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8. Die Haupstadt Fes.

Die Hauptstadt des Sultans von Marokko ist nur von wenigen Europäern besucht worden, ebenso dürftig sind die Nachrichten, welche Augenzeugen davon gegeben haben. Am ausführlichsten, fast weitschweifig, handelt Leo von Fes, nächst ihm giebt eine auf eigener Anschauung beruhende Beschreibung der spanische General Badia (Ali Bey-el-Abassi). Alle anderen Berichte über Fes beruhen nur auf Kundschaft und Hörensagen.

Ob der Ort, wo heute Fes steht, von den Römern bewohnt war, ist nach so wenigen Untersuchungen schwer zu entscheiden, aber höchst wahrscheinlich. Die Lage ist so ausgezeichnet, so für eine Stadt in jeder Beziehung anlockend, dass eine so günstige Position den Alten gewiss nicht entgangen ist. Ueberdies haben wir in der Nähe Punkte, welche wir mit Sicherheit als von den Römern bewohnte kennen. Wir erkennen die Stadt Volubilis im heutigen Serone, eine Stadt, die zur Zeit Leo's Gualili oder Walili hiess, und von der er sagt, dass sie ausser dem Grabmale vom älteren Edris nur drei oder vier Häuser habe. Heute nun ist Walili oder, wie sie jetzt genannt wird, Serone, ein Städtchen von 4-5000 Einwohnern, und das Grabmal Mulei Edris-el-Kebir, wie der Vater des Gründers der Stadt Fes genannt wird, ist noch immer ein berühmter Wallfahrtsort. Wir haben sodann in den Aquae Dacicae einen sicheren Anhaltepunkt in der Nähe von Fes; können wir uns genau auf das Itinerarium Antonini verlassen, so würden wir nicht anstehen, Fes das alte Volubilis zu nennen, denn die Entfernung, 16 Mill., stimmt genau mit den berühmten heissen Schwefelquellen von Ain Sidi-Yussuf[78], die sich nördlich zu West von Fes befinden. Die Aquae Dacicae sollen nach dem Itinerarium Antonini 16 Mill. nördlich von Volubilis gelegen sein. Die alten Aquae Dacicae, jetzt Ain-Sidi-Yussuf genannt, sind heute noch die berühmtesten Thermalen von Marokko.

Die heutige Stadt Fes wurde nach Leo im Jahr 185 der Hedschra von Edris gegründet, dieser war ein naher Verwandter von Harun-al-Raschid und ein noch näherer von Mohammed selbst, denn Edris war Enkel von Ali, dem Schwiegersohn Mohammed's. Edris' Vater selbst ist jener Edris-ben-Abd-Allah, der aus Jemen gekommen war und sich in Walili niedergelassen hatte, sein Sohn wurde ihm erst nach seinem Tode von einer gothischen Sklavin geboren. Renou giebt an, Edris habe die Stadt 793 n. Chr. gegründet, welches Jahr mit dem 177. Jahre der Mohammedaner correspondirt. Marmol lässt Fes im Jahre 793 n. Chr. erbaut werden, stimmt aber irrthümlicher Weise dieses Jahr mit dem 185. Jahre der Hedschra. Während noch Andere für das Gründungsjahr von Fes 808 n. Chr. ansetzen, verlegt Dapper es auf das Jahr 801 n. Chr. Es geht hieraus hervor, dass wir nicht ganz mit Bestimmtheit das Jahr angeben können, sondern uns damit begnügen müssen, zu wissen, dass die Stadt gegen das Ende des 8. oder im Anfange des 9. Jahrhunderts gegründet wurde.

Ebenso unbestimmt sind die Angaben, woher der Name Fes kommt. Leo leitet den Namen davon her, weil bei den ersten Grabstichen die Gründer Gold, Silber (Fodda oder Fedda) gefunden hätten; Andere meinen, die Stadt habe den Namen vom Flüsschen gleichen Namens, was die Stadt durchschneidet, noch Andere leiten den Namen der Stadt von Fes her, was im Arabischen eine "Hacke" bedeutet. Was die Schreibart anbetrifft, so finden wir ebensowenig Uebereinstimmung; Einige schreiben Fes, Andere Fas, noch Andere Fez, und doch dürfte Fes die alleinig richtige sein, wenn wir die arabische Schreib- und Aussprechungsweise zu Grunde legen.

Fes liegt nach Ali Bey auf dem 34deg.6'3'' nördl. Breite, dem 7deg.18'30'' östl. Länge von Paris, und da bis jetzt keine anderen Bestimmungen vorliegen, so müssen wir diese festhalten.

Es herrscht eine grosse Confusion über die örtliche Lage von Fes. So sagt Leo: "Die Stadt besteht fast ganz aus Bergen und Hügeln; nur der mittelste Theil ist eben, und Berge sind auf allen vier Seiten." Ali Bey: "Die Stadt Fes ist auf den Abhängen verschiedener Hügel gelegen, welche die Stadt von allen Seiten, mit Ausnahme von Norden her, umgeben." Thatsache ist, dass Fes, als Ganzes betrachtet, denn die Stadt besteht aus zwei vollkommen getrennten Städten, von allen Seiten, mit Ausnahme vom Süden her, von Bergen umschlossen ist. Ebenso werden die die Stadt durchziehenden Gewässer unter verschiedenen Namen aufgeführt, und es hat dies zum Theil seinen Grund darin, dass die Araber in sehr vielen Fällen für einen und denselben Fluss verschiedene Benennungen haben, je nach seiner Quelle, nach seinem mittleren oder unteren Laufe. So hat denn das kleine Flüsschen, welches südwestlich von Fes etwa 90 Kilometer entfernt entspringt, zuerst den Namen Ras-el-ma, ändert aber den Namen, sobald es die Stadt erreicht, in Ued-Fes um; es verbindet sich dieses Flüsschen mit einem stärkeren, aus Südost kommenden Flusse zwischen Neu- und Alt-Fes, und beide durchströmen nun die Stadt ebenfalls unter dem Namen Ued Fes, um später Ued Sebu genannt zu werden. Der grössere Fluss, der von Süd-Süd-Ost in Neu-Fes eindringt, heisst aber oberhalb der Stadt, wie ich auf meiner zweiten Reise in Marokko constatiren konnte, ebenfalls Ued Sebu. Wenn noch andere Namen aufgeführt werden für diese Wässer, als von Renou Oued el Kant'ra (Brückenfluss), von dem Renou glaubt, es sei dies der von Edris genannte Fluss Ued S'enhâdja, oder von Gråberg von Hemsö Vad-el-Gieuhari und Vad-Mafrusin, oder von Marmol Ouad-el-Djouhour (Perlenfluss), so muss ich gestehen, dass diese Namen mir während meines Aufenthalts in Fes nicht bekannt geworden sind.

Die Stadt präsentirt sich also derart, dass sie fast mit von Norden nach Süden (mit etwas von Nordwest nach Südwest geneigter) gerichteter Achse gelegen ist und aus zwei Städten besteht, Fes-el-bali[79], Alt-Fes, und Fes-el-djedid, Neu-Fes. Beide Städte aber liegen keineswegs dicht neben einander, sondern sind durch eine zwei Kilometer lange Strasse, aufs dichteste von Häusern bestanden, verbunden, so dass es, von oben gesehen, das Aussehen hat wie zwei getrennte Städte, welche communiciren durch eine eng gebaute Strasse. Alt-Fes bildet den nördlichen Theil und ist mit Ausnahme von Süden her von Bergen umschlossen, zum Theil namentlich nach Osten zu an die Bergwand hinaufgebaut, Neu-Fes bildet den südlichen Stadttheil und liegt vollkommen in einer Ebene. Nördlich von Neu-Fes verbinden sich der Sebu und das von Ras-el-ma[80] kommende Wässerchen, um Alt-Fes zu durchfliessen, Alt-Fes wird so in zwei Hälften getheilt, durch sechs steinerne Brücken mit einander verbunden, die westliche Seite ist die kleinere. Beide Städte sind mit 30-40 Fuss hohen Mauern umgeben, welche von etwa 500 zu 500 Schritt mit viereckigen hervorspringenden Thürmen versehen sind. Die Mauern sind an der Basis zwei Meter und mehr dick, verjüngen sich nach oben zu einem Meter, und haben auf der Zinne einen Umgang, geschützt durch eine etwa 5 Fuss hohe und 1-2 Fuss dicke crenelirte Mauer. Die Thürme selbst sind eingerichtet, Geschütze aufnehmen zu können.

Die Mauer von Alt-Fes sowie die Thürme befinden sich in äusserst mangelhaftem Zustande, die von Neu-Fes ist besser erhalten, und ist an manchen Stellen eine doppelte, so namentlich nach Südwesten und Süden zu, wo die äussere Mauer ausserdem 80 Fuss hohe Thürme hat.

Die Mauern sowohl wie die Thürme sind aus einer gegossenen oder vielmehr gestampften Masse aufgeführt, welche zwischen Brettern eingestampft wird und an der Luft, mit Kalk und Cement vermischt, eine grosse Härte erlangt. Die Ecken, Bogen, Seiten der Thore sind indess aus behauenen Steinen hergestellt, denn die Masse, so widerstandsfähig sie im grossen Ganzen auch ist, so leicht zerbröckelt sie doch an den Ecken und Kanten. Aus eben dieser Masse sind auch die meisten grossen Gebäude hergestellt, viele aber auch aus im Feuer gebrannten Ziegeln; gerundete Dachziegel endlich sind das Material, das man zur Bedeckung der Moscheen genommen hat; die Wohnhäuser verlangen solche nicht, da alle platte Dächer haben.

Wenn auf diese Art die Stadt gegen Landesfeinde vollkommen geschüzt erscheint - denn so sehr die Mauern auch Verfall drohen, würden sie dennoch Schutz gegen regellose Angriffe gewähren -, so wenig haltbar würde sich Fes einem Angriffe irgend einer europäischen Macht gegenüber zeigen. Selbst die beiden Forts ausserhalb der Stadt tragen nichts zum Schutze gegen einen Angriff von aussen her bei, weil sie selbst von anderen Anhöhen von nächster Nähe aus beherrscht sind. Das eine dieser Forts liegt im Südosten der Stadt auf einer Anhöhe und ist ein mit vier Bastionen versehenes Viereck, offenbar von ehemaligen europäischen Renegaten nach Vauban'schem System recht gut angelegt. Im Westen der Stadt auf der nächsten Anhöhe befindet sich eine Lunette, diese letztere, nach der Stadt zu in ihrer Kehlseite nur durch Pallisaden geschlossen, ist wie das vorhin erwähnte Quadrilatär aus behauenen Steinen erbaut, und beide sind überdies mit tiefen Gräben versehen. Ob diese Steine, welche grosse Quadern aus Sandstein sind, eigens zu diesen Bauten gehauen worden sind oder von alten Römerwerken herstammen, konnte ich nicht erfahren; wäre letzteres der Fall, so wäre das ein Beweis mehr, an der jetzigen Stelle von Fes eine alte Römerniederlassung, vielleicht Volubilis, suchen zu müssen. Keines der beiden Forts hatte Kanonen im Jahr 1861/62, und beide waren auch ohne jede Bewachung.

Die Stadt Fes wird in 18 Quartiere getheilt, von denen zwei auf die Neustadt, die übrigen auf Alt-Fes kommen, davon hat Alt-Fes sieben Thore, inclusive des nach der Neustadt zu führenden, während Neu-Fes nur drei hat, von denen das eine auf Alt-Fes gerichtet ist. Der Länge nach wird die Stadt von einer Strasse durchschnitten, welche hinlänglich breit ist, denn überall können vier oder fünf Menschen neben einander gehen, oft auch noch mehr. Die Gässchen aber, die sich von dieser Hauptstrasse in die verschiedenen Quartiere hinschlängeln, sind äusserst schmal, manchmal so eng, dass zwei sich Begegnende sich an einander vorbeidrücken müssen. Es sind dann zahlreiche Plätze vorhanden, aber kein einziger mit Ausnahme des grossen Platzes in Neu-Fes, der sich vor dem Palaste des Sultans befindet, welcher mehr als 500 Menschen aufnehmen könnte, wenn sie dichtgedrängt bei einander stehen. - Hierdurch erlangt die Stadt ein äusserst düsteres Aussehen, was noch dadurch vermehrt wird, dass kein einziges Haus nach der Strassenseite Fenster hat, und fast alle zwei oder drei Stockwerke hoch sind.

Ein grosser Uebelstand ist auch der, dass man gar keine Pflasterung in Fes kennt, man ist im Sommer einem entsetzlichen Staube ausgesetzt und hat im Winter die grösste Mühe, durch den tiefen Schmutz fortzukommen. Gegen diesen haben allerdings die Bewohner eine eigene Art Holzschuhe erfunden mit 2-3 Zoll hohen Absätzen unter dem Hacken und den Fussspitzen, aber oft reichen selbst diese nicht aus. Auch in Tunis, wo ähnliche Verhältnisse während der nassen Jahreszeit sind, hat man diese Holzunterschuhe, die unter dem gewöhnlichen Schuhzeuge befestigt werden, und wie alt ihr Gebrauch ist, geht daraus hervor, dass schon Leo ihrer erwähnt.

Das Innere der Häuser ist oft sehr hübsch eingerichtet, obgleich man natürlich an Möbel, wie sie bei uns in Gebrauch sind, nicht denken muss. Der Marokkaner will gar keinen Fortschritt, so wie seine Väter gelebt haben, will auch er leben, und Neuerungen einführen, ist die grösste Sünde. So sind denn auch alle Einrichtungen so, wie sie vor Hunderten von Jahren gewesen sind. Gelangt man durch eine starke, meist dick mit Eisen beschlagene Thür durch einen umgebogenen Gang[81] in das Innere einer Wohnung, so kommt man zuerst auf einen mehr oder weniger grossen nach oben offenen Hofraum, der meist viereckig von Form ist. Bei Reichen und Armen ist dieser Raum gepflastert, oft mit Marmorfliessen (welche von Spanien und Portugal kommen), meist aber mit Sleadj. Es sind dies kleine Fliesse mit bunt glasirter Farbe, und da sie in allerlei Formen hergestellt werden, sternartig, dreieckig, viereckig etc., so legen die Erbauer die hübschesten Muster damit zusammen. Eine einzelne Sleadj ist nicht grösser als 1-2 Zoll Seitenlänge; man verfertigt sie in Fes selbst. Auch die Zimmerböden sind meist aufs reizendste mit diesen Sleadj ausgelegt.

