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V. Von Rhadames nach den Schwarzen Bergen.

Hammed-Agha, der Hauptmann-Kutscher. Das Urtheil des Kadhi von Derdj. Das arabische sind das Meheri-Kamel. Auswanderer aus Algerien. Von Misda über den Djebel Egenn und das Semsen-Thal auf die Hammada el-Homra. Ein Gebli. Garia schirgia und Garia rharbia.

Das Harudj soda oder Schwarze Gebirge.

Unsere Karavane war von stattlicher Länge; ausser meinen eigenen befanden sich fünfzig sintaner Kamele in dem Zuge, die Waaren nach Radames gebracht und jetzt, bis auf einige, die von mir gemiethet waren, unbeladen zurückgingen.

Als Reisegefährten hatte ich eine damals von den Tripolitanern für äusserst wichtig gehaltene Persönlichkeit, Hammed-Agha, Hauptmann in der Armee des türkischen Sultans, zugleich aber Leibkutscher und, wie man sagte, intimer Vertrauter des Muschir-Pascha in Tripolis. Er war von diesem abgesandt worden, um Kassem-Pascha den Firman seiner Versetzung von Djebel nach Rhadames zu behändigen, und da der Empfänger eines neuen Firmans dem Ueberbringer desselben ein reiches Geldgeschenk machen muss, ist eine solche Mission allerdings als besonderer Gunstbeweis für den damit Betrauten anzusehen. Ich besass die Zuneigung des Hauptmann-Kutschers, weil ich ihm in Rhadames, als sein Vorrath an Araki[16], dessen Genuss er leidenschaftlich ergeben war, zu Ende ging, einige Flaschen dieses edeln Getränks zu verschaffen gewusst. Für die Rückreise hatte ihn natürlich Kassem-Pascha genügend damit versorgt. Nach orientalischer Weise freigebig, in Glaubenssachen so tolerant, wie es ein Türke sein kann, liebte er das weibliche Geschlecht über die maassen, war aber mit nur einer Frau verheirathet.

Eine kurze Strecke verfolgten wir den Weg, auf dem ich von Misda gekommen war, und lenkten dann scharf nach Süden ab bis zu einem Wege, der in der Entfernung von etwa 2 Stunden mit jenem parallel läuft. Bei Sonnenuntergang wurde halt gemacht, um abzukochen, bald aber. weiter marschirt und erst um Mitternacht am Djebel Krab genächtigt.

Während der Abendrast vermisste Hammed-Agha, der sich bereits in sehr angeheitertem Zustande befand, das Emblem seiner Würde, seine lange silberbeschlagene Peitsche. Er erinnerte sich, dass er sie beim Abschied von Kassem-Pascha im Hofe von dessen Wohnung hatte stehen lassen, und schickte einen seiner Diener - der Kutscher des Paschas von Tripolitanien ist in der Lage, sich mehrere Diener halten zu können - behufs ihrer Abholung zurück. Derselbe kehrte aber ohne die Peitsche wieder, die mit dem glänzenden Silberbeschlage mittlerweile Liebhaber angelockt und trotz allen Suchens verschwunden blieb. Der Hauptmann-Kutscher war ausser sich über den Verlust; lieber hätte er seinen Säbel eingebüsst als die Peitsche, noch dazu das Eigenthum seines Herrn. In seiner Wuth überhäufte er die uns begleitenden Beduinen mit den gröbsten Schimpfwörtern, wie "Chanser", "kleb" (Schweine, Hunde), und die, Geschmähten, obgleich vollkommen unschuldig an dem Vorfall, wagten nicht, gegen den Günstling des Muschir-Pascha den Mund aufzuthun. Um Zorn und Aerger zu vertrinken, guckte er nun noch tiefer in die Arakiflasche, so dass er, als wir wieder aufsassen, sich kaum noch auf den Beinen erhalten konnte. Die Kameltreiber wollten ihn auf seinem Thiere festbinden, damit er von dem hohen Sitz nicht herabfalle, aber er stiess sie schimpfend beiseite. Glücklich überwand er auch ohne ihre Hülfe die ersten zwei schaukelnden Bewegungen, die das Kamel im Aufstehen macht, bei der dritten jedoch plumpste sein schwerer Körper, nach hinten sich überschlagend, auf höchst possirliche Art zu Boden. Betrunkene fallen fast immer ungefährlich; so kam auch unser Trunkenbold mit einigen leichten Quetschungen davon. "Gott und unser gnädiger Herr Mohammed haben Erbarmen mit mir! lch werde zehn Tage fasten und morgen wieder beten!" lallte er, etwas ernüchtert und offenbar seinen Sturz als eine Strafe Gottes für das Arakitrinken ansehend. Geduldig liess er es jetzt zu, dass ihn die Treiber auf das Kamel hoben und mit Stricken an dem Sitze festbanden. Am andern Morgen aber, als er seinen Rausch ausgeschlafen und sah, wie unbedeutend die erlittenen Quetschungen waren, fragte er mich ganz ernsthaft, ob ich glaube, dass unser gnädiger Herr Mohammed das Weintrinken absolut verboten habe. "Gewiss", erwiderte ich, aber das Schnapstrinken nicht." "Mustafa, du bist ein weiser Mann!" sagte er und that einen kräftigen Zug aus seiner Schnapsflasche.

