vielen Mühen schweisstriefend die grossen Palmenbüsche von Surk erreichten, Smeïda erklärte, er könne die Hausch (d. h. den Palmenbusch, an welchem gelagert wird) seines Schwiegervaters nicht finden, wir sollten nur warten, er wolle auf die Suche gehen. Jetzt glaubte ich in der That, wir wären verrathen, ich rief meinen Gefährten zu, die Revolver zu ziehen und auf alles gefasst zu sein. Einen Vorwurf konnte ich mir nicht machen, und meine Gefährten erhoben ihn auch nicht, denn griff man uns hier an, dann um so sicherer auch in Boëma. Sollte es aber einmal sein, dann wenigstens wollten wir unser Leben theuer verkaufen. Wir hatten Munition und fünf Revolver bei uns, damit liess sich schon etwas machen. Auf Erfolg war freilich nicht zu rechnen.

Da hörten wir plötzlich in einiger Entfernung rufen: "Uehnhu Uehnhu!" ([az]). - "Jetzt aufgepasst, meine Freunde!" rief ich. - Wir sassen lautlos. Plötzlich in nächster Nähe riefen mehrere Stimmen: "Mustafa Bei mahrababik, mahrababik, fi aman Allah, sartkum el Barka!"[106] Und im selben Augenblick standen zwei grosse Gestalten an meiner Seite. An ihrem linken Arm hingen allerdings zwei grossmündige Carabiner, auf dem Rücken hatten sie die lange Flinte mit geöffnetem Leder[107], aber ein warmer Händedruck bestätigte ihre freundlichen Worte. Wir waren gerettet.

Nun aber erklärte uns Smeïda, wie weit wir aus der Richtung gekommen wären, und noch fast einen Kilometer hatten wir zu gehen, ehe wir den Palmenbusch Krim el Rba's erreichten. Mein Neger Klili war nicht wenig erstaunt, als er uns ankommen sah, sehr aber freute sich der gute Schich, und trotzdem es Mitternacht geworden war, musste sein Sohn noch ein grosses Feuer anzünden, um Brot zu backen.

Was war inzwischen in unserm Lager vorgefallen? Das erfuhren wir am folgenden Morgen ganz früh. Nach der Aussage Ali's, des einzigen uns wirklich treuen Dieners, betrat Bu Guetin etwa zwei Stunden nach unserm Fortgange das Lager. Auf seine Frage: "Wo ist Mustafa Bei?", antwortete Ali: "Der schläft." - "Wecke ihn!" befahl der Schich. - "Das darf ich nicht", entgegnete Ali. "Dann will ich es selbst thun" und, seine Pistole ziehend, betrat er mein Zelt. "Er ist entflohen, er ist nicht drinnen!" rief er gleich darauf. Seine Gefährten, welche inzwischen die übrigen Zelte durchsucht hatten, bestätigten die Abwesenheit der Eigenthümer. Auf das Erstaunen, auf die Wuth, dass ihnen ihre Beute entgangen, folgte eine kurze Berathung. Dann aber wurde Ali aufgefordert, die Koffer zu bezeichnen, in denen das Geld sei. Das konnte er natürlich nicht, und jetzt machte sich die Horde daran, die Koffer und Kisten zu erbrechen. Den wilden Kerlen dauerte aber das Schlossaufbrechen sowie das Abheben der Deckel mit Stemmeisen viel zu lange. Sie nahmen einen schweren eisernen Hammer, der mehrere Pfund wog, und zerschmetterten damit die Kisten und Koffer, andere machten sich über die Lebensmittel her Säcke mit Reis und Gerste wurden verschleppt und zum Theil verstreut, die Butter kurzweg getrunken (Butter ist in Kufra immer schon im geschmolzenen Zustand, wenigstens bei Tage), die Kerzen und namentlich die Tabackpackete veranlassten Prügelei. Mohammed und Bu Bekr Bu Guetin beorderten inzwischen ein Schlachten der Hühner, damit zugleich ein Schmaus stattfände, und Bu Guetin und sein Schwiegersohn Ssala, nachdem sie noch 300 Thlr. baar gefunden hatten, riefen den frechen Plünderern stets zu, tüchtig Lakbi zu trinken, während sie selbst ihren Muth durch Trinken von Cognac und vielleicht auch Spiritus zu erhöhen suchten.