In der Mitte des Haushofes befindet sich ein springender oder jedenfalls fliessender Quell, auch in der ärmsten Wohnung fehlt er nicht. Bei den Reichen befinden sich zu dem Ende meist hübsche Marmorhecken, welche ebenfalls aus Europa bezogen werden, im Hofe. Die Vertheilung des Wassers in der Stadt ist nämlich so ausgezeichnet, dass Canäle weit oberhalb der Stadt von den Flüssen abgeleitet sind, und so auch die höchsten Stadttheile mit reinem Wasser versorgen. In Neu-Fes hat man an einem Canal sogar grosse Räder erbaut, welche, wie in Italien die Bewässerungsräder, mittelst ihrer eigenen vom Wasser bewirkten Umdrehung Wasser auf die Höhe schaffen. Nach Leo sollen diese Wasserräder schon 100 Jahre vor seiner Ankunft in Fes gewesen sein und von einem Genueser herrühren.

Ebenso gut ist für die Abführung der Unreinigkeiten aus den Häusern gesorgt, das lebendige Wasser führt allen Unrath mittelst kleiner unterirdischer Canäle in den Ued Fes[82].

Die Zimmer der Häuser, von denen sich in der Regel drei oder vier auf den Hofraum öffnen, sind stets sehr lang, sehr hoch, aber auch nie breiter, als dass ein grosser Mensch der Breite nach darin liegen kann. Grosse und hohe Thüren, wie immer mit hufeisenförmigen Bogen führen zu den Zimmern; im Sommer und bei gutem Wetter sind sie offen, im Winter verschlossen, und man gelangt durch eine kleine Thür, eine Art Schlüpfthür (Poterne), welche sich in jeder grossen befindet, ins Zimmer. An beiden Seiten der Thür sind manchmal kleine viereckige, oder auch ogivische stark vergitterte Fenster, Glasscheiben hat man erst in letzter Zeit angefangen einzuführen. Möbel nach unserem Sinne sind nirgends vorhanden. Bei den Reichen findet man Teppiche, Wollmatratzen, feine Matten, und auch die Wände der Zimmer 3-4 Fuss hoch mit hübschen Matten ausgeschlagen; auch manchmal Betten an den Enden der Zimmer auf europäischen Bettstellen, aber diese werden mehr als Luxus, als Schmuck betrachtet, es würde nie Jemandem einfallen, darin zu schlafen.

Die Wände der Zimmer sind weiss ausgekalkt, aber unterhalb des Plafond laufen manchmal Arabesken herum, oft in Form von Koransprüchen.

Die Plafonds der Zimmer sind bunt bemalt, oft azur mit Gold, oft aber auch mit Holzschnitzerei bedeckt oder mit Holzstückchen ausgelegt. In den Wänden sind häufig nischenartige Vertiefungen angebracht, welche als Schränke dienen; ebenso findet man bei der wohlhabenden Classe Holzschränke, oft aus sehr hübschen Holzschnitzwerken gearbeitet, oder mit Perlmutterstückchen, Elfenbein oder Ebenholzstückchen ausgelegt.

Während im Hofe rings um die inneren Wände ein durch steinerne Säulen getragener Bogengang läuft, der zugleich Schatten gegen die senkrechte Sonne gewährt, dient dieser Bogengang für das zweite Stockwerk als Vorplatz, von dem aus man in die Zimmer gelangt; und ist noch ein drittes Stockwerk vorhanden, so gehen die Gallerien ebenfalls höher. Die oberen Zimmer unterscheiden sich in der Anordnung durch nichts von den unteren; ganz oben auf dem platten Dache, welches aus gestampfter und cementilter Erdmasse besteht, befindet sich manchmal noch ein Zimmer, Mensa genannt; hier geben die Frauen vorzugsweise ihre Gesellschaften. Der Zugang nach oben geschieht mittelst Treppen, die immer sehr schmal, und, wenn im Innern des Hauses, niedrig angelegt sind; aber so sehr man darauf sieht, den Raum in Breite und Höhe bei der Treppe zu beschränken, so wenig sieht man darauf, die Absätze selbst kurz zu machen; im Gegentheil, diese sind so hoch, dass manchmal ein ausserordentlicher Kraftaufwand erforderlich wird, um einen Absatz zu ersteigen.

Von aussen werden die Häuser bisweilen durch anstrebende Pfeiler verstärkt oder durch Bogengänge auseinandergehalten; es trägt dies keineswegs dazu bei, die ohnehin schon schmalen Gassen passirbarer zu machen, und wo man ja einmal eine etwas breitere Strasse antrifft, kann man sicher sein, dass die Anwohner dies derart durch Ueberba-Lien der zweiten und dritten Etage benutzt haben, dass die breiteren Strassen hiedurch fast zu den dunkelsten gemacht sind.

Nachts werden nicht nur die Stadtthore geschlossen, sondern auch die Thore, welche die verschiedenen Quartiere von einander trennen, und da die Quartiere gemeiniglich durch mehrere Strassen mit einander communiciren, so kann man sich denken, wie viele Thore alle Abende verschlossen werden müssen. Man sagt: es sei dies eine Sicherheitsmassregel, und hauptsächlich sei dieselbe gegen Diebe gerichtet. In der That wird dadurch alle Communication Nachts aufgehoben; nach dem l'Ascha (das letzte Gebet) ist es unmöglich, aus seiner Strasse oder seinem Quartier herauszukommen. Während des Chotba-Gebetes am Freitag werden ebenfalls alle Thore abgeschlossen, nicht nur in Fes, sondern in allen Städten Marokko's, ja im ganzen Rharb (die arabischen Geographen rechnen alles Land westlich vom Nil zum Rharb, d. h. dem Westen, alles östlich davon zum Schirg, d. h. dem Osten) herrscht diese Sitte, wie ich später in Rhadames, Tripolis, Bengasi, Tunis und anderen Städten zu erfahren Gelegenheit hatte. Es soll dies deshalb geschehen, weil einer alten Sage zu Folge sich um die Zeit des Chotba-Gebetes die Christen der mohammedanischen Städte bemächtigen würden. Wahrscheinlich ist es aber ein alter Brauch der Regierungen, die sich dann mit ihrer ganzen Macht in den Moscheen befinden und sich so gegen ihr eigenes Volk sichern wollen.

An öffentlichen Gebäuden der Stadt sind die Paläste des Sultans, die Moscheen, die Funduks, Bäder und Grabstätten hervorzuheben.

Der grosse Palast des Sultans nimmt den ganzen südwestlichen Theil von Neu-Fes ein; von dem Innern dieses Gebäudes kann ich nur wenig berichten, da ich hier nicht dem Leser die übertriebenen Beschreibungen der Bewohner von Fes wiedergeben mag, die mehr nach Fabeln aus 1001 Nacht klingen, als auf Wirklichkeit beruhen. Grossartige Ruinen deuten allerdings auf einstige grossartige Bauten hin, aber alle Bauten der Mohammedaner haben das Eigenthümliche, dass sie meist schon gleich nach dem Entstehen ein ruinenhaftes Aussehen bekommen. Der Palast besteht eigentlich aus weiter nichts als vielen grossen mit Arkaden versehenen Höfen mit Springbrunnen, auf welche sich die Zimmer öffnen, Pferdeställe, Bedientenstuben, Wachtzimmer, Empfangshöfe - diar el meshuar genannt - wechseln damit ab. An der südöstlichen Ecke, durch hohe Mauern von den übrigen Theilen des Palais getrennt, befindet sich das Harem, welches Platz für mehr als 1000 Frauen hat. Zwischen der kaiserlichen Wohnung und der südwestlichen Stadtmauer befindet sich ein grosser Garten, in welchen ich mehrere Male Zutritt bekam. Man findet hier fast alle feineren europäischen Gemüse, auch Blumenkohl, Artischocken und dgl. Von langen geraden Gängen durchschnitten, sind diese an den Seiten eingefasst von Beeten mit Rosen, Jasmin und Luisa, und fast alle Wege sind zu Tunnels und Laubengängen umgeschaffen, wo die rankenden Weinreben kühlenden Schatten gewähren. Eine kleine Veranda, vor einem Theil des Palais gelegen - und davor ein besonderes abgeschlossenes Gärtchen, worin nur Blumen gezogen werden, dienen zum Privatgebrauche des Kaisers.

Ein zweiter Palast des Sultans ist zwischen Neu- und Alt-Fes gelegen und hat den etwas sonderbaren Namen Bu-Dielud[83]. Es ist dies, abgesehen von dem halbverfallenen Aussehen, ein hübsches Gebäude, und, eigenthümlicherweise im Renaissancestyl, vermischt mit maurischer Architektur errichtet, was wohl daher rührt, dass europäische Renegaten die Erbauer waren. Es gelang mir leider nicht (da der Sultan in Mikenes war), in das Innere zu kommen; ebenso war mir auch der Garten verschlossen, welcher damit verbunden ist, und dessen herrliche Baumgruppen, aus denen schlanke Palmen hervorragten, ich oft im Vorübergehen bewunderte. Dieser Garten war den Damen des Harems reservirt.

Eine halbe Stunde von Neu-Fes entfernt, nach dem Süden zu, befindet sich eine sultanatliche Wohnung, von einem äusserst grossen und mit hoher Mauer umringten Garten umgeben; in diesem Gebäude hält sich der Sultan manchmal auf, um die Sommerfrische zu geniessen; zum Theil wohnen sodann die Minister, die Grossen des Reichs, die Gouverneure der Provinzen, welche zum Besuch anwesend sind, mit in dem weitläufigen Gebäude, zum Theil campiren sie in ihren Zelten ausserhalb des Gartens.

Zwischen diesem Landsitz in Neu-Fes ist auch gewöhnlich die Mhalla. d. h. der Lagerplatz des Heeres. Dieses muss immer da sein, wo der Sultan sich aufhält; und da in Neu-Fes für die Truppen, welche der Sultan immer um sich hat, nicht hinlänglich Platz ist, so campiren sie hier unter Zelten. Von Weitem gesehen, sieht dieses Zeltlager, inmitten der grünen Wiesen, durchschlängelt vom Ued-Fes, sehr malerisch aus, aber im Innern herrscht die grösste Unreinlichkeit und Verwirrung.

Die stehende Macht des Sultans bestand 1862 aus etwa 4000 Infanteristen, welche aufs bunteste costümirt sind. Sidi-Mohammed-ben-Abd-er-Rhaman, jetziger Sultan und derselbe, dem zu Lebzeiten seines Vaters eine so empfindliche Niederlage durch den Marschall Bugeaud bei Isly[84] beigebracht wurde, war im Feldzuge gegen die Spanier nicht glücklicher gewesen. Indess hatte er so viel Einsehen bekommen, dass er begriff, mit seinen regellosen Schaaren nicht gegen europäische Streitkräfte kämpfen zu können.

Er glaubte nun ein regelmässiges stehendes Heer zu haben, wenn er Leute auf europäische Art uniformiren liess, und so sah man hier Uniformstücke sämmtlicher Nationen, gemeinsam ist allen nur der rothe Fes und die gelben Pantoffeln; auch hatte man angefangen, kurze bis an die Knie gehende Hosen einzuführen, da es den Berbern und Arabern unmöglich schien, lange Hosen zu tragen. Diese Infanterie ist in vier Theile oder Bataillone getheilt, je von einem "Agha" commandirt, untergetheilt sind sie wieder in vier Abtheilungen, denen ein Kaid (Hauptmann) vorsteht, und noch kleinere Abtheilungen werden von Califat-el-kaid (Lieutenants) und Mkadem (Unterofficier) commandirt. Die Mannschaft selbst besteht aus Berbern, Arabern, Negern und spanischen Renegaten, welche letztere Sträflinge von Ceuta, Penon oder Mellila her desertiren. Diese Renegaten sind vorzugsweise Hornisten, Tamboure oder bei der Capelle angestellt. Denn da die englische Regierung die Instrumente geschenkt hat, so hat der Sultan eine Capelle einrichten lassen, welche aber auf noch viel haarsträubendere Art deutsche Walzer oder italienische Stücke zum Besten giebt, als die türkischen Regimenter. Die Capelle hat 24 Mitglieder, während der Hornisten und Tamboure für jede Compagnie je zwei vorhanden sind. Die Trommeln sind ähnlich wie die des deutschen Heeres, die Hörner sind gleich denen der Engländer.

Die Bewaffnung besteht aus alten französischen Steinschlossgewehren, fast alle mit der Jahreszahl 1813. Der Sultan hat diese im Preise von 40 Fr. das Stück kaufen lassen (er hätte dafür auch Zündnadeln bekommen können), aber die Zwischenhändler haben ihr Profitchen dabei gemacht. Das Commando geschieht in türkischer Sprache, was den Uebelstand für den Soldaten hat, dass derselbe das Commando nur mechanisch verstehen lernt. Jede Compagnie hat eine Fahne, jedes Bataillon (ich nenne so die vom "Agha" commandirte Abtheilung) eine etwas grössere, die Farben der Fahnen sind roth, gelb, blau, je nachdem der Chef Vorliebe für diese oder jene Farbe hat.

Der gemeine Soldat bekommt sechs Mosonat Löhnung, und muss sich hierfür Alles halten, was bei den billigen Verhältnissen in Marokko auch recht gut angeht, zumal die Kleidung vom Sultan geliefert wird. Die höheren Stellen sind allerdings nicht besonders bezahlt, so bekommt ein Agha, Bataillonschef, nur ein Metcal täglich (= 40 Mosonat oder etwa = 2 Francs). Da diese aber ausser den Pferderationen Korn, Aecker und Vieh vom Sultan bekommen, überdies die Gelder der beurlaubten Soldaten zum grössten Theil in ihre Tasche fliessen, so stehen sie sich nicht schlecht. Denn von 1000 Mann, die ein Agha commandirt, sind höchstens 800 zur Stelle, die 200 fehlenden werden aber geführt, und der Sold davon täglich vom "Amin el Lascari," d. h. dem Zahlmeister, bezogen.

Man kann sich einen Begriff von dieser regelmässigen Armee, welche aus den grössten Taugenichtsen des ganzen Reiches zusammengesetzt ist, machen, wenn ich einige kurze Personalnotizen der Befehlshaber, mit denen ich bekannt wurde, hier gebe.

Der Agha des einen Bataillons war ehedem ein Verkäufer von roher Seide und Seidengarn in Fes, Namens Hadj-Asus, er verdankte seine Stellung bloss dem Umstande, dass er Hadj, d. h. Pilger nach Mekka war. Marokko, welches so weit von Mekka entfernt liegt, hat verhältnissmässig nur wenig Pilger aufzuweisen, und obgleich die Dampfer jetzt die frommen Gläubigen auf erstaunlich billige Weise von Tanger nach Alexandria und von da nach Djedda schaffen, so hat dadurch keineswegs die Zahl der Pilger zugenommen, weil eine Dampfschiffahrt nicht als so verdienstlich angesehen wird[85] wie eine Pilgerfahrt zu Fusse. Und die grosse Landpilgerkarawane, welche früher jährlich von Fes, Maraksch und Tafilet abging, hat für die ersten beiden Orte zu existiren aufgehört.

