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VIERZEHNTES KAPITEL. KUFRA (Fortsetzung).

Sidi el Hussein kommt von Djarabub in Begleitung des Sidi Einbark, eines der Schiuch der Sauya von Kufra. - Aufregung im Dorf bei Ankunft der beiden Heiligen. - Grosse Versammlung. - Sidi el Russein's Anrede und Antwort des Reisenden. - Austausch von Geschenken. - Der Vorschlag eines Scherif. - Abermalige Unterredung mit Sidi el Hussein, welcher Datteln aus dem Garten der Sauya zum Geschenk anbietet. - Eckart mit einem Esel dorthin. - Eckart's Bericht über den Garten. - Zeitungen, Briefe und eine Kiste aus Cyrenaïka. - Aufbruch von Kebabo. - Bu Guetin mit Bewaffneten in den Bergen, um den Reisenden zu überfallein. - Die Macht der Snussi. - Bu Guetin erscheint in Hauari und gibt geraubte Sachen und etwas Geld heraus. - Am 7. October Ankunft in Drángedi, dem nördlichsten Orte von Kufra.

Es war ein wichtiger Tag, der 21. September, denn an diesem Tage erhielten wir den Besuch von Sidi el Hussein, der von Djarabub kam und von Sidi Embark, einem der Schiuch der Sauya von Kufra. Das ganze Dorf regte sich, als beide, von vielen Negern gefolgt, angeritten kamen. Im Hofe unsers Wirthes, des alten Räubers, der auch Krim hiess, hatten dessen Sklaven den besten Teppich gebreitet, den er, Gott weiss welchem Kaufmann vielleicht früher abräuberte und, auf Tuareg-Polster gelehnt, lagen und sassen da die beiden Heiligen. Vor dem Teppich auf zwei Ziegenfellen sollten Dr. Stecker und ich sitzen, alle übrigen, auch die Chuan der Sauya, sowie die männlichen Dorfbewohner, welche herbeikanien, um die Zusammenkunft der Christen mit den Schiuch der Snussi zu sehen, hockten im Halbkreis um uns herum.

Als man uns hereinrief in den Hof und die Menge sich öffnete, um uns durchzulassen, wollte der alte Landräuber uns die Ziegenfelle als Platz anweisen; aber um den Suya und den Snussi zu zeigen, dass wir uns in socialer Beziehung mindestens gleichberechtigt mit ihrer obersten Geistlichkeit schätzten, betrat ich resolut den Teppich, und ehe er es hindern konnte, sass ich schon. Stecker that natürlich dasselbe. Obgleich Sidi Embark, der viel fanatischer war als sein Glaubensgenosse, aus seinen schwarzen Augen Blitze schleuderte, wagte er nichts zu sagen, als der taktvolle Sidi el Russein anhub:

"Willkommen in Kufra! Gott grüsst euch und auch der Schich (Sidi el Madhi) lässt euch grüssen. Er - Gott giesse des Segens Fülle auf sein Haupt! - hat mich hergesandt, um euch beizustehen. Es schmerzt mein Herz[114], dass man dich ausgeplündert hat. Aber es war von Gott geschrieben[115], und es würde Sünde sein, gegen Gottes Willen zu murren. Wir haben dem Schich Bu Bekr den Zutritt zur Sauya verboten, sowie auch seinen Anhängern, und werden uns bemühen, alles nach deinem Wunsche zu machen. Wir sind arme Leute und leben nur vom reichen Gnadenschatze des Höchsten und unsers gnädigen Herrn Mohammed, Gottes Liebling, aber was wir haben, gehört dir. Wir haben drei Ziegen als Gastgeschenk mitgebracht, nimm sie als Zeichen unserer Liebe[116] und sage uns, was du wünschest."

Auf diese lange Rede, welche ich mich bemüht habe, so wörtlich wie möglich wiederzugeben, erwiderte ich:

"Ia[117] Sidi el Hussein, ich bin dem Schich und dir sehr dankbar für eure guten Gesinnungen. Unser gnädiger Herr Jesus sagt, man solle auch seinen Feinden vergeben und Gutes thun denen, die einem Böses gethan hatten. Wenn ich auch verzeihe, denn was geschehen ist, ist geschehen, so sollte doch ein solches Verbrechen von der weltlichen Gerechtigkeit nicht ungestraft bleiben. Ihr aber habt thatsächlich die Regierung hier in Händen. Was mich aber am meisten gewundert hat, ist, dass nicht nur keiner der Chuan der Sauya mich, den Fremdling, beschützte, sondern dass einer eurer vornehmsten Chuan, der Schich der Sauya Schchörre, Sidi Agil, unter Androhung des Todes Geld von mir erpresste!"