Wir langten ohne weitere Fährlichkeiten in Derdj an. Die Roheit und Ueberhebung Hammed-Agha's traten hier wieder aufs krasseste zu Tage. Wie ich, hatte er vom Kaimmakam in Rhadames einen besondern Empfehlungsbrief an den Mudir (Ortsvorsteher) von Derdj erhalten. Mit diesem Schreiben schickte er seinen Diener in den Ort und befahl ihm: "Sag' dem Schwein, dem Araberhunde, er soll den Brief seines Vorgesetzten in Empfang nehmen!" Aber an dem Mudir hatte er seinen Mann gefunden. "Sag' dem Religionsschänder, dem Schnapstrinker", lautete dessen Antwort, "dass ich nichts mit ihm zu thun haben will." Hammed-Agha raste; seine Diener sollten den Mudir gebunden vor ihn bringen, und da sie wohlweislich den unsinnigen Befehl nicht ausführten, mussten sie mit Schlägen dafür büssen.

Mir wurde durch den Mudir meiner Sicherheit wegen, und weil ein längeres Lagern unter dem Zelte bei der brennenden Hitze nicht zu ertragen gewesen wäre, ein Haus in der Stadt zur Wohnung angewiesen, freilich auch kein angenehmer Aufenthalt, da es von Schmuz starrte und mehr einer Höhle für wilde Thiere als einer menschlichen Wohnstätte ähnlich sah. Hier kam nun der Process um das ausgeschlagene Kamelauge zum Austrag. Der Eigenthümer des verletzten Thiers hatte in Rhadames seine Ansprüche nicht geltend gemacht, sondern war bald wieder mit voller Ladung von da nach dem Gebirge abgegangen und inzwischen nach Derdj zurückgekehrt. Jetzt verlangte er von mir den halben Preis seines Kamels als Schadenersatz, indem er sich meines Negers zu bemächtigen drohte, falls die Forderung nicht befriedigt würde. Schliesslich klagte er bei dem Kadhi von Derdj. Dieser verurtheilte mich zur Zahlung von 10 Mahbub, setzte aber, als ich einwandte, dass ja das Thier dienstfähig geblieben sei, den Betrag auf die Hälfte herab. "Einen Sbili" (= 1/4 Mahbub, etwa 8 Sgr.), sagte er zu mir gewendet. , "steure ich selbst bei, einen mag dein Neger geben, und den Rest wirst du zahlen." Cheir legte wirklich einen Sbili hin, ich zählte das übrige auf, und der Kläger war im Begriff, das Geld einzustreichen. Da redete ihn der Kadhi wieder an: "Wo ist denn jetzt dein Kamel?" - "Auf einer Reise nach Misda." - "Fi ech cheir!" (gewöhnlich achiar ausgesprochen, wörtlich: Mit Gutem, d.h. damit ist Gutes verbunden, hier soviel wie: Aha! Hm, hm!) "wenn das Thier so reisetüchtig ist, dass es fortwährend auf der Strasse sein kann, so brauchst du gar keinen Schadenersatz, Freund meines Herzens; jedenfalls muss ich den Schaden erst besichtigen." Mit diesen Worten steckte der würdige Richter das Geld in seine Tasche und entfernte sich, um, wie er sagte, ein Extragebet zu verrichten. Der verdutzte Eigenthümer des Kamels aber schaute ihm offenen Mundes nach.