Der zweite Agha, ein gewisser Si-Hammuda, geborener Algeriner, hat sich dadurch seine Stellung erworben, weil er ein französischer Proscribirter ist; seinem Stande nach schwang er, ehe der Sultan das Schwert ihm in die Hand gab, die Elle. Der dritte Agha, ein gewisser Si-Mohammed-Chodja, ein geborener Tunesier, weiss wohl selbst nicht, wie er zum Militärstande gekommen ist, er ist von Haus aus Thaleb, d. h. Schriftgelehrter. Der vierte und letzte Agha ist ein gewisser Ben-Nadur; von Haus aus Kaid einer Bergtribe, sind diesem letzteren wenigstens nicht kriegerische Eigenschaften abzusprechen, aber vom eigentlichen europäischen Militärwesen hat er ebensowenig einen Begriff wie die übrigen. Ich könnte, da ich Gelegenheit hatte, alle Kaids kennen zu lernen, so fortfahren, aber dies wird genügen.

Indess sei noch erwähnt, dass zwei wirkliche französische Officiere, Eingeborne der Tirailleurs indigènes, es nie weiter bringen konnten als zum Lieutenant, weil sie im Verdachte standen Christen zu sein, während ein anderer, ein "Sussi", Herumstreicher (Eingeborne aus der Provinz Sus), gleich zum Hauptmann oder Kaid ernannt wurde. Da diese Ernennung während meiner Anwesenheit in Fes erfolgte, so kann ich hier anführen, dass sie aus dem Grunde geschah, weil dieser "Sussi" vor den Augen des Sultans in Seiltänzerkunststücken sich ausgezeichnet hatte. Er hatte ehedem einer Gesellschaft angehört, wie sie häufig aus dem Sus kommen, und mit dieser nicht nur die ganze mohammedanische Welt, sondern auch ganz Europa durchzogen; so behauptete er auch in Deutschland gewesen zu sein, und da er mir mehrere Städte Deutschlands mit Namen nennen konnte, musste ich es wohl glauben, denn welcher andere Marokkaner hätte eine deutsche Stadt namentlich gekannt; das geographische Wissen der grössten marokkanischen Gelehrten, soweit es Europa betrifft, beschränkt sich auf Baris (Paris), Lundres (London), Manta (Malta), Blad Andalus (Spanien), Bortugan (Portugal), Musgu (Russland), Nemsa (Deutschland) und Stambul (Konstantinopel). Kann ein Thaleb oder Faki der Reihe nach diese Namen auskramen, so glaubt er wenigstens ein Humboldt oder Ritter zu sein.

Manövrirt wird denn auch nie mit dieser oben geschilderten "regelmässigen" Truppe, und die Exercitien beschränken sich auf Parademärsche, auf ssalam dur (präsentirt das Gewehr) und einige andere Griffe. Ein grosser Uebelstand ist, dass die meisten Soldaten verheirathet sind und Kinder haben, viele auch Sklaven besitzen, kurz man kann sagen, dass der Sultan mit seiner bunt nach aller Herren Länder Art uniformirten Truppe sich keineswegs eine regelmässige Armee oder nur den Kern dazu geschaffen hat. Aber die seit Jahrhunderten bestehende Unfehlbarkeit des Sultans hat dazu geführt, dass diese Persönlichkeiten anfangen sich selbst für unfehlbar zu halten, und der Sultan glaubt in der That mit der Ernennung irgend eines Menschen zum Bataillonschef wirklich dadurch einen tüchtigen Chef gemacht zu haben.

Besser ist die Cavallerie organisirt (nach Sir Drummond Hay 16000 Mann stark), weil sie auf einheimische Verhältnisse basirt ist. Die Cavalleristen bekommen zwei Mosonat täglich mehr, als die Infanteristen, haben aber dafür ihre Pferde zu unterhalten. Sie sind eingetheilt in kleine Truppen von 50-60 Pferden, welche einem Kaid untergeben sind. Das Commando ist hier arabisch. Der Cavallerist hat eine lange Steinschlossflinte und einen ziemlich geraden Säbel als Bewaffnung; wer sich selbst 1 oder 2 Pistolen anschafft, glaubt dann aufs vollkommenste ausgerüstet zu sein. Der Säbel wird an einer seidenen oder baumwollenen Schnur von der rechten Schulter zur linken Seite herabhängend getragen. Die Sättel sind jene mit hohen Lehnen nach hinten, mit hohem Knaufe nach vorne versehenen und allgemein unter Arabern und Berbern gebräuchlichen. Von Exercitien und Manövern ist bei der Cavallerie noch weniger die Rede, die ganze Kunst des Cavalleristen beschränkt sich darauf, im schnellsten Laufe das Pferd fortzureiten und während des Rittes die Flinte abzufeuern. Da die grossen Steigbügel sehr kurz hängen und so eingerichtet sind, dass der ganze Fuss darin Platz hat, so stehen beim schnellen Reiten meistens die Cavalleristen. Auf diese Art wird auch der Angriff gemacht, man saust mit Windeseile heran, schiesst ohne zu zielen das Gewehr ab, und das dann von selbst wendende Pferd trägt den Angreifer zurück. Die Cavallerie hat nur Hengste.

Seit dem Kriege mit Spanien hat der Sultan von Marokko auch Feldartillerie angeschafft, aber eben so unglücklich berathen wie in Beschaffung seiner Uniformstücke, hat er wohl kein einziges Geschütz, welches dem andern gleich wäre. Die Artilleristen, welche diese Kanonen zu bedienen haben, sind fast alle spanische Renegaten; auch einen Franzosen fand ich dort, der Hauptmann war, und einen Deutschen, der in der Heimath Maurergeselle gewesen, die Kelle mit der Kanone vertauscht und von Sidi Mohammed, dem Hakem el mumenin (Beherrscher der Gläubigen), dem er verschiedene Arbeiten in seinem Palais aufgemauert hatte, zum Kaid el Tobdjieh, d. h. zum Artillerie-Hauptmann war ernannt worden. Ich brauche wohl kaum hinzuzufügen, dass alle diese Renegaten dort verheirathet sind, mithin factisch und für immer sich zu marokkanischen Bürgern erklärt haben. Einem einzigen Europäer gelang es jedoch, sich eine achtenswerthe Stellung in Marokko zu erringen. Freilich war auch dieser nur zum Schein Mohammedaner geworden, und, zugleich mit mir die Hauptstadt Fes betretend, hat er jetzt seit langem Marokko den Rücken gekehrt. Es ist dies der Spanier Joachim Gatell, der in Marokko den Namen Ismael angenommen hatte. Da in seiner Beschreibung "L'ouad Noun et el Tekna" eine interessante Schilderung des marokkanischen Kriegslebens enthalten ist, so lasse ich sie hier übersetzt aus den Bulletins de la Société de Geographie de Paris folgen.

Auf der 279. Seite erzählt Gatell: "Im Jahr 1861 war so eben der Krieg zwischen Spanien und Marokko beendet. Die Erzählungen, welche man zu der Zeit vom marokkanischen Volke machte, von den Sitten, vom Muthe, den barbarischen Gebräuchen, dem Fanatismus der Bewohner, erregten in mir die Idee in das Innere des Landes einzudringen, trotz der Fährlichkeiten, denen ich dabei ausgesetzt sein konnte. Ich reiste also nach Fes ab, wo sich der Hof befand, und, um besser meine Absicht zu erreichen, trat ich in die regelmässige Armee des Sultans. Obschon ich nur äusserst wenig vom Waffenhandwerk verstand, wurde ich gleich zum Officier befördert." Nach einer Schilderung der Campagne gegen die Beni Hassen, wobei Gatell zum Chef der "Garde-Artillerie" des Sultans ernannt wurde, fährt er fort die Expedition gegen die Rhamena zu schildern: "Wir hatten 29 Stück, einen Mörser eingeschlossen; aus den Magazinen von Arbat nahmen wir 55 Centner Pulver in Fässern, und ausserdem eine Menge fertiger Munition in Kisten mit, und fingen so an die Aufständischen zu verfolgen. Ein Theil der Seragua-Kabylen vereinigte sich so eben mit den Rhamena, nichts desto weniger ging auch jetzt die kaiserliche Armee mit marokkanischer Würde und Langsamkeit vorwärts: es schien, als wenn wir einen Spaziergang im Sonnenschein zu machen, keineswegs aber den Feind anzugreifen hätten. Die Hauptstadt war bedroht, aber um eine solche Kleinigkeit kümmern sich dort die Leute nicht. "- Wir werden zeitig genug ankommen, und wenn nicht, so ist es Gottes Wille. Die marokkanische Majestät darf nie Eile zeigen, oder auch nur den Anschein haben sich zu sehr um den Gang der Ereignisse zu kümmern." Gatell erzählt sodann, wie man nicht den Bewohnern den Krieg machte, sondern den Getreidefeldern, welche angezündet wurden, und als sie endlich vier Stunden von Marokko im Angesichte der Rhamena waren, die Aufständischen auseinandergesprengt wurden; hiebei feuerte die Artillerie 15 Schüsse ab und warf 8 Bomben.

Was die sogenannte schwarze Garde des Sultans von Marokko anbetrifft, die "Buchari," die unter den früheren Kaisern, namentlich unter Mulei Ismael eine so grosse Rolle spielte, so ist dieselbe heute sehr zusammengeschmolzen; kaum einige hundert Mann stark, dient sie jetzt nur zu Prunkaufzügen, und scheint gegen den Feind nicht mehr verwendet zu werden, wenigstens nahmen die Buchari am Kriege gegen Spanien keinen Antheil. Dem ganzen Heere steht ein Schwarzer, Namens Abd-Allah, als Kriegsminister vor, er hat das Verdienst ehemals als Sklave mit dem jetzigen Sultan auferzogen worden zu sein. Unter ihm stehen verschiedene "Amin," welche für die geldlichen und sonstigen Angelegenheiten der Armee zu sorgen haben. Nach diesem Besuche bei der Armee wenden wir uns wieder zur Stadt Fes zurück.

Von den übrigen erwähnenswerthen Gebäuden haben wir nur zwei Moscheen zu nennen. Es ist dieszunächst die Djemma Karubin (die den Cherubim gewidmete Moschee). Diese Moschee ist wohl die grösste in ganz Nordafrika. Die Bewohner Fes' behaupten, sie ruhe auf mehr als 360 Säulen, ja Einige sprachen von 800; ich konnte mich natürlich nicht daran machen sie zu zählen, aber wenn man von dem Hofe der Moschee ins Innere sieht, glaubt man einen Wald von Säulen vor sich zu haben. Wenn man der Beschreibung von Leo trauen darf, so hat die Djemma 31 grosse Thore, das Dach ruht auf 38 Bogen der Länge und 20 Bogen der Breite nach; es würde dies schon über 900 Säulen ergeben. Ali Bey giebt 300 Säulen an.

Die Moschee Karubin liegt ziemlich im Mittelpunkt von Alt-Fes, und ist wie fast alle Moscheen derart gebaut, dass sie aus einem grossen, von hohen Mauern und Arkaden umgebenen Hofraum und aus einem bedeckten Theile besteht, der eigentlichen Moschee. Ganz aus überkalkten Ziegeln erbaut, ist das Dach, oder vielmehr sind die Dachreihen ebenfalls mit Ziegeln à cheval gedeckt, und nicht glatt. Das ziemlich hohe Minerat ist, wie überall in Marokko, äusserst plump und vierseitig aufgeführt. Im Hofe des Gebäudes springen aus zwei reizenden und grossartigen Marmorfontainen Wasserstrahlen, überhaupt sind die Wasseranlagen, die kleinen Häuschen, worin die vor dem Gebete nothwendigen Ablutionen verrichtet werden, ausgezeichnet und zahlreich.

Der verdeckte Theil der Moschee hat wie alle diese Gebäude vollkommen nackte gegypste Wände, der ganze Fussboden ist aber zum Theil mit kostbaren Teppichen, und überall wenigstens mit feinen Matten belegt. Auch an den Wänden und um die Säulen ziehen sich halbmannshoch hübsche Strohmatten hinauf. Wie in allen Moscheen des Rharb ist an und in der östlichen Wand die Nische, welche die Gebetsrichtung "Kibla" angiebt. Gleich links davon ist eine Treppe, von welcher herab Freitags das Chotba-Gebet abgelesen wird. Der erste Priester der Moschee tritt nach einem kurzen Gebet, mit einem langen Stock in der rechten Hand versehen, auf die dritte Stufe (die Treppe enthält fünf oder sechs Stufen), und liest dann mit einförmiger Stimme das Freitagsgebet ab, der Schluss ist immer von einem Gebete für den jemaligen Regenten begleitet; im ganzen Rharb, d. h. Marokko, und auch in den südalgerischen Ortschaften bezieht sich das Gebet auf Mohammed-ben-Abd-er-Rhaman, im Osten aber, incl. Tunis und Aegypten, auf Abd-ul-Asis-Chan. Ob die Mohammedaner in Algerien, wie früher für den Türkensultan, heute noch für denselben Fürsten den Segen herabsehen, oder für den jemaligen französischen Regenten, kann ich nicht sagen.

Die Moschee Karubin hat das Eigenthümliche, dass mehrere Mimber oder Gebetstreppen vorhanden sind. Freitags zum Chotba-Gebet wird allerdings nur die eine links von der Gebetsnische befindliche benutzt, aber die übrigen dienen als Lehrstühle, von denen aus zu sonstiger Zeit den Gläubigen gepredigt und gelehrt wird. Wenn aber Ali Bey meinte nur die Karubing habe den Vorzug eine besondere Abtheilung für Frauen zu haben, und es sei dies zu verwundern, weil Mohammed den Frauen im Paradiese keinen Platz zuerkannt habe, so kann ich entgegnen, dass die Frauen in allen Moscheen Zutritt haben. Für gewöhnlich gehen die mohammedanischen Frauen allerdings Behuf des Gebetes nicht in die Moschee, keineswegs aber ist den Frauen die Moschee verboten, ebensowenig wie den Frauen das Mekka-Pilgern verboten ist. Es ist ein Irrthum zu glauben Mohammed habe den Frauen das Paradies verschlossen, in der 17. Sure heisst es wörtlich[86]: "die in Geduld ausharren, werden wir mit herrlichem Lohn ihr Thun belohnen. Wer rechtschaffen handelt, sei es Mann oder Frau, und sonst gläubig ist, wollen wir ein glückliches Leben geben, und ausserdem noch mit herrlichem Lohn sein Thun vergelten." Und an vielen anderen Stellen im Koran, namentlich noch in der 13. Sure erwähnt Mohammed der Frauen als Theilnehmer der zukünftigen Paradiesesfreuden.