"Ia Bei, höre auf meine Worte und präge sie tief in dein Herz", erwiderte Sidi el Hussein, "wir Chuan der Snussi sind ganz arme Leute[118], wir leben nur von der göttlichen Gnade; mit weltlichen Angelegenheiten beschäftigen wir uns gar nicht, wir beten und unterrichten die Kinder im Worte Gottes. Deshalb haben wir hier auch gar keinen Einfluss. Wir können daher auch Bu Bekr Bu Guetin nicht anders strafen, als dass wir ihm den Zutritt zu unserer Sauya verbieten. Was aber Agil anbetrifft, so bist du nicht recht unterrichtet, er ist keiner der Chuan, noch weniger war er je Schich einer Sauya[119]; behüte uns Gott vor dem verfluchten Satan!"[120]

Da ich sah, dass auf diese Weise nichts zu erlangen war, begnügte ich mich, mit der bekannten Koran-Phrase zu antworten: "Was Gott will, geschieht, und was er nicht will, geschieht nicht."[121]

Sidi el Hussein hob dann wieder an: "Du stehst jetzt im Schutze aller Suya, die, Gott sei gelobt! Gläubige sind, und besonders die Ait Amera und Ait Ksir werden dich bewachen; aber gib Acht, Bu Bekr trachtet nach deinem Leben, und wenn ein Suya auch wol nicht die 100 Thaler verdienen möchte, so könnte sich nachts ein Tebu einschleichen. Sidi Embark", fuhr er dann, zu diesem ge-wandt, fort, "du wirst von jetzt an mit wachen des Nachts, damit unser Gast ruhig schlafen kann, und du, o Schich Krim", sagte er zu diesem, "achtest darauf, dass jede Nacht der Kopf unsers Gastes anderswo zu liegen kommt, denn eine Kugel findet sonst leicht den Weg, und nachts müssen stets 100 Mann Wache halten."

"Ich danke dir, ia Sidi el Hussein, für deine Güte gegen uns; aber wie kommt es, dass die Chuan früher so feindlich waren, dass sie uns schon die blosse Annäherung der Sauya verboten, jetzt aber du und, wie es scheint, alle Chuan jetzt so freundlich gegen uns seid?"

"Nur Gott sieht in die Herzen der Menschen", entgegnete Sidi el Hussein, "und Gott ist der Höchste. Seine Wege sind gerade. Die heiligen Orte von Mekka und Medina hat Mohammed, der Liebling Gottes, den Ungläubigen verschlossen[122], wir aber gehören Gott an und kehren zu ihm zurück. Und jetzt zum Fötha!"

Er erhob die Hände wie einer, der mit beiden Händen einen Ball fangen will, wir und alle Umhockenden thaten desgleichen. Alsdann repetirte er mit lauter Stimme das erste Kapitel (Fötha) des Koran, und nach Beendigung desselben strichen wir uns beim Worte "Amin" das Gesicht und den Bart.

Die beiden Heiligen erhoben sich nun, und alle drängten sich herbei, um den Saum ihres Kleides zu küssen und einen speciellen Segen zu erhaschen. Ich aber eilte schnell noch nach und sagte: "Sidi el Hussein, du gestattest wol, dass ich dein Gastgeschenk erwidere; unter meinen Sachen habe ich einen weissen Burnus, deiner zwar nicht würdig, aber mein Herz würde lachen, wenn du ihn annehmen wolltest." - "Ia Bei", erwiderte der fromme Mann, "Gott öffne dir![123] ich sagte dir, wir sind arme und unbedeutende Männer, wir sind Diener des Höchsten und leben nur von seiner Gnade, nie empfangen wir Geschenke[124], aber unser gnädiger Herr Mohammed, der Geliebte des Höchsten, hat uns gesegnet, und Speise und Trank kommt uns vom Himmel. Also auch von dir können wir keine Geschenke annehmen, aber, so Gott will, sehe ich dein Antlitz noch wieder."

