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Die Halfa und ihre wachsende Bedeutung für den Europäischen Handel.

Ehe man in die eigentliche Sahara eindringt findet man eine Zone, welche die Franzosen recht bezeichnend "die kleine Wüste" (le petit désert) genannt haben. Eine Zone, welche nasse Niederschläge ab und an erhält, oder aber durch andere Ursachen einen feuchteren, der Vegetation erspriesslicheren Boden hat, als der Theil der grossen Wüste, welcher, eben weil eine fast stets sich gleich bleibende hohe Trockenheit der Atmosphäre ihn bedeckt, fast aller Vegetation bar ist. Im Allgemeinen kann man wohl die Behauptung wagen, dass im Süden der Rand der mit Pflanzen überzogenen Sahara (oder le petit désert) breiter ist, als im Norden, im Westen weiter sich nach dem Innern zu erstreckt, als im Osten der Sahara. Es ist dies natürlich, weil die aus dem S. S. O. kommenden feuchten Regenwinde in jeder Tropen-Regenzeit nicht nur mit grosser Regelmässigkeit einsetzen, um dem südlichen Theil der Sahara Feuchtigkeit sowohl als auch Sämereien zuzuführen, während die vom Mittelmeere kommenden Regen, schon ehe sie den Atlas übersteigen, an der Nordseite dieser Kette ihre Hauptfeuchtigkeit verlieren, und nur ab und an auf der Südseite des Gebirges so viel Feuchtigkeit niederschlagen, als nothwendig ist, um den "petit désert" zu bilden. Ganz dasselbe ist im Westen der Fall: die von N. W. und W. kommenden Winde fahren bedeutend grössere Quantitäten mit Wasser geschwängerter Wolken ins Innere, als die meist trockenen N. O. und Ostwinde.

Eine gewisse Einförmigkeit zeichnet die Flora der kleinen Wüste aus, sowohl im Norden als auch im Süden. Die südliche Flora ist jedenfalls mannigfaltiger als die nördliche, aber noch zu wenig von einem Botaniker erforscht, um darüber, sowie über die darin zu verwerthenden Erzeugnisse der Pflanzen nur irgend wie ein Urtheil abgeben zu können. Hauptproduct ist bis jetzt nur Gummi der Gummiakazie gewesen. Aber es unterliegt gar keinem Zweifel, dass bei genauerer Erforschung der Gegend auch hier Pflanzen vorkommen, welche im Handel und in der Industrie dermaleinst von grösster Bedeutung sein werden.

So ist es auch lange Zeit mit dem nördlichen besser bekannten Theil der Sahara der Fall gewesen. Erst seit wenigen Jahren lernt man die Schätze kennen, und sicher sind noch nicht die Producte aller dort wachsenden Pflanzen bekannt, um sie würdigen zu können. Sind doch noch nicht einmal die nutzbringendem Eigenschaften aller im Tel wachsenden Pflanzen, das heisst der nördlich vom Atlas stehenden, hinlänglich gewürdigt, wie denn erst seit kurzem die Sparterie die so weit verbreitete Zwergpalme (chainaerops humilis), welche überall nördlich vom Atlas vorkommt, verwerthet.

Eine der nützlichsten Pflanzen, welche colossale Gebiete, fast möchten wir sagen den ganzen petit désert bedeckt, ist die Halfa, weiter nach dem Osten zu auch Geddim genannt (stipa tenacissima). Von alten Zeiten her bekannt, seit langem ebenfalls zur Mattenflechterei benutzt, ist man aber erst in den letzten Jahren darauf aufmerksam geworden, welchen Reichthum man in dieser Pflanze hat, die gar keiner Pflege und Cultur bedarf, und welche mit den bescheidensten feuchten Niederschlägen fürlieb nimmt. Die Halfa wächst in dicken Büscheln dicht bei einander, sieht pfriemenartig aus, und erreicht die Höhe von etwa 0,2 bis 0,3 m., während die Dicke des einzelnen Pfriemens etwa 2 mm. beträgt. Die Zähigkeit der textilen Fasern bedingt den Werth der Halfa zu industriellen Verwendungen, während sie als Viehfutter kaum in Betracht kommt. Ja nach Duveyrier[5] verursacht sie den Wiederkäuern Constipationen, welche öftere Anwendung purgirender Mittel erheischen, so dass die Hirten der Vorwüste jeden vierten oder fünften Tag ihre Kamel- und Schafherden nach den glücklicher Weise dort recht häufig vorkommenden bittersalzhaltigen Quellen führen, welche in sich das Gegenmittel tragen gegen die so verstopfende Halfa-Kost. Ich selbst habe nur beobachtet, wie die Kamele und Schafe Halfa wohl abweideten, aber schon nach kurzem Grasen sich überdrüssig davon abwandten.