Was die Architektur der grossen Karubin anbetrifft, so ist dieselbe keineswegs eine schöne zu nennen. Zumal von aussen, wo dies grosse Gebäude eingepfercht zwischen Buden und Häusern sich befindet, nimmt es sich höchst unvortheilhaft aus, überdies lassen sich immer nur einzelne Partien, da wo Thore sind, überblicken. Aber selbst wenn die Karubin frei stände, wurde sie sehr unharmonisch aussehen, da die einzelnen Theile in gar keinem Verhältniss zum Ganzen stehen. Die Höhe der Moschee, die Höhe der Säulen, etwa 20 Fuss hoch, ist viel zu gering zur kolossalen Baute, um einen guten Anblick zu gewähren. Der Hof würde einen vortheilhaften Eindruck machen, erhöht durch die beiden herrlich skulptirten Marmorfontainen (diese sind nach den Aussagen der Bewohner von Fes von europäischen Renegaten gemeisselt), wenn nicht hier dieselben Missverhältnisse zu Tage träten. Dazu kommt noch, dass der Mohammedaner, und namentlich der Araber, der geschworenste Feind von Symmetrie ist. Hier stehen zwei Säulen 8 Fuss, dort 7 Fuss auseinander, hier ist eine Säule 21 Fuss hoch, dort 20 oder 22 Fuss. Hier ist eine einfache, dort eine Doppelsäule, hier hat eine Säule, dort keine ein Capitäl. Dazu sieht das Ganze so gedrückt aus, als wenn Alles halb in den Boden hinein versunken wäre.

Es ist in keiner Zeichnung bis heute den Arabern gelungen etwas Symmetrisches zu schaffen, und im Grossen wie im Kleinen, in der Baukunst, in der Weberei, in ihren Arabesken, in ihren Holzschnitzereien, in ihrer Plafondirung, in ihrer Parquetirung, überall tritt uns die Unregelmässigkeit störend entgegen. Es giebt keinen einzigen von Arabern gewebten Teppich, dessen Muster so wie es angefangen zu Ende geführt ist, es giebt kein Zelt, welches aus gleichmässig gewebten Stücken vollendet ist, ein arabischer Haik (d. h. Tuch) hat sicher, falls an der einen Seite 3 Streifen als Einfassung sind, an der anderen 2 oder 4, es giebt keine Thür, die eine vollkommen durchgeführte Holzschnitzerei aufzuweisen hätte, und es giebt keinen einzigen Bau, der einen vollkommen durchgeführten Plan erkennen liesse. Ich kann nicht umhin hier anzuführen, dass wir da, wo die Araber allein gebaut haben, nirgends ein vollkommen schönes Product der sogenannten maurischen Architektur vorfinden. An der ganzen Nordküste von Afrika finden wir nirgends eine Baute, die sich durch vollkommene Schönheit auszeichnete, in ihrem eigenen Vaterlande noch weniger. Aus den Abbildungen von Niebuhr ersehen wir, dass die Moscheen von Mekka und Medina plumpe, rohe Gebäude sind. Vollkommen schöne maurische Gebäude finden wir nur da, wo die Araber mit Christen untermischt sesshaft waren: in Spanien und Syrien. Möglicherweise mögen christliche Architekten, christliche Handwerker und Sklaven mehr ihre Hand dabei im Spiele gehabt haben, als wir heute wissen. Es könnte nach vier- oder fünfhundert Jahren mit den Prachtbauten, die von Mohammed Ali Pascha bis auf Ismael Pascha in Aegypten errichtet werden, ebenso ergehen, d. h. kämen unsere Nachkommen nach einer solchen Spanne Zeit nach Aegypten, so würden sie sagen, dass die Aegypter unserer Tage es wohl verstanden hätten, in der maurischen Architektur Prachtbauten zu errichten. Heute aber haben wir glücklicherweise feste und tägliche geschichtliche Aufzeichnungen, wir wissen, dass die Moscheen und Paläste in Aegypten, die in diesem Jahrhundert dort erbaut wurden, nicht von Arabern oder Aegyptern herrühren, sondern von europäischen Architekten und Handwerkern errichtet worden sind; ich nenne unter ersteren bloss Hrn. Franz von Darmstadt und den verewigten v. Diebitsch von Berlin.

Mit der Karubin ist ein Gebäude verbunden, welches die ziemlich bedeutende Bibliothek, natürlich nur aus Manuscripten zusammengesetzt, enthält; nach einer oberflächlichen Schätzung, die ich machte, sind wenigstens fünftausend Bände vorhanden. Der ganze Bücherschatz befindet sich übrigens in einem sehr verwahrlosten Zustande, und es ist ein Wunder, dass Staub und Motten nicht schon grössere Verwüstungen angerichtet haben. Es ist ziemlich leicht Bücher von der Bibliothek zum Lesen zu bekommen, auch ist es gestattet Abschriften zu nehmen (natürlich nur den Gläubigen), es ist aber streng untersagt, irgendwie ein Buch zu entlehnen, um es mit nach Hause zu nehmen, und da die dortigen Bibliotheken mit unseren Einrichtungen, Katalogen, Scheinen und dergleichen nicht bekannt sind, ist diese Massregel sehr nothwendig.

Es wird heutzutage noch immer in der Karubin gelehrt, obgleich von der einst so berühmten Schule nur noch ein schwacher Schatten übrig ist. Man legt den Koran aus, d. h. disputirt über äussere Kleinigkeiten, denn am eigentlichen Dogma darf nicht gerüttelt werden; wer nur im Geringsten zweifelte an irgend einem Glaubenssatze, würde gleich als Ketzer beschuldigt werden, würde des Abfalls vom Islam geziehen werden, und da in Marokko noch wie ehedem bei uns für dergleichen Zweifler die Todesstrafe blüht, so hütet sich wohl Jeder irgendwie an einem Worte des Buches, welches vom Himmel herabgekommen ist, zu rütteln. Dagegen hört man die gelehrtesten Erklärungen über Formen und Aeusserlichkeiten, z. B. ob Mohammed am Feste nach dem ersten Ramadhan ein schwarzes oder weisses Lamm geopfert habe, wie gross die Hölle sei, ob im Paradiese auch die und die Speise würde verabreicht werden, und dergleichen Albernheiten mehr. Es werden sodann die vier Species gelehrt, aber nur auf nothdürftige Art und Weise; ich bemerke hiebei, dass der Marokkaner, mit Ausnahme der Addition, bei dem Abziehen, Vervielfältigen und Theilen ganz andere Verfahren in Anwendung bringt, als wie wir sie in unseren Schulen zu erlernen pflegen. Auch geographischer Unterricht wird ertheilt, oder soll vielmehr gelehrt werden, denn in einem Lande, wo man von Erdbeschreibung so wenig Kenntniss hat, dass man die Vorstellung hegt, Portugal sei grösser als Frankreich, sieht es gewiss traurig mit der Kenntniss der Erde aus. So glauben denn auch die Marokkaner, dass ihr Land das grösste und ihr Volk das erste und mächtigste der Welt sei.

Auch Astronomie wird getrieben, aber nur in Verbindung mit Astrologie. Einige der gelehrten Marokkaner stehen auf dem Ptolemäischen Standpunkte, sie haben eine Idee von den grossen Planeten; dass die Erde sich um die Sonne dreht, darf übrigens nicht gelehrt werden, wenn man sich überhaupt zu einer solchen Vorstellung emporschwingen könnte, es steht das im Widerspruch mit dem Koran. Es giebt sodann Geschichtslehre und im ganzen kann man dieser Lehrabtheilung noch den grössten Beifall zollen. Ich hörte interessante Vorlesungen derart mit an, welche die Geschichte der Araber im Bled Andalus (Spanien) zum Gegenstand hatten. Endlich ist eine Abtheilung für Djerumia, d. h. arabische Grammatik vorhanden, die aber auch aus dem Gewöhnlichen nicht herauskommt.

Alle diese Fächer werden in der Karubin selbst gelehrt, so dass man hier zu jeder Tageszeit auf Lehrer und Schüler stösst. Die Lehrer sind aus dem Fonds der Moschee besoldet und zum Theil die Schüler auch, alle haben wenigstens freies Logis und freie Kost. Die Karubin wird für eine der reichsten Moscheen gehalten, ein Drittel der Läden oder Gewölbe in Fes gehören ihr zu, die Aecker und Gärten sind zahlreich, und wenn manchmal auch die früheren Machthaber von Fes sich aller Einkünfte der Moschee und ihrer Güter bemächtigten, so machten dafür andere dies doppelt wieder gut. Die mohammedanische Geistlichkeit hat ebenso gut einsehen gelernt wie andere, dass die Macht der Geistlichkeit auf Geld und Grundbesitz beruhe, und, eigenthümlich genug, obschon auch Mohammed lehrt wie Jesus Christus, "ihr sollt kein Gold und Silber in euren Taschen tragen," "ihr sollt dem Mammon nicht dienen," sehen wir, dass die mohammedanische Geistlichkeit nicht weniger darauf bedacht ist Schätze anzusammeln, um zu Macht zu kommen, als die aller anderen Religionen.

Wie reich die Karubin schon zur Zeit Leo's war, geht aus seiner Beschreibung hervor: "die tägliche Einnahme macht 200 Ducaten[87] aus, in der Nacht zündet man 900 Lampen an, ausserdem giebt es grosse Leuchter, von denen jeder Platz für 1500 Lampen hat etc." Jene grossen Leuchter müssen wohl im Laufe der Zeit verschwunden sein; aus christlichen Glocken, wie Leo erzählt, geschmolzen, dienten sie einem Sultan vielleicht später dazu, in Kanonen umgegossen zu werden. Die zahlreichen übrigen Oellämpchen und grossen Krsytallkronleuchter sind aber noch vorhanden. In einem anstossenden Zimmer befinden sich noch verschiedene grosse Uhren, Compasse, Magnete u. dergl., ohne dass ich eigentlich wüsste, dass man sich dieser Sachen bediene.

Die andere Moschee, welche wegen ihrer eigenthümlichen Bauart einerseits, dann wegen ihrer Berühmtheit als Asyl zu nennen ist, ist die, welche den Namen und die irdischen Reste des Gründers der Stadt trägt, die Djemma el Mulei Edris. Sie ist dicht bei der vorigen gelegen, nur durch eine schmale Gasse davon getrennt. Sie zeigt sich eigentlich auch nur von dieser Gasse, Bab es ssinsla[88], Kettenthor genannt, mit einem grossartigen und hübschen Portale in Hufeisenform, alle anderen Seiten sind ummauert. Die Mulei Edris Moschee unterscheidet sich dadurch von allen übrigen kirchlichen Gebäuden Marokko's, dass sie keinen Hof hat, denn eine kleine Arkadenreihe ist offenbar erst später angelegt. Es deutet dies auf das hohe Alterthum des Gebäudes hin, wobei man die Nachahmung des christlichen Tempels noch wahrnehmen kann.

Das Hauptgebäude, welches auf einen kleinen von Arkaden eingeschlossenen Vorhof folgt, besteht in einem einzigen nach Osten gerichteten Schiffe; fast viereckig von Form, ohne Säulen wird das Ganze von einem sehr hohen achteckigen Dache bedeckt, welches inwendig aus Holzskulpturen besteht, dessen äussere Seite jedoch Ziegel zeigt. Diese Dachziegeln sind bei allen monumentalen Gebäuden immer selber Art und auf selbe Art gelegt, wie in Italien und Spanien. Dicht bei der Kibla-Nische befindet sich das prächtige Grabmal Mulei Edris', dessen kostbare Tuchdecken alle Jahre erneuert werden. Das Innere der Moschee enthält ausserdem viel Gold und Silber, Geräthe, Offranden, was eigentlich gegen die Satzungen des Koran streitet. Auch an der Aussenwand der Djemma el Mulei Edris befindet sich eine silberne Tafel mit massiv goldenen und erhabenen Buchstaben, welche eine Legende der Erbauung der Moschee enthält. Diese Tafel ist, um der Witterung vollkommen widerstehen zu können, unter Glas.

Die Moschee, welche Asyl ist, d. h. wo geflüchtete Verbrecher vor der Verfolgung weltlicher Gerechtigkeit sicher sind, ist ausserdem Sauya. Freilich ist mit dieser Sauya kein religiöser Orden verbunden, der eigentliche religiöse Orden Mulei Edris befindet sich in Uesan, aber sonst hat sie nicht nur Einrichtungen, um Pilger zu beherbergen und zu bewirthen, sondern auch eine grossartige Schule ist damit verbunden.

Alle übrigen Moscheen von Fes, obschon noch sehr grosse vorhanden, so namentlich eine von Mulei Sliman in Neu-Fes errichtete, sind gegen diese beiden gehalten kaum der Beschreibung werth. Es befinden sich im ganzen jetzt in Fes elf Moscheen, in welchen Freitags das Chotba-Gebet gehalten wird, welchen man also gewissermassen den Rang unserer christlichen Pfarrkirchen zuerkennen könnte. Im übrigen giebt es aber noch eine sehr grosse Anzahl Moscheen, manche grösser an Umfang als jene, worin Chotba gelesen werden, obschon die Zahl von 700, welche Leo anführt, heute nicht mehr existirt und auch wohl zu seiner Zeit übertrieben war.

Ebenso existiren heute nicht jene zwei Collegien für Studenten, von denen Leo so grossartige Berichte giebt; ausser den Lehrstühlen an der Karubin hat Fes nur niedrige Schulen, Medressa, worin den Schülern nothdürftig und mechanisch lesen und schreiben gelehrt wird. Solcher Schulen giebt es eine grosse Anzahl, vielleicht über hundert.

Hospitäler hat Leo auch aufgeführt, es sind dies aber keine Hospitäler nach unserem Sinne, d. h. Krankenhäuser, sondern vielmehr Hospitäler (Gasthäuser) im wahren Sinne des Wortes. Schon die Beschreibung, die Leo davon giebt, deutet darauf hin, dass man es zu seiner Zeit ebenso wenig mit Hospitälern oder Lazarethen nach unserem Sinne zu thun hatte. Es sind dies Stifte, wo Pilger, Reisende, müde Wanderer ausruhen können, und während einer gewissen Zeit unentgeltlich Kost und Logis erhalten. Es war dieser Brauch, in den Städten solche Stifte zu haben, nicht nur in mohammedanischen Ländern heimisch, sondern zur Zeit, als das Gasthofleben noch nicht so ausgebildet war wie jetzt, auch in allen christlichen Ländern zu finden. In vielen europäischen Städten existiren noch jetzt solche Einrichtungen, z. B. in Savoyen, in Frankreich und Italien. Eigentliche Hospitäler, d. h. Krankenhäuser, giebt es in Fes nicht.