Darauf verliess er uns, und einer seiner Neger brachte jetzt drei schöne Ziegen, Datteln und Zwiebeln. Als ich Dr. Stecker bat, dem Neger 10 Thaler als Gegengabe zu reichen - denn so viel repräsentirten die Thiere an Werth -, wurde auch dies Geschenk zurückgewiesen. Die Snussi wollten uns nun absolut verpflichten, und jedenfalls erhielt Sidi el Hussein von Djarabub aus die genauesten Weisungen, wie er sich zu verhalten habe.

Am Abend aber kam Krim el Rba und sagte mir: "Wenn du Sidi Embark etwas schenken willst, wird er es nicht zurückweisen, und da er von den Chuan der angesehenste nach Sidi el Hussein ist, so thust du gut, ihm einige Waaren zu senden." Ich liess mir das nicht zweimal sagen, und gleich darauf wurde Schich Krim el Rba und Ali mit einem weissen Tuchburnus, mit Baumwollstoffen und andern Gegenständen gesandt, welche Sachen auch alle Gnade fanden bis auf ein Stück Shirting, etwa 40 Ellen, das Sidi Embark zurückschickte, weil es an einigen Stellen durchgescheuert sei. Er bekam dafür natürlich ein anderes Stück.

Bu Guetin, der selbstverständlich von dem Besuche der Chuan hörte und gewiss auch vernahm, dass ich, der Ungläubige, Geschenke von ihnen bekommen habe, während die Chuan sonst doch nur solche zu empfangen pflegen, liess mir am folgenden Tage sagen, er sei bereit, alle Sachen zurückzugeben, falls ich ihm eine Bescheinigung schriebe, dass nichts vorgefallen wäre. Alle Suya riefen: "Hamd Allah!" und glaubten, jetzt würde Frieden geschlossen, nur Krim el Rba, der den alten Fuchs am besten kannte, warnte und sagte: "Die Geschenke wird er wol herausgeben, das Geld aber nimmer, und sicher bist da doch nie vor ihm!"

Ich würde ohnedies nicht darauf eingegangen sein, denn ich konnte doch unmöglich dem Manne, der die ganze Expedition zerstört hatte, eine Bescheinigung schreiben, er habe sich wohl verhalten. Da kam ein Scherif - unter den Suya lebt ein Scherif, der vom Rharb el Djuani (Marokko) stammen will und ausser den Snussi als eine Art Privatheiliger verehrt wird - und machte einen noch sonderbarern Vorschlag: "Alle Suya erklären sich solidarisch verantwortlich für die Ausplünderung und ersetzen dir in Geld oder Datteln und Kamelen den Schaden, aber du darfst dann nicht klagen und namentlich nicht klägerisch gegen unsere Brüder Bu Bekr, Ssala und Agil auftreten." Diese Proposition wurde namentlich von den Uled Amera unterstützt, auch Krim el Rba zeigte sich geneigt, darauf einzugehen. Zum Theil fand dieser Vorschlag Beifall, weil in den Augen der Suya Bu Guetin eigentlich gar kein Verbrechen begangen hätte, sie daher auch recht gut solidarisch für das Geschehene mit eintreten könnten, andererseits, weil sie gar keine Idee hatten von dem angerichteten Schaden; sie meinten in ihrem Unverstande, dass an zerbrochenen Gegenständen, Geschenken, Waffen, Waaren, Kisten, Uhren (die meisten Instrumente wurden Uhren von ihnen genannt) vielleicht ein Verlust von etwa 100 Thalern gut zu machen wäre, und das baare Geld müsste ja noch da sein. Sie dachten, ich würde wol mit mir handeln lassen und für 50 Thaler über alles quittiren.

Als ich aber dem Schich Djib el Lah auseinandersetzte, einer müsse doch die Schuld am Unglück tragen, und dass die Regierung, wenn wir zurückkämen, daraufhin jedenfalls Massregeln ergreifen und vielleicht auch ihn als Mitschuldigen bezeichnen würde, erschien ihm die Sache bedenklich. Um aber meinen guten Willen zu zeigen, sagte ich den Abgesandten Bu Bekr's, die alle ebenfalls grosse Schufte und seine Hauptmitschuldigen waren. "Sagt euerm Schich, erst müsse er die Gelder ausliefern, welche er besässe und die sich noch auf 535 Maria-Theresienthaler (2140 Mark) beliefen, dann könnten wir weiter unterhandeln." Aber dieser dachte gar nicht daran, von den Geldern auch nur einen Thaler herauszugeben. Man ersieht hieraus, dass alle Tage noch Verhandlungen stattfanden, Verhandlungen, die allerdings weiter nichts zu Tage förderten, als eine Unmasse verlorener Worte.

