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II. Von Tripolis nach Rhadames.

Der Ausmarsch. Lotus zizyphus. Sklavenhandel. Gangart des Kamels. Die Festung Ghorian. Der Pascha. Türkische Militärärzte. Ksebah. Juden als Handwerker. Aberglauben. Ankunft vor Misda. Die Misdani. Der Snussi-Orden. Ein Räuberhauptmann. Ungebetene Gäste. "Gielen". Die Gra. Die Hammada. Die Oase Derdj. Einzug in Rhadames.

Während am Tage zuvor ein starker Gebli (Südwind) die Temperatur schon 10 Uhr Vormittags auf + 40deg.C. gesteigert hatte, wehte jetzt ein angenehmes Meerlüftchen, das bald zum kräftigen Behari (Nordwind) heranwuchs. Der Wind bläst günstig! konnte ich wie der den Hafen vorlassende Schiffer ausrufen. Unter lebhaftem Plaudern erreichten wir den östlichen Saum des Palmenwaldes, den Anfang der Sanddünen. Man hat hier in nächster Nähe von Tripolis ein echt afrikanisches Bild vor sich: schlanke immergrüne Palmen, Orangen- und Olivenbäume mit saftigem Blätterschmuck, unmittelbar daneben aber die öde Sanddüne, und alles überwölbt von einem trübblauen Himmel. In Nordafrika ist der Himmel beständig in graue Schleier gehüllt; der klare und tiefblaue Himmel des europäischen Südens zeigt sich erst wieder in der Region der Haufenwolken, d. h. in Centralafrika während der Regenzeit.

Beim Bir (Brunnen) Bu-Meliana am Rande der Dünen machte der Zug halt. Indess die Wasserschläuche gefällt

wurden, leerte ich mit den Herren aus der Stadt noch ein Glas Wein, dankte für ihre freundliche Begleitung und stiess auf glückliches Wiedersehen an. Dann bestieg ich mein Kamel; noch ein Händedruck, ein Gruss und damit hatte ich für lange Zeit der Civilisation Lebewohl gesagt.

Meine Karavane bestand ausser mir aus sechs Leuten und ebenso vielen Kamelen. Nur ich und meine drei Diener waren bewaffnet, jeder von uns hatte immer Ladung für zwölf Schuss in Bereitschaft. Zuerst ging es in gerader südlicher Richtung hin; bergauf, bergab mussten sich unsere Thiere mühsam über und durch die weissen Sanddünen fortarbeiten. Nach einer Stunde kamen wir an den Bir Sbala, der wie der folgende, anderthalb Stunden davon entfernte Bir Huilet von einer kleinen krautreichen Einsenkung umfasst ist. Bei letzterm fanden wir schon Araber mit einer weidenden Ziegenheerde; der eigentliche Areg (die Sandzone) endet aber erst beim Bir Kicher, wo fruchtbares Ackerland beginnt. Hier theilt sieh der Weg in zwei Arme. Man hatte uns gesagt, der westliche, der eine Richtung von 160deg. hat, sei der nähere; wir verfolgten ihn, und schlugen um 31/2 Uhr nachmittags bei, einem kleinen Duar (Zeltdorfe) unser Lager auf. Da gab es nun noch viel zu ordnen und zu verbessern: hier war eine Kiste zu schwer, dort ein Sack zu leicht- das Schuhzeug, d. h. die Sandalen der Leute wurde neu und zweckmässiger eingerichtet, kurz die Zeit bis zur einbrechenden Nacht zu allerhand Vorbereitungen für die Weiterreise benutzt.

Am andern Morgen um 6 Uhr, nachdem ein zudringlicher Kerl, der sich für besonders heilig ausgab, mir seinen Segen, natürlich für Geld, ertheilt hatte, zogen wir wieder ab, schlugen aber die südöstliche Richtung ein, da die Duarbewohner uns den östlichen Weg als den nähern bezeichneten.

Das Wetter war an diesem Tage ebenso günstig wie am vorhergehenden. Das Land fand ich zumeist gut angebaut, dennoch die Bewohner und ihre kleinen Zelte überaus ärmlich. Kaum kann man diese Behausungen noch Zelte nennen, und viele Familien besassen nicht einmal solche, sondern noch elendere Hütten. Die Wirkung der das Volk aussaugenden türkischen Pascha-Wirthschaft macht sich eben auf Schritt und Tritt bemerkbar.

An vielen Stellen ist das Land mit dichtem Buschwerk durchwachsen, welches die Eingeborenen nicht auszurotten verstehen. Es ist dies die Lotusstaude, L. zizyphus[2], die auch in Algerien ihrer Dornen und tiefen Wurzeln wegen die Verzweiflung der europäischen Colonisten bildet. In Sus, der südwestlichen Provinz von Marokko, sah ich sie ebenfalls häufig ihre kleinen Beeren, die damals, im Herbst, gerade reif waren, dienten mir als angenehme, wenn auch nicht sättigende Zuspeise. Bei den Eingeborenen heisst die Staude Ssodr, und nach ihr wird dieser ganze District von Tripolitanien Ssodria genannt.

Südlich vor uns und südöstlich zur Seite hatten wir jetzt das Gebirge. Um 2 Uhr erreichten wir die ersten Vorberge, deren östlicher, Djebel Batas, eine relative Höhe von 500' haben mag. Nach einer weitern halben Stunde gelangten wir ans Ufer des Uadi El-Hera. Diesem Flusse schickt sowol der Tarrhona im Osten wie das Ghorian-Gebirge im Süden Wasser zu; er wendet sich hier, die bis dahin eingehaltene westliche Richtung verlassend, nach Norden, bewässert in seinem Laufe die Oase Sensur und fliesst, wenn ihn starke Regengüsse angeschwellt haben, bis ins Meer.

Wir begegneten hier einer Karavane, die mit Sklaven lind Sklavinnen von Mursuk kam und mir von neuem bewies, dass der Menschenhandel in den türkischen Provinzen noch immer nicht aufgehört hat, trotzdem die Pforte den europäischen Mächten fortwährend das Gegentheil versichert. Ich werde später Gelegenheit nehmen, auf dieses Thema eingehend zurückzukommen; hier sei nur bemerkt, dass in Tripolis zu der Zeit und es dürfte seitdem kaum anders geworden sein gerade die Regierung selbst den Sklavenhandel in jeder Weise begünstigte.

Unser Marsch endete auch an diesem Tage schon um 3 Uhr nachmittags. Die Treiber und Besitzer der Kamele, die ich zu meinen eigenen für die Reise gemiethet hatte, weigerten sich nämlich weiterzugehen, und da ich selbst darauf bedacht sein musste, die Kräfte meiner Leute wie die der Kamele möglichst zu schonen, gab ich nicht ungern nach.

Am 22. Mai befanden wir uns bereits beim Ausmarsch zwischen den Verbergen des Djebel Ghorian. Die Hitze hatte etwas zugenommen, belästigte uns jedoch wenig, weil wir jetzt in höhere Luftregionen eintraten. Wir kreuzten mehrere male den Uadi Madjar, der südlich vom Ghorian-Gebirge in starken Windungen herabkommend sich in den Uadi Hera[3] ergiesst, und gelangten auf ebenso stark gewundenem, doch im ganzen nicht über 200deg. abweichendem Wege um 9 Uhr an den Fuss des eigentlichen Gebirges. Die uns zugekehrte Seite seines Abhangs ist fast gar nicht bewachsen, aber die Formen der Berge bieten einen malerischen Anblick. Und während ihre Rücken meist kahl sind, strotzen die Schluchten und Thäler vom herrlichsten Grün; Palmen-, Orangen-, Oliven- und Feigenwälder gewähren da eine erquickende Augenweide, um so erquickender, je monotoner die Ebene ist, die man eben durchzogen hat.

Aber wie hinauf kommen auf diese Bergwand? In der That hatten wir kein eigentliches Gebirge vor uns, sondern die zerklüftete Wand eines sehr hohen, ehedem wahrscheinlich die Grenze des nordafrikanischen Continents bildenden Ufers, das von weitem allerdings täuschend wie eine zusammenhängende Gebirgskette aussieht. Wie wird es möglich sein, dachte ich, die Kamele da hinaufzutreiben! Aber es ging besser als ich geglaubt. Der Weg zieht sich in einer engen Schlucht aufwärts, und zwar mühsam, doch ohne erheblichen Unfall wurde er von unsern Kamelen zurückgelegt. Ueberhaupt ist dieser ganze Weg einer der schwierigsten was örtliche Hindernisse anbetrifft, bedeutend gefährlicher als der über Sintan. Manchmal schauderte mich, wenn mein Kamel dicht an einem tiefen Abgrunde hinschritt; aber die Kamele haben einen mindestens ebenso sichern Gang wie die Maulthiere, fast nie geschieht es, dass ein "Höcker"[4] zu Falle kommt. Allerdings ist beim Bergabreiten die äusserste Vorsicht nöthig; denn sich selbst überlassen gerathen die Thiere ins Rennen und halten nicht eher im Laufe ein, als bis sie wieder ebenen Boden unter den. Beinen haben. Und wer je auf einem bergabreitenden Kamel gesessen, der kennt das Gefährliche dieser Situation. Unerträglich sind die Stösse und Püffe, die der Reiter empfängt; er muss sich so bald als möglich von seinem Sitz herabgleiten lassen, sonst riskirt er in einen Stein oder in die Tiefe eines Abgrunds geschleudert zu werden. Auch die Ladung, durch die heftigen Bewegungen des Thiers aus dem Gleichgewicht gebracht, löst sich los und fällt stückweise hinten und von den Seiten herab. Am schlimmsten aber ist es, wenn die zusammengebundenen Kisten oder Säcke dem Thiere auf den Hals rutschen: dann wird es wüthend, rennt mit verdoppelter Schnelligkeit und prallt entweder gegen einen Felsen oder bricht sich, da es der Hindernisse des Weges nicht achtet, die Beine. Beim Passiren steiler Abhänge hemmt, oder um mich eines Schiffsausdrucks zu bedienen, stoppt man daher den Lauf des Kamels, indem ein Treiber, bisweilen auch zwei, den Schwanz des Thieres erfasst und mit aller Macht festhaltend sich von ihm nachschleifen lässt.

