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Ein Binnensee in der West-Sahara.

"The north-west african expedition" ist die Ueberschrift eines kurzen Aufsatzes in dem von Clements R. Markham herausgegebenen Geographical Magazine. Der Verfasser zeichnet J. A. Skertchly und hat die Feder zu Gunsten einer von ihm geführten Expedition ergriffen, welche die Aufgabe sich setzte, die westliche grosse Wüste zu erforschen, um später diesen Theil der Sahara zu inundiren.

Gewiss wird Niemand mir, der ich so manches Jahr der Erforschung Africa's geopfert habe, ja oft genug mein Leben dafür einsetzte, den Gedanken unterschieben wollen, einer derartigen Untersuchung feindselig gegenüber zu treten, sei es aus nationaler oder persönlicher Missgunst. Die Beurtheilung meinerseits über das neue Unternehmen der Franzosen, im Süden von Tunis und Constantine, die warme Theilnahme, die ich jedem geographischen Privatunternehmen zugewandt habe, welcher Nation es entstammen mag, müssen einen solchen Gedanken von vornherein ausschliessen. Ich habe aber geglaubt, dies vorausschicken zu müssen, weil ich gerade eine Unterwassersetzung der westlichen Sahara, wenn nicht für unmöglich, so doch für vollkommen unnütz und überflüssig erklären muss, so sehr einverstanden ich mit einer Expedition selbst bin. Und unnütz und überflüssig wird die Inundation, wenn, wie ich hoffe, aus nachfolgenden Zeilen das Publikum gewahr wird, dass Herrn Mackenzie's Schlüsse alle unrichtig sind, als auf falschen Voraussetzungen beruhend.

Ueben wir von Anbeginn des fraglichen Artikels an Kritik, so finden wir, dass der Verfasser zuvörderst sagt, dass Nordwest-Central-Africa einen Markt aufzuweisen hätte, welcher, wenn einmal eröffnet, reichlich für alle Opfer entschädigen würde. Damit sind wir vollkommen einverstanden. Wenn aber der Verfasser die Ursache der Unerreichbarkeit von Nordwest-Central-Africa in der Existenz der, Kong-Gebirges und in der Sahara sucht, so ist das einseitig, und andererseits würden diese Ursachen durch eine Unterwassersetzung des Djuf keineswegs gehoben. Was ist Djuf? wird der Leser fragen. In der africanischen Geographie bezeichnet man unter Djuf Bauch, Vertiefung, und so heisst die Gegend, welche sich zwischen dem 21deg. und 23deg.N. Br., dem 9deg. und 14deg. O.L.v.F. befindet. Natürlich ist diese Lage nur eine ungefähre und auf Aussagen der Eingeborenen beruhende, denn noch nie ist diese Gegend von Europäern begangen und durchforscht worden.

Das eigentlich fruchtbare Gebiet von Central-Africa beginnt aber erst mit dem 17deg. N. Br., ist also in gerader Linie ca. 250 Engl. Meilen von seiner nächsten Stelle vom Djuf entfernt. Es wird sodann mit Zuversicht behauptet, dass vom Nordwest-Ende dieser Depression ein wie V geformtes Thal nach dem Atlantischen Ocean liefe, dessen Mündung unter dem Namen Belta-Fluss gegenüber den Kanarischen Inseln sich befände. Angenommen, dieser Fluss[31] existire, oder vielmehr, es wäre hier eine durch eine Sandbarre abgeschlossene Depression, angenommen, die Barre wäre schmal und leicht zu durchstechen, die Vförmige vom Atlantischen Ocean ausgehende Depression stände im Zusammenhang mit dem Djuf, angenommen, es ständen der Unterwässerung keine sonstigen Hindernisse entgegen, so wäre damit noch nichts gewonnen.