Indess besitzt Fes eine Anstalt, wie sie keine andere Stadt Marokko's aufzuweisen hat; eine Irrenanstalt oder vielmehr ein Narrenhaus. Man denke sich aber keineswegs eine Anstalt, welche Heilung oder Wohlbehagen dieser unglücklichen Geschöpfe im Auge hätte, mit dergleichen Versuchen plagt sich der Mohammedaner nicht. Man findet in diesem Gebäude, in dem zur Zeit als ich es besuchte etwa 30 Individuen sein mochten, nur Tobsüchtige oder Irre, die durch ihr Wesen dem Nebenmenschen sich gefährlich gemacht haben; gutmüthige Narren, Idioten u. s. w. lässt man ruhig laufen, ebenso die religiös Wahnsinnigen, die noch obendrein als Heilige verehrt werden.

Der Zustand in diesem Narrenhause ist ein entsetzlicher, und es gleicht dasselbe mehr einer Gefängnisshöhle als sonst einem Gebäude. In langen Zimmern, worin auf dem blossen Steinboden im grössten Schmutze halbverhungerte Gestalten mit dicken eisernen Ketten an die Wände festgemauert sind, fast alle nackt, ohne jegliche Pflege und Sorgfalt, verbleiben diese Unglücklichen hier, um die Welt nie wieder zu betreten. Die Anstalt selbst wird durch Vermächtnisse unterhalten.

Erwähnt zu werden verdienen sodann die vielen Bäder, welche zum Theil Privaten gehören, zum Theil Eigenthum der Regierung oder der Moscheen sind. Eingerichtet sind sie wie alle warmen Bäder im Orient, in Aegypten oder den übrigen Berberstädten, so dass ich eine specielle Beschreibung nicht für nothwendig halte. Der Luxus der algerinischen oder ägyptischen Bäder ist hier aber nicht bekannt, Handtücher zum Abtrocknen werden nicht gereicht, dafür sind sie aber auch so billig, dass selbst der Aermste sich häufig den Genuss einer gründlichen Reinigung gewähren kann. Die Bäder geringster Sorte kosten nur 3 Flus, die theuersten nicht ganz 2 Mosonat.

Gasthäuser oder Fenaduk (pl. von Funduk) giebt es zweierlei Art in Fes. Es möchte auffallen, dass bei der Anwesenheit von Sauyat bei der Einrichtung der eben erwähnten Hospizen, ausserdem noch Gasthöfe nothwendig sind, namentlich wenn man in Erwägung zieht, dass der Marokkaner der gastfreieste Mensch der Welt ist. Und dennoch ist dem so. Die Gastfreiheit ist auf dem Land eine fast möcht' ich sagen unbegrenzte; aber in den Städten, wo täglich ein so grosser Zusammenfluss von Fremden ist, wird sie natürlich nicht geübt. In den Sauyat und Hospizen ist es Regel, einen Fremden nicht länger als drei Tage zu behalten. Man hat also, um die Fremden, welche einen längeren Aufenthalt nehmen wollen, zu beherbergen, Gasthöfe einrichten müssen. Die grosse Zahl solcher Gebäude spricht für den grossen Fremdenverkehr in Fes, obschon die Zahl von 200, die Leo angiebt, wohl übertrieben ist.

Es giebt Fenaduk, welche gebaut sind, Menschen und Vieh zu beherbergen, und solche die nur Platz für Menschen und allenfalls für ihre Waaren haben. Erstere haben in der Regel eine entsetzliche Einrichtung. Ein grosser, meist viereckiger und ungepflasterter Hofraum, wo sich Pferde mit Kameelen, Maulthiere mit Eseln um den Platz streiten, wird von allen Seiten von kleinen Zimmern umgeben, die nur Zugang und Licht durch eine kleine niedrige Thür bekommen. Meist sind diese Zimmer selbst nicht grösser, als dass man ausgestreckt darin liegen kann. Von Aufwartung ist natürlich keine Rede, der Neuangekommene muss, hat er überhaupt Sinn für Reinlichkeit, den Schmutz, den sein Vorgänger als Andenken im Zimmer zurückgelassen hat, eigenhändig hinauskehren. Ein Portier, der meist kauadji (Kaffee-Ausschenker) ist, steht dem Ganzen vor, oft ist er Besitzer, oft Verwalter, oft bloss Miether. Die Gebühren stehen natürlich mit der schlechten Einrichtung im Einklange, für ein Zimmer zahlt man durchschnittlich täglich nur eine Mosona, für ein Thier ebenso viel.

Viel besser sind die Fenaduk eingerichtet, wo man nur Reisende aufnimmt, die ohne Thiere sind. Diese sind meistens mitten in der Stadt gelegen, einige sogar in der eigentlichen Kesseria, dem Handelscentrurn, der "Börse" könnte man fast sagen, von Fes. Grosse mehrstöckige Gebäude, sind die Zimmer dieser Gasthöfe geräumig, haben oft, ausser der Thür nach dem Hofe oder nach den Gallerien zu, noch vergitterte Fensteröffnungen. Die Zimmer sind gut ausgeweisst, der Fussboden mit "Slaedj" belegt, sonst aber ist von Möbeln natürlich nichts zu finden; aber der bemittelte oder reiche Kaufmann hat auch sein ganzes Meublement bei sich: eine gute Matratze, ein Teppich, einige Matten und Kisten vervollständigen dasselbe. Es fehlt auch der grosse Messingteller, ssenia, nicht mit dem Theetopf aus Britannia-Metall und sechs kleinen Theetassen. Ein Bochradj, d. h. ein Kessel zum Sieden des Wassers, ist auch unentbehrlich. Die Miethe von solchen Zimmern variirt von vier Mosonat bis zu sechs und mehr per Tag. Die Kaffeebuden, welche sich am Eingang oder im Innern eines solchen Funduk befinden, gehören zu den besten.

Solche Wirthshäuser, wie Leo sie beschreibt als von unanständigen Wirthen, sog. el kahuate bewohnt, wo auch lüderliche Weibspersonen sich herumtreiben giebt es jetzt in Fes nicht mehr, vor den Thoren ist allerdings ein Viertel, welches in dieser Hinsicht in schlechtem Rufe steht; eigentliche Prostitution aber findet man überhaupt in Marokko nur in Mikenes.

Dagegen giebt es zahlreiche Kaffeehäuser, wo Kif, d. h. das getrocknete Kraut vom indischen Hanfe (Can. indica) geraucht und gegessen wird, auch Opium wird in diesen Kaffeehäusern gegessen; die Sitte des Opiumrauchens kennt man im Rharb nicht. Die Polizei oder Regierung thut gegen diese schädlichen Genüsse nichts, wie denn auch Haschisch und Opium mit Taback zusammen nur von solchen Kaufleuten in der Stadt verkauft wird, die sich dazu einen Schein von der Regierung gekauft haben. Es herrscht also - denn nicht nur in Fes ist dies der Fall, sondern in allen binnenländischen marokkanischen Städten - für die Städte eine Art Taback-, Opium- und Haschisch-Regie.

Anständige Leute hüten sich indess wohl, in solche Kaffeehäuser zu gehen, obschon fast Jeder in Fes dem Genusse des Haschisch fröhnt, aber nur heimlich und im Innern der Wohnung. Desto strenger ist dagegen der Verkauf von Schnaps und Wein verboten, obschon beides in Fes für Geld und gute Worte zu haben ist; ersterer wird von den Juden destillirt aus Feigen, Rosinen oder Datteln, wird wohl auch von Gibraltar her eingeschmuggelt; letzterer wird in der Lesezeit von Juden sowohl wie von Mohammedanern bereitet.

Es würde zu weit führen, wollten wir alle Handwerke, Industrien, Manufacturen und Handelszweige einzeln aufführen. Es genügt, wenn wir hier vorzugsweise das nennen, wodurch Fes heut excellirt, und wenn wir hervorheben, dass selbst heute Fes noch immer den ersten Rang unter allen Handelsstädten vom ganzen Rharb einnimmt.

Um letzteres zu erhärten, führe ich nur an, dass mir während meines Aufenthaltes in Fes manchmal Facturen gezeigt wurden, von französischen, englischen oder spanischen Handlungshäusern herstammend, die sich auf 50,000 Frcs. beliefen. Man kann in der That also wohl behaupten, dass Fes auch Engros-Handel besitzt, wie es denn wirklich vornehme Kaufleute genug dort giebt, welche mit Marseille, Gibraltar, Cadix oder Lissabon Auseinandersetzungen haben, welche die eben angeführte Summe jährlich noch übersteigen. Es versteht sich von selbst, dass dieser Handel meist durch Vermittlung abgeschlossen wird; aber auch oft genug kommt es vor, dass ein Fessi auf der Pilgerfahrt nach Mekka Station in Marseille macht, dass er in Gibraltar längeren Aufenthalt hat, ja ich lernte Kaufleute in Fes kennen, die direct, bloss um Waaren zu kaufen oder um Handelsbeziehungen anzuknüpfen, eine Reise nach Cadix oder Lissabon unternommen hatten.

Alle diejenigen, welche in den berberischen Staaten gewesen sind, welche sich in den leichter zugänglichen Städten Bengasi, Tripolis, Sfax, Tunis und anderen Orten aufgehalten haben, wissen, wie gross das Vertrauen europäischer Kaufleute ist; den Eingebornen werden oft Waaren von sehr bedeutendem Werth auf Credit verabfolgt. Man borgt selbst Kaufleuten aus dem fernen Innern, wo jede Reclamation, falls man betrogen würde, unmöglich wäre. Und doch kommt es sehr selten vor, dass irgend Jemand sich eines Betrugs schuldig macht. Von Timbuctu, Kano, Bornu, Mursuk und Rhadames sehen wir Kaufleute auf Credit in Tunis, Tripolis oder Kairo Waaren entnehmen; sie ziehen damit in ihre Heimath, jahrelang bleiben sie manchmal verschollen, aber nachdem sie ihre Waaren verkauft haben, laufen immer Gegenwaaren oder Gelder ein, und der europäische Kaufmann wird befriedigt.

So machen es die Fessi auch; die Waaren, welche sie sich en gros von Europa holen, bestehen vorzugsweise in roher und verarbeiteter Seide, in Baumwollenstoffen, Tuchen, Papier, Waffen, d. h. langen Flinten und Säbeln, Pulver, Thee, Zucker, Droguen und Gewürzen. Es giebt überhaupt jetzt fast keinen Artikel, den man in Fes nicht fände.

Die Engros-Händler haben ihre Waaren bei sich im Hause, die meisten aber haben zugleich ein Hanut, d. h. ein Verkaufsgewölbe, wo sie entweder selbst verkaufen oder verkaufen lassen. Der Punkt, wo der Haupthandelssitz ist, heisst die Kessaria; derselbe liegt im Centrum von Alt-Fes, dicht bei der Karubin- und Mulei-Edris-Moschee, die zum Theil von der Kessaria umgeben sind.

Leo will das Wort Kessaria vom lateinischen Caesar ableiten; zur Zeit der römischen Herrschaft hätten in den mauritanischen Städten einige ummauerte Centren bestanden, damit die kaiserlichen Beamten hier ihre Zölle erhöhen, und wo zu gleicher Zeit dann die innewohnenden Kaufleute die Verpflichtung gehabt hätten, mit ihren eigenen Gütern das Eigenthum der kaiserlichen Regierung zu beschützen. Man findet übrigens den Ausdruck Kessaria als Marktplatz in allen Städten Nordafrika's.

In dieser Kessaria finden wir alle feineren und vorzugsweise die von Europa kommenden Waaren. Die Kessaria besteht aus einem grossen Complex von nicht für Thiere zugänglichen Strassen, zum Theil durch Häuser, zum Theil aber auch nur durch Gewölbe gebildet. Alle Strassen sind überdacht. Wir haben hier Gänge mit Buden wo Specereien, andere wo Essenzen, andere wo Thee und Zucker[89], andere wo Porzellan, d. h. vorzugsweise Vasen, Gläser, Tassen und Teller, andere wo Tuche, andere wo Seidenstoffe, andere wo Lederwaaren verkauft werden. Auch Uhrläden, zwei oder drei, ja sogar eine Pharmacie ist vorhanden, wenn man so eine Ansammlung fast aller Medicamente, worunter auch Chinin, Tartarus sub. und Ipecacuanha, nennen kann. Ein gewisser Djaffar hat sich diese Medicamente von Lissabon geholt, und ein Verzeichniss in portugiesischer Sprache zeigt zugleich die zu gebende Dose an und die Krankheit, wogegen die Medicin gegeben wird.

Tritt man aus der Kessaria heraus, so kommt man ins eigentliche industrielle Leben hinein. Hier eine lange Reihe von Buden, wo gelbe, rothe und buntfarbige Pantoffel verarbeitet werden, dort dicht dabei Gerber, welche das buntgefärbte weiche Corduan, Marocain- und Saffian-Leder verkaufen. Zeigt schon der Name an, dass zuerst die Kunst, das Schaf- und Ziegenleder zu jener schönen Weiche, mit der grössten Zähigkeit verbunden, zuzubereiten, von den Mohammedanern in Cordova erfunden wurde, später aber die berühmtesten Gerbereien in Marokko selbst und noch später in Saffi (Asfi) sich befanden, so scheinen heute die schönsten Leder in Fes bereitet zu werden, wenigstens sind in ganz Nordafrika die Leder von Fes als die feinsten und dauerhaftesten gerühmt.

Aber man kommt nicht gleich aus der Kessaria in die labyrinthischen Handwerkerstrassen, man hat, wenigstens auf dem Wege nach Neu-Fes hin, zuerst die Blumenbuden zu durchwandern, und es bilden die Blumen einen hübschen Uebergang von der Industrie zum Handel. Es ist eigenthümlich, welche Vorliebe von jeher die Bewohner von Fes vor den übrigen Marokkanern für Blumen gehabt zu haben scheinen, wie denn auch die Cultur derselben in Gärten überall hervortritt.

Das Haus, welches der Bascha-Gouverneur von Fes mir als Aufenthalt angewiesen hatte, lag am Abbange der östlichen Hügel. Von einem Arme des Ued Fes durchflossen, waren ausser Orangen, Feigen, Oliven, Aprikosen, Pfirsichen und Granaten, überall blühende Rosenstöcke, grosse Büsche Jasmin, Nelken, Veilchen und stark duftende Kräuter.

Diese findet man denn auch vorzugsweise in der Blumenabtheilung, hier sind Jasmin, Basilik, Nelken, Hyazinthen, Rosen, Narcissen, Pfefferminze, Absinth, Thymian, Majoran, dort sind ganze Blumenbouquets, Meschmum en nuar genannt, zu haben. Gemüse und Obstbuden schliessen sich daran.