Nach einer Stunde hatten wir glücklich die Höhe erstiegen und gönnten uns und den Thieren im Schatten uralter Oelbäume eine kurze Rast. Dann folgten wir dem Bett eines in südlicher Richtung ziehenden Uadi[5] bis dahin, wo es nach Osten umbog, während wir, immer unter Oliven- und Feigenbäumen, unsern Weg gen Süden fortsetzten. Um die Mittagszeit lag gerade westlich vor uns der Djebel Tkutt.[6] Er ist nach Aussage der Bewohner des Ghorian-Gebirges der höchste in der ganzen Kette und springt durch seine regelmässige konische Form, die ganz an einen Vulkan erinnert, sehr in die Augen. Die Leute wohnen hier wie in Sintan und Riaina in Höhlen, sind aber von gesunderm und kräftigerm Bau als die in der Ebene; hatten sie doch erst seit kurzem die Segnungen der tripolitanischen Paschawirthschaft kennen gelernt, die eben anfing ihr Aussaugesystem auch auf sie auszudehnen.

Um 11/2 Uhr hielten wir vor dem Kasr Ghorian, einer kleinen, mit 100-120 Mann besetzten Bergfestung, zugleich Residenz des Kaids von Ghorian. In einiger Entfernung von dem Orte liess ich mein Zelt aufschlagen. Selbstverständlich kam bald eine Menge Neugieriger, Offiziere und Soldaten, heraus, um zu fragen, woher ich komme, wohin ich gehe, wer ich sei u. s. w. Statt aller Antwort zeigte ich ihnen meinen Bu-Djeruldi, den mir vom Generalgouverneur von Tripolitanien in arabischer Sprache ausgestellten Schutz- und Empfehlungsbrief. Mit diesem sandte ich dann Hammed an den Pascha und liess ihn um eine Wache für die Nacht ersuchen. Nicht lange, so erschien ein Offizier der Garnison, der mir die Meldung machte, der Pascha werde nicht nur eine Wache schicken, sondern mich auch mit Lebensmitteln für mich und meine Diener sowie mit Futter für die Kamele versehen; auch lasse er fragen, wann er mich besuchen dürfe. Wohl wissend, wie ungern Türken und Araber sich von ihrem Ruhesitze erheben, trug ich dem Offizier auf, für die zuvorkommende Freundlichkeit dem Pascha zu danken und ihm zu sagen, er möge sich nicht zu mir bemühen, ich würde selbst ihm in seinem Palaste aufwerten. Gegen Abend wurde denn auch das Versprochene gebracht: für meine Leute ein Schaf und Basina (eine Art Gerstenpolenta, die in einer fetten Sauce schwimmt, nichtsdestoweniger aber mit den Fingern aus der tiefen hölzernen Schüssel gelangt wird), für die Kamele Gerste, und für mich eine grosse Platte mit verschiedenen türkischen Gerichten, von denen manche freilich unsern Begriffen von culinarischer Kunst sehr wenig entsprachen.

Am andern Morgen stattete ich dem Pascha meinen Besuch ab. Mit einer Tasse Kaffee und dem Tschibuck bewirthet, schwur ich einen mohammedanischen Eid (die unerlassliche Höflichkeitsformel), noch nie hätte ich einen so grossmüthigen Mann wie Seine Excellenz keimen gelernt, wogegen er beim Haupte des Propheten betheuerte, noch niemand sei so freigebig gegen ihn gewesen wie ich. Ich hatte ihm nämlich einen schönen weissseidenen Haik geschenkt und damit seine Gastlichkeit dreifach bezahlt, zumal er kraft meines Bu-Djeruldi verpflichtet gar, mir das Benöthigte zu liefern, und sogar den Preis dafür der Regierung in Anrechnung bringen konnte.

Dennoch sollte es nicht ganz ohne Differenzen zwischen uns abgeben. Man erregte den Verdacht in ihm, dass ich kein Rechtgläubiger, sondern ein Christ sei, und infolge dessen schickte er mir nun am zweiten Abend weder Essen, noch Futter für die Kamele, noch Brennholz. Erst als ich ihn ernstlich bedeuten liess, er würde sich Unannehmlichkeiten aussetzen, falls er nicht wenigstens Brennholz und Gerste schicke (beides war für Geld nicht zu haben), willfahrte er meinem Verlangen. Ja er bequemte sich, seine Entschuldigungen in höchsteigener Person zu überbringen, und da er mir den Gruss "Isalam alikum", den man nur Rechtgläubigen bietet, zurief, schien er wirklich überzeugt zu sein, dass ich einst der Freuden des mohammedanischen Paradieses theilhaftig werden würde.

Ich empfing auch einen Besuch von dem türkischen Militärarzt, einem jungen liebenswürdigen Mann in glänzender Galauniform. Mit seinen Kenntnissen mochte es wol nicht so glänzend bestellt sein mir kam wenigstens der Ausspruch eines deutschen Landsmanns, des Dr. Struck in den Sinn, der längere Zeit Arzt in türkischen Diensten gewesen und sieh dahin äusserte: "Die türkischen Militärärzte theile ich ein in Wissende, Halbwissende und Unwissende; die Wissenden wissen von der Heilkunde etwas mehr als bei uns die Bader und Barbiere, jedenfalls aber ebenso viel." Ob dies heute, nach Verlauf von acht Jahren, noch zutreffend ist, vermag ich nicht zu sagen.

Das Kasr Ghorian liegt malerisch auf einem der höchsten Punkte des Gebirges, würde aber gegen europäische Belagerungswaffen nicht standhalten können, denn abgesehen von dem schlechten Material, aus dem es erbaut ist, wird es in der Nähe von mehreren Anhöhen beherrscht.

Nördlich und westlich sieht man in ein tiefes Thal hinab, in dem Oliven, Wein, Feigen und Granaten in üppiger Fülle gedeihen; doch nur dessen obere Hälfte hat das ganze Jahr hindurch fliessendes Wasser. Aus der untern Hälfte kamen Abgesandte der dortigen Höhlenbewohner zu mir. Sie brachten als Gastgeschenk Milch, Zwiebeln und rothen Pfeffer und baten mich, sie in ihr Thal zu begleiten; sie hätten gehört, dass ich mich auf die Hendessia (Erdkunde, Messkunde, höhere Wissenschaft überhaupt) verstünde, und da könnte ich ihnen doch anzeigen, wo Wasser unter dem Boden zu finden sei. Gern erfüllte ich ihre Bitte, und ich konnte ihnen auch wirklich mehrere Stellen andeuten, wo sie auf unterirdisch fliessendes Wasser stossen würden. Allein was war ihnen damit geholfen? Eine hervorsprudelnde Quelle vermochte ich nicht nachzuweisen, und zum Bohren auf Quellwasser fehlen ihnen die Mittel, die Werkzeuge, vor allein aber die dazu erforderliche Ausdauer und Energie.

Aus acht von mir angestellten barometrischen Beobachtungen fand ich die Höhe des Kasr Ghorian zu 2118', ein Resultat, das allerdings bedeutend von dem anderer Reisenden abweicht; denn Barth gibt 1696' an, andere nur 1590, und aus meinen meteorologischen Aufzeichnungen hat Dr. Hann später 2155' herausgerechnet. Während der ganzen Zeit bliess ein äusserst unangenehmer Gebli (Südwind), der sich nachts zu solcher Heftigkeit steigerte, dass Nothseile über mein Zelt gespannt werden mussten, und trotzdem wäre es umgeblasen worden, wenn nicht die eisernen Pflöcke so starken Widerstand geleistet hätten.

Als ich am 25. Mai früh zum Aufbruch gerüstet war, fand sich, dass die Treiber meiner Miethkamele fehlten. Es war irgendwo Markt der Nähe, und ohne mich um Erlaubniss zu fragen, hatten sie sich dorthin begeben, um Einkäufe für sich zu machen. Mehrere Stunden lang wurde meine Geduld auf eine harte Probe gestellt, erst um Mittag kehrten die Treiber zurück und konnte der Marsch angetreten werden. Wir kamen daher nur bis Ksebah (Diminutiv von Kasbah), an der südlichen Grenze des Ghoriangebiets. Eine halbe Stunde westlich von Ksebah liegt der Ort Ksor-Kleb (Barth schreibt: Kulebah), und zwischen beiden das Dörfchen Beni-Uizir. Alle diese südlichsten Grenzdörfer haben steinerne Hütten. Der Weg bis dahin führt, immer sanft ansteigend, durch Olivenhaine, Wein- und Feigengärten, und zahlreiche Dörfer über wie unter der Erde deuten auf eine verhältnissmässig dichte Bevölkerung hin.

Einige der unterirdischen Dörfer sind von Juden bewohnt, die hier ganz die Sitten und Gebräuche der eingeborenen Gebirgsbewohner angenommen haben, während sie sich im Aeussern stark von ihnen unterscheiden. Jene zeigen durchweg den Typus des Berberstammes; die Juden sind heller von Farbe. Ihre Sprache ist zwar auch berberisch, aber man erkennt sie gleich an dem lispelnden Jargon. Sie tragen Locken an den Schläfen wie ihre Stammesgenossen in Polen und Marokko. Im ganzen stehen sie mit den Eingeborenen auf gutem Fusse, weil sie diesen unentbehrlich sind, indem sie allein Handwerke betreiben, namentlich sich mit dem Ausbessern der Flinten und der Anfertigung von Schmucksachen beschäftigen. Ihre Dörfer sind übrigens ebenso schmuzig wie die der Berber; überall guckt das Elend hervor, und auch die Begüterten unter ihnen verbergen sorgfältig ihre Habe, aus Furcht, durch den türkischen Pascha derselben beraubt zu werden, oder sie bei einem feindlichen Ueberfall zu verlieren.