Am 23. September machte mir Sidi el Hussein abermals einen Besuch. Diesmal kam er nicht ins Dorf, sondern, von einem Ritt zum Lager der grossen Karavane zurückkehrend, liess er mich ersuchen, herauszukommen, worauf wir, nachdem er vom Pferde gestiegen, beide unter einem grossen Talha-Baum hockten.

"Dein Tag sei gesegnet[125], ia Bei!" begann er; "ich hörte, du habest dich darüber gewundert, dass wir dir trotz unsers grossen Gartens keine Früchte schickten; das that mir sehr leid, und ich bitte, morgen einen der Deinigen mit einem Packesel zu senden, er soll eingehen in unsern Garten und mitnehmen, was er findet. Aber es wird besser sein, wenn du und Stecker Efendi nicht kommen, sondern lieber einer von den andern beiden Christen."

Nachdem ich schon vorher den Gruss erwidert hatte, sagte ich: "Ich stehe noch unter dem Drucke der Güte deiner letzten Gabe und würde mir nie eine solche Aeusserung, ja, nicht einmal einen Gedanken daran erlaubt haben. Wenn du aber gestattest, dass ich einen der Meinigen morgen schicke, werde ich mit grossem Dank gegen Gott und dich die Früchte entgegennehmen, denn Früchte aus euerm Garten müssen ähnlich sein den Früchten im Paradiese, es haftet der Segen daran; Gott sei gelobt!"

"Gott führe dich auf den Weg der Gläubigen, denn nur der wahre Glaube führt ins Paradies, und nur die wahren Gläubigen werden dereinst von den Früchten des Paradieses geniessen. Gott der Höchste hat es so gefügt, dass er dich hier länger festhielt als gewöhnlich, und es scheint mir sein Wille zu sein, dass ihr euch alle zum alleinseligmachenden Glauben bekehrt."

Hierauf erwiderte ich: "Ia Schich Hussein, glaube das nicht, die Christen haben auch ein Buch, und wenn es Gottes Wille ist, denn Gott ist allmächtig, kann er auch in diesem Augeüblick alle Gläubige zu Christen machen und umgekehrt, aber seit 1000 Jahren bestehen Christen, Juden und Mohammedaner nebeneinander, das ist so der Wille des Höchsten, also lass uns davon nicht sprechen."

"Wie du willst, o Bei, ich wollte nur meine Pflicht thun, Gott der Höchste, wenn er will, kann auch den Satan tödten, er lässt ihn aber leben, der Wille Gottes sei gelobt! Also morgen sende jemand, wir werden ihn im Garten erwarten." Dass diese Einladung von meinen Gefährten wie von den Dorfbewohnern mit ungetheilter Freude aufgenommen wurde, ist selbstverständlich. Ich bestimmte zu dieser interessanten Excursion Franz Eckart aus Apolda und bat den alten Räuber Krim, seinen Sohn, der 14 Jahre alt sein mochte, mitzuschicken, sowie einen Esel mit zwei Schuari[126] zu leihen. Ich schärfte Eckart beim Weggehen ein, genau die Zeit des Abgangs wie der Ankunft zu merken, die Richtung des Wegs mehreremal mit dem Compass zu fixiren und sich alles so einzuprägen, dass man einen möglichst genauen Bericht danach machen könne.

Eckart wurde bei seiner Ankunft im Garten aufs freundlichste von zwei Chuan empfangen, die ihn durch den wohlgepflegten, einige Hektar grossen Anbau führten, welghen eine über mannshohe, steinerne Mauer umgab. Mitten durch denselben führten breite, von Weinreben überwölbte Gänge in Kreuzesform. Ausser herrlichen Palmen sah er Olivenbäume, Orangen und Citronenbäume, Granatäpfel, Pfirsiche, Mandeln und Aprikosen, von Gemüsen Eierfrüchte, Tomaten, Pfeffer, Zwiebeln, Knoblauch, also alles das, was sonst die nördlichsten Oasen an Pflanzen hervorbringen. Die hohe Lage von Kebabo, durchschnittlich 400 m über dem Meere, erklärt dies wol zum Theil.