Die Entfernung von Nordwest-Central-Africa wäre vom Djuf aus noch immer viel zu gross und das Reisen von hier aus bedeutend schwieriger, um nach Massena, Bambara und Socoto zu kommen, als von der Küste aus, wo man ebenfalls mit Wegelosigkeit, Feindseligkeit der Eingeborenen und den klimatischen Einflüssen zu kämpfen hat, aber dafür sich gleich mitten im reichsten Lande befindet, denn die fruchtbare Zone erstreckt sich bis zur Küste.

Herr Mackenzie, der seine Aufmerksamkeit diesem Theile von Africa zugewandt haben will und der Herrn Skertchly zu jenem Aufsatz im Geographical Magazine veranlasst hat, meint er könne den ganzen westlichen Theil der Sahara unter Wasser setzen. So wenige Reisende nun auch diese Gegenden berührt haben, Caillié und Laing im Osten, Panet, Bu Mogdad und Vincent im Westen, so wissen wir doch hinlänglich, dass, mit Ausnahme vielleicht des Djuf, die Wüste dort überall höher als der Ocean ist; schon die Namen der Gegend deuten diess an: El Khart, Chank, Tanesruft, Ragg oder Areg, Igidi, Tisarkaf, Tirescht sind durchweg Namen, die mit Erhebung, und zwar mit felsiger in Verbindung stehen, nur Areg und Igidi bedeutet Dünen. Also daran ist gar nicht zu denken, einen wesentlich grösseren Theil als den Djuf zu inundiren. Ob der Djuf aber wirklich tiefer als der Ocean gelegen ist, weiss Niemand, denn ich vermuthe, Herr Mackenzie ist noch nicht dort gewesen. Heinrich Barth (V. Bd., S. 567) sagt: "Auf der Südostseite von Ergschësch liegt die Landschaft el Djuf[32], zu der Taödenni gehört. Dieser Landstrich ist reich an Salz, aber fast ganz kräuterlos mit Ausnahme der von der Natur mehr begünstigten Stätte Namens El Harescha etwa l1/2 Tagemärche nordöstlich von Taödenni, wo sich Baumwuchs findet" etc. Dann S. 568: "El Djuf grenzt im Norden an den Landstrich Namens Soáfie, eine Art Hammada mit, gelegentlichen Grasstreifen." Hammada heisst steinigte Hochebene. Der Bir Telig dicht im NO. vom Djuf gelegen, ist nach Barth schon 7 bis 8 Klafter tief, deutet also auch an, dass diese Gegend hoch gelegen sei.

Herr Donald Mackenzie will also den Theil von Africa, der westlich von Fesan, (oder wie er sagt Mursuk) und Asben, und südlich von den Abhängen des Atlas und den fruchtbaren Regionen Tuat's und Tafilet's bis auf einige Meilen von Timbuktu im Süden liegt, unter Wasser setzen. Der Unternehmer scheint keine Kenntniss von dem von Henri Duveyrier beschriebenen Hogar-Lande, einer alpenähnlichen Gegend, zu haben; er weiss nicht, dass Tuat, und Tafilet vom Djuf durch eine Entfernung von fast 600 engl. Meilen getrennt sind und als Hochland dazwischen die entsetzliche Tanesruft liegt. Aderer und Maghur legt er nahe dem Atlantischen Ocean und doch sind diese Gegenden, wenigstens die Hauptorte wie Uadan, ca. 300 engl. Meilen davon entfernt. Nach Herrn Mackenzie's Plane sollte man wirklich meinen, einen Theil der Sahara unter Wasser setzen zu können, der ungefähr so gross ist, wie Spanien, Frankreich und Deutschland zusammen, d.h. gelegen zwischen dem 27deg. und 18deg. N. Br. und dem 5deg. und 30deg. Ö. L. v. F.