Ksebah ist vom Kasr Ghorian, die starken Wegkrümmungen abgerechnet, nur 6 Kilometer in südlicher Richtung entfernt. Der Ort sieht ausnahmsweise recht freundlich aus. Seine Bewohner nennen sich Marabutin (Heilige) und behaupten, aus der Sseggiat-el-hamra im fernen Westen Afrikas herzustammen, was sehr wohl der Fall sein kann, denn häufig genug habe ich in Nordafrika arabische Stämme angetroffen, die bis zum äussersten Westen von Afrika vorgedrungen und, als sie sich in der Hoffnung, immer bessere Wohnplätze zu finden, getäuscht sahen, schliesslich wieder nach dem Osten zurückgewandert waren. Man empfing mich in Ksebah mit den Worten: Marabah scherif (Willkommen, Abkömmling Mohammeds); ich lehnte aber den Titel Scherif ab, und meine Diener sagten, ich sei Mustafa Bei. Das schien die Leute zu erschrecken; sie mochten fürchten, ich würde als vornehmer Herr sehr grosse Ansprüche machen. Natürlich that ich nichts dergleichen; aber aus freien Stücken gab mir der Kaid des Orts eine splendide "Diffa" (Gastmahl), sowie auch meine Diener reichlich bewirthet und die Kamele mit Futter versorgt wurden. Leider zersprangen hier meine beiden Kochthermometer ein empfindlicher Verlust für mich und ich war nun blos auf die Aneroide angewiesen.

Unser Abmarsch am nächsten Morgen verzögerte sich bis um 7 Uhr, weil man den Schlüssel zum "Majen" nicht hatte finden können. Die "Majen" sind grosse steinerne Cisternen, oben überwölbt oder auch nur mit Balken, Steinen und Erde bedeckt, die in der Regen- und Schneezeit Schnee ist nämlich in einer Höhe von .3000 im Winter nichts Seltenes gefüllt und nachher sorgfältig verschlossen gehalten werden, damit das Wasser nicht von Unbefugten vergeudet wird. Von Ksebah aus folgten wir dem Lauf eines Uadi, des Sseggiat-el-fers, weiter unten Djenneba und noch weiter Tfalrohl genannt, unter welchem Namen es sich, nach Südosten abbiegend, mit dem Sufedjin dicht vor dessen Mündung vereinigt. Dann ging es, erst in südöstlicher, hierauf in südlicher Richtung stark bergab. Wir befanden uns im Quellgebiete des bedeutenden Flusses Sufedjin, der einen grossen Theil der Gewässer des Ghoriangebirges in seinem Bette sammelt und zur Syrte hinabführt. Die ganze Landschaft heisst Gedama. Ihr Boden ist grossentheils culturfähig, da er in der Regenzeit geackert werden kann. Fruchtbäume aber gibt es hier nicht, dagegen einzelne Batumbäume (Pistacia atlantica) und von Kräutern besonders Halfa (Stipa tenacissima) und Schih (Artemisia odor).

Wie es mir früher an manchen Orten aufgefallen war, dass man in die Halme der Halfa Knoten geschlungen hatte, so sah ich dies auch vielfach hier beim Passiren des Chorm (Engpass) el-Hancht. Ich bemerkte, wie einer von den Kameltreibern sich hinsetzte, und mit seinen hinter den Rücken gelegten Händen einen Knoten in einen Halfahalm schlang. "Was machst du da?" fragte ich. "Wenn du Rückenschmerzen hast", erwiderte er, "gibt es kein besseres Mittel dagegen, als sie in die Halfa zu knoten; auch zukünftige Schmerzen kann man festknoten, es hilft auf der Stelle." Den vielen Knoten nach zu urtheilen, müssen die Leute hier oft an Hexenschuss leiden, jedenfalls hat das Mittel zahlreiche Gläubige. Einen andern seltsamen Aberglauben der Kameltreiber sollte ich am selben Abend kennen lernen. Sie geberdeten sich wie unsinnig vor Freude, da ein kleiner Vogel in mein Zelt geflogen kam und sich mir zutraulich auf die Schulter setzte. "Es ist ein Marabut", riefen sie: "auch du musst ein Marabut sein, du verstehst sicher wie unser gnädiger Herr Sliman (Salomon) die Sprache der Thiere. Die Ursache dieser aussergewöhnlichen Zutraulichkeit erklärte sich indess auf ganz natürliche Weise: das arme Vögelchen litt heftigen Durst, es war fast verschmachtet, und sobald es von dem ihm vorgesetzten Wasser gierig genippt hatte, flog es scheu wieder auf und davon. In der Sahara folgen häufig kleine Vögel, namentlich Sperlinge tagelang einer Karavane, um die Brosamen oder Speisereste aufzupicken und an den Tropfen einer Girba (Wasserschlauch) ihren Durst zu löschen. Kommen einem nach langer Wüstenwanderung Sperlinge oder Schwalben entgegen, so ist sicher eine Oase nicht mehr fern und man kann bald wie der Schiffer auf hohem Meere rufen Land! Land!

Am Eingang des Chorm el-Hancht stand noch ein römischer Meilenstein. Die Sonne hatte uns von morgens an bei völliger Windstille furchtbar heiss auf die Scheitel gebrannt, sodass wir völlig erschöpft waren und bereits um 41/2 Uhr nachmittags auf freiem Platze lagern mussten. Da man mir gesagt hatte, die Gegend bis Misda sei sehr unsicher, befahl ich, für die Nacht Wachen auszustellen; aber obgleich die Leute abends eine grosse Portion starken grünen Thee, den ich eigens zu dem Zweck mit mir führte, erhalten hatten, vermochten sie nicht wach zu bleiben. Glücklicherweise verging die Nacht, ohne dass wir beunruhigt wurden, und am folgenden Morgen, den 27. Mai, konnte zum ersten mal pünktlich um 5 Uhr aufgebrochen werden.

Wir überschritten ein kleines Flussbett, dessen Name mir entfallen ist, und zogen durch den Chorm el-Bu-el-Oelk. Alle Namen haben hierzulande irgendeine Bedeutung; dieser würde auf deutsch lauten: "Engpass des Vaters der Blutegel". Ich erkundigte mich, weshalb man dem Engpass einen Namen gegeben, mit dem sich doch nothwendig die Vorstellung von Wasser verknüpft, da Blutegel nicht zwischen heissem Gestein ihren Aufenthalt haben aber niemand konnte mir die Frage beantworten. Der Chorm el-Bu-el-Oelk mündet auf ein hamadaartiges Terrain, d. h. auf eine mit scharfkantigen Steinen bedeckte Ebene. Hier gingen wir um 8 Uhr über den Uadi Sesometa; auch ein sonderbarer Name, denn Sesometa heisst eine aus gerösteter Gerste und Datteln zubereitete Speise. 5 Kilometer östlich von dort ist der Brunnen Kischa, mit recht gutem Trinkwasser; wir hatten jedoch noch mehrere Schläuche voll Wasser, brauchten daher nicht vom Wege abzuweichen.

Nach einer Stunde traten wir wieder in einen Engpass ein, den Chorm el-Mschahad, wo vor Zeiten eine blutige Schlacht zwischen den Ofellah (Bergbewohnern) und den Uled-Bu-Sif (Beduinen der Vorwüste) geschlagen worden. "Mschahad" heisst "bezeugen", nämlich bezeugen, dass ein Gott existirt und Mohammed der Gesandte Gottes ist. Beim Sterben muss jeder Muselman dies noch "bezeugen,. Die rechts und links sich erhebenden Berge haben eine, relative Höhe von 2-300. Sämmtliche Uadis gehen von Westen nach Osten. Wir passirten ferner den Chorm el-Orian (nackter Engpass) und den bedeutenden von Nordwesten kommenden Uadi Lille, der unterhalb Misda in den Sufedjin geht, sodann ein breites, im Osten von der Bergkette Djebel Ssoda-el-Misda, im Westen von niedern Hügeln ohne Namen begrenztes Thal, in dessen Mitte, eine halbe Stunde von Misda, der Djebel Bu-Gran sich erhebt, und langten endlich, nachdem wir noch verschiedene Rinnen des Sufedjin durchritten hatten, um 3 Uhr nachmittags vor Misda an.

Misda, das nach Barth das Musti Kome des Ptolemäus ist, besteht aus zwei, jedoch nur durch einige hundert Schritte voneinander getrennten Ortschaften: Misda fukani, das obere im Westen gelegene, und Misda tachtani, das untere im Osten gelegene. Beide Ortschaften sind klein und zählen nach eigenen Angaben nicht mehr als je 100 waffenfähige Männer, also höchstens je 500 Einwohner. Ursprünglich berberischen Ursprungs, haben sich die Bewohner durch den Verkehr und die Vermischung mit Arabern arabisirt. Die einen leiten ihre Abkunft vom berberischen Stamme der Guntarar her, andere nennen sich Abkömmlinge der arabischen Uled-Bu-Sif. Letztere, die vorwiegend, im östlichen Misda wohnen, behaupten auch Marabutin zu sein. In frühern Zeiten lebten die Bewohner der beiden Ortschaften in beständiger Feindschaft, ein Ksor erklärte dem andern beim geringfügigsten Anlass den Krieg; unter der türkischen Herrschaft hat dies aufgehört. Ihr hauptsächlichster Erwerbszweig ist der Karavanenbetrieb auf den Strassen nach Rhadames einerseits und nach Mursuk andererseits; besitzen sie doch in den reichlichen Weiden, welche der Sufedjin bietet, die Mittel zu einer guten und ausgiebigen Kamelzucht. Der Miethpreis für die Kamele wird hier nicht, wie in Tuat und den westlichen Theilen der Sahara, nach dem Gewicht der Ladung berechnet, sondern man miethet einfach so und so viel Kamele für die bestimmte Tour. In der Regel kostet ein Kamel nach Fesan 7 Mahbub, nach Rhadames 5 Mahbub. Die Miethe nach letzterm Orte ist deshalb verhältnissmässig theuerer, weil auf der ganzen Strecke zwischen Misda und Rhadames sich sehr wenig Wasser findet, die Thiere also viel zu leiden haben.