Nachdem ein schönes Harmonium und eine Spieluhr zerschlagen, die Instrumente bis auf die Aneroide und silbernen Taschenuhren zerstampft waren, machten sie sich daran, die Geschenkkisten zu zertrümmern, und zu verwundern ist nur, dass die kostbaren Sachen beim Zerschmettern der sehr festen Kisten nicht noch mehr gelitten hatten. Vom Sonnenschirm wurden kurzweg die goldenen Fransen gerissen, und aus den kostbaren Gewehrkisten von Nussbaumholz trennten sie die fein eingelegten Messingstreifen heraus, in der Meinung, es sei Gold. Während aber Bu Guetin seine ganze Bande ziemlich walten liess, theilte er das Geld nur mit Ssala und dem frommen Sidi Agil; die Geschenke nahm er für sich allein in Beschlag, wobei er aber so roh verfuhr, dass er z. B. ein prachtvolles Stück Sammet, welches circa 40 m lang war, mit einem Schlauch Butter zusammenpackte.

Man wird sich denken können, dass diese Scene, die stundenlang dauerte und unter höllischem Lärm und Geschrei bei hellloderndem Feuer stattfand, nach und nach eine grosse Menge Menschen herbeilockte. Dazu fand ein beständiges Schiessen statt, denn ausser einigen 1000 Patronen waren den Räubern fast alle Blechbüchsen mit Pulver in die Hände gefallen. Dass beim Oeffnen der Patronen, beim Feuern mit unbekannten Waffen nicht mehr Unglücksfälle vorfielen, muss als ein wahres Wunder betrachtet werden. Nur einer aus der Sippschaft der Bu Guetin, mit dem Laden eines schönen vernickelten Revolvers beschäftigt, schoss sich einen Finger der linken Hand ab. Dies Werk der Zerstörung und Vernichtung aller Gegenstände, auch der Zelte, dauerte bis gegen Tagesanbruch, und da war kein einziger unter den Suya, der seine Entrüstung über diese Schandthat laut werden liess. Doch einer! Ali erzählte nachher, ein alter Mann aus dem Stamme der Bu Guetin sei gekommen und habe gerufen: "Ich wollte nie etwas mit den Christen zu thun haben, ich bin stets dagegen gewesen, sie hierherzubringen, aber ihr habt das Brot der Christen gegessen, und verflucht seid ihr für solchen Verrath!" Aber das war eine Stimme in der Wüste!

Das Lager muss am andern Morgen einen entsetzlichen Anblick gewährt haben: die Zelte zerrissen, die Kisten - 18 Stück und zum Theil sehr grosse - zertrümmert und zermalmt, dazwischen zerstreut Lebensmittel, namentlich zerstampfte Blechbüchsen, deren Inhalt sie nicht assen, aus Furcht, es sei Schweinefleisch, endlich überall einzelne Blätter zerrissener Bücher und aufgewühlter Boden. Denn die Suya, denen es hauptsächlich um baar Geld zu thun war, sahen sich doch in ihren Erwartungen getäuscht. Sie hatten sich in den Kopf gesetzt, und namentlich Bu Guetin verbreitete diese Meinung, wir führten 7000 Bu Thir (Maria-Theresienthaler) mit uns. Statt dessen fanden sie baar nur 300. Im Glauben nun, wir hätten das Geld vergraben, war der ganze Boden des Lagers und zwar mehrere Fuss tief von ihnen aufgewühlt worden.

Als es tagte, bekamen wir in Surk schon Nachricht von dem Ueberfall unsers Lagers. Die ganze Oase wusste es bereits. Als ob ein Telegraph existirt hätte, so schnell verbreitete sich die Kunde des Ueberfalls und der Plünderung. - In Surk standen aber die Mannen des Schich Krim el Rba auf der Wacht, da sie stark fürchteten, dass die Bu Guetin und die Gaderroha einen Ueberfall machen würden. Andererseits hatte der Schich selbst die grössten Aufmerksamkeiten für uns: eine Palme wurde frisch für uns geöffnet, obschon er zwei des Lakbi wegen schon verzapft hatte; sein bester Teppich diente uns als Lager, und wenn es auch nichts weiter zu essen gab, als Brot und frische Datteln, so konnten wir uns doch vor allem dem Gefühle der Sicherheit hingeben, wir waren im vollsten Sinne gerettet. Seit Wochen hatten wir aber zwischen Tod und Leben geschwebt.