Von solchen Gewerken, worin Fes noch heute vorzugsweise glänzt, nenne ich ferner die Töpferwaaren. Grosse Schüsseln, kleine Leuchter und Lampen und dergleichen Gegenstände werden aus einem porcellanartigen Thone sehr schön hergestellt. Nach Art unserer alten deutschen Thonwaaren sind sie mit groben blauen Figuren bemalt und glasirt.

Hieran schliessend, erwähne ich der "Slaedj," kleine Fliesen von bunten Farben, die ebenfalls in Fes fabricirt werden. Wenn einst die Waffenschmiede in diesen Ländern berühmt waren, so sieht man jetzt in den Gewölben nur europäische Fabrikate ausgestellt. Ebenso haben die früher so bekannten rothen Mützen (daher der Name "Fes," den wir jetzt noch den rothen Mützen geben) sich nicht auf ihrer einstigen Höhe halten können, nicht nur die von Tunis sind jetzt bedeutend besser, sondern selbst in Livorno werden sie billiger und schöner hergestellt. Besonders hervorheben müssen wir sodann die Manufacturwaaren von seidenen Schärpen, 3-4 Fuss breit, 40-50 Fuss lang; es sind diese seidenen von Gold durchwirkten Stoffe das Kostbarste, was Fes auf den mohammedanischen Markt bringt, und heutzutage das Einzige, worin es unübertroffen dasteht.

Von allen übrigen Handwerken finden wir in Fes nichts, was die Stadt vorzugsweise auszeichnete, aber alle sind in so grosser Menge vertreten, dass man auf den ersten Blick sieht, es wird hier nicht bloss für die Bedürfnisse der Stadt gearbeitet, sondern für das ganze Land.

Die lange Strasse, welche Alt-Fes mit Neu-Fes verbindet, ist denn auch weiter nichts als ein Bazar, und es herrscht hier natürlich die grösste Frequenz, nicht nur weil alle Leute vorzugsweise diesen verhältnissmässig breiten Weg benutzen, um von einer zur andern Stadt zu kommen, sondern auch weil ein Hauptkarawanenweg hier durchführt, auf dem sich beständig lange Reihen von beladenen Kameelen, Maulthieren und Eseln fortbewegen. Verfolgt man diesen Weg weiter nach Neu-Fes hinein, so findet man sich gleich darauf vor dem ummauerten Stadttheile der Juden, der Melha. Die Juden aber dürfen nur in Neu-Fes und hier abgesondert von den Gläubigen in einem ummauerten Viertel, das gleich an das kaiserliche Palais stösst, wohnen. Und sie sind gern hier, denn so sehr sie auch den Vexationen und Erpressungen der Regierung des Sultans ausgesetzt sind, so haben sie doch längst einsehen gelernt, dass es besser ist unter dem Schutze selbst der despotischsten Herrschaft zu wohnen, als der Willkür eines dummen und fanatischen Volkes preisgegeben zu sein. Im Judenviertel herrscht übrigens, was Handel und Wandel, was Industrie und Handwerke anbetrifft, eben das geschäftliche und rege Treiben, wie in der Kessaria und den Strassen von Alt-Fes.

Vorzugsweise sieht man Gold- und Silberarbeiten in den Händen der Juden, die Nadeln, welche dazu dienen, das Haar der Frauen oder ihre Kleider zu befestigen, Fingerringe, Arm- und Fussbänder (auch die marokkanischen Frauen tragen oberhalb der Knöchel schwere kupferne oder silberne Ringe) werden fast ausschliesslich von den Juden hergestellt. Ebenso ist die Secca, d. h. Münze, nur von den Juden bedient. Es ist dies ein ziemlich ansehnliches Gebäude, welches Theil des Palastes des Sultans ist und unmittelbar an die Melha anstösst.

An einheimischen Münzen haben die Marokkaner jetzt nur den Fls (pl. flus), eine kleine Kupfermünze, welcher auf einer Seite das Salomon'sche Siegel, d. h. das bayerische Bierzeichen (zwei durcheinandergehende Dreiecke), und auf der anderen Seite Jahreszahl und Prägungsort (auch in Tetuan befindet sich eine Münze) zeigt, dann zwei Flus-Stücke, udjein genannt, ebenfalls geprägt. Sechs Flus bilden die imaginäre Münze, Mosona genannt: eine Mosona giebt es nicht geprägt. Sie ist ungefähr gleich einem Sou.

Vier Mosonat bilden sodann eine Okia, d. h. Unze, ebenfalls nur ein Ausdruck, aber acht Mosonat oder zwei Unzen ist die kleinste, und 10 Mosonat oder 21/2 Unzen die grösste geprägte Silbermünze. 10 Unzen bilden die imaginäre Münze Metkal. Und die einzige geprägte Goldmünze, Bendki genannt, besteht aus 21/2 Metkal. Im übrigen gelten die französischen und die spanischen Silbermünzen im ganzen Lande, und französisches, spanisches und englisches Geld überall nördlich vom Atlas. Der einst so beliebte spanische Bu-Medfa-Thaler, so genannt von den beiden Herkulessäulen, welche die Marokkaner für Kanonen halten, ist fast ganz aus dem Handel verschwunden, dagegen hat der französische fünf Francs-Thaler Platz gegriffen. Frankreich lässt für Marokko auch silberne 20 Centimes-Stücke schlagen[90], welche in Marokko im Werthe einer Unze cursiren. Der österreichische Maria-Theresien-Thaler, der sonst in ganz Afrika ohne Nebenbuhler herrscht, wird in Marokko äusserst selten gefunden.

Die Maasse und Gewichte sind in Marokko fast für jede Stadt verschieden, für die Länge hat man die Elle, Draa mit Brüchen als Unterabtheilung, dann Zoll, für das Gewicht das Pfund, Unze, Metkal (letzteres für Goldstaub) für flüssige und trockene Sachen, endlich verschiedene Maasse.

Administrirt wird die Stadt von zwei Gouverneuren, von denen der eine den Titel "Bascha" hat und Alt-Fes vorsteht, während der andere "Kaid" genannt wird und über Neu-Fes herrscht. Es scheint hieraus hervorzugehen, einestheils dass die Regierung des Sultans beide Städte als vollkommen getrennt betrachtet, und andererseits Neu-Fes mehr als eine Festung angesehen, während Alt-Fes als wichtiger gehalten wird, dadurch dass man es von einem Bascha administriren lässt. In den Wohnungen des Bascha und Kaid wird zu gleicher Zeit täglich Recht gesprochen. Der Kadi jeder Stadt findet sich dort täglich ein, und alle Rechtsfälle werden auf der Stelle zur Entscheidung gebracht. Es kann sodann an den Bascha oder Kaid appellirt werden, und von diesen an den Grosswessier oder Sultan selbst.

Es kommt gar nicht selten vor, dass Kläger sich von dem Kadi an den Bascha und von diesem an den Sultan wenden. Gegen Stockstrafe oder Knutenhiebe wird fast nie remonstrirt, wohl aber gegen Geldbusse. Der Kadi und Bascha haben Strafvermögen in unbegrenztem Masse, indess werden selten Knutenhiebe über 300 an der Zahl ausgetheilt, die Geldbussen aber so hoch wie möglich hinaufgetrieben. Grösserer Diebstahl hat immer das Abhacken zuerst der linken, dann beim Rückfall das der rechten Hand zur Folge. Hat man keine Hände mehr zum Abschlagen, so kommen die Füsse an die Reihe, oft bei grossen Diebstählen oder gravirenden Umständen werden auch gleich die Füsse abgehauen. So wurden einem Landbewohner, der im Sommer, als ich mich in Fes befand, ein Pferd des Sultans gestohlen hatte, der rechte Fuss und die linke Hand abgehackt. Das aus der Altstadt nach Neu-Fes zu führende Thor hat immer eine Menge solcher Trophäen aufzuweisen, auch Köpfe von hingerichteten Verbrechern haben hier ihren Ausstellungsort, während meiner Anwesenheit in Fes sah ich indess keinen Kopf ausgestellt.

Das Recht wird übrigens vollkommen willkürlich gesprochen, und Bestechungen sind an der Tagesordnung.

In Neu-Fes war in den ersten sechziger Jahren ein Schwarzer, ein ehemaliger Sklave Namens Faradji Kaid. Dieser hatte schon seit mehr als 50 Jahren diesen Posten inne, und galt als ein Phänomen. Er hatte unter Sultan Sliman die Stelle bekommen, sie unter Abd-er-Rhaman behauptet, und war auch von Sidi Mohammed, dem jetzigen Sultan, bestätigt worden. Im ersten Jahre der Regierung des jetzigen Kaisers wurde Faradji verleumdet, man machte den Sultan auf seine ungeheuren Reichthümer aufmerksam, man deutete darauf hin, dass Faradji, der doch ehemals nur Sklave gewesen, diese grossen Reichthümer wohl nur durch Erpressung, Bestechung oder gar dadurch, dass er sich am Eigenthum des Sultans selbst vergriffen, habe erwerben können. Der Sultan liess Faradji kommen, und befahl ihm, da er gehört habe Faradji habe fremdes Eigenthum, er überdies ja als ehemaliger Sklave nichts besessen habe, das fremde Eigenthum, und namentlich das was ihm, dem Sultan, zukomme, von seinem zu sondern. Der schlaue Faradji erwiederte nichts, ging in den Pferdestall des Sultans, entledigte sich seiner Kleidungsstücke, zog einen alten wollenen Kittel über, und fing an den Stall zu kehren. Der Sultan fragte einige Zeit später nach Faradji, und war erstaunt als derselbe im ärmlichsten Anzuge vor ihm erscheint. Befragt, warum dies, erwiederte er: "Ja Herr, Du befahlst meine Habe von der Deinigen zu trennen! Als ich von Deinem Grossoheim Mulei Sliman gekauft wurde, hatte ich nichts als diesen wollenen Sklavenkittel, den ich zum Andenken meiner Herkunft aufbewahrt habe, und auch dieser gehört ja, streng genommen, nicht einmal mir, wie konnte ich also mein Eigenthum von Deinem trennen, bin ich nicht noch immer Dein Sklave? Lass von Deinem Diener alles nehmen, alles was ich verwaltete, ist Dein rechtmässiges Eigenthum."

Man kann sich denken, dass der auf diese Art die Grossmuth des Sultans anrufende Faradji leichtes Spiel hatte, in der That umarmte ihn Sidi Mohammed, und Faradji wurde aufs neue in seine Kaidwürde eingesetzt, und ihm alle seine Güter gelassen. Als der Sultan von Neu-Fes nach Mikenes übersiedelte, besuchte ich mehreremal Faradji, er war immer sehr freundlich und zuvorkommend, pflegte den ganzen Morgen, auf einem Teppich sitzend, vor dem Magazm (es ist dies der officielle Ausdruck für das Palais des Sultans, und bedeutet zugleich die ganze Regierung) zuzubringen. Faradji war ein stattlicher schwarzer Greis mit intelligenten Gesichtszügen und schönem, wenn auch nur spärlichem weissem Barte. Seiner eigenen Meinung nach war er 1863 neunzig Jahre alt, was wohl eher zu wenig als zu viel sein dürfte, da er schon unter Sultan Sliman[91], also zur Zeit als Ali Bey Marokko besuchte, Kaid war.

Si Mohammed ben Thaleb, der Bascha von Alt-Fes, dessen Gast ich während der ganzen Zeit meines Aufenthalts in Fes war, hatte freilich ein ganz anderes Schicksal. Er war ein Mann von rechtlichem Charakter und vollkommen vorurtheilsfrei, was in Marokko viel sagen will; ich finde in meinem Tagebuch sogar die Notiz: "Ben Thaleb war der einzige wirklich ehrliche und durchaus rechtliche Mensch, den ich in Marokko kennen lernte." Gebürtig aus Ain Tifa, einem Orte etwa einen Tagemarsch südöstlich von der Stadt Marakisch gelegen, war er fast unabhängiger Herrscher über eine dortige Berbertribe, welche seiner eigenen Aussage nach sieben Hauptstämme umfasste. Mächtig und reich (er verkaufte jährlich für etwa 200,000 Fr. Mandeln nach Ssuera), wäre er gewiss lieber in seiner Stellung als Berberchef geblieben, wie er überhaupt nie fröhlicher und vergnügter war, als wenn seine Stammgenossen, Berber von der Heimath, ihn in Fes besuchten und er mit ihnen Schellah oder Tamashirt reden konnte. Aufstände, wie sie so häufig in Marokko vorkommen, verwickelten seine Berberstamme im Jahre 1846 gegen die kaiserliche Regierung; Ben Thaleb selbst betheiligte sich jedoch nicht daran, sondern hielt mit seiner ganzen Familie zum Sultan. Der Aufstand endete, wie in der Regel, mit der Niederlage der Rebellen, der Sultan Abd-er-Rhaman aber, um einen so mächtigen Stamm für immer an sein Haus zu ketten, ernannte ihren Schich Ben Thaleb zum Bascha-Gouverneur von Fes, welche Stelle als die erste nach dem Uïsirat (Ministerium) im ganzen Reich betrachtet wird. Der Berberstamm wurde durch eine so schmeichelhafte Auszeichnung, die seinem Chef widerfuhr, vollkommen zum Sultan hinübergezogen, und auch Ben Thaleb schien diesen Platz, der mehr als jeder andere abwirft, zuerst nicht ungern angenommen zu haben.

Indess schon zu Lebzeiten Mulei-Abd-er-Rhaman's war Ben Thaleb wiederholt um seinen Abschied eingekommen, er hatte in Erfahrung gebracht, dass ein Gouverneur von Alt-Fes, der reichsten Stadt des Landes, nie eines natürlichen Todes stürbe. In Marokko haben nämlich die Beamten eine ganz andere Stellung als bei uns. Nicht dass sie vom Staate, wie denn dort Staat und Sultan noch eins sind, oder vom Herrscher Gehalt bekommen, müssen sie im Gegentheil der Regierung, oder der Casse des Sultans, Gelder abliefern. Sie können allerdings dafür von ihren Schutzbefohlenen so viel erpressen, wie sie wollen. Da nun jeder Beamte darauf ausgeht, seinen Säckel zu füllen, ausserdem aber grosse Summen dem Sultan abzuführen hat, so kann man sich denken, wie schlecht das Volk dabei fährt, und meistens sind Uebersteuerungen und Willkürliche Erpressungen die Ursachen der so häufigen Revolten. Es ist dieses System auch andererseits Ursache der schlechten Cultur des Bodens; abgesehen davon, dass weder Berber noch Semiten je etwas im Ackerbau geleistet haben, giebt sich kein Mensch Mühe, den Boden so ergiebig wie möglich zu machen, weil er weiss, dass die Erzeugnisse der Regierung verfallen sind. Ebenso ist der Handel dadurch gelähmt, der reiche Kaufmann von Fes sieht mit Bangen dem Tage entgegen, wo die Regierung sich seiner Ersparnisse bemächtigt, und es giebt deshalb auch in keiner Stadt, in keinem Ort Jemand, der nicht seinen geheimen Schatz hätte, der in der Regel vergraben ist.