Einige kleine Gärten um Misda liefern Zwiebeln, Tomaten, rothen Pfeffer, Kürbisse und Wassermelonen doch ist im ganzen der Boden wegen seines allzu grossen Kalkgehalts eben nicht sehr zur Gartencultur geeignet, auch die wenigen Palmen, die um Misda herum wachsen, sehen traurig aus. Etwas unterhalb des Ksors wird Ackerbau getrieben, wenn in wasserreichen Jahren der Sufedjin seine Fluten bis zur See herabsendet, oder wenigstens unter der Erde den Boden durchtränkt.

Die Eingeborenen gehören sämmtlich dem neugestifteten Snussi-Orden an, der sich durch seine strengen Vorschriften und besonders durch den Hass gegen das Christenthum auszeichnet. In Betracht, seit wie kurzem der Orden erst besteht, und wie weit seine religiöse Capitale, Sarabub dicht bei der Jupiter-Ammons-Oase, entfernt ist, muss man sich füglich über die rasche und weite Ausbreitung desselben wundern. Uebrigens kann keineswegs gesagt worden, dass durch Beobachtung der Ordensvorschriften, die hauptsächlich in einer Menge Extra-Abwaschungen und Gebeten bestehen, die Misdani (Bewohner von Misda) besser geworden seien. Im Gegentheil, wie allenthalben übertriebenes Werthlegen auf äusserliche Religionsgebräuche mit Vernachlässigung der Pflichten gegen die Nebenmenschen verbunden zu sein pflegt, so ist es auch hier der Fall.. Ich wenigstens habe keineswegs Ursache, wie Barth, den Charakter der Misdani zu loben. Gleich bei meiner Ankunft gab es ärgerliche Händel. Einer meiner Diener war vorausgelaufen, und während er aus einem Brunnen trank, hatte ein in der ganzen Gegend berechtigter Räuber, Namens Omar-Bu-Cheil, sich herangeschlichen und ihm sein Doppelgewehr, das er aus der Hand gelegt, entwendet. Dieser Räuber nebst einem Spiessgesellen wurde zu der Zeit von den Misdani beherbergt und verpflegt, wogegen seine Bande, welche das Gebiet zwischen dem Gebirge und Ghorian mit ihren Anfällen heimsuchte, den Ort verschonen musste. Vergebens hatte die türkische Regierung einen Preis auf seinen Kopf gesetzt, vergebens mehrere male Soldaten ausgeschickt, um ihn zu fangen oder zu tödten; denn die Gebirgsbewohner wagten nicht, die verborgenen Schlupfwinkel des Gefürchteten zu verrathen. So zog er sich auch jetzt unangefochten mit der gestohlenen Flinte in die Moschee des untern Orts zurück, wo er sein Quartier aufgeschlagen hatte, während seine zwanzig Mann starke Bande irgendwo auswärts auf einem Raubzuge begriffen war. Ich schickte meinen Diener Hammed zu ihm und liess ihm sagen, die Flinte gehöre mir, er solle sie sofort herausgeben. Er verlangte aber ein Lösegeld von 5 Thlr. Es blieb mir also nichts übrig, als mich an die Medjeles (die Raths- oder Vorsteherversammlung) des Orts zu wenden und ihnen zu erklären, nie seien haftbar für die Sicherheit meines Eigenthums, und falls sie mir die Flinte nicht zurückschafften, würde ich Soldaten vom Kasr Ghorian kommen lassen; der Ort würde dann dafür büssen müssen, dass er einem notorisch bekannten Räuberhauptmann Schutz gewährt habe. Das wirkte Aber erst nachdem sie ihrerseits bis zum Abend mit Omar-Bu-Cheil verhandelt und ihm schliesslich 3 Thlr. bezahlt hatten, gab er die Flinte heraus. Der Räuber war frech genug, andern Tags selbst in mein Zelt zu kommen und mir anzubieten, wenn ich noch 2 Thlr. hinzufügte, könnte ich ganz sicher die Gegend bis Rhadames mit meiner Karavane durchziehen. Ohne ein Wort zu erwidern, zeigte ich ihm meine Waffen; ein Lefaucheux mit 18 Schuss und ein Stutzen mit 9 Schuss machten denn auch den beabsichtigten Eindruck auf ihn. Uebrigens ersetzte ich, nachdem mein Zweck erreicht war, den Misdani die bezahlten 3 Thlr. und machte ausserdem dem frommen Chef der Sauya ein Geschenk, damit kein Zweifel an meiner Rechtgläubigkeit aufkomme.

Ich benutzte inzwischen die Zeit, um mich in der Gegend etwas umzusehen. Sie ist entsetzlich öde und einförmig. Das breite Thal, in welchem Misda liegt, spaltet sich oberhalb des Orts in zwei Arme; seine Hauptrichtung geht von Westen nach Osten. Weit und breit ist kein Baum zu sehen. Einige Kräuter vegetiren, aber von starken Sandwehungen niedergehalten, am südlichen Ufer. 3 Kilometer östlich von Misda stehen auf einem einzelnen circa 50 hoben Sandhügel die Ueberreste einer alten arabischen Burg, von der die Eingeborenen sagen, sie stamme aus der Heidenzeit (min uokt el djehalin, aus der Zeit der Unwissenden). Doch deutet nichts an dem Gemäuer, wenn nicht etwa das Thor, auf römischen Ursprung hin. Verschiedene Theile desselben sind noch gut erhalten und so frisch mit Kalk beworfen, als wäre es erst in jüngster Zeit geschehen.

Mein Lebensmittelproviant erlitt an diesem Tage eine bedeutende Abnahme durch das unvermuthete Eintreffen einer Tuareg-Karavane von Fesan. Diese Leute, acht an der Zahl, hatten nämlich nicht sobald vernommen, Mustafa lagere bei Misda, als sie ihre Lanzen und langen Schwerter meinen Dienern übergaben, um bei ihrem Freunde, wie sie mich nannten, zu Gast zu bleiben. Ich hatte sie nie gesehen. Aber sie sagten, Si-Othman-ben-Bikri, mit dem ich von Tidikelt gekommen, sei ihr Chef, und deshalb hätten sie ein Recht auf meine Bewirthung, denn ich sei Othman's grosser Freund. Obgleich. mir dies durchaus kein genügender Grund für ihre Ansprüche zu sein schien, hiess ich sie doch willkommen, und bald standen ihre kleinen Lederzelte neben dem meinigen. Die Misdani, die froh waren, diese ausgehungerten Fremden so unverhofft von ihrem Ksor abgewandt zu sehen, umringten in dichten Haufen unsere Zelte, und als ich Mehl und Datteln für meine improvisirten Gäste bringen liess, schienen sie höchlich erfreut, dass sie auf diese Art einem Angriff auf ihre eigenen Lebensmittel entgingen. Aber welches Loch machten die Tuareg in meine Vorräthe, es war als ob sie seit acht Tagen nichts zu sich genommen hätten! Mein alter Diener Schtaui weinte vor Wuth, als er sah, wie ihnen eine Schüssel Datteln nach der andern gebracht werden musste, und wie sie Mehlrationen vertilgten, die für 20 Araber genügt hätten. Auch mir wurde allerdings klar, dass mein Proviant, der für drei Monate berechnet gewesen, kaum drei Wochen ausreichen würde. Indess durfte ich ja hoffen, in Rhadames mich neu versorgen zu können.

Noch eine andere grosse Unannehmlichkeit hatte ich in Misda zu bestehen. Ich musste hier frische Kamele miethen, und da die Besitzer keine Concurrenz zu fürchten hatten, forderten sie die unverschämtesten Preise. Es war als ob sich alle gegen mich verschworen hätten. Glücklicherweise fand ich in dem Mudir (Ortsvorsteher) einen vernünftigen Mann, der seine Mitbürger endlich vermochte, auf den üblichen Preis von 5 Mahbub (ein Mahbub ist etwas mehr als ein Thaler) herabzugehen. Nun erhoben sie aber wieder neue Anstände. Sie behaupteten, die Ladungen seien zu schwer, und ich konnte ihren Nörgeleien nur dadurch ein Ende machen, dass ich einiges von dem Gepäck auf meine eigenen Kamele überlud.

Am 2. Juni 5 Uhr nachmittags verliessen wir Misda, legten aber bis zum Abend nur noch zwei Stunden zurück und lagerten, in einer reichlich mit Kamelfutter bestandenen Gegend, mitten im Flussbette des Sufedjin und gerade der Stelle gegenüber, wo der Uadi Djeradja, der im Frühjahr auch fliessendes Wasser hat, in den Sufedjin mündet. Zu unserer Rechten war der Djebel Derman, durch welchen der Sufedjin in zwei Arme getrennt wird, nördlich liegen geblieben. Ich musste nachts im Freien schlafen, denn der Lehmboden war, obschon bewachsen, von der Sonnenhitze so hart gebrannt, dass die eisernen Pfosten meines Zeltes sich nicht tief genug hineintreiben liessen.

Früh um 5 Uhr zogen wir in 225 Richtung weiter. Nach einer halben Stunde ging der Weg durch den Chorm el-Djefala, und von da in einen andern Arm des Sufedjin, der von Westen und weiter aufwärts von Nordwesten kommt. Seine Ufer sind niedrig, nur da wo der Uadi Fessano, in dessen Thal wir jetzt eintraten, in den Sufedjin fliesst, erhebt sich in dem Winkel, den die beiden Uadi bilden, ein etwas höherer Berg, seiner schwarzen Farbe wegen Djebel Assuad-el-tuil genannt. Wie das Thal des Sufedjin ist auch das des Fessano wohl bewachsen, und nach reichlichen Regen wird der Boden von den Bewohnern des Ghoriangebirges beackert. Bei mehrmaligem Ersteigen der etwa 100 hohen Ufer des Uadi gewahrte ich, dass auch die Gegend ringsum nicht der Vegetation entbehrt. Schon um 9 Uhr vormittags nöthigte uns die furchtbare Hitze, Rast zu machen; weder die Kamele noch. die Treiber konnten der Sonnenglut länger widerstehen. Meinem weissen Araberhunde, einem Spitz, mussten wegen des brennend heissen Erdbodens Sandalen angelegt werden: eine ebenso schwierige wie gefahrvolle Operation, da er äusserst bissig war und sich von niemand berühren liess; nur durch List gelang es endlich, ihm das Maul zuzubinden, worauf die Sandalen an seinen Beinen befestigt wurden. Später brachte ich ihn dahin, das, er während des Marsches auf dem Rücken eines Kamels Platz nahm. Er war ausserordentlich wachsam, sowol bei Tage wie bei Nacht, und deshalb unentbehrlich für unsere Karavane.