Entsetzlich schmerzhaft war es jedoch, gerade jetzt inmitten einer Aufgabe unterbrochen zu werden, wo man so fest auf das Gelingen rechnen durfte. Mit diesen Mitteln, mit einem so genau stipulirten und von der türkischen Regierung garantirten Vertrage, mit einer solchen Bedeckung glaubte ich, sicher und unfehlbar von Bengasi aus Abeschr, die Hauptstadt von Uadaï, zu erreichen, wie man in Deutschland von einer Stadt zur andern reist. Und nun war alles hin. Die Instrumente namentlich schlossen einen unersetzlichen Verlust in sich. In dieser Beziehung hatte unser Erretter sich leider verrechnet. Seinem Rathe folgend, nur baares Geld mitzunehmen, da die Räuber, sobald sie sähen, ich sei in Sicherheit, nicht wagen würden, die Gegenstände des Lagers anzutasten, liessen wir in der That alles stehen und liegen. Es wäre ja viel leichter für uns gewesen, unsere Tagebücher, Vocabularien, Landkarten u. s. w. sowie selbst die nothwendigsten Instrumente mitzunehmen, als jene, schweren Geldsäcke. Freilich, was Krim el Rba voraussagte, traf ein: nach Geld hatten sie hauptsächlich gesucht, aber nun in der ersten Wuth darüber, dass sie nicht mehr fanden, alles zerschlagen und zerstört.

Auf die Nachricht, ich sei geborgen und lebe, begann jedoch die Reue gleich am folgenden Tage; schon am 14. September thaten sich freiwillig einige zusammen, um für uns Gegenstände, Waaren u. s. w. zu sammeln.

Es war Daha (9 Uhr morgens) geworden, als einige, von 100 bewaffneten Leuten gefolgte Reiter herankamen und nach einer kurzen Begrüssung mit unserm Schich eine feierliche Midjeles eröffneten: "Es ist Djib el Lah el Abid, der Schich der Uled Amera", sagte mir der Sohn unsers Schich, und gleich darauf wurden Stecker und ich gerufen, um der Versammlung beizuwohnen. Nachdem wir uns gegenseitig begrüsst, redete mich Schich Djib el Lah folgendermassen an:

"Es ist dir ein grosses Unrecht geschehen, o Bei, man hat dein Lager überfallen, und ausgeplündert, und wie mein Freund Schich Krim mir mittheilt, konntest du dich dem Morde nur dadurch entziehen, dass du vorige Nacht dein Lager verliessest und hierherkamst. Ich will nicht fragen, weshalb du mich nicht besuchtest; mir ist es jetzt klar, dass Bu Guetin uns absichtlich auseinander hielt, denn Krim sagt mir, du seiest grossmüthig und gastfrei. Ich hätte dich auch nicht in Boëma aufgesucht, aber nun du im Unglück bist, komme ich zuerst zu dir, und ich und mein ganzer Stamm wollen dir dienen. Nur um eins muss ich dich gleich jetzt bitten. Ich verlange von dir eine schriftliche Erklärung, dass mein ganzer Stamm nicht betheiligt war beim Ueberfall, denn wir wollen unsere Heimat nicht aufgeben, sondern wünschen wieder zurückzukehren nach Barka."

Ich dankte für sein freundliches Entgegenkommen und versprach, den Schein zu geben, was aber erst nach grossem Suchen und Warten gelang, da niemand, als man endlich ein Blatt Papier aufgetrieben hatte, ein Tintenfass und eine Feder besass.

Gleich darauf wurden wir aufgefordert, ein Verzeichniss unserer sämmtlichen Sachen zu geben, womöglich mit Werthangabe. Am folgenden Tage beschlossen sie, nach Boüma zu ziehen, um zu sehen, was zu machen sei, zumal um dieselbe Zeit die Nachricht kam, dass ein gewisser Abu Mdaeus vom Stamme Djeluled[108] angefangen habe, Verschiedenes von den Gegenständen für uns zu sammeln und zu bewachen.