Der Bascha ben Thaleb regierte im Jahre, als ich Fes betrat, die Stadt seit 13 Jahren. Da er seinen Abschied auch von Sidi Mohammed nicht bekommen konnte, tröstete er sich mit den Gedanken, diesem bei seinem Regierungsantritt den wichtigsten Dienst geleistet zu haben, und rechnete auf seine Erkenntlichkeit.

Wie bei jedem Kaiserwechsel, so waren auch bei dem Tode Mulei-Abd-er-Rhaman's grosse Unruhen und Fehden um die Nachfolge ausgebrochen. Es war vor allen der älteste Sohn des Sultan Sliman, Namens Mulei Abd-er-Rhaman-ben-Sliman, der mit Hülfe der Franzosen hoffte, den Thron seines Vaters wieder zu gewinnen, aber trotzdem er seinen Sohn Hülfe bittend an den gerade mit der Niederwerfung der Beni Snassen beschäftigten französischen General Martimprey schickte, konnte er nicht aufkommen. Da war ferner der erste Sohn des verstorbenen Sultans und älterer Bruder des jetzt regierenden, auch er wurde aus dem Felde geschlagen, und wurde wie der erst erwähnte nach Tafilet verbannt[92]. Der jetzt regierende Sultan Sidi Mohammed verdankte seine schnelle Installirung hauptsächlich dem Umstande, dass sich Sidi el Hadj-Abd-es-Ssalam von Uesan für ihn erklärte, dass er schon bei Lebzeiten des Vaters Califa, d. h. Stellvertreter des Sultans gewesen und grosse Schätze angesammelt hatte, und dass sich Ben Thaleb, der Gouverneur von Fes, sofort zu seiner Partei bekannte.

Der Bascha von Alt-Fes hatte indess gar nicht so leichtes Spiel, denn wenn auch Faradji, der Gouverneur von Neu-Fes, des jetzigen Sultans Panier ergriff, so hatte dieser mit seinen wenigen Soldaten genug zu thun, um das Palais des Sultans und Neu-Fes vor Plünderung und Angriff zu schützen. Ben Thaleb hatte aber ausser einem Dutzend Maghaseni (Reiter) nur von seinen eigenen, mit Flinten bewaffneten Berbern vielleicht 50 Mann zur Verfügung. Der jetzige Sultan war mit der Armee noch fern von der Hauptstadt.

Eines der wichtigsten Quartiere der Stadt, das der Djemma Mulei Edris, vorzugsweise von Schürfa (Abkömmlingen Mohammed's) bewohnt, empörte sich nun sofort nach dem Tode Abd-er-Rhaman's und rief den ältesten Sohn des Sultan Sliman zum Nachfolger aus. Aber sie hatten nicht auf Ben Thaleb's eiserne Energie gerechnet: er liess fast vom ganzen Quartiere die erwachsenen Männer decimiren, die Häuser der vornehmsten Schürfa wurden dem Boden gleich gemacht, und alles was am Leben blieb, wurde seines Eigenthums beraubt. Diejenigen nun, welche wissen was es heisst, einen Scherif in Marokko beleidigen, strafen oder gar tödten, können sich denken, welche Aufregung dieses Verfahren Ben Thalebs hervorrief, der nicht einmal Araber, geschweige Scherif, sondern nur ein Brebber[93] war. Aber der Berber-Schich war nicht der Mann, sich einschüchtern zu lassen, andererseits vertheilte er den anderen Quartieren der Stadtje 2000 Metkal, ein ganz artiges Sümmchen für 17 Quartiere. So brachte er durch Strenge und Güte es dahin, dass Fes den jetzigen Sultan gleich anerkannte, und als der Vetter des Sultans mit seinem Heere vor die Hauptstadt rückte, wurde er von den Bewohnern von Fes, an deren Spitze Faradji und Ben Thaleb standen, feindselig empfangen; er musste fliehen, als Sidi Mohammed herbeirückte, diesem wurden die Thore geöffnet, und damit hatte Marokko einen Sultan.

Als Gast des Bascha's bezog ich mit meinem Dolmetsch, welcher Hauptmann der regelmässigen Armee des Sultans war, ein Zimmer, welches zur Privatmoschee des Bascha's gehörte, welche gleich neben seiner Amtswohnung gelegen ist. Mit zunehmender Wärme wurde der Aufenthalt in diesem Zimmer bald unerträglich, und als eines Tages der Bascha fragte, wie ich mit meiner Behandlung zufrieden sei, machte ich ihn auf die unerträgliche Hitze aufmerksam. Er rief einen seiner Diener und fragte ihn, welche Wohnung in der Nähe der seinigen auf der Stelle zu haben sei; dieser bezeichnete einen reizenden Sommersitz, welcher, obschon in der Stadt gelegen, einen hübschen Garten habe, vom Fes-Flusse durchzogen würde, an die Wohnung des Bascha anstiesse, "aber", fügte er hinzu, "der Scherif, dem es gehört, hat seinen Sommeraufenthalt schon darin genommen." "Geh' auf der Stelle und sage ihm, ich brauche seine Wohnung," war des Bascha's kurze Antwort. "Und du Mustafa,"[94] fuhr er fort, "kannst heute noch umziehen, und wirst nun gewiss zufrieden sein." Der Scherif schien indess nicht grosse Eile zu haben; vielleicht glaubte er auch, weil er Scherif (Abkömmling Mohammed's) sei, dem Befehle trotzen zu können. Kurz, als ich am folgenden Tage Ben Thaleb besuchte und er sich nach meiner Wohnung erkundigte, musste ich gestehen ich sei, weil der Eigenthümer sich noch immer in seinem Hause befände, noch in meinem Moschee-Zimmer. Aber kaum liess der Bascha mich vollenden; ein Diener wurde gerufen, er bekam Befehl, auf der Stelle den Scherif mit seinem beweglichen Eigenthum auf die Strasse zu setzen; so geschah es, und an demselben Tage konnte ich einziehen. Es würde nichts genützt haben, hätte ich zartfühlend gegen diesen Befehl, den Eigenthümer aus seinem Besitze zu vertreiben, protestiren wollen, Niemand würde ein solches Benehmen verstanden haben, da das unfehlbare Benehmen, d. h. willkürliches Betragen, sich vom Sultan auch auf seine Beamten übertragen hat.

Folgendes nun wirft auch Licht auf das summarische Gerichtsverfahren in Marokko und Fes überhaupt, und ich schreibe die hier folgenden Zeilen wörtlich aus meinem damals geführten Notizbuch ab.

Das neue Haus, welches ich bezog, hat ein Stockwerk und ist nicht nach Art der Wohnhäuser in Fes eingerichtet, sondern nach anderen Regeln erbaut. Mitten im Garten liegend, fliesst unter dem Hause der kleine Ued Fes, der hier in den Garten tritt und in einer 4' tiefen und 6' breiten gemauerten Rinne läuft, bis er an eine dem Hause gegenüberliegende Veranda kommt, und unter dieser in einen andern Garten tritt. Das Haus selbst hat unten eine geräumige Veranda, einen Salon und ein Zimmer, das alkovenartig (eine Art von Kubba) hinten angebaut ist; oben sind drei Zimmer, die wir unbewohnt liessen; ebenso wurde das platte Dach selten benutzt. Der mir als Dolmetsch beigegebene Offizier schlief mit mir im hintern alkovenartigen Zimmer; in der einzigen Thür, welche zum Salon führte, schliefen drei Diener zwei andere in der Veranda, und zwei waren in der gegenüberliegenden Veranda, wo wir der Bequemlichkeit halber auch unsere Pferde stehen hatten. So bewacht, dachten wir nicht im entferntesten an Diebstahl, zudem in Fes Nachts, weil die einzelnen Quartiere, wie früher schon erwähnt ist, abgeschlossen sind, die grosse Communication ganz aufgehoben ist.

Eines Abends hatten wir, der Kaid oder Hauptmann und ich, auf unserem Teppich liegend, spät Abends Thee getrunken, beim silbernen Mondschein, am Rande des vorbeiplätschernden Flüsschens, unter duftenden Orangenbäumen hatten wir die Zeit vergessen, und der Muden ilul (das erste Avertissernent zum Gebet wird im Sommer schon um 1 Uhr Morgens von den Minarets gegeben) ertönte, als wir schlafen gingen. Wir mochten kaum eine halbe Stunde geschlafen haben, als einer der Diener "Sserakin, Sserakin" (Diebe, Diebe) rief. Alle liefen wir hinaus mit Gewehren bewaffnet, aber nichts war zu finden. Wie hätte aber auch ein Dieb herein und so schnell hinauskommen können: an drei Seiten hatte der Garten fast 20 Fuss hohe Mauern, und die vierte Seite führte mittelst einer senkrechten, etwa 30 Fuss hohen Mauerwand in einen anderen Garten, unmöglich konnte er hier hinuntergesprungen sein. Indess fanden wir, nach unserer Behausung zurückgekehrt, dass wirklich ein Dieb dagewesen sein musste, es fehlten von meinen Kleidungsstücken, die ich abgelegt hatte, Hosen, Pantoffeln, dann der Turban des Hauptmanns, ferner ein erst Tags zuvor angebrochener Hut Zucker, endlich unser ganzes Theeservice, Eigenthum des Bascha's. Eine genauere Untersuchung ergab, dass der Dieb unter der Gartenthür sich durchgewühlt, und wahrscheinlich schon mehrere Gänge gemacht hatte.

Auf unsere am anderen Morgen erfolgte Anzeige wurden von Ben Thaleb sämmtliche umwohnenden Bürger verhaftet, sie mussten die Sachen in Gemeinschaft ersetzen, ausserdem ein jeder 20 "Real" (so nennt man die französischen fünf Francs-Stücke) Caution erlegen, bis der Dieb von ihnen selbst ermittelt wäre. Mit Erlegung der 20 Reals erlangten sie zwar ihre Freiheit wieder, aber ich glaube kaum, dass sie je wieder zu ihrem Gelde gekommen sind, sollte es ihnen auch gelungen sein den Dieb zu ermitteln. Ich bemerke hiebei, dass ich einige Jahre später in Leptis magna von der türkischen Behörde eine ganz ähnliche Justiz üben sah, als einem meiner Diener aus dem Zelt ein Revolver Nachts gestohlen wurde.

Ausser den beiden Gouverneuren der Stadt giebt es sodann Vorsteher der einzelnen Quartiere, Vorsteher der Moscheen, Einsammler der Gelder, Marktvögte, einen Marktkaid der Kessaria, und einen Marktkaid des grossen, einmal in der Woche ausserhalb der Stadt abgehaltenen Marktes. Die Marktvögte und der Marktkaid haben hauptsächlich die Obliegenheit Streitigkeiten zu schlichten und Ordnung zu halten. An jedem Thore findet man einen Kaid el Bab, der die Thore zu öffnen und zu schliessen, sowie den Zoll zu erheben hat, es ist sodann eine Hauptzollamt in der Stadt, endlich sind als Behörden noch die Zunftmeister zu nennen, da jedes Handwerk zu einer Zunft verbunden ist, welcher ein Meister, der den Titel Kebir hat, vorsteht.

Die nächste Umgebung der Stadt zeigt im Norden, Osten und Westen die blühendsten Gärten, die man sich nur denken kann, im Südwesten sind Vorstädte; fast vor allen Thoren ziehen sich Gräberreihen und Gottesäcker hin, von denen einige äusserlich recht stattlich aussehende grössere Grabmonumente aufzuweisen haben. Indess liegt in diesen kaiserlichen Grabmonumenten eine gewisse Einförmigkeit, alle haben viereckige Form, darüber eine achteckige oder viereckige oder auch ganz runde Bedachung. Im Innern findet man in der Regel einen Sarkophag, oft mit Tuch überzogen, oft aber auch nur aus einem hölzernen Gestell bestehend. Neben einem solchen Hauptgrabe findet man manchmal zwei bis sechs und noch mehre kleinere einfache Gräber; entweder waren es Kinder der hier begrabenen Fürsten oder manchmal auch Vornehme und Grosse des Landes, die gegen hohe Geldsummen das Recht erwarben, sich an der Seite ihres Sultans begraben lassen zu können. Von der jetzt regierenden Dynastie ist niemand in oder ausserhalb Fes' beerdigt, sie hat ihre Grabstätten in Mikenes.

Ein grosser und für uns Europäer fast unerträglicher Uebelstand ist, dass dicht vor den Thoren sich verwesende Berge, oft 50 Fuss hoch, von crepirten Thieren befinden; seit Jahrhunderten ist es Brauch, jedes todte Vieh, allen Unrath vor die Thore der Stadt zu bringen, aber so dicht an den Wegen sind diese verpestenden Hügel errichtet, dass es eine Qual ist, aus der Stadt heraus und in dieselbe hinein zu kommen.

Der die Stadt beherrschende Berg, der im Norden und Nordwesten sich um dieselbe herumzieht, heisst Djebel-Ssala, er hat vielleicht 1000 Meter absolute Höhe. Unter dem Vorwande, Kräuter für Bascha Ben Thaleb suchen zu wollen, bekam ich eines Tages Erlaubniss hinauf zu reiten; durch einen breiten Gürtel lachender Feigen- und Orangengärten, wo ausserdem Pfirsiche, Aprikosen, Granaten, Wein und Kirschen gezogen werden, gelangt man in Oelwaldungen, das zweite Drittel ist von immergrünen Eichen, von Lentisken und anderen das Laub nicht verlierenden Bäumen bestanden, das letzte Drittel hat nur Buschwerk und Zwergpalmen. Oben auf dem Berge, von dem aus man eine prächtige Uebersicht über die Stadt, über die Ebene bis zum grossen Atlas und über das nach Westen sich ziehende Serone-Gebirge hat, traf ich einen Einsiedler, Sidi Mussa, schon seit 50 Jahren in einer Höhle auf dem Ssala-Berge lebend. Im Rufe grosser Heiligkeit, lebt er von den Gaben der Pilger, hat aber ausserdem eine grosse Bienenzucht. Auf dem Plateau des Ssala-Berges sind mehrere Quellen und sogar Gärten und Ackerbau.

Was die Bevölkerung von Fes anbetrifft, welche wir auf 100,000 Seelen schätzen können und die vor der Cholera im Jahre 1859 wohl noch 20,000 mehr betrug, so besteht dieselbe vorzugsweise aus Arabern und Berbern.