Bis 21/2, Uhr "gielten" wir - ich bediene mich dieses undeutschen Ausdrucks und werde ihn noch öfters brauchen müssen, weil es für das arabische geila, d. h. während der heissesten Tageszeit lagern, kein Wort in unserer Sprache gibt -, dann wurde der Tagesmarsch in 200 Richtung fortgesetzt. Beim Austritt aus dem Uadi Fessano, das aber noch einen andern, längern Arm, in welchem sich der stets Wasser haltende Brunnen Ssennia Fessano befindet, nach Westen schickt, gelangt man auf ein ausgedehntes Plateau mit derselben Vegetation wie in den Thälern (ich sah besonders häufig Sbith, Begel, Ertom und Schih). Hier wohnen die Uled Mschaschia, welche Schaf- und Kamelzucht treiben. Die Gegend ist reich an Gazellen, Hasen, Kaninchen, auch Schakalen und Hyänen, und im Gebirge Kaf-Masusa, das wir südöstlich in etwa 15 Kilometer Entfernung erblickten, sollen noch viele Antilopen hausen. Wir kamen an einem grossen Duar (Zeltdorf) der Uled Mschaschia vorbei, und wurden von den Bewohnern gastfreundlich mit einem Trunk Kamelmilch gelabt. Ihre Zelte sind geräumiger und besser als die der andern in Tripolitanien wohnenden Araber. Nun kreuzten wir die von Sintan im Norden nach Ghorian in Fesan führende Strasse und betraten nach einer Stunde die Landschaft Brega, in der um 61/2 Uhr das Nachtlager aufgeschlagen wurde. Der ganze an dem Tage zurückgelegte Weg steigt sanft bergan, die Abdachung findet nach Nordosten zu statt. Da hier im Gebiete der Mschaschia kein Raubanfall zu besorgen war, hielt ich es nicht für nöthig, des Nachts Wachen auszustellen, auch wurden unsern Kamelen nicht die Fusseisen angelegt. Ueberhaupt ist das Reisen in Tripolis, ausgenommen an der tunesischen Grenze, von wo bisweilen räuberische Stämme auf tripolitanisches Gebiet herüberstreifen, im allgemeinen sicher. Leute wie Bu-Cheil, dessen Bekanntschaft ich in Misda gemacht, und seine Bande gehen mehr auf den Raub von Viehheerden aus, als dass sie sich an Karavanen vergriffen, zumal letztere ihnen doch meist durch ihre Stärke und gute Bewaffnung imponiren.

5. Juni. Aufbruch um 5 Uhr morgens in 195deg. Richtung. Immer noch steigend, erblickten wir in Südost den röthlichen Djebel el-Brick. Zu den bisher gesehenen Pflanzen gesellte sieh hier Domrahn (Traganum nudatum). In der Landschaft Ingleba, die nach 2 Stunden erreicht war, stiessen wir auf verlassene Lagerstätten der Sintanbewohner, die im Frühjahr mit ihren Heerden hierher kommen. Sie bietet ausgezeichnete Kamelweiden und dient zahlreichen Gazellen zum Aufenthalt. Ihr folgte nach wieder einer Stunde die Landschaft Lindeleib, von jener durch nichts als durch den Namen unterschieden. Wir lenkten jetzt in 225 Richtung ein und befanden uns um 91/2 Uhr in gleicher Höhe mit dem Chaschm el-Kebsch, eigentlich nur einer Verlängerung der Kette Kaf-Masusa. Ueber einen niedrigen, nach Westen und Nordwesten streichenden Höhenzug führt der Pass Chorm er-Rschade. Dicht vor demselben machten wir um 103/4 Uhr halt, um zu gielen. Der Boden ringsum ist wie übersät mit fossilen Ueberresten, doch entdeckte ich wenig nur einigermassen gut erhaltene Stücke; allerdings machte die erdrückende Sommermittagshitze am Rande der Sahara das Suchen und Einsammeln fast unmöglich. Um 21/, Uhr nachmittags passirten wir den Chorm er-Rschade und gelangten nach einstündiger Wanderung in die sandige aber gut bewachsene Landschaft Areg-el-Leba. Einer der Kameltreiber hatte hier das Glück, eine Gazelle zu schlossen, eine sehr erwünschte Zugabe zu unserer mehr als einförmigen Kost, die des Morgens aus Brot, Butter und Datteln, des Abends aus Basina (Weizenpolenta mit Oelsauce) bestand, welchen Gerichten ich durch Zusatz von Fleischextract etwas Geschmack und Kraft zu geben versuchte. Aus der Arag-el-Leba, die sich in der Breite einer Stunde von Südwesten nach Nordosten hinzieht, kamen wir an die mehr hamadaartige, doch von vielen kleinen kräuterreichen Oasen, Gra genannt, unterbrochene Gegend Gra-es-Ssoauin. In einer dieser kleinen Oasen wurde um 61/2 Uhr Rast gemacht, und bald waren meine Diener und Kameltreiber zu einem homerischen Mahle versammelt, indem sie nebst einem grossen Topf voll Basina die halbe Gazelle verzehrten. Endlich waren sie gesättigt, was bei diesen Leuten viel sagen will , denn es blieb noch ein Rest von der Basina übrig, der aber schon am andern Morgen um 2 Uhr auch noch vertilgt wurde.

Am 6. Juni befanden wir uns bereits morgens um 3 Uhr wieder auf dem Marsche, in derselben Richtung von 225 wie am Tage vorher, und gelangten um 8 Uhr in eine Art von Flussbett, Namens Aghadir-el-traber. Auf meine Frage, wohin dieser von Südosten nach Nordwesten gehende Fluss in der Regenzeit seine Wasser sende, sagten die Leute, er bilde mit dem Uadi el-Cheil und allen andern Gewässern der Umgegend einen gemeinschaftlichen Aghadir (Regenwasseransammlung), dessen Lage und Namen sie mir aber nicht angeben konnten. Um 9 Uhr schlugen wir, um zu gielen, beim Aghadir-el-Cheil (Pferdewasserplatz) unsere Zelte auf. Mit Futter für die Thiere war unser Zug genügend versehen, aber der Wasservorrath reichte nur noch auf 2 Tage, während wir bis Derdj wenigstens noch 5 Tagesmärsche zurückzulegen hatten. Ich beschloss daher, einen des Landes genau kundigen Kameltreiber mit einigen meiner Diener, mit den übrigen Treibern und sämmtlichen Kamelen nach dem Bir (Brunnen) el-Klab, der gerade nördlich vor uns liegen sollte, abzusenden, damit dort die Thiere getränkt und unsere Wasserschläuche frisch gefüllt würden. Die Expedition ging nachmittags ab und hatte die Weisung, am folgenden Tage wieder auf dem Lagerplatz einzutreffen.

Wir Zurückbleibenden konnten zwar unterdess ruhen, doch war unser Lager in einer völlig baumlosen Ebene bei der glühenden Sonnenhitze kein beneidenswerthes. Das Thermometer zeigte jetzt beständig nachmittags 35-40 im Schatten und sank selbst kurz vor Sonnenaufgang nie unter 4- 18. Dazu traten nun auch schon jene heftigen Windstösse, wie sie in der Sahara so häufig ganz plötzlich entstehen und ebenso plötzlich wieder verschwunden sind.

Bereits vormittags um 91/, Uhr kehrte andern Tags die Expedition zurück. Sie hatte genau mit Sonnenaufgang den Rückmarsch angetreten und eine Richtung von 350 verfolgt, woraus ich berechnete, dass der Bir el-Klab in gerader Richtung circa 10 Kilometer vom Uadi el-Cheil entfernt sein müsse: ein Resultat, das auch mit den Aussagen meines ortskundigen Kameltreibers übereinstimmt. In der Nähe des Bir el-Klab war man an einem Duar von Sintanleuten vorübergekommen; die Gegend ist also noch sporadisch bewohnt.

Es war Abend geworden, als wir unsern Halteplatz verliessen. Wir zogen in der Richtung von 225deg. den Uadi el-Cheil entlang aufwärts und drangen mit ihm in das steinige Gebirge ein, in dem er entspringt und durch zahlreiche Thäler und Schluchten aus Süden und Norden Zuflüsse erhält; der hauptsächlichste jedoch kommt von Südwesten. Die Wände dieser Thäler, aus Sandstein und Kalk bestehend, erheben sich senkrecht zur durchschnittlichen Höhe von 100-150. In einer natürlichen Höhle am linken Felsenufer fand ich Figuren in die Wände gehauen, ziemlich roh ausgeführt, doch immerhin von einer gewissen Stufe der Cultur zeugend, welche die Menschen zu jener Zeit erreicht haben mussten. Die Figuren stellten Elefanten, Kamele, Antilopen und andere Thiere dar, aber auch eine weibliche Menschengestalt mit ausgeprägter Negerphysiognomie in sehr indecenter Stellung. Schriftzeichen konnte ich nicht entdecken; denn die eingegrabenen neuarabischen Namen, wie Mohammed, Abdallah, und die kurzen Koranverse stammen offenbar aus viel späterer Zeit.