Vom Garten aus hatte Eckart auch die Möglichkeit, einen Blick auf die kaum 1 km entfernte Sauya zu thun, welche auf einem kahlen felsigen Hügel, wahrscheinlich da liegt, wo sich früher ein Gasr befand. Der von hohen Mauern umgebene Ort sieht in der That aus wie eine Festung, und er musste wol so angelegt sein, da in der ersten Zeit seines Bestehens das Dorf Djof noch nicht existirte, auch die dort sich aufhaltenden Chuan nicht so zahlreich waren wie jetzt. Zogen dann aber die Suya nordwärts, so mussten die in Kebabo verbleibenden Chuan Schutz vor etwaigen räuberischen Einfällen der Tebu hinter den Mauern suchen. Heute sind sie so stark, dass sie im Verein mit den Djofensern nichts mehr zu fürchten brauchen. Freie Bewohner dürften sich in der Sauya el Istat[127], wie der ganze Name lautet, circa 250 Seelen aufhalten, mit den Sklaven aber beläuft sich die Zahl wol auf 500. Im Innern ist eine grosse Moschee, eine grosse Wohnung des Schich der Sauya, Sidi Omar Bu Haua, eine Medressa[128], und auch einige Kaufläden. Die Sauya liegt circa 6 km von Boëma gerade westlich, und von Djof nordöstlich ungefähr in halber Entfernung.

Natürlich hatte Eckart, bei aller Bescheidenheit seinerseits, doch die beiden Schuari ganz gefüllt. Als er wieder in Djof eintraf, wurde er nicht nur von uns, sondern von allen Suya mit Jubel empfangen. Das war ein Tag des Festes, denn wenn unsere Dorfbewohner vorher schon von den Ziegen der Chuan - eine behielt ich für uns, zwei schenkte ich den Dorfbewohnern - assen, und namentlich der alte Landräuber, bei dem wir wohnten, die drei Ziegenfelle als Wasserschläuche[129] für sich erhielt, gewährten wir ihnen jetzt auch den Mitgenuss an den Wassermelonen, Zwiebeln, süssen Melonen und Granatäpfeln. Letztere freilich, trotzdem sie aus einem so heiligen Orte stammten, waren ganz abscheulich.

Ja, ein Festtag! denn nachmittags kam auch ein Modjabra und wünschte mich allein zu sprechen. Als ich vor unsere Hütte trat, überreichte er mir geheimnissvoll ein grosses Packet mit Zeitungen und Briefen. Das waren, seit wir Cyrenaïka verlassen hatten, die ersten Nachrichten von den Unserigen. "Ich habe", fügte der Modjabra hinzu "noch eine Kiste für dich, aber da <<vino>> darin ist, konnte ich sie nicht bringen, damit die Leute es nicht bemerkten, du weisst, die Chuan lieben das Trinken von <<vino>> und <<Araki>> nicht." - "Fürchte dich nicht, lieber Freund, die Suya sind alle Säufer, höchstens würden sie mich beneiden um die Sendung; sag mir nur, wo du lagerst, ich werde gleich die Kiste holen lassen." Seine Karavane war nun allerdings erst in Hauari, aber ich beauftragte noch am selben Tage den ältesten Sohn des Schich Krim el Rba, auf einem Kamel hinüberzureiten, und abends konnten wir Bier trinken, denn die Kiste enthielt 12 Flaschen Puntinghammer Lagerbier aus Graz, das mir meine Frau geschickt hatte. Deutsches Bier in Kufra!

Indess an Aufbruch konnte man noch nicht denken: täglich fanden noch Verhandlungen statt, und täglich brachte man noch Gegenstände, denn die Plünderer waren gleich nach der That bemüht gewesen, alles zu verschleppen. Und obschon ich Krim el Rba officiell zu meinem Ukil (Anwalt, Notar) ernannt hatte, musste ich den Hauptversammlungen selbst beiwohnen. Man disputirte und berieth über die geringfügigsten Gegenstände. Nachdem wir aber so ziemlich das, was Bu Bekr nicht besass, abgesehen von den zerschlagenen Sachen, zurückerhalten und die uns begleitenden Uled Amera sich in Marschbereitschaft gesetzt hatten, brachen wir am 27. morgens 91/2 Uhr von Kebabo auf.