Während aber auf dem Lande die Mischung von Berbern und Arabern bedeutend seltener ist, kommt sie in den Städten häufiger vor, indess doch nicht der Art, dass man sagen könnte, ein Volk habe das andere absorbirt. Aeusserlich unterscheiden sich die Bewohner von Fes, wie die der übrigen Städte von den Landbewohnern durch grosse Weisse der Haut, es hat dies aber einzig seinen Grund darin, dass sie fast nie der Sonne ausgesetzt sind, da selbst, wenn sie auf die Strassen gehen, diese so eng sind, dass sie nur auf kurze Zeit von der Sonne beschienen werden. Der Grund der häufigen Corpulenz bei den Männern ist denn auch nur darin zu suchen, dass sie wenig Uebung, wenig Bewegung bei verhältnissmässig kräftiger Kost haben. Im allgemeinen sind trotz des sehr hellen Teint die Leute von Fes sehr hässlich, namentlich häufig findet man wulstige Lippen und krauses, obschon langes Haar. Negerblut ist hier unverkennbar, wie denn überhaupt in ganz Marokko viel Negerblut unter die Arabern gekommen ist. Fes vor den übrigen Städten des Landes zeichnet sich noch dadurch aus, dass mit den arabischen und berberischen Elementen sich stark das jüdische gemischt hat. Nicht etwa durch freiwillige Heirathen, sondern dadurch, dass hübsche Jüdinnen gezwungen werden, in den Harem des Sultans oder eines Grossen des Reichs zu treten oder durch gezwungene Uebertritte durch Kinderraub; so pflegen denn auch die übrigen Bewohner des Landes von den Familien in Fes zu sagen: die Hälfte derselben habe jüdisches Blut in ihren Adern.

Die Zahl der Juden in Fes, welche, wie alle marokkanischen, zum Theil direct von Palästina eingewandert, zum Theil von Spanien zurückvertrieben sind mag sich auf 8-10,000 belaufen. Sie leben hier ebenso unglückselig wie in den übrigen marokkanischen Städten. Der verstorbene Sultan Abd-er-Rhaman glaubte es durchsetzen zu können, den Juden eine Art Emancipation zu verschaffen, und gestattete den Juden gleiche Tracht mit den Moslemin. Der erste Unglückliche, der es wagte seine Melha (den Juden-Ghetto) mit rothem Fes, mit gelben Pantoffeln zu verlassen, kehrte nie zurück: er wurde gesteinigt. Der Sultan hatte, trotz seiner Unfehlbarkeit, nicht die Macht den religiös-fanatischen Wuthausbruch seiner Unterthanen zu dämpfen.

Der religiöse Fanatismus, der ja allen semitischen Religionen innewohnt, ist überhaupt eine der sublimen Seiten der Bewohner von Fes. Wie oft habe ich selbst mich von irgend einem Lumpen auf der Strasse angehalten gesehen, der mir mit den Worten "Scha had," d. h. bezeuge, den Weg vertrat, und er und die sich rasch ansammelnde Menge liessen mich sicher nicht eher passiren, als bis ich "Lah il Laha il Allah", gesagt hatte, bekanntlich die Glaubensformel der Mohammedaner.

Die Tracht der Bewohner von Fes ist die der übrigen Städter, d. h. es kann hier nur von der Kleidung der Reichen die Rede sein, da ein Armer nur seinen Haik, d. h. ein langes weiss wollenes Umschlagetuch und ein cattunenes Hemd darunter zum Anziehen hat, sonst aber barfuss und barhaupt daherkommt. Im Winter wird freilich der wollene Burnus darüber gezogen, der manchmal aus schwarzer, manchmal aus weisser Wolle besteht.

Der Anzug des wohlhabenden Bewohners von Fes ist indess viel reichhaltiger. Auf dem Kopf trägt er einen hohen spitz zulaufenden rothen Fes, Saschia genannt, um den ein weisser Turban, Rasa, gewickelt wird. Ueber ein langes weissbaumwollenes Hemd, Camis, vervollständigen eine Tuchweste mit vielen Knöpfen, und bis oben eng anschliessend und zugeknöpft, Ssodria, dann ein Tuchkattan aus schreienden Farben und eine weite Hose, Ssrual, den Anzug, gelbe Pantoffel bilden die Fussbekleidung. Die meisten Jünglinge und Männer tragen Fingerringe aus Silber mit werthlosen Steinen, einige haben Ringe mit Steinen, welche man im Wasser auflösen kann (nach der Aussage des Besitzers), und welche Auflösung alsdann ein Mittel gegen Vergiftung ist. Einen solchen Ring besass Ben Thaleb auch, dennoch entging er nicht seinem Tode.

Sehr unangenehm ist die entsetzliche Unreinlichkeit, welche überall herrscht; die Kleider werden nie gewechselt, sondern, wenn einmal angezogen, immer Tag und Nacht, so lange auf dem Körper getragen, bis man neue Kleidungsstücke anschafft. Allerdings spricht Leo von grossen öffentlichen Waschanstalten in Fes; ich konnte leider solche zu meiner Zeit nicht mehr constatiren. Der reiche Bewohner kauft sich einmal, wohl auch zweimal, im Jahr einen neuen Anzug, bei Gelegenheit eines grossen Festes. Das altgewordene bekommen sodann die Kinder, Verwandten, Diener, oder auch arme Freunde zum Weitertragen. Der Arme kauft sich, nachdem er lange darauf gespart hat, einen Anzug, legt ihn dann aber nie wieder ab, bis er absolut unbrauchbar geworden ist. Freilich findet einmal im Jahr eine grosse Kleiderreinigung, eine allgemeine Wäsche, statt: am Tage vor dem aid-el-kebir, dem grossen Bairam der Türken. Da an diesem Tag Jeder geputzt erscheint, wer es kann sich ein neues Kleid kauft, und wer nicht, doch darauf hält so rein als möglich zu erscheinen, so sehen wir denn am Tage vor dem aid-el-kebir alle Welt, Jung und Alt, Männer und Frauen den Wasserplätzen zueilen; man entledigt sich der Kleidungsstücke und wie besessen tanzt und springt Jeder auf seinem Zeuge herum, um mit den Füssen den jahrelangen Schmutz herauszustampfen: eine einfache Handwäsche würde dazu nicht genügen.

Die Nationalspeise der Fessi ist ebenfalls Kuskussu - ein Mehlgericht, welches aus geperltem Weizen- oder Gerstenmehl bereitet und mittelst Dampf gekocht wird. Der nahe Sebu liefert indess ausgezeichnete Fische, die man in einer gepfefferten und durch Tomaten rothgefärbten Oelsauce stets fertig auf dem Marktplatze bekommen kann. Hammel-, Ziegen- und Schaffleisch ist gleichfalls billig zu haben, und in Fes wird wohl mehr animalische Nahrung consumirt, als im ganzen übrigen Lande, die Städte ausgeschlossen, zusammen.

Wie alle Marokkaner, sind auch die Fessi grosse Liebhaber von Thee, der vor dem Essen gereicht wird; die Manier zu essen ist aber eben so unsauber bei den vornehmsten Fessi, wie im ganzen Lande. Mehrere Personen hocken um eine irdene Schüssel, die in einem niedrigen Tischchen, etwa zwei Zoll hoch, Maida genannt, aufgetragen wird. Alles kauert auf der Erde, in solcher Stellung, wie Jeder sie nehmen will; nachdem ein Sklave oder einer der Gesellschaft Wasser zum Abwaschen der Hände herumgereicht hat, spült man sodann diese ab, und ein gemeinsames Handtuch bei den Reichen dient zum Trocknen, bei Unbemittelten trocknet man sich einfach die Hände mit dem Zipfel seines Burnus. Dann, auf ein gegebenes Zeichen, greift mit dem Worte "Bi' Ssm' Allah" (Im Namen Gottes) ein Jeder mit der Rechten in die Schüssel, um den erhaschten Bissen zum Munde zu führen. Alle befleissigen sich einer ausserordentlichen Eile, um nicht zu kurz zu kommen, nur bei sehr Reichen wird langsam gegessen, weil da mehrere Schüsseln folgen. Es gehört übrigens zum guten Ton für die Frauen, Diener und Kinder, oder auch für die herumlungernden Armen, Anstandsbrocken in der Schüssel zu lassen. Eine grosse Auszeichnung aber ist es jedenfalls für einen Fremden, wenn der Wirth selbst mit seiner schmutzigen Hand in die Schüssel fährt, einen Lockma, d. h. Bissen oder Mundvoll, hervorholt und ihn dem Gast in den Mund schiebt. Obschon ich nicht lange Zeit brauchte um mich an diese Art des Essens zu gewöhnen, denn Hunger überwindet Alles, so hatte ich doch längere Zeit nöthig zu lernen geschickt und anständig zu essen, denn es gehört Geschicklichkeit dazu die oft halb flüssigen Bissen mit Eleganz an den Mund zu befördern, namentlich, wenn man nicht zu kurz kommen will.

Ein Trunk Wasser, eine abermalige oberflächliche Handabspülung und ein nie unterlassenes "Hamd ul Lah" (Lob sei Gott) beschliesst jedes Mahl.

[78] ain = Quelle.

[79] Fes-el-bali sollte eigentlich Fes-el-kedim heissen, denn das Wort kedim entspricht genau unserm "alt", während "bali" mehr das "abgenützt" in sich schliesst.

[80] Ras-el-ma heisst eigentlich weiter nichts als Kopf des Wassers d. h. Quelle.

[81] Ein gerader Gang darf von der Strasse nicht ins Innere des Hauses führen, weil sonst, bliebe ja einmal aus Versehen die Hausthür offen stehen, der Blick eines Fremden in den Hofraum fallen könnte.

[82] Leo giebt an: es seien über 150 öffentliche Latrinen in Fes, und sämmtliche würden durch fliessendes Wasser von selbst reingehalten. Ob so viele in Fes sind, kann ich nicht behaupten, jedenfalls wird, da man in allen marokkanischen Städten, auch in den Oasen, öffentliche Latrinen findet, auch wohl in Fes dafür gesorgt sein. Man findet sie übrigens nicht nur mit Moscheen verbunden, sondern häufig auch ganz unabhängig von solchen.

[83] Bu-Djelud heisst Vater der Felle; wahrscheinlich befand sich hier am Flusse - denn dieser Palast liegt hart am Ued-Sebu - eine Gerberei. Eine ähnlich sonderbare Benennung hat ja auch der Palast der französischen Herrscher in Paris: Tuilerie.

[84] Am 14. August 1844. Der jetzige Sultan entkam seiner Gefangennahme nur dadurch, dass er beim Eindringen der Franzosen in sein Zelt dieses mit dem Säbel schlitzte, und aufs Pferd sich schwingend, von diesem aus dem Bereich der Feinde getragen wurde.

[85] Eine Dampfwallfahrt bei den Christen wird ebenfalls bedeutend geringer angerechnet, als wenn man den Wallfahrtsort auf Erbsen rutschend erreicht, wir dürfen uns also keineswegs hierin über die Mohammedaner wundern oder gar lustig machen.

[86] Uebersetzung des Koran von Dr. Ullmann, Bielefeld, 1867.

[87] "Ducaten" in der deutschen Uebersetzung Leo's von Lorsbach, ist wohl dahin zu verstehen, dass Ducaten = einem Metkal, also ungefähr = 1 Fr. 25 C. ist, aber immerhin würde die tägliche Summe 250 Fr. für damalige Zeit eine grosse Summe sein.

[88] Bab es ssinssla oder ssilsla = Kette, weil sie mit einer eisernen Kette querüber abgeschlossen ist, jedoch so dass man zu Fusse an beiden Seiten vorbeigehen kann. Aber hier in dieser heiligen Strasse, bei dem Portale Mulei Edris' vorbei, darf kein Jude (Christen kommen ja ohnedies nicht nach Fes) sich zu zeigen wagen, Tod oder sein Uebertritt zum Islam würde unmittelbare Folge einer Ueberschreitung des Verbotes sein. Aber auch Gläubige dürfen in dieser Strasse nicht rauchen oder sich dem Opium- und Haschisch-Genusse hingeben.

[89] Thee und Zucker wird in ganz Marokko als eine zusammenhängende Waare verkauft, wenigstens hält es sehr schwer Thee allein zu bekommen. Auf ein halbes Pfund Thee werden fünf Pfund Zucker gerechnet. Der Thee selbst, von Engländern importirt, ist von der grünen Sorte und schlechter Qualität.

[90] Wenigstens muss man so annehmen, da man in Frankreich selbst die 20 Cent.-Stücke fast gar nicht sieht, hingegen in Marokko sie äusserst zahlreich und von allen Jahrgängen vertreten findet.

[91] Die jetzige Dynastie in Marokko wird die der Filali genannt, weil der Gründer Mulei Ali aus Tafliet (der Bewohner Tafilets heisst ein Filali) stammt. Dessen Sohn Mulei Mohammed wurde von seinem Bruder Mulei Arschid vom Throne gestürzt, und dieser, der von 1664-1672 regierte, war nach Jussuf ben Taschfin der mächtigste Monarch. Die Grausamkeit dieses Sultans wurde von den raffinirten Grausamkeiten Mulei Ismaels, der sein Bruder war und ihm 1672 folgte, noch übertroffen. Ismael, jetzt einer der grössten Heiligen von Marokko, regierte bis 1727. Nach ihm folgte Mulei Ahmed Dehabi, vierter Sohn Ismaëls, regierte jedoch nur bis 1729; sein Bruder Mulei-Abd-Allah folgte bis 1757, und nach ihm kam sein Sohn Sidi Mohammed, der bis 1790 regierte und im Jahre 1760 Mogador gründete. Die beiden folgenden Söhne, Mulei Mohammed Mahdi el Tisid und Mulei Haschem regierten nach einander zusammen nur zwei Jahre. Mulei Sliman behauptete sodann den Thron von 1792-1822, und nach ihm regierte Mulei Abd-er-Rhaman ben Hischam bis 1859, und dessen zweiter Sohn, Sidi Mohammed, behauptet heute noch den Thron.

[92] Beide Prinzen, die ich dort kennen lernte im Jahre 1863, lebten in freiwilliger Verbannung, obschon man in Marokko behauptet, die Regierung habe sie dorthin verbannt. Die Lage ist aber derart, dass, wenn der Sultan seines Bruders und Vetters habhaft werden könnte, er sie sicher wurde hinrichten lassen.

[93] Bezeichnung für Berber in Marokko. Man sieht hieraus, dass der Araber den Wahn, den Mohammed lehrte, das arabische Volk sei besser als jedes andere, noch immer aufrecht erhalten. Es trug dies wesentlich zum Untergange des arabischen Volkes bei, wie denn auch die Juden den Dünkel das auserwählte Volk Gottes zu sein schwer genug haben büssen müssen.

[94] Es war dies mein in Marokko angenommener Name.


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