Um 71/2 Uhr abends berührten wir den Rand der Hammada (mit scharfkantigen Steinen bedeckte Hochebene). Ehe wir ihn überschritten, veranlassten mich meine Kameltreiber, weil ich zum ersten mal des Weges ziehe, einen kleinen Steinhügel, Bu-sfor oder Bu-saffar (Reisevater), zu errichten. Den Ursprung und die Bedeutung dieser Sitte konnten sie mir nicht erklären, oder ich verstand ihre Erklärung nicht. Erst später erfuhr ich, dass die Bu-Sfor Fetische sind, welche den Reisenden, der das erste mal solche hervorragende Punkte berührt, vor Ungemach schützen sollen, und dass mit der Aufrichtung eines Bu-Sfor zugleich die Verpflichtung verbunden ist, den Reisegefährten ein Mahl zu geben. Man kann sich denken, wie viele dergleichen Hügel an den betreffenden Stellen aufgehäuft sind. Uebrigens ist diese Hammada nicht von aller Vegetation entblösst, man trifft überall Beggel (Anabasis articulata), eine Futterpflanze, die von den Kamelen indess nicht sehr geliebt wird. Auch begegnet man noch ziemlich häufig Vögel und Insekten, und die fest ausgetretenen, bestimmt verlaufenden schmalen Pfade, die von einem Gra zum andern fahren, sind sichere Zeichen, dass sich Gazellen in der magern, steinigen Gegend aufhalten. Anfangs wusste ich nicht, wie diese Pfade, die bedeutend schmäler sind als die durch Menschen und Kamele gebannten, entstanden seien, und obschon sie überall in der Vorwüste die Menschenwege kreuzen, hatten mir die Leute keine Auskunft darüber zu geben vermocht. Meine diesmaligen Kameltreiber aber waren intelligenter sie erzählten mir, dass die Gazellen fast ausschliesslich auf Pfaden gehen, die sie sich seit Jahrhunderten selbst zurecht getreten haben. Immer einzeln eins hinter dem andern herlaufend, bereiten sie sich diese steinlosen Wege, um ihre schlanken Füsse nicht an den spitzen Hammadasteinen zu verletzen.

Nachts um 111/2 Uhr erst wurde zum Campiren halt gemacht. Auf frühern Reisen hatte ich immer von meinen Begleitern gehört, es sei am besten die Wasserschläuche beim Lagern aufzuhängen, da die Erde "das Wasser trinke" oder in sich einsauge. Und bei der ausserordentlichen Dürre des Bodens mag wol etwas Wahres daran sein. Ich hatte deshalb, nach Sitte der reichen marokkanischen Reisenden, Dreifüsse zu dem Zweck mitgenommen. Hier nun sah ich, wie meine, Kameltreiber die Schläuche der Reihe nach auf eine Matte legten und mit einer andern Matte sorgfältig bedeckten, "Warum hängt ihr die Schläuche nicht auf?" fragte ich. "Weil wir sie dann nicht so gut zudecken können", war die Antwort. "Und warum müssen sie zugedeckt sein?" "Weil der Mond sonst das Wasser trinkt." Es würde vergeblich gewesen sein, ihnen den Aberglauben benehmen zu wollen, und so liess ich sie gewähren.

Meine städtischen Diener, die sich weit klüger und aufgeklärter dünkten als die Bewohner der Hammada, protestirten zwar erst dagegen; als aber einer der Kameltreiber mit einem Schwur betheuerte, der Mond trinke das Wasser und die Schläuche müssten dann zerplatzen, schienen auch sie bekehrt und überzeugt. Sie liessen die Schläuche auf den Matten liegen und ruhten selbst auf der blossen Erde.

Am folgenden Morgen waren wir schon um 5 Uhr marschbereit. Dieselbe Richtung einhaltend, kamen wir um 7 Uhr durch das pflanzenreiche Terrain Juf-Juf und von da in den Sru Meleha. "Sru" nennen die Eingeborenen einen kleinen Uadi oder Nebenfluss. Die Meleha, bei der wir um 8 Uhr anlangten, ist eine längliche von Norden nach Süden laufende Vertiefung. Im Winter sammelt sich Wasser darin an, das ins Sommer verdunstet, aber eine dicke Kruste Kochsalz auf dem Boden zurücklässt. Die Sahara hat viele, solcher Salzbecken ich sah deren in Tuat und Tafilet, in der Depression des Jupiter Ammon, und fand später, dass der ganze Sudan durch das Salz-Sebcha von Bilma mit Kochsalz versorgt wird. Unsere Meleha liefert den Bewohnern Misdas und des Gebirges ihren Salzbedarf. Ausser der Meleha, welche wir durchschnitten, gibt es noch zwei andere: die eine etwas südlich davon, die andere weiter entfernt im Südwesten. Bei letzterer findet sich auch Trinkwasser, doch sagten uns Hirten, welche Schafe und Ziegen von dort nach ihrer Heimat Sintan zurücktrieben, das Wasser an dieser dritten Meleha sei ungeniessbar.

Von 9 Uhr früh bis 31/2 Uhr nachmittags gielten wir. Um 5 Uhr war der Sru Atua erreicht, durch den wir um 7 Uhr in die Tiefebene Atua gelangten. In der Form ganz der Meleha gleichend, sammelt die Atua im Winter Süsswasser und erzeugt daher einen reichlichen Pflanzenwuchs, namentlich viel Ethel (Tamarix) und Rtem (Retama Raetam). Die Rtemstaude, sowol Blätter als Zweige, hat einen äusserst bittern Geschmack, und ihr trockenes Holz entwickelt beim Verbrennen stark ätzenden Rauch. Ihre kleinen weisslichen Blüten duften lieblich wie ein Gemisch von Reseda und Jasmin. Ob es wahr ist, was die Araber sagen, dass nämlich die Milch von Ziegen, welche viel Rtem gefressen, berauschend sei, kann ich nicht verbergen. Wir durchzogen die Atua und lagerten abends 11 Uhr wieder in der Hammada. Ich liess jetzt in der Regel nur bei Tage zum Schutz gegen die Sonnenstrahlen unsere, Zelte aufschlagen, abends gebrach es meist an Zeit, ausserdem waren aber auch die Nächte so warm und trocken, dass wir eines Obdachs nicht bedurften.

Am andern Morgen erfolgte der Aufbruch wie gewöhnlich früh um 5 Uhr. Die Luft war kühler geworden, einmal fielen sogar einige Tropfen Regen. Dennoch bot unser Tagemarsch viele Unannehmlichkeiten. Die gemietheten Kamele waren vor kurzem erst in einer Karavane gegangen, daher so kraftlos, dass ich fürchten musste, sie würden "bathal" werden. Das eine legte sich alle Augenblicke nieder und war kaum noch weiterzubringen. Sehr langsam kamen wir somit vorwärts durch den Sru Nasra in das Becken Nasra selbst, das von verschiedenen Seiten her Zuflusse erhält. Früher gab es dort einen Brunnen, der, obwol nur 7 Gamat[7] tief, ausgezeichnetes Wasser hatte. Vor einem Jahre war er durch Zufall oder aus Altersschwäche zusammengestürzt, und noch dachte niemand daran, ihn aufzuräumen und auszubessern. Um 11 Uhr gielten wir dicht bei Nasra.

Unterwegs bemerkte ich, dass die Kameltreiber einer kleinen Eidechse mit plattem Kopfe, Bu-Bris genannt, einer Gekko-Art, eifrig nachstellten und jede, deren sie habhaft wurden, tödteten. Sie meinten, das Thierchen vergifte durch seinen Hauch die Speisen, es könne dem Menschen Ausschlag anspritzen, und schwangere Frauen, die von ihm angeblickt würden (Basiliskenblick), kämen mit gefleckten Kindern nieder. Das unschuldige Thierchen ist in diesem Theile der Vorwüste überaus häufig. Um die Leute von der Thorheit ihres Wahns zu überzeugen, nahm ich eine Bu-Bris in die Hand, setzte sie auf meinen Fuss und liess sie über meinen Theeteller laufen aber vergebens, sie blieben bei ihrem abergläubischen Vorurtheil und sagten, ich sei gegen das böse Wesen gefeit.

Als wir nachmittags um 4 Uhr in 250 Richtung weiter zogen, hatten wir das Glück, dass ein Gewitter sich aber uns entlud. Welche Wonne, bis auf die Haut durchnässt zu werden! Selbst mein Hund schien die Freude mit zu empfindend und die Kamele suchten gierig den dicht fallenden Platzregen aufzusaugen. Allerdings eine höchst seltene Erscheinung hier in der Vorwüste und mitten im Sommer. Das Gewitter war von Westen gegen den Wind herangekommen, denn in der untern Luftregion wehte entschiedener Ostwind.

Um 91/2 Uhr passirten wir das erste Uadi Assam, das wie die beiden folgenden von Norden nach Süden geht, dann aber im Bogen nach Westen abbiegt, und in das Uadi Mimun mündet. In dem zweiten Assam gielten wir um 101/2 Uhr. Die Nacht nach dem Gewitter war herrlich. Bis Sonnenaufgang fiel das Thermometer auf + 14", während es in den letzten Tagen nie unter 20 gezeigt hatte. Unsere Kamele hatten sich in der Dunkelheit beim Weiden verlaufen, weshalb wir andern Morgens erst um 6 Uhr aufbrechen konnten. Wir nahmen diesmal die gerade westliche Richtung, passirten um 7 Uhr den dritten Assam und befanden uns um 8 Uhr im Uadi Mimun selbst. Etwas abwärts mitten im Thale, das fast überall 5 und mehr Kilometer breit ist, stehen die kleinen Berge Kerscha. Von Süden her erhält das Uadi Mimun noch einen andern Zufluss, das Uadi el-Bir, wie der Name besagt, mit einem Brunnen, der aber gleich dem des Uadi el-Nasra längst unbrauchbar geworden ist. Der Mündung des Uadi el-Bir gegenüber hielten wir von 10 Uhr bis 5 Uhr nachmittags Rast. Hierauf gingen wir westlich weiter, eine Zeit lang dem Uadi Mimun folgend, dann aber, als dasselbe nach Nordwesten umbog, unserer westlichen Richtung treu bleibend. Die Gegend hatte unverändert den Charakter einer von zahlreichen Gra durchsetzten Hammada. In einem dieser Gra, sämmtlich Gra Melfra genannt, wo viel Ssodr (Zizyphus lot.) wuchs, campirten wir 11 Uhr abends.

