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Der Samum in der Sahara.

Wie von einem Mantel umhüllt, bleifarbig, geht die Sonne auf. Das Auge wird nicht angestrengt, auch ohne gefärbte Gläser in die sonst so blendende Himmelsscheibe zu sehen. Dieser Sonnenaufgang - die ganze Luft ist noch ruhig, - verkündigt oft das baldige Herannahen des Samum. Die eigenthümliche Färbung des Horizonts beim Aufgang der Sonne rührt aber wohl aus den obersten Luftregionen her, in denen Staub enthalten ist von weit her stattgehabtem Samum, ähnlich wie man das Wetterleuchten aus weitester Ferne beobachten kann, ohne dass in der Nähe Blitze und Donner wahrnehmbar sind. Das sind die Verboten eines Samum; wenn ein solcher Sonnenaufgang stattfindet, kann man meist mit Gewissheit auf einen hereinbrechenden Sturm rechnen. Aber nicht immer. Oft ist es auch die Folge eines manchmal Hunderte von Km. weit entfernten vorübergegangenen Samum. Der vielleicht meilenhoch emporgewirbelte feine Staub braucht längere Zeit, um, der natürlichen Schwere folgend, wieder den Boden zu erreichen. So wie der Sonnenaufgang gestaltet sich auch der Sonnenuntergang.

Aber der Samum kann auch ohne solche Vorboten hereinbrechen. Man sieht plötzlich Wolken sich thürmen, - mitten in der Wüste Haufenwolken! - aber nicht von Feuchtigkeit sind sie geschwängert, nicht enthalten sie das segenspendende Nass, sondern Staub. In allen Farben schillern sie, blau, röthlich, gelb; sie thürmen sich, sie wälzen sich übereinander, oft durchzuckt auch ein Blitz die Massen und bestärkt den Nichtkundigen noch mehr in dem Glauben, er habe es mit wasserschwangeren Gewitterwolken zu thun. Aber jetzt sind sie da. Pfeifend, heulend, Alles vor sich her treibend tosen sie heran. Die ganze Luft ist verdunkelt, die Sonne ist dem Blicke völlig entrückt. Ganze Sandwellen werden fortgewälzt, die Sanddünen scheinen auf ihren Spitzen und Kanten zu rauchen. Man kann schliesslich die Augen nicht offen halten, und muss sich dem Schicksal ergeben. Längst haben auch die Kamele kehrt gemacht, um nicht die Sand- und Staubmassen ins Gesicht zu bekommen, ohne Commando knieen sie nieder und fügen sich in ihre Lage. Findet der Samum im Sommer statt, so steigert sich die Temperatur bis auf 40, ja bis auf 50deg.. Von genauen meteorologischen Beobachtungen kann jetzt natürlich keine Rede sein; denn Alles ist Finsterniss und ein undurchdringlicher Staub. Der Mensch selbst, um seine Haut vor den wirklich schmerzhaften Einflüssen zu behüten, welche die mit Vehemenz geschleuderten groben Sandkörner und kleinen Kieselchen hervorbringen, umhüllt sich den Kopf und alle exponirten Körpertheile. Auch ihm bleibt nichts zu thun übrig als zu warten, als sich in sein Schicksal mit Geduld zu finden.

Die meisten Samumstürme sind widerstandslose Orkane, da bleibt kein Zelt stehen, da werden Bäume entwurzelt, schlanke biegsame Palmen gebrochen, Dächer abgehoben, ja es kommt vor, dass Menschen und Thiere weit fortgeschleudert werden. Die gefährlichsten Samum sind die aus Südost kommenden, aber auch die aus den andern Himmelsgegenden heranstürmenden können alle eben aufgeführten Erscheinungen zeigen. Die südöstlichen sind die heissesten; treten sie im Sommer ein, überraschen sie eine Caravane, die noch fern vom Brunnen ist, dann ist sie meist verloren. Die Schläuche trocknen aus, die Mitglieder der Caravane müssen verdursten.