Das eine Wort "Papier" erklärt die ganze Wichtigkeit der Halfa. Die Zeiten liegen lange hinter uns, wo Lumpen und ähnliche Stoffe hinreichten, um den Völkern ihren. Bedarf an Papier zu decken. Ja, der Zeitpunkt ist gekommen, wo der Mensch täglich darauf sinnen muss, neue Stoffe zu entdecken, welche zur Papierfabrikation tauglich sind. Man bedenke nur, dass der Jahresbedarf an Papier bei den vier Culturvölkern der Erde: bei den Engländern 6 Kilogr., bei den Nordamerikanern 51/2 Kilogr., bei den Deutschen 41/2, und bei den Franzosen 4 Kilogr. auf den Kopf beträgt. Dieser Verbrauch ist aber stets wachsend, und zwar in ganz aussergewöhnlichem Masse. Wenn in Russland z.B. jetzt auf den Kopf nur 0,5 Kilogr. gebraucht wird, in Oesterreich 2 Kilogr., so ist der Verbrauch nach einer einzigen Generation vielleicht schon in beiden Ländern verdoppelt.

Keine Pflanze scheint sich besser zur Papierfabrikation zu eignen als Halfa, und keine kann billiger beschafft werden als sie. Man kann Halfa als eine unerschöpfliche Quelle des industriellen Reichthums betrachten, nicht nur in Algerien, sondern in ganz Nordafrica. Algerien wird bald einen Theil seiner Eisenbahnen dieser Pflanze verdanken. Eine dieser Linien, die von Arzew nach Saida, ist schon im Bau begriffen, und andere sind in vorbereitenden Stadien. Wenn man bedenkt, dass diese Linien perpendiculär auf die Küste errichtet werden müssen, dass sie nur bis zum Hochplateau selbst einigermassen bevölkerte Gegenden durchschneiden, dass aber bloss in Algerien noch drei Millionen Hectar Land, bestanden mit Halfa, gegen diese anzulegenden Bahnen ausgetauscht oder cedirt werden können, so wird man leicht die Wichtigkeit dieser die Landschaft erschliessenden eisernen Wege begreifen.

Dazu kommt, dass falls ja ein Raubbau das Erdreich bloss legen sollte - bis jetzt wird leider nur Raubbau betrieben - der Boden sich zur Weincultur vorzüglich eignet. Denn es ist unzweifelhaft, dass in einem gegebenen Augenblick der Weinstock in Nordafrica wieder eine grosse Rolle spielen wird, so wie im Alterthum. Die Weine Nordafrica's waren früher hochgeschätzt. Heute ist aber der Weinbau, der in Folge des Hereinbrechens des weinfeindlichen Islam fast ganz zu Grunde ging, erst wieder im Aufleben begriffen, und zwar nur in Algerien. In den übrigen Nordafricanischen Ländern wird nirgends die Rebe des Weins wegen, sondern nur der frischen Trauben, oder auch der Rosinen wegen gebaut. Und selbst in Algerien ist die Zahl der zum Weinbau benutzten Hectare noch so gering, dass, trotz des Bodenreichthums und trotz der so lohnenden Cultivirung der Rebe, bis jetzt die Halfa einen viel reicheren Gewinn bietet.