Dadurch, dass Djib el Lahel Abid mit seinem ganzen Stamm sich für uns erklärt hatte, war überhaupt in der ganzen Oase ein Umschlag in den Gesinnungen der Snya eingetreten. Als die Nacht kam, ritten Djib el Lah und Schich Krim unter starker Bedeckung nach Boëma, um die Herausgabe aller unserer Habe zu verlangen, und als am andern Morgen das Gerücht sich verbreitete, beide Schiuch seien in Boëma damit beschäftigt, die Sachen, welche nicht vollkommen zerstört wären, zu sammeln, dachte ich, es sei gut, Eckart und Hubmer hinzuschicken, um womöglich von unsern schriftlichen Arbeiten zu retten, was zu retten sei. Beide, muthig und voll Aufopferung, erklärten sich auch gleich bereit dazu, obschon kein einziger von den Ait Ksir[109] sie zu begleiten wagte. Ich gab ihnen die Richtung mit dem Kompass an und, mit Revolvern versehen, machten sie sich auf den Weg.

Wie erschrocken war ich aber, als Djib el Lah und Krim etwa zwei Stunden nach dem Abgange Eckart's und Hubmer's mit der ganzen Bedeckung zurückkamen und erzählten, sie seien allerdings in Boëma gewesen, aber die Sache wäre noch nicht reif zum Unterhandeln, im Gegentheil, Bu Guetin, Ssala und der Chuan Agil schienen die Sache auf die Spitze treiben zu wollen, denn ersterer habe 100 Thlr. Bu Thir (circa 400 M.) dem versprochen, der mich meucheln würde. Wer kann sich meine Angst ausmalen? Ich glaubte die Schiuch mit der Bedeckung in Boëma, und erfuhr nun, es seien nur unsere Feinde dort, und dahin hatte ich meine Landsleute geschickt! Sofort sandte ich den ältesten Sohn Krim's beritten nach. Glücklicherweise traf er sie, und nach zwei Stunden kam er auch mit den beiden zurück; beide sassen auf meinem Hengst. Es war für sie auch keine Kleinigkeit gewesen. In Boëma waren sie, nichts Arges ahnend, bis zu unserm Lagerplatz gekommen, den sie in einem grauenhaften Zustande fanden. Natürlich hatte man sie gleich bemerkt, doch ihnen nichts zu Leide gethan. Der noch immer mit Graben beschäftigte Bu Guetin hatte sich wegbegeben, dann war einer gekommen mit der Frage: "Bist du Stecker Efendi?" worauf andere erwiderten: "Nein, das ist weder der Bei, noch Stecker Efendi, lass die nur gehen!" - Man hatte ihnen dann gesagt, sie sollten sich aus dem Staube machen, was sie sich nicht zweimal sagen liessen, sobald sie eingesehen, dass niemand von unserer befreundeten Partei dort sei.

Ganz erschöpft kamen sie an, sie hatten, ohne zu ruhen, den Weg hin und zurück - circa 40 km - gemacht, und ohne zu trinken. Erst dicht vor Surk fanden sie in einem Palmenbusch einen Topf mit Lakbi, der einigermassen ihren brennenden Durst löschte.

Wir aber mussten gleich darauf aufbrechen und nach Djof übersiedeln, weil Djib el Lah den Aufenthalt in Surk für uns nicht sicher genug hielt. Noch am selben Nachmittag brachen wir auf, durchritten erst den schönen Palmenwald von Surk, kamen dann in eine Sebcha und erreichten bald darauf Djof, ein im ganzen etwa 15 km von Surk entferntes, inmitten einer wunderschönen Vegetation gelegenes Suya-Dorf. Schon von weitem entzückte uns die Fülle und gewaltige Entwickelung der herrlichen Talha-Akazien. Vor dem Dorfe selbst war grosse Midjeles, man gab uns Quartier in einer geräumigen Hütte, welche zwei Abtheilungen hatte und einem uralten Suya gehörte, der eingestandermassen sein ganzes Leben lang Landräuber gewesen und jetzt der reichste Besitzer des Dorfs war; er hatte zwei schöne Gärten, und die hintere Seite unserer Hütte ging auf einen grossen Hof, wo seine eigene, aus Stein erbaute Wohnung stand.

Zuerst gingen wir daran, uns Lebensmittel zu kaufen, Mehl, Butter u. s. w., und Geschirr zu leihen, um wieder selbst kochen zu können, unser Wirth aber liess es sich nicht nehmen, uns stets mit frischen Datteln zu versorgen, die uns auch andere Bewohner des Dorfes unter freundlicher Begrüssung brachten. Die geraubten Gegenstände hatte man theilweise zurückgegeben.