Wie Jahre vorgehen können, welche wenig stürmisch sind, so giebt es andererseits Jahre, die sich durch grosse Häufigkeit heftiger Luftströmungen auszeichnen. So war der Winter 1878-79 nebst dem Frühjahr bis April 1879 reich gesegnet mit kräftigen, widerstandslosen Orkanen. In dieser Zeit haben wir über ein Dutzend der stärksten Samum aushalten müssen und meistens auf offenem Felde. Der in Djalo am 12. April 1879 wüthende Samum knickte mehr als 200 Palmen. Eine von Uadaï kommende Caravane wurde nur dadurch gerettet, dass sie sich bloss noch zwei Tagemärsche vom Brunnen Battifal befand, als sie vom Samum überfallen wurde. Sonst wäre die ganze Caravane zu Grunde gegangen, da das Wasser in den Schläuchen verdunstete.

Oft noch einen ganzen Tag lang ist nach einem Samum die Luft mit Staub erfüllt, namentlich wenn nicht, was aber meistens der Fall ist, eine dem gewesenen Sand-Orkan entgegengesetzte Luftströmung eintritt. Die ganze Natur, welche unter dem heftigen Sturm sich beugen musste, athmet nun wieder auf, nur die Spuren, welche er zurückgelassen hat - glattgeschliffene Felsen, umgewehte Bäume, geknickte Pflanzen, todte Vögel, zeugen noch von seinen Verderben bringenden Einflüssen.

Auch die Menschen leiden natürlich während des Samum, doch es ist irrig, ihm direct vergiftende Einflüsse, wie man es früher zu thun pflegte, zuschreiben zu wollen. Augenkrankheiten werden bei den Eingebornen häufig als Folge eines Samum anzusehen sein. Es liegt das aber lediglich in dem Umstand, dass sie vernachlässigen, die Augen mit Wasser nach Beendigung des Sturmes auszuwaschen. Durch das Eindringen und Einathmen des feinen Staubes ist ebenfalls eine Lungenafficirung nicht ausgeschlossen. An andern Orten habe ich schon die eigenthümlichen Elektricitätserscheinungen, welche mit einem Orkan in der Sahara verknüpft sind, hervorgehoben, doch scheinen dieselben nur unter gewissen Bedingungen, verbunden mit gewissen Oertlichkeiten, beobachtet zu werden. Während wir sie z.B. in der Nähe von der Djebel ssoda im höchsten Masse wahrnahmen, kamen sie weit östlich davon und innerhalb der Oasen Djalo und Audjila nicht zum Ausdruck. Es scheint also, als ob die Gesteinsmassen selbst, namentlich die stark mit Eisen durchsetzten Schichten der Djebel ssoda im Verein mit dem Samum nothwendig seien, die elektrischen Aeusserungen hervorzubringen.

Sehr häufig beobachtet man in der nördlichsten Sahara während eines Samum, vielleicht in Folge desselben, einige Tropfen Regen, ja einen kurzen Platzregen. Diese feuchten Niederschläge kommen in den meisten Fällen aus entgegengesetzter Richtung und sind nie anhaltend. Ueberhaupt pflegt ein Samum, wenn er längere Zeit anhält, nie aus derselben Richtung zu kommen, sondern durchläuft oft die ganze Windrose, ja es kommen Fälle vor, wo während eines Sturmes mehrere Male eine solche Drehung beobachtet wurde.

Das Wort Samum selbst ist den Eingebornen Nordafrica's unbekannt. Es kommt von Ssim (Gift) her, und man sollte daher eigentlich richtiger Ssimum sagen. Die Eingebornen benennen diese Winde nach der Himmelsgegend, von welcher sie kommen, und da sie aus dem Süden (richtiger Südosten) am verderbenbringendsten sind: Gebli, d.h. Südwind. Eine besondere Bezeichnung, welche den Steigerungsgrad des Windes - wir verbinden mit dem Worte Samum sofort den Begriff eines Orkans - durch Wort ausdrückte, haben die Wüstenbewohner nicht höchstens sagen sie ein heftiger starker Gebli.


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