Dazu kommt, dass in der Production insofern ein grosser Unterschied besteht, als die Rebe Dünger, Pflege und Arbeitskräfte beansprucht, die zum Theil Capital und bedeutende Kosten verursachen, während die andere Pflanze, die Halfa, Naturproduct des Bodens, allein aufwächst, ohne der mindesten Pflege zu bedürfen, mit einem Worte das ist, was man in der Provence Lou ben de Diou, d.h. die von Gott auf die Erde geschickte Ernte nennt, welche ohne menschliche Hülfe hervorgebracht wird[6]. Aber, fügt das Journal "l'exploration" hinzu, es ist eine Hülfsquelle zum Ausbeuten, aber nicht zum Verschleudern.

Uebrigens ist die Halfa-Industrie noch ganz in der Kindheit, erst jetzt fangen Gelehrte an, die Eigenschaften des zähen Gewebes wissenschaftlich zu untersuchen, und es war vor Allem interessant, auf der Pariser Ausstellung sich gerade über die industriellen Producte dieser wichtigen Pflanze Aufklärung zu verschaffen.

Bis jetzt geht fast Alles, sowohl das, was in Spanien eingeheimst (das was man in Spanien Atocha nennt, macrochloa tenacissima, oder m. arenaria ist dieselbe Pflanze, die man in Nordafrica Halfa nennt; in den langen Virginia-Cigarren der Oestreicher und Lombarden steckt auch stets ein Halfastengel) als das was in Algerien gewonnen wird, nach England, doch fangen auch die Nordamerikaner an, Halfa aus Africa zu importiren. Soweit mir bekannt geworden, hat man in deutschen Fabriken diese Pflanze zur Papierbereitung noch nicht in Anwendung gebracht. Wenn man sich an Nobl's monthly, registered for foreing transmission, hält, dann importirte England 1868 an Halfa 95,828 Tonnen, von denen 92,927 aus Spanien, der Rest aus Algerien kam. Aber wenn Algerien mit nur 2762 Tonnen zuerst einstand (139 Tonnen kamen aus anderen Ländern), so wuchs in den folgenden Jahren die Ausfuhr dieses Gegenstandes in um so stärkerem Masse, als sie schnell in Spanien eine Abnahme erfuhr. Von 92,927 Tonnen in Spanien im Jahre 1868 fallen sie bis 1874 auf 54,942 Tonnen. Damit hat sich keineswegs der Verbrauch in Grossbrittanien vermindert. Von 95,828 Tonnen im Jahre 1868 ist er auf 119,188 Tonnen im Jahre 1874 gestiegen, aber 1874 werden von Algerien schon 37,516 Tonnen ausgeführt.

Dazu kommt, dass von 1871 an auch andere Länder anfangen, Halfa auf den Markt zu werfen. Tunis und Tripolis erscheinen 1871 mit 11,579 Tonnen; aber 1874 schon mit 18,670 Tonnen. Die von Malta kommende Halfa, welche 1871 mit 3261 Tonnen anfing, erhob sich 1874 auf 7185 Tonnen. Da Malta selbst nicht im Stande ist, eine so grosse Quantität dieser Pflanze zu geben, so ist die Vermuthung wohl nicht ohne Berechtigung, dass die Insel mir als Sammelpunkt dient, für die Halfa, welche von Cyrenaïka und vom sogenannten libyschen Küstenplateau (Wüstenplateau) abgeheimst wird.

Das Eingreifen anderer Länder - Tunis, Tripolis, Cyrenaïka, und vielleicht des libyschen Küstenplateaus - in den Algerischen und Spanischen Handel, hat übrigens in den letzten Jahren eine Verminderung des Preises der Halfa bewirkt. Da aber in den meisten Ländern der roheste Raubbau betrieben wird, werden wohl nur Spanien und Algerien für längere Zeit das Monopol des Halfa-Handels behalten. Und wie energisch man eine vernünftige Einheimsung dieser kostbaren Pflanze in Frankreich befürwortet, dafür genügen anzufahren folgende Worte der Exploration p. 156, Jahrgang 1878:

"So wie man in Frankreich Massregeln ergriffen hat, gegen die Entholzung und Zerstörung der Wälder, so sollte sich die Colonial-Regierung damit beschäftigen, diese immense Quelle des Reichthums, welche sich auf den Hochebenen befindet, zu schützen, und nicht nur die schon angedeuteten Uebel (Abbrennen Seitens der Araber, Vernichtung durch unrationelles Abheimsen etc.) streng bestrafen, sondern auch die Halfa-Gegenden gegen die allmähligen, und nach und nach vordringenden Sandmassen der Sahara abzufertigen[7].