Am 10. Juni durfte ich hoffen, endlich unser nächstes Ziel, die Oase Derdj, zu erreichen. Es war die höchste Zeit: infolge der grossen Hitze waren die Kamele von dem achttägigen Marsche durch die Hammada erschöpft, meine Diener ertrugen zum Theil noch schwer die ungewohnten Strapazen, und zwei von ihnen sowie ich selbst litten an Diarrhöe, die trotz starker Opiumgaben nicht weichen wollte. Mich hatte der kurze Wüstenmarsch bereits so abgemagert, dass ich meine Geldkatze, die mir früher zu eng gewesen, jetzt noch um 5 Zoll einnähen musste, ja ich fühlte an den abnehmenden Kräften, dass eine ernstliche Krankheit im Anzuge sei.

Wir zogen noch an einigen Gra vorüber, erblickten im Norden von uns auf etwa 8 Kilometer Entfernung den Djebel el-Chaschm-el-Dub und durchschnitten um 81/2 Uhr den Chorm Tuil-el-Nailat (Langen Pass der Sandalen). Hieran schloss sich ein sebchaartiges Terrain mit eigenthümlicher Schollenformation, von der später die Rede sein wird, und sehr vielen Fossilien derselben Art wie die, welche ich im Uadi el-Cheil und beim Chorm er-Rschade gefunden hatte. Um 10 Uhr hielten wir. Ich sandte zwei Diener mit meinem Bu-Djeruldi voraus, damit sie mich bei den Bewohnern Derdjs anmeldeten und einen guten Lagerplatz für uns aussuchten. Der Zug folgte ihnen erst um 4 Uhr nachmittags. Durch den Chorm el-Ksehb gelangten wir in das Rinnsal des Uadi el-Kottob (Brennholzflüsschen, weil die Bewohner von Derdj ihren Bedarf an Brennholz daraus entnehmen), dessen Wasser in den Mimun fliesst.

Um 7 Uhr abends erreichten wir endlich den Ort Derdj. nachdem schon lange vorher Spuren von Menschen und Thieren uns dessen Nähe verkündet hatten. Die Einwohner bereiteten mir einen recht freundlichen Empfang, der Bu-Djeruldi schien seine Wirkung, auf sie nicht verfehlt zu haben. Für unser Lager hatten sie einen reizenden Platz, unter Palmen und hinlänglich mit Wasser versehen, bestimmt, allein ich zog es vor, auf der luftigern Hammada zu campiren, wo ich mir von den frischen Winden einen heilsamen Einfluss auf meine stark angegriffene Gesundheit versprach.

Ausser dem Hauptorte Derdj hat die Oase Derdj (Stufe), so genannt, weil sie am steilen Abhange oder Rande der Hammada liegt, noch drei kleinere Ortschaften: Tugutta, Tefelfelt und Matres. Die Bewohner von Derdj, Tugutta und Tefelfelt sind nicht arabischen, sondern berberischen Ursprungs- nur Matres ist von Arabern bewohnt. Erstere werden von den umwohnenden Stämmen auch mit dem gemeinsamen Namen Mammeluki belegt, was wol auf ihre frühere Verbindung mit der Regierung von Tripolis hindeuten soll. Aber weder die Berber noch die Araber der Oase Derdj zeigen im Aeussern die charakteristischen Merkmale dieser Völkerrassen, sie sind so stark mit Negerblut durchsetzt, dass man sie eher wohlgestaltete Schwarze mit kaukasischer Gesichtsbildung nennen, als zu den Weissen rechnen möchte. Ihre Gemüthsart anlangend, fand ich sie gastfrei, gutmüthig, aber etwas apathisch. Mit der Reinlichkeit schienen sie in beständigem Kampf zu leben, dagegen mit dem Schmuz auf vertrautestem Fusse zu stehen. Die Häuser, aus Stein erbaut, gleichen ganz den in den übrigen Ksors dieser tripolitanischen Gegend. Ihr Inneres ist unsauber und dient Ziegen wie Menschen zum gemeinsamen Aufenthalt. In den meisten gibt es jedoch einen abgesonderten Raum, ein Staatszimmer, in dem die Mitgift der Frau oder der Frauen, in einer grossen Zahl messingener Schüsseln bestehend, aufbewahrt wird. Alle die blanken Schüsseln prangen hier an den Wänden und werden nie benutzt, scheinen also keinen andern Zweck zu haben, als den Reichthum der Familie zur Schau zu stellen, da Kupfer hierzulande ein seltenes und kostbares Metall ist. Bei den Rhadamsern, die für besonders fromm gelten wollen und sehr scheinheilig sind, stehen die Bewohner von Derdj, Tugutta und Tefelfelt in schlechtem Geruch, weil sie Lakbi trinken, während die von Matres, obgleich sie sich diesen Genuss auch nicht versagen, ihm aber nur heimlich fröhnen wie die Rhadamser selbst, von ihnen wohlgelitten sind.

Mögen hier noch einige allgemeine Bemerkungen über die Beschaffenheit der Gegend zwischen dem Djebel Ghorian und Derdj Platz finden. Vom Djebel aus erstreckt sich die Abdachung im allgemeinen bis zum Sufedjin herab, der andererseits auch von Südwesten aus der beim Uadi el-Cheil anfangenden Hammada Zuflüsse erhält. Die Hammada hat keine bestimmt vorherrschende Abdachung: im Centrum derselben sammelt sich das Wasser in Tiefebenen, von ziemlich gleicher, durchschnittlich 1200 befragenden Höhe; nach Westen zu strömen alle Zuflüsse in das Uadi Mimun, das bei Matres vorbei seinen Lauf nach Westen fortsetzt. Es wird bedeutend verstärkt durch das von Südosten kommende Uadi Tinnarut, an dessen unterm Ende, wo sein Bett im Sommer wie, im Winter Wasser hat, am rechten Ufer Derdj liegt. Hier an ihrem Saume ist die Hammada, ein Theil der grossen Hammada el-hamra (Rothe H.), nicht so arm an Pflanzen und Thieren, wie sie es nach Duveyrier, Richardson u. a. mehr nach dem Innern zu sein muss. Es gibt Antilopen, Gazellen, Hasen, Kaninchen, und von grössern Raubthieren Hyänen. Strausse scheinen äusserst selten vorzukommen. Sehr häufig ist dagegen ein kleiner Vogel von der Grösse unserer Staare, mit schwarz und weissem Gefieder; er wird von den Eingeborenen Moëka genannt und fällt sofort durch seinen eigenthümlichen Gesang auf, der eine Tonleiter von vier Tönen bildet. Insekten und Reptilien sind ebenfalls zahlreich. Von Pflanzen findet man namentlich Beggel und Rimmit, und in den Gra die prächtigsten Rtem- und Ssodrbüsche.

Der Boden um Derdj wird hauptsächlich durch das Uadi Tinaout bewässert, das hier an seiner Mündung in das Uadi Milha den Namen Uadi Derdj erhält und eine Tagereise weiter südlich das Uadi Harikat in sich aufnimmt; es soll noch ein anderes Uadi Harikat geben. Ausser dem oberirdisch fliessenden Wasser fördert man jedoch auch Wasser durch Fogarat (unterirdische Galerien, Brunnen) sowie durch Ziehbrunnen zu Tage. Die vorhandenen Palmengärten würden mehr als ausreichen zur Ernährung der Einwohnerschaft, wenn nicht zwei Drittel der Gärten und Bäume an Rhadamser oder an Djebeli verkauft wären. Es zeugt für die, Indolenz der Bewohner, dass sie, einen Theil ihres Grund und Bodens und ihrer kostbarsten Habe, der Dattelbäume, zufolge schlechter Wirthschaft in fremden Besitz kommen liessen. Wie überall in den Oasen werden auch hier die Bäume und der Boden, auf dem sie stehen, getrennt voneinander verkauft ein Gebrauch, der natürlich oft zu heftigen Streitigkeiten Anlass gibt, so klagt

z. B. der Besitzer einer Palme gegen den Grundeigenthümer, der Baum sei eingegangen, weil er nicht genügend bewässert worden, u. s. w. Das Areal, selbst der Gärten, ist in Derdj, wenn man die Fruchtbarkeit des Bodens und den Wasserreichthum in Betracht zieht, billig zu haben. Felder mit fliessendem Wasser werden natürlich theuerer bezahlt. Hingegen stehen die Bäume, den Werth des Geldes in Anschlag gebracht, verhältnissmässig hoch im Preise. Für eine Palme der edlern Gattung, zumal eine solche, die alljährlich eine Kamelladung Datteln liefert, zahlt man bis über 100 Mahbub (500 Frs.), für eine Kamelladung Datteln der besten Sorte 7-8 Mahbub. Die Zahl der Dattelpalmen in den vier Orten zusammen dürfte sich auf ungefähr 300000 Stück belaufen. Was die sonstige Production betrifft, so unterscheidet sich die Oase Derdj nicht von den andern. Oasen der Hammada. Sie hat ausser dem Zehnten von allen Früchten 1182 Mahbub an Abgaben zu entrichten. -

Mein Unwohlsein steigerte sich in bedenklicher Weise. Der Mudir des Orts rieth mir, Lakbi dagegen zu brauchen, und ich nahm in der That einen Topf voll dieses abscheulichen Getränks zu mir. Anfangs verschlimmerte sich die Diarrhöe danach, aber gegen Abend des zweiten Tags spürte ich Besserung, sodass ich mich im Stande fühlte, den kurzen Marsch nach Rhadames zurückzulegen, wo ich auf bessere Verpflegung und längere Ruhe hoffen durfte. Da meine Kameltreiber aus Misda dorthin zurückgekehrt waren, miethete ich in Matres andere, und nachdem ich noch, soweit ich es vermochte, alle Bettler in Derdj befriedigt hatte, brachen wir am 15. Juni morgens 71/2 Uhr auf.

In 275 Richtung längs dem Uadi Milha hinziehend, erreichten wir nach drei Stunden Matres und gielten daselbst im Schatten einiger Palmen. Der kleine I>t hat nur circa 100 Einwohner, die sich hauptsächlich vom Vermiethen ihrer Kamele ernähren, denn Palmen gibt es dort nicht viele, und die, meisten davon sind Eigenthum der Rhadamser.