Ich verweilte mehrere Tage in Derdj, weil ich Kamele und einen Chaber (Karavanenführer) für die directe Tour von da nach Mursuk zu miethen gedachte. Aber die Leute machten so hohe Forderungen, dass ich nicht darauf eingehen konnte, sondern die Reise bis Misda fortzusetzen beschloss. Meinen Diener Hammed liess ich mit dem Hauptmann-Kutscher nach Tripolis gehen; er sollte kürzlich für mich eingetroffene Gelder daselbst abholen und sie mir, auf geradem Wege reisend, nach Mursuk bringen.

Einige Tagemärsche vor Misda ward eins meiner Kamele sehr schwach; mochte es schädliche Kräuter gefressen haben oder das stark abführende Wasser nicht vertragen können, oder war die ihm aufgebürdete Last zu gross gewesen, genug es siechte zusehends dahin, und ich musste es an der Strasse zurücklassen, hoffend, es werde sich selbst gutes Wasser und heilsame Kräuter suchen und so vielleicht wieder erholen. Dass es gestohlen werden machte, brauchte ich nicht zu besorgen. Denn während Raubzüge unternommen werden, um Kamele zu stehlen, auch wol einzelne Kamele aus der Karawane oder aus dem Lager abhanden kommen, vergreift sich niemand an einem der Natur anvertrauten Kamel, selbst wenn es wieder gesund geworden. Ebenso werden Karavanen angefallen und geplündert, aber Waaren oder Güter, die man auf der Strasse abwirft, um die Last der Kamele zu erleichtern, bleiben unberührt an der Stelle liegen.

In ganz Nordafrika, in allen sogenannten Berberstaaten wie in den Oasen der südlich davon sich ausbreitenden Sahara, ist nur das einhöckerige arabische Kamel gekannt. In Aegypten bewirkte das bessere Futter, das reichliche süsse Wasser und die Kürze der Märsche Verschiedenheiten in der Entwickelung des Thiers, vermöge deren es dort durchschnittlich grösser ist und schwerere Lasten tragen kann. Nach Brehm trägt in Aegypten ein Kamel bis zu 1000 Pfd.; in den übrigen nordafrikanischen Ländern ist die grösste Kamellast 500 Pfd., und dies auch nur bei kurzen Märschen; auf langen Wüstenreisen darf man nie mehr als 300 Pfd. aufladen. Obwol nirgends auf ägyptischen Denkmälern ein Kamel abgebildet ist, scheint doch die Annahme begründet, dass es in diesem östlichen Theile von Afrika schon in den frühesten Zeiten heimisch gewesen und später von da in die westlichen Länder eingeführt wurde.

Von dem arabischen Kamel Nordafrikas unterscheidet sich das afrikanische oder Meheri-Kamel, dessen Heimat die Central-Sahara ist, wie etwa der afrikanische Elefant sich vom indischen unterscheidet. Die abweichenden Merkmale sind so wesentliche, dass man jetzt die Meheri wol als eine eigene Rasse bezeichnen darf, was indess die Möglichkeit, das arabische und das afrikanische Kamel seien ursprünglich eins gewesen, keineswegs ausschliesst. Wieweit das Meheri dem Hedjihn, dem Reitkamel der Bischari, gleichkommt, vermag ich nicht zu sagen, da ich letzteres nicht aus eigener Anschauung kenne.