Man darf nicht ausser Acht lassen, dass ganz Europa so wie Amerika Algerien tributär sind, und dass, falls man durch eine schuldvolle Nachlässigkeit das ganze Halfagebiet habgierigen Raubbauern überliesse, welche sich wenig um das öffentliche Eigenthum kümmern, schliesslich nichts übrig bliebe, als eine verlassene Wüste, eine unfruchtbare Steppe."

Man darf nicht übersehen, dass die Farben im Berichte der Exploration' etwas stark aufgetragen sind, denn erstens producirt nicht Algerien allein die Halfa, sondern besitzt höchstens den sechsten Theil des Halfa-Gebietes, und zweitens kann man - wenn man will - in vorzüglichstem Maasse auf demselben Boden Wein cultiviren.

Uebrigens hat man in den letzten Zeiten schon angefangen über Fälschungen, schlechte Verpackung etc. zu klagen. Die Halfa muss frisch und grün, sowie sorgfältig verpackt, auf den Markt gebracht werden.

Das früher schon erwähnte Nobl's monthly vom 14. Jan. 1875 drückt sich darüber folgendermassen aus:

"Die Qualität der im letzten Jahre importirten Halfa (espartero) war in manchen Fällen sehr verschieden; so haben sich denn manchmal Streitfragen und Reclamationen ergeben, hinsichtlich der Annahme der geschickten Waare. Man hat öfters zum Schiedsrichter seine Zuflucht nehmen müssen, und das Urtheil fiel jedes Mal zum Nachtheil der Absender aus. Im Allgemeinen hat Spanien sich seinen Ruf durch Absenden guter Waare und sorgfältiger Verpackung zu bewahren gewusst. Die Provinz Algier kommt hierin Spanien am nächsten, während die Provinz Oran vollkommen zurücksteht. Obschon von vorzüglicher Qualität, sind die von dieser Provinz aus versandten Halfapacken nicht genug Gegenstand sorgfältigster Behandlung; oft genug hat man in den Ballen, welche äusserlich das schönste Aussehen hatten, im innern abgestorbene Pflanzen gefunden, noch dazu untermischt mit Wurzeln. Natürlich hat dies Misstrauen wach gerufen, und der gute Ruf der Händler und Absender hat sehr darunter gelitten. Eine starke Verminderung des Preises hat sich ergeben, und die Empfänger empfinden eine grosse Scheu Waaren zu empfangen, von welchen sie nicht vollkommen überzeugt sind, dass dieselben in jeder Beziehung alle Eigenschaften besitzen, welche sie haben müssen. Die Halfa von Tripolitanien ist ebenfalls öfteren Protesten ausgesetzt, während die von Sfax und Gabes (.d.h. von Tunesien) allerdings in kleineren Quantitäten auf den Markt geworfen wurde, diese aber durch Vorzüglichkeit in jeder Beziehung sich auszeichnete."

Das Vorstehende genügt, um daraus zu entnehmen, welches Gewicht man auf den Export dieser Pflanze in Frankreich und Grossbritannien, so wie auch in den Vereinigten Staaten legt, während man von deutscher Seite nicht dasselbe sagen kann. Und doch wird wohl niemand behaupten, dass wir in Deutschland Ueberfluss an Material haben, um Papier daraus fabriciren zu können. Allein der Leipziger Papierhandel hat durchschnittlich in den letzten Jahren einen Umsatz von ca. 10,000000 M. Es ist daher zu beklagen, dass unsere deutsche Kaufmannswelt diesem so wichtigen Erzeugniss, welches allerdings erst in den letzten Jahrzehnten auf den Markt kommt, so wenig Aufmerksamkeit zugewandt hat.