Als ich mich aufs Pferd schwingen wollte, erschien noch Sidi Embark, und hielt eine lange Rede, worin er die Begleitung ermahnte, treu zu mir zu stehen, denn seit ich mit den Chuan in Verbindung stände, seien sie moralisch verantwortlich für meine sichere Ueberkunft. Aber während er noch sprach, kam die Meldung, Bu Bekr Bu Guetin mit etwa 50 Mann habe sich in die Berge zwischen Hauari und Djof geworfen und beabsichtige einen Ueberfall oder, wenn das nicht, würde er doch versuchen, mich aus der Escorte herauszuschiessen. In der That hatte der Bote nicht gelogen, so wenig aussichtsvoll Bu Bekr's Unternehmen auch war. Was bezweckte eigentlich der wüthende Kerl, was wollte er jetzt noch? Während in dem frühern Angriff, bei dem er mich zu ermorden hoffte, insofern ein gewisses System lag, als er sagen konnte - und die übrigen Suya würden sicher mit gelogen haben -: die Tebu überfielen das Lager der Christen, tödteten sie und plünderten dasselbe, lag in seinem jetzigen Vorhaben kein Sinn und Verstand. Meucheln konnte er mich vielleicht, aber was wollte er mit seinem offenen Angriffe bezwecken? Krim el Rba meinte zwar, dann würde er sagen: "Ich oder einer der Uled Amera hätten dich umgebracht", aber so konnte doch eigentlich nur ein Kind folgern. Freilich grosse, aber böse Kinder waren die meisten Suya!

Da zogen sie dahin zwischen den Bergen, die Bu Guetin, und einige von den Gaderroha, alle mit Flinten und, wie man deutlich sehen konnte, mit herabhängendem[130] Leder.

Nach einer kurzen Berathung wurde aber doch beschlossen, aufzubrechen. Anfangs wollte man uns in die Mitte nehmen, aber man detachirte einige Leute rechts und glaubte so hinlänglich für unsere Sicherheit gesorgt zu haben. Ausserdem beschlossen gleich noch mehrere Dorfbewohner, unter andern der alte Landräuber, unser Wirth, uns das Geleit zu geben. Sidi Embark sprach nun das Fötha (1. Koransure). Alsdann nahmen wir Abschied von den Dorfbewohnern, und fort ging es in nordwestlicher Richtung, um das Gebirge gar nicht zu berühren.

Wenn wir durch das Gebirge zogen, gerade nordwärts, wer weiss, was passirt wäre, aber ins Offene getraute sich Bu Bekr doch nicht, unsere Macht war ihm zu stark. Wir bildeten eine Karavane von 80 Kamelen und zählten mindestens 60 Mann, von denen allerdings 20 wieder nach Djof zurückkehren wollten. Dafür standen aber wieder andere Leute aus Hauari, Buseïma und Taiserbo in Aussicht, die wahrscheinlich dort sich uns anschliessen würden.

Als wir uns in gleicher Höhe mit den Bergen befanden, sahen wir, wie Bu Bekr sich eilig zurückzog. Wir erreichten Hauari oder vielmehr den Lagerplatz bei Hauari nachmittags und lagerten ausserhalb der Palmen auf einem dominirenden Punkt, um vor einem Ueberfall gesichert zu sein. Sidi Embark, der Chuan, nahm es auf sich, uns mit schönen Datteln zu bewirthen, denn auch in Hauari haben die Snussi grosse Besitzungen. Nachts kam aber die überraschende Kunde, ein Theil der Bu Guetin wolle die geraubten Gegenstände herausgeben, wir sollten in Hauari warten. Da diese Nachricht durch ein Schreiben von Sidi el Hussein an Sidi Embark kam, also keinem Zweifel unterlag, so blieben wir, und nun sollte ich wirklich die Macht der Snussi in Erfahrung bringen und was sie mir hätten sein können, wenn einige Tage früher ein entsprechender Befehl von Djarabub gekommen wäre.