Einen Augenblick aber schien es, als sollte alles wieder zu unsern Ungunsten sich entscheiden. Die Uled Bu Guetin und Ait Gaderroha schickten und baten um Gehör, und so wurden denn am 15. und 16. September allgemeine Rathsversammlungen ausgeschrieben, an welchen Abgesandte aller Stämme theilnahmen. Die Genannten mussten aber ohne Waffen erscheinen und ausserdem in Pistolenschussweite von mir entfernt bleiben. Man hielt die heftigsten Reden, vor allen Schich Bu Bekr: er schrie und brüllte: "Hört nicht auf den Christenhund, und du Schich Djib el Lah, traue ihm nicht, er wird euch alle in Bengasi verrathen. Tödtet ihn, den ungläubigen Hund, den ich allerdings hier mit herbrachte, aber dessen ich mich schäme. Die Christen sind die Feinde des Sultans, und dieser Brussiani ist einer der ärgsten; wir werden ihn foltern, damit er uns sagt, wo er sein Geld vergraben hat." - Seine Reden machten Eindruck, zumal er immer an den Fanatismus und die Habsucht seiner Landsleute appellirte und die Kraft seiner Stimme alles übertönte. Damit konnte ich mich nun allerdings messen, da ich meine Lunge nicht schonte, und im Grunde genommen errang ich ebenso viel Beifall, als Bu Guetin. Zuletzt verwandelte sich die Rathsversammlung in ein Redeturnier zwischen uns beiden. Sidi Agil war der Beistand Bu Bekr's, Schich Krim der meine. Hier stand ich; dort er, 200 Schritt von mir entfernt, bald sassen wir, bald sprangen wir auf. Dazu auf beiden Seiten Hunderte von Leuten. Dieses Turnier dauerte zwei Tage, und es hatte sich noch nichts entschieden.

Am 16. September abends jedoch erfolgte ein mächtiger Umschwung: es verlautete, in der Sauya sei ein Kurier von Djarabub angekommen, und zugleich erfuhr man mit Bestimmtheit, dass Sidi Agil das am 11. September abends erpresste Geld - seine sogenannte Anleihe -, allerdings nur einen Theil desselben, jetzt wirklich nach Bengasi geschickt habe. Natürlich jetzt wusste er, dass er Rechenschaft ablegen müsse. In der That war ein gewisser Sidi Hussein, ein sehr angesehener Chuan, von Djarabub gekommen mit den gemessensten Befehlen von Sidi el Madhi, dem obersten Chef der Snussi, uns nicht nur gut aufzunehmen, sondern uns sogar Gastfreundschaft zu erweisen. Wie es gekommen ist, dass man auf diese Weise in Djarabub Entscheidung traf: ob der Schich der Snussi glaubte, es wäre klüger, den Christenhass zu lindern, oder ob der Regierungsbrief von Bengasi oder ein Bericht von Sidi Abd er Rahim[110] aus Bengasi einwirkte, worin er Sidi el Madhi das rein Wissenschaftliche der Expedition vorstellte, ob alles das Veranlassung zu der veränderten Lage, gab - das vermag ich nicht zu sagen; aber genug, der Befehl war in Kufra angekommen, uns zuvorkommend zu empfangen. Leider einige Tage zu spät. Die am 17. September abgehaltene Versammlung entschied sich denn auch definitiv zu meinen Gunsten, da jetzt der Appell an den Fanatismus nicht mehr gemacht werden konnte. Unter wüthenden Drohungen verliessen daher Bu Bekr und Ssala die Versammlung, nachdem sie schliesslich noch gerufen, um die Eifersucht der Suya zum letzten mal anzustacheln: "Wir gehen mit den Geschenken nach Uadaï, übergeben sie dem Sultan und erhalten dafür von ihm 500 Sklaven." - "Ist niemand da, mir die Schufte zu binden?" rief ich ihnen nach; aber Krim zog mich schnell fort: "Bedenke, es sind unsere Brüder, und du bist blos Christ!"