Es ist gar nicht nöthig, deshalb nach Algerien zu gehen, oder nach Spanien, wo deutsche Handelshäuser, um diese Waaren zu gewinnen, einen schweren Stand haben würden, um in die fest gewobenen, alten Beziehungen der Engländer als Concurrenten einzutreten. Aber ist nicht das ganze übrige Nordafrica jedem offen? Ich will gar nicht reden von Marokko, wo namentlich südlich vom Cap Ger noch absolut unausgebeutete weite Landstriche, sich befinden, auf denen Halfa die Hauptvegetation bildet. Das damit bedeckte Tunesien, Tripolitanien, Barca, und das östlich davon liegende libysche Küstenplateau, bis vor den Thoren von Alexandrien sich erstreckend, sind ganz und gar ohne rationelle Bewirthschaftung; sowie die Eingeborenen die Halfa mit Stumpf und Stiel dem Boden entnehmen, wird dieselbe an die Küste, in die Hafenörter transportirt, sortirt und dann in den Handel gebracht. Hier wäre ein Feld für deutsche Unternehmung.

Direct ist Deutschland viel zu wenig beim africanischen Handel betheiligt. Abgesehen von einigen weitgehenden Häusern Hamburgs, welche ihre Factoreien an der Ost- und Westküste von Africa besitzen, von einigen Firmen in Aegypten, und Algerien, finden wir in Africa keine bedeutenden deutschen Handlungshäuser, welche den Verkehr und Handel direct zwischen diesem Continent und unserem Vaterland vermittelten. Und doch ist Africa bestimmt, einst in Ergiebigkeit reicher Producte, Indien abzulösen. In nicht allzu ferner Zeit!

Das Nächstliegende wird aber meistens verschmäht. Eingeborne tripolitanische Kaufleute - wir meinen europäischer Abkunft - geben sich z.B. nicht damit ab, die Producte ihres naheliegenden Landstrichs zu untersuchen und zu verwerthen, sondern speculiren auf die allerdings kostbaren aber fern liegenden Erzeugnisse des Sudan. Und dabei verschliessen sie sich der Thatsache, dass der Handel seit Abschaffung der Sclaventransporte eine ganz andere Gestaltung angenommen hat, als ehedem.

Wenn die Franzosen klagen, dass der sudanische Handel seine Richtung geändert, Algerien nicht mehr berühre - wenn die Europäer in Tripolis klagen, dass Federn und Elfenbein nicht mehr in so grossen Quantitäten nach Tripolitanien kommen, wie ehedem, so hat das seinen Grund in der Aufhebung der Sclaverei. Sclaven, der einzig lohnende Artikel aus Sudan, so lange der Verkehr mit Kamelcaravanen vermittelt wird, kommen jetzt gar nicht mehr nach Algerien, folglich alle anderen Waaren auch nicht. Und sie kommen jetzt sogar nur in geringer Zahl nach Tripolitanien, folglich die anderen Artikel auch; denn nur in Gemeinschaft mit ersteren lohnt es sich, andere Gegenstände über so weite Strecken nach dem Norden zu transportiren. Das ist die Hauptursache des heutigen Verfalls des nordafricanischen Handels.

Es lässt sich nicht leugnen, dass die Engländer, beziehentlich die Amerikaner der Union, die einzigen Völker sind, welche bis jetzt auf den ersten Blick richtig die hierdurch veränderten Handelsverhältnisse im Norden von Africa erkannt haben. So natürlich es jeder finden muss, dass der Verkehr und Handel Nordafricas vornehmlich in den Händen der Südstaaten Europa's sich befände, so wenig ist dies in Wirklichkeit der Fall. Frankreich - von Spanien gar nicht zu reden, welches ja nicht einmal seine eigene Halfa zu verwerthen im Stande ist - wie auch Italien braucht nichts von dieser kostbaren Pflanze. Der Hauptconsum ist in Grossbritannien, wie auch England die meisten Waaren nach Africa liefert.