Herr Skertchly spricht sodann von dem enormen mineralischen und vegetabilischen Reichthum Tafilet's und Tuat's. Wer in aller Welt hat denn in diesen Oasen schon mineralogische Studien gemacht? Die Ufer beider Oasen bestehen aus Kalk und Sandstein, womit keineswegs gesagt sein soll, dass diese Formationen ausschliesslich dort vorkämen, aber untersucht ist die Mineralogie der dortigen Gegend bis jetzt noch nicht. Und im vegetabilischen Reiche würden es höchstens die Datteln sein, welche zu exportieren wären. Es ist also durch nichts gerechtfertigt, von dem enormen Reichthum dieser Oasen zu reden. Aus eigner Anschauung kann ich versichern, dass der Getreidebau in diesen Oasen so wenig abwirft, dass er bei weitem nicht hinreicht, die Einwohner zu ernähren.

Sehr neugierig wären wir in der That gewesen, das nach Barth, Caillié, Panet, Riley und anderen Reisenden gefertigte Modell zu sehen, woraus sogleich ersichtlich sein soll, dass der Djuf eine Depression sei, und wohin der Atlantische Ocean sofort seine Fluthen ergiessen würde, falls die Sandbarren aus der Mündung oder vor der Mündung des Belta entfernt würden. Den Belta haben wir vergeblich auf allen uns zugänglichen Karten gesucht. Modelle lassen sich leicht herstellen, aber ob sie ein wirklich wahres Bild der Topographie einer nie bereisten Gegend geben, ist eine andere Sache.

Wenn wir somit unbedingt Herrn Mackenzie's Untersuchungsresultate (results of his investigation) als ungenau und auf falschen Voraussetzungen beruhend bezeichnen müssen, so freut es uns andererseits, wenn unter seiner Führung eine Expedition zu Stande kommt, welche es sich zur Aufgabe gestellt hat, den nordwestlichen Theil der Sahara zu untersuchen. Wenn eine solche Expedition auch hinsichtlich der Inundation voraussichtlich zu ganz anderer Meinung kommen wird, so wird sie, gelingt es ihr andererseits, von der Küste aus bis zum Djuf vorzudringen, immerhin erhebliche und neue Ergebnisse aufweisen können: gleich vom Meere an, einerlei von welchem Punkte sie ausgeht, berührt sie jungfräuliches Gebiet.

Sehen wir uns schliesslich nach den Ursachen um, welche der Erschliessung des Handels mit den Nordwest-Central-Africanischen Ländern entgegenstellen, so kann hier keineswegs die Sahara als einziges Hinderniss in Betracht kommen. Vom Atlantischen Meere aus sind die Küsten, folglich auch die Hinterländer wenigstens ebenso zugänglich, als von einem Landsee aus in der Sahara, und umfasste derselbe auch das ganze grosse Gebiet, wie es sich im Geiste Herr Mackenzie vorstellt. Auch das Cong-Gebirge ist gar kein Hinderniss, da es nicht so hoch ist und keinen so wilden Charakter trägt, dass dies Hemmniss sein könnte. Einzig und allein liegen jene Hindernisse in der feindseligen Haltung der Eingeborenen und in dem mörderischen Klima, welches bei jedem längeren Aufenthalte den Europäern verderblich wird. Dass die Europäer Schuld sind, die feindselige Haltung der Eingeborenen provocirt zu haben durch jahrelange Menschenjagden, dass noch jetzt durch unzweckmässige Bekehrungsversuche stets neuer Zündstoff zugeführt wird, liegt für den Unbefangenen auf der Hand. Und was das böse Klima betrifft, so würden Rodungen im grossartigsten Massstabe vielleicht Besserung, völlige Beseitigung aber kaum herbeiführen. Die Erschliessung der Central-Africanischen Länder muss man der Zeit überlassen, immerhin aber werden die Africa umgürtenden Oceane und die grossen Flüsse die Hauptausgangspunkte für Handel und Wandel sein.

[31] Ein Fluss Belta kann das nicht sein, denn wenn ein Fluss dort einmündete, so wäre damit schon die Existenz einer Depression ausgeschlossen. Jeder Fluss muss höher sein als das Niveau des Meeres, wenn er anders dem Meere zufliessen soll oder einst zufloss.

[32] Dass Djuf eine wirkliche Depression sei, sagt Barth nicht.


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