Am selben Tage erhielten wir einen grossen Theil der Waaren zurück, welche glücklicherweise nicht in Bu Bekr's Hände, sondern in die eines der Ait Gaderroha (diese fielen jetzt alle von Bu Guetin ab) geriethen, und da gerade eine grosse Karavane Sfaxer Kaufleute und Modjabra anlangte, konnten wir einen Theil, namentlich Perlen, zur Befriedigung einiger Bedürfnisse in Geld verwandeln, da ich es für besser hielt, das uns noch gebliebene Geld nicht zu zeigen. Nur Schich Krim el Rba hatte Kenntniss davon. Schich Bu Bekr, welcher seinen Plan, nach Uadäi zu gehen, aufgab, weil er dort Strafe fürchtete, nachdem er gehört, ich hätte an den Sultan geschrieben, nahm nun aber auch die Gelegenheit wahr, verschiedene unserer Gegenstände zu Geld zu machen: er verkaufte die zum Verschenken mitgenommenen silbernen Taschenuhren, sowie die Aneroide, welche er ebenfalls als Uhren losschlug. Ja, er besass sogar die Frechheit, die sammtenen goldgestickten Burnusse feil zu bieten , und gern hätte er sie für 50 Thlr. losgeschlagen, aber er fand keine Käufer. Die Leute der Karavane sagten ganz richtig: "Wenn der Sultan uns fragt, wie wir zu solch kostbaren Gewändern gekommen wären, würden wir keine Rechenschaft geben können." So musste er mit seinen Burnussen wieder abziehen. Den Schirm zu verkaufen, versuchte er nicht einmal, ebenso wenig konnte er daran denken, die übrigen kaiserlichen Gegenstände an den Mann zu bringen.

Die Ankunft Sidi el Hussein von Djarabub hatte insofern auch Erfolg, als der fromme Beutelschneider Sidi Agil, der Chuan der Snussi, der Vorsteher der Sauya in Schchörre, sich herabliess, zu mir zu kommen. Es war das eine der interessantesten Episoden, denn jetzt, wo wir uns vollkommen gerettet sahen, begann dies eigenthümliche Leben und Weben unter den Suya ein doppeltes Interesse zu gewinnen, da man die Gedanken dem Eigen- und Fremdartigen dieses Volks mehr zuwenden konnte. Namentlich die sonderbaren Ansichten über Mein und Dein, über Recht und Unrecht, welche kaum durch die Lehren des Islam beeinflusse erscheinen, erhielten sich hier noch in ursprünglicher Frische. Was namentlich auffällt, ist die Solidarität der Interessen des ganzen Stammes.

Sidi Agil, mit einem langen Stab in der Hand, betrat meine Hütte. Anfangs wollte ich sie gleich verlassen, hörte aber doch ruhig seine Rede an, die darin gipfelte, dass er, falls ich ihm ein Zeugniss über sein Wohlverhalten und auch darüber ausstellte, dass er das Geld von mir nur geliehen hätte, bereit wäre, den Rest des mir entliehenen (!) Geldes, den er noch besitze, nämlich 208 Bu Thir (circa 832 M.) zurückzugeben. Ich erwiderte, mit einem Räuberhauptmann (Kebir el haramin) und Wegelagerer (Gutl el Zhrik) wolle ich nichts zu thun haben; ich hätte geglaubt, die Snussi wären da, die Leute zu belehren und zu bessern, aber mit solch einem Snussi könne ich nicht unter einem Dache bleiben. - Ich stand schnell auf und verliess die Hütte. Mein Gefährte, Dr. Stecker, der alles mit angehört hatte, berichtete mir nachher, Sidi Agil sei erst schneebleich, dann roth und schweisstriefend geworden, einen Augenblick. später habe er - die frommen Leute gehen sonst immer im gemessenen Schritt und langsam, damit jeder Zeit hat, sie zu grüssen - rasch und wuthschnaubend seinen langen Stock durch die Lüfte schwingend, die Hütte verlassen. "Der Ungläubige wird es noch büssen!" brüllte er. Die anwesenden Suya, Schich Krim und verschiedene andere, rieben sich die Hände: "Das hat noch keiner einem der Chuan zu sagen gewagt", riefen sie, aber lak in mahu el hak ("er hat die Wahrheit gesagt"), fügten sie hinzu.

Rathsversammlungen fanden alle Tage noch statt, und die in unserer Nähe lagernde Karavane brachte ungemeines Leben nach Djof. Ausserdem kamen täglich Tebu von Taheida und Tolelib, um Esel, Girben (Schläuche), Ziegen, Butter und Käse zu verkaufen, wofür sie Geld, Datteln, Baumwollstoffe, Messer und andere Artikel erhielten. Mit ihren Wurflanzen, den Schangermanger[111], in ihrem Litham[112] und dunkeln Toben[113], oft aber auch nackt, übrigens mit ausdrucksvollen Gesichtern, sehen sie höchst sonderbar aus, und gern hätte ich Verbindung mit ihnen angeknüpft, aber sie waren scheu wie die Waldtauben, und offenbar hatte man sie eingeschüchtert, mit uns zu verkehren. Ich konnte nicht einmal erfahren, woher sie seien, die Suya wussten es nicht oder wollten es nicht sagen, und sie selbst mieden jede Annäherung. Nur so viel konnte ich mit Sicherheit ermitteln, dass sie den Rschade angehörten.