Warum aber kommen die deutschen Kaufleute immer erst auf das Arbeitsfeld, wenn das Beste vorweg genommen, und andere sich festgesetzt haben? Die Thatsache wiegt allerdings schwer, dass die über der ganzen Erde verbreiteten Colonien Grossbritanniens einen ganz anderen, viel unternehmungslustigeren Geist der kaufmännischen Welt in England eingehaucht haben, aber es gibt doch noch in Nordafrica Gegenden und Reichthümer genug, wo auch der deutsche Kaufmann ein lohnendes Gebiet für seine Thätigkeit fände. Ihn darauf aufmerksam zu machen, das haben vorliegende Zeilen bezwecken sollen.

Es ist um so nothwendiger, dass die Deutschen thätiger sich bei neuen Unternehmungen commercieller Art anderer Continente betheiligen, als gerade durch derartige Bestrebungen und Vornahmen, der einheimischen Industrie neue Absatzfelder erschlossen werden.

Und gerade von dem Zeitpunkt an, seitdem die Halfa einen so wichtigen Handelsartikel bildet, ist in den Verhältnissen Nordafrica's, d.h. der türkischen Besitzungen daselbst, ein grosser Wechsel eingetreten. Während vordem Europäer, d.h. Christen, keinen Grundbesitz erwerben konnten, steht dem jetzt gar nichts im Wege. Würde es sich z.B. nicht lohnen an Ort und Stelle Halfa-Papierfabriken zu errichten? Vielleicht um so mehr, als beim Einheimsen dieser Pflanze, mindestens die Hälfte derselben sich als Brennmaterial, als Heizmittel verwerthen lässt, denn bei jedem Halfabüschel, den man im Freien antrifft, besteht wenigstens die Hälfte der Pflanze aus trocknen Halmen.

Wenn übrigens durch vorstehende Zeilen auf die Bedeutung bloss Einer Pflanze, Eines Produkts Nordafrica's hingewiesen worden ist, so soll damit keineswegs gesagt sein, dass damit Alles erschöpft sei. Wie im Alterthum die Küstengestade Hauptplätze für Korn, Wein und andere Gegenstände gewesen sind, so steht dem auch jetzt nichts im Wege, diesen Ländern wieder zum selben Reichthum zu verhelfen. Es fehlt weiter nichts als Capital und Arbeitskräfte und gerade jetzt, wo diese Länder vom Drucke barbarischer und indolenter Völker befreit werden, ist der richtige Augenblick gekommen, thatkräftig einzugreifen. Jetzt heisst es aufpassen!

Warum können denn die Deutschen nicht selbst ihre Produkte den Eingeborenen bringen? Und man glaube ja nicht, dass die deutsche Industrie unbetheiligt beim Handel Africa's ist, eine Menge Erzeugnisse werden nur aus Deutschland genommen, aber durch Vermittlung der Engländer, Belgier und Franzosen eingeführt. Das sollte längst anders geworden sein. Wenn in früheren Zeiten der Kaufmann aus Deutschland eine gewisse berechtigte Scheu empfand, mit seinen Unternehmungen selbstthätig im Ausland aufzutreten, so muss er jetzt nicht zaudern. Die Zeiten sind vorüber, wo er schutzlos in der Fremde stand, wohin er auch seine Kräfte, sein Capital und seine Arbeitskraft trägt, so kann er sicher darauf bauen, dass seine reellen Unternehmungen jetzt durch den starken Schutz des deutschen Reiches feste Grundlage bekommen.

[5] Duveyrier, les Touareg etc. p. 203.

[6] l'exploration, 2. année, Nr. 55. p. 155.

[7] Dies ist wohl zu viel verlangt von einer Regierung, und unserer Erfahrung nach, auch vollkommen unnütz. Im Allgemeinen und Grossen sind die Dünen unveränderlich. Man bedenke nur, welche Befürchtungen hinsichtlich der Sand-Verwehung für den Sues-Canal (ich protestirte dagegen schon 1868, v. Unsere Zeit, Leipzig, Heft XI, 1868) laut wurden! Ich erinnere noch daran, dass in der Oase des Jupiter Ammon seit Tausenden von Jahren, mehr als 100 m. hohe Sanddünen unmittelbar die Seen begrenzen; verweht sind sie bis auf diese Stunde nicht.


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