In der That wurden uns eine Menge Gegenstände wieder ausgeliefert, ja, wir erhielten die Nachricht, Bu Bekr Bu Guetin sei im Anzug, um noch mehr zu übergeben, und was niemand geglaubt hatte, er kam nach Hauari mit vier mir gehörenden Kamelen und verschiedenen Sachen, die er noch besass, namentlich waren darunter die kaiserlichen Geschenke. Zur Herausgabe des Geldes konnte er sich nicht entschliessen. Er wollte darüber weitläufige Verhandlungen eröffnen und verlangte, mit mir persönlich darüber zu sprechen, was jedoch die Suya und Sidi Embark nicht erlaubten. Aber 38 Thaler gab er heraus, die er einem der Djeluled als Beuteantheil versprochen, aber nicht gezahlt hatte. Die Djeluled, welche in Hauari besonders stark vertreten sind, packten ihn darauf an und liessen ihn nicht eher los, als bis er ihnen diesen, ihrem Stammesgenossen versprochenen Theil herausgab. Das Geld brachten sie sodann mir. Aber die grössere Summe Geldes von ihm zu erzwingen, dazu waren sie nicht zu bewegen, auch Stecker's und meine Privatkoffer und Kisten waren nicht wieder zu bekommen. Diese Verhandlungen hielten uns bis zum 29. September in Hauari fest, und dass sie überhaupt ein für uns so günstiges Resultat ergaben, verdankten wir ausschliesslich den Snussi. Wenn die Snussi früher durch ihre feindselige Haltung die Ursache zur Katastrophe gewesen. waren, so gebietet die Gerechtigkeit, zu sagen, dass sie hernach alles thaten, um uns beizustehen. Ja, ich glaube nicht zu viel zu behaupten, wenn ich sage, dass wir Kufra ohne die Snussi wol nicht lebendig verlassen haben würden, weil sowol Djib el Lah el Abid wie Krim dem Einflusse Bu Guetin's erlegen wären.

Am 29. September nachmittags brachen wir von Hauari auf und kamen noch am selben Tage in die Wüste. Mit dem Nordwärtsziehen vergrösserte sich unsere Karavane lawinenartig, und namentlich als wir Buseïma und Taiserbo durchzogen, schlossen sich ganze Gesellschaften an. Wachsamkeit bis zum türkischen Gebiet war immer noch von nöthen, denn wenn Bu Bekr Bu Guetin auch, den Umständen weichend, die Geschenke und den grössten Theil der Gegenstände, die er geraubt, zurückgegeben hatte, so musste doch seine Brust voll von Hass und Neid sein, und wie gern hätte er wol diesen Gefühlen freien Lauf gelassen!

Am 7. October erreichten wir den nördlichsten Ort von Kufra, Drángedi. Ehe wir aber am 9. October die Oase selbst verlassen, wollen wir ein Gesammtbild dieses grossen Inselarchipels entwerfen.

[114] Iudjani gelbi.

[115] Mektub Allah.

[116] Mehabba.

[117] "Ia" ist so viel wie "o", es ist der Vocativ.

[118] In Kufra besitzen sie etwa 300000 Palmen und nehmen an Geschenken und Abgaben blos in dieser Oase mindestens 20000 Thlr. ein, wenigstens in den letzten Jahren, wo so viele und grosse Karavanen durchzogen.

[119] Hier log der fromme Mann offenkundig.

[120] "Auds bi Allah men es Schitan arrahim", eine beliebte Phrase.

[121] Ma scha Allah kan, u ma lam ischa lam ikun.

[122] "Harem", Ausdruck, der officiell für die heiligen Städte gebraucht wird, und damit wollte er wol andeuten, dass die Sauyat der Snussi auch "harem", d. h. verboten für Andersgläubige seien.

[123] "Allah istalik", "Gott öffne dir!" man versteht dabei das Paradies oder, da die Christen nicht direct ins Paradies kommen können, die Thore des Islam.

[124] Hier log der fromme Mann wieder, denn erst am Morgen hatte die Modjabra-Karavane die reichsten Geschenke in der Sauya abgegeben, wofür sie den Segen erhielt.

[125] "Nharek mabruk." Man sagt zu den Ungläubigen nicht den bekannten Gruss der Gläubigen: "essalamu alikum", und erwidert auch nicht mit "alikum ssalam". Den Christen pflegen sie irgendeine andere Begrüssung, z. B. "mögest du gesund sein, Gott helfe dir!" zuzurufen, während der Christ "Gott grüss dich!" sagen darf.

[126] Schuari sind zwei grosse, in der Mitte durch Geflecht verbundene Körbe, die man dem Esel überlegt.

[127] "El Istat" bedeutet soviel als Heiligkeit, Eminenz, also Sauya Seiner Heiligkeit.

[128] Schule.

[129] Um Wasserschläuche zu gewinnen, darf das Fell nicht aufgeschnitten, sondern muss dem Thiere ganz abgezogen werden.

[130] Für gewöhnlich tragen die Suya ihre Gewehre derart, dass das Schloss mit einem Lederfutteral umwickelt ist; hängt letzteres herab, so fürchten sie, angegriffen zu werden oder wollen selbst angreifen.


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