Während unserer Anwesenheit in Kebabo kam es mehreremal zu Raufereien zwischen den Tebu und Suya, wobei erstere natürlich immer den kürzern zogen. Jedesmal fanden dabei erhebliche Verwundungen statt. Einmal war sogar die Rede davon, einen jungen Tebu, der einen Suya verwundete, zu verkaufen, ja, einige machten den Vorschlag, ihn mir zu schenken, um mir dadurch eine Genugthuung und Ehre zu erweisen! Aber auch unter den Suya selbst entspannen sich fast täglich grosse Streitigkeiten, wobei ebenfalls genug Blut floss. Hauptgegenstand des Haders bildete noch immer das Geld, welches die Escorte von mir in Bengasi erhielt. Einige hatten wirklich einen Aütheil an ihre Stammesgenossen abgegeben, andere nicht. So wurde eines Tags von den Uled Amera unser nächtlicher Führer von Boëma nach Surk, Smeïda, der Schwiegersohn des Schich Krim, festgehalten, und da er nicht zahlen wollte, nahm man ihm einen Sklaven. Er wollte nun, ich solle entscheiden, ob er zahlen müsse, d. h er wollte, ich sollte für ihn zahlen, da er aber reichlich war belohnt worden, so musste der noch reichlicher abgefundene Schwiegervater ihn auslösen.

Ganz wider mein Erwarten aber, und was kaum glaublich erscheint: Sidi Agil kam am andern Morgen noch einmal zu mir, jetzt sehr demüthig und um Verzeihung bittend. Schich Krim hatte mir vorher von ihm die ohne Bedingung verabfolgten 208 Thaler gebracht und zugleich gebeten, ich möge ihn empfangen: es sei nicht gut, die Sachen aufs äusserste zu treiben, er sei immerhin nicht nur Chuan, sondern gehöre einer der mächtigsten Familien an u. s. w. Ich versprach dann auch, ihn gut zu einpfangen. Ich musste mich in die Verhältnisse wol fügen, denn wenn Sidi Agil nach unserer Gesetzgebung und unsern Rechtsanschauungen Zuchthaus verdiente und bekam, so brach er zwar nach den Begriffen der Suya das Gastrecht, aber einem Christen gegenüber braucht man das ja nicht so genau zu halten. Was geschah denn im Grunde genommen eigentlich? Es war nicht einmal einer getödtet, und das unter Bedrohung mit dem Tode erpresste Geld gab der gute Mann ja zum Theil freiwillig zurück, zum Theil schwor er bei allem, was heilig ist, es solle wieder erstattet werden. Worüber konnte ich mich denn beklagen? Ich versetzte mich also in die Denkweise der Suya, und das war sehr gut, denn der fromme Mann liess sich sogar herbei, mir beim Abschied seinen Segen zu geben!

Wenn ich einen freien Augenblick hatte, suchte ich nach den Gärten oder nach den Ruinen eines ehemaligen Tebu-Dorfes zu gelangen, aber da dies stets nur in Begleitung von 10-20 mit Flinten bewaffneten Männern geschah, um mich vor einem Ueberfalle zu schützen, so konnte es nur selten stattfinden. In den Gärten wurde Durra, Ksob, Ngafoli, Gerste und Weizen gebaut, Felfel (rother Pfeffer) war gerade in Blüte und reif, ebenso Tomaten. Zwiebeln von vorzüglicher Art, Knoblauch, grosse Melonen und Wassermelonen, Fukus und Adjur sah man ebenfalls. Feigen bildeten mit Wein und sehr guten Datteln den hauptsächlichsten Fruchtbestand. Von Dattelpalmen hatte man Tausende angepflanzt, welche schon trugen. Gerade jetzt zur Zeit der Palmpflanzung konnte ich mich mehrere mal überzeugen, welch grosse Schösslinge man zur Einpflanzung nahm.