Der Weg von hier nach Rhadames soll nicht allzu sicher sein. Mehrere Leute von Derdj, von Matres und einige vom Stamme der Uled Mahmud baten daher, sich mir anschliessen zu dürfen, und da sie alle mit Flinten bewaffnet waren, sah ich diese Verstärkung meiner Karavane nicht ungern, obschon ich neue Angriffe auf meine Mundvorräthe von ihnen gewärtigen musste, eine Voraussicht, die sich dann auch in vollem Maasse bestätigte.

Um 5 Uhr nachmittags zogen wir in 965 Richtung weiter Ich hatte die Absicht, den Marsch bis Mitternacht fortzusetzen, um von der Kühle der Nacht zu profitiren. Aber kaum war eine halbe Stunde im langsamen und gleichmässigen Kamelschritt zurückgelegt, als an der Spitze der Karavane sich ein grosser Lärm erhob, in dem ich sofort das klagende Gebrüll eines Kamels unterschied. Ich ritt in der Regel am Ende des Zuges, um etwaige Unordnungen leichter wahrnehmen und abstellen, auch die Leute besser überwachen zu können. Schnell trieb ich mein Kamel an; die ganze Karavane machte inzwischen halt, und so liess sich mit einem Blick das angerichtete Unglück überschauen. Mein Neger Cheir hatte aus Versehen mit seinem Stocke dem Thiere das rechte Auge aus dem Kopfe geschlagen, das nun blutig am Boden lag. Bekanntlich haben die Kamele sehr stark hervortretende Augen. Während das verletzte Thier noch immer sein klägliches Gebrüll ausstiess, lärmte und tobte der Eigenthümer desselben, ein Bewohner von Matres, und drohte sogar handgreiflich zu werden. Was war zu thun? Er sprach vom Kadhi, von Schadenersatz oder Umtausch gegen eines meiner Kamele, und ich selbst konnte ihm nicht unrecht geben, denn sein Kamel war ein junges und starkes Thier. Am liebsten hätte er es gesehen, wenn die ganze Karavane nach Derdj zurückgekehrt und der Fall dem dortigen Kadhi zur Entscheidung übergeben worden wäre. Darauf ging ich jedoch nicht ein, sondern sagte ihm, falls er die Sache vor den Richter bringen wolle, könnte er dies in Rhadames ebenso gut thun. Indessen hoffte ich, bis dahin mich gütlich mit ihm zu einigen. Nachdem er noch eine kurze Strecke parlamentirend neben mir hergegangen, erbot er sich schliesslich, ein anderes Kamel aus Matres zu holen und mir dann zum Kadhi von Rhadames zu folgen. Er machte sich auf den Weg, und wir lagerten um 6 Uhr, um seine Rückkunft zu erwarten. Wirklich erschien er nach einigen Stunden wieder, aber statt eines Kamels seinen Bruder mitbringend. Auch dieser verlangte, dass ich mit ihnen umkehren oder wenigstens den Thäter, meinen Neger Cheir, an den Kadhi von Derdj zur Aburtheilung entsenden solle. Als sie aber sahen, dass ich fest auf dem Weitermarsch beharrte, schlugen sie zuletzt vor, ich möge selbst als Bei (sowol in meinem Firman wie in dem Bu-Djeruldi war mir der Titel Bei verliehen) das Urtheil in der Sache fällen ein sehr schlauer Vorschlag, denn sie appellirten damit zugleich an meine Gerechtigkeit und an meine Grossmuth. Ich gestand ihnen denn auch, wie von Anfang an, bereitwilligst zu, dass sie Anspruch auf Schadenersatz hätten, gab ihnen aber zu bedenken, wie ungerechtfertigt ihre Forderung wäre, den vollen Werth des verletzten Thieres bezahlt zu erhalten, da ein Kamel doch kein Luxusthier sei und der Verlust eines Auges seine Tragfähigkeit nicht beeinträchtige; selbst der fünfte Theil des Werthes würde daher ein noch viel zu hoher Ersatz sein. Sodann fragte ich sie, ob nach dortigem Gebrauch der Herr für jeden Schaden, den sein Diener angerichtet, unbedingt aufkommen müsse. "Cheir", lautete ihre Antwort, "ist kein Diener, sondern dein Sklave." Wäre dies richtig gewesen, so hätte ich allerdings die Verpflichtung gehabt, vollen Ersatz zu leisten, denn wie alles, was der Sklave verdient, nach mohammedanischem Rechte seinem Herrn gehört, ist auch der Schaden, der durch einen Sklaven angerichtet wird, von seinem Herrn zu tragen. Ich schwur, dass Cheir nicht mein Sklave, sondern ein gemietheter Diener sei, und meine übrigen Diener beschworen dasselbe mit den kräftigsten Eiden. Der Mohammedaner liebt es bekanntlich, bei jeder Gelegenheit zu schwören, und erwartet auch von andern die Betheuerung der geringfügigsten Aussage durch einen feierlichen Schwur. Dass von Cheir selbst, der seit kurzem erst in meinen Diensten stand, folglich keine Schätze besass, nichts zu erpressen war, leuchtete den beiden Brüdern ein. So fügten sie sich denn vorläufig in ihr Misgeschick, zumal sie keinen Augenblick zweifelten, die Medicin, Charpie mit Wachssalbe bestrichen, die ich dem armen Thiere zur Linderung der Schmerzen in die leere Augenhöhle gedrückt, werde demselben) ein neues Auge verschaffen, und als am andern Morgen die Karavane aufbrach, waren wir vollkommen gute Freunde.

Von 8 Uhr früh bis 2 Uhr nachmittags ging es immer an dem Uadi Milha entlang, welches in zahlreichen Krümmungen nach Westen zieht, bis es sich bei Misissem in den Areg verliert. Wir passirten den Areg er-Rmel (Sanddünen) und gelangten an das aus Westen von dem Djebel gleichen Namens kommende Uadi Krab. Den ganzen Tag waren wir, durch einen starken Nordwind begünstigt, ohne zu gielen marschirt, dafür wurde nun bereits um 4 Uhr nachmittags zum Lagern halt gemacht.

Endlich, am 17. Juni, sollte der letzte Tagemarsch zurückgelegt werden. Um 4 Uhr morgens verliessen wir unsern Lagerplatz und erreichten, westlich vorrückend, um 6 Uhr den Fuss des relativ etwa 500 hohen Berges Krab; nach 10 Minuten war die Höhe erstiegen, und ohne Aufenthalt ging es den weniger steilen westlichen Abhang hinunter. Auch auf dieser Seite des Berges entspringt noch ein Uadi, erst nach Westen und dann nach Nordwesten fliessend, dessen Namen ich jedoch nicht erfahren konnte, obschon es in denjenigen Strecken der Sahara, welche von Karavanen durchzogen werden, keine irgendwie in die Augen fallende Oertlichkeit gibt, die nicht benannt wäre. Westlich vom Djebel Krab aber hört alle Vegetation auf , in der Umgegend von Rhadames ist kein Strauch, kein Halm mehr zu erblicken. Ich liess um 9 Uhr morgens gielen und sandte meinen Burschen Hammed in Begleitung einiger anderer meiner Leute mit dem Bu-Djeruldi voraus. Kurz vor Sonnenuntergang langte die ganze Karavane vor Rhadames an.

Die Stadt hat an der Nordwestseite drei Thore. Beim ersten, glaubte ich, würde uns Hammed erwarten; er war aber nicht dort, auch beim zweiten und dritten trafen wir ihn nicht. Wir kehrten daher zum ersten, dem Hauptthore, zurück und hielten durch dieses unsern Einzug, gefolgt von einem Schwarm Kinder der Tuareg, welche ausserhalb der westlichen Ringmauer der Stadt zu lagern pflegen. Auch eine Menge Rhadamser hatte sich mittlerweile dem Zuge angeschlossen, doch schien die allgemeine Aufmerksamkeit weniger auf mich und mein Gefolge als auf meinen Hund Mursuk gerichtet zu sein. Wol noch nie zuvor war den meisten Bewohnern von Rhadames ein Hund zu Gesicht gekommen, denn die Slugi (Windhunde), deren die Tuareg mit sich führen, werden von den Rhadamsern nicht zum Hundegeschlecht gerechnet. Welche Aufregung würde erst mein verlorener stattlicher Bull hervorgerufen haben, wenn schon der kleine weisse Spitz die halbe Stadt in Alarm versetzte.

Es war bereits das zweite mal, dass ich in Rhadames einzog; ein Jahr vorher hatte ich auf dem Wege von Rharb (Marokko), für einen frommen Mohammedaner geltend, die Stadt betreten. Damals stand ich unter dem Schutze der Tuareg und war mit einem gewissen Nimbus umgeben, denn ich kam ja direct von Uesan, vom Dar demana, aus der Sauya des Mulei Thaib, und auch diesmal erregte meine Person das Interesse der Einwohner, wie es schien, in nicht geringem Grade. Im Vorüberziehen hörte ich, wie die einen behaupteten, ich sei Christ, wogegen andere schwuren, ich sei Türke, und noch andere mir "Willkommen, Consul!" zuriefen. Vor der Wohnung des Kaimmakam, des türkischen Gouverneurs von Rhadames, liess ich den Zug halten.

Ehe ich aber in der Erzählung meiner Reiseerlebnisse fortfahre, will ich versuchen, den Leser etwas näher mit dieser merkwürdigen Stadt bekannt zu machen.

[2]Barth: Rhamnus nabeca; Duveyrier: Zizyphus lotus.

[3]Barth schreibt: Haera.

[4]Die Araber nennen ein Kamel auch schlechtweg "Daher", d. h. Höcker oder Buckel.

[5]Nach Barth Uadi Bu-Ghelan.

[6]Barth, der "Tekut" schreibt, gibt die Höhe desselben zu 2800' an.

[7]Gamat, Pl. von Gama, ein Längenmass von 6' oder von der Spannweite der ausgebreiteten Arme eines gewöhnlichen Mannes.


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