Bu Guetin war mit Ssala und seinen ihm treu gebliebenen Männern auf ein Häuflein von etwa dreissig Personen zusammengeschmolzen, ein Nichts gegen alle übrigen Suya, aber als Räuberbande, die den Schutz des ganzen Stammes genoss, die sich gewissermassen der staatlichen Anerkennung seitens der Suya erfreute, keineswegs zu unterschätzen. Was nützte es, dass die Chuan der Sauya alle diese Leute excommuuieirten: sie besassen doch nicht Macht genug, um die Bu Guetin zur Herausgabe der Geschenke und vieler andern kostbaren Gegenstände zu zwingen. Was nützte es, dass ich die Suya selbst jetzt offen auf meiner Seite hatte: ihre Sitten und Gebräuche litten es nicht, dass sie die Verbrecher fingen, um sie mir oder der türkischen Behörde auszuliefern. Ja, im geheimen wünschten sie Bu Bekr Bu Guetin Glück und verfluchten die Ait el Hsir, die Leute des Schich Krim, welche treu zu ihm und mir hielten. Schich Krim war ebenso wenig sicher vor einem Morde durch die Bu Guetin, als ich selbst.

Das, was von unsern Sachen sich nicht im Besitze der Bu Guetin befand, hatte ich nun nach und nach wiederbekommen, auch einige Gerstenladungen, die Kamele zum Theil, fast alle Waaren, einige Posten baares Geld, aber in den Händen des grossen Räubers waren noch die Geschenke des Kaisers, alle Privatsachen und einige tausend Mark. Von unserer persönlichen Ausrüstung besassen wir nur noch das, was wir anhatten. Die Instrumente waren bis auf einige unwesentliche alle zerschlagen. Ich drängte also zur Umkehr, denn ein Weitergehen nach dem Süden war unmöglich, zumal jede Sicherheit fehlte. Zwar kam mittlerweile eine zweite grosse Karavane vom Norden her, und ich, dachte einigemal daran, mit ihr zu ziehen. Aber abgesehen davon, dass die Kaufleute sich fürchteten, mich mitzunehmen, bot eine solche Karavane so wenig Sicherheit, dass sie selbst sich vor den Erpressungen der Suya nicht zu schützen vermochte. Als sie den Hak el drub (Wegegeld) nicht in der Höhe entrichteten, wie die Suya es wollten, nahm man ihnen einfach Kamele, um sich damit bezahlt zu machen, und wieder spielte hier der Schich der Bu Guetin die Hauptrolle. Erst der Vermittelung Djib el Lah el Abid's gelang es, einen Vergleich zu Stande zu bringen. Der Einfluss Bu Bekr's war in der That so wenig gebrochen bei seinen Landsleuten, dass man wahrscheinlich mehr als zuvor seinem Rufe Gehör gegeben hätte, uns zu folgen und uns zu vernichten, falls wir südwärts gezogen wären.

Sobald ich daher diese Frage nur anregte, wollte sich niemand darauf einlassen, dahingegen versprachen mir die Amera eine Escorte von mindestens 100 Mann, falls ich nach dem Norden ginge; diese, dann die Ait el Ksir und verschiedene von den Djeluled würden genügen, um uns gegen Angriffe der Ait Guetin zu schützen.

[105] Chuan, Klosterbrüder.

[106] Mustafa Bei, willkommen, willkommen, du bist im Schutze Gottes, dein Besuch bringt Segen.

[107] D. h. vom Schloss abgenommen, also schussbereit.

[108] Die Djeluled haben im südlichen Kebabo keine Besitzungen, sondern nur in Hauari und Taiserbo.

[109] Name des Stammes unsers Schich Krim Bu Abd el Rha.

[110] Sidi Abd er Rahim ist ein gelehrter Mann, und Sidi el Madhi gewiss ebenfalls. Ersterer, der eine gute Bücherei besass, kannte alle arabischen Geographen und hatte auch Kenntnisse von der übrigen arabischen Literatur.

[111] Schangermanger ist jene eigenthümliche eiserne Wurfwaffe, die den Tebu wie auch verschiedenen Tuareg national ist. In Aegypten heisst sie Trombadj. Diese Waffe wird oft mit dem Bumerang verglichen, von dem man fabelt, er käme, geworfen, nachdem er eine Parabole beschrieben, zum Werfer zurück.

[112] Schleier.

[113] Grosses Sudanhemd.


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