Für Reisen in der Sahara ist das Meheri dem Menschen unentbehrlich, ja das Passiren der grossen Wüste wäre ohne dieses Thier eine Unmöglichkeit. Es trägt verhältnismässig grosse Lasten, kann im Nothfall bis zu zehn Tagen ohne Wasser existiren, nimmt mit der dürftigsten Nahrung fürlieb und zeichnet sich durch einen merkwürdigen Ortssinn aus. Nicht selten sind Karavanen, die sich verirrt hatten, blos durch die Spürkraft der Kamele zu einer Oase oder zu einem Brunnen geleitet worden, denn Wasser wird von ihnen, namentlich wenn sie lange gedurstet haben und man sie frei gehen lässt, aus weiter Ferne gewittert. Trotz ihrer passiven Natur zeigen die Kamele Erkenntlichkeit und Anhänglichkeit an ihre Wohlthäter. Ich gab dem Kamel, das ich gewöhnlich ritt, öfters ein Stück Brot oder eine Handvoll Datteln; war es nun mit andern wochenlang fern auf der Weide gewesen, so erkannte es mich bei der Zurückkunft doch wieder, kam ungerufen auf mich zu und beschnupperte meine Hand in Erinnerung der aus ihr empfangenen Spenden. Wenn in grossen Karavanen die Kamele abends zu ihren Lagerplätzen zurückkehren, weiss jedes von selbst das Zelt seines Herrn herauszufinden.

Mein unterwegs zurückgelassenes krankes Kamel hatte sich ganz allein, unserer Spur folgend, bis Misda fortgeschleppt. Da ich immer noch hoffte, es würde genesen, schloss ich mit einem Eingeborenen einen schriftlichen Contract, nach welchem er sich verpflichtete, das Thier in seine Heerde aufzunehmen, es gut zu pflegen und, wenn es sich so weit erholt, zum Verkauf nach Tripolis zu fahren, wogegen der vierte Theil des Erlöses ihm selbst zukommen sollte. Aber schon am nächsten Tage sagte man mir, der Zustand des leidenden Thiers habe sich derart verschlimmert, dass der Tod jeden Augenblick zu erwarten wäre, ich müsse daher, falls ich sein Fell und Fleisch retten wolle, es sofort abstechen lassen. Nur das Fleisch von einem abgestochenen Kamel nämlich ist den Mohammedanern zu geniessen erlaubt; von einem Kamel, das gefallen, oder durch eine Kugel getödtet, oder vom Blitz erschlagen worden ist, darf kein Rechtgläubiger essen. Doch kann das Abstechen von jedermann verrichtet werden, es ist nicht wie bei den Juden eine durch den Rabbiner oder einen andern geistlichen Beamten zu vollziehende Ceremonie. Mein Neger Cheir stach das Thier regelrecht ab; das Fleisch verschenkte ich, für das Fell wurde mir 31/2 Mahbtib bezahlt.

Gleichzeitig mit mir lagerte bei Misda ein Zug Auswanderer aus Algerien, aus dem südlichen Theile der Provinz Oran, die mit Weibern und Kindern, mit Pferden, Ochsen, Schafen und Ziegen ihre Wohnsitze verliessen und sich in Cyrenaica niederlassen wollten. Sie hatten grosse, geräumige Zelte und waren gut bewaffnet, einige sogar mit französischen Doppelflinten. Als Grund ihres Wegzugs gaben sie an, dass sie als Schürfa, d. h. Abkömmlinge des Propheten, nicht länger unter dem Joche der Ungläubigen leben könnten. Es läge sicher im Interesse der Franzosen selbst, wenn alle diese unruhigen fanatischen Araberstämme aus Algerien auswanderten, denn nie werden sie die Wohlthaten einer geordneten Regierung zu würdigen wissen, nie wird Frankreich auf ihre Ergebenheit und Treue zählen können. Mochten sie doch in frühern Zeiten auch die Regierung ihrer Glaubensgenossen, der Türken, nicht ertragen, wieviel mehr werden sie immer wieder geneigt sein, sich gegen die Herrschaft der Ungläubigen aufzulehnen.

Der Mkadem von der Sauya des Snussi-Ordens in Misda, Si-Ali Abd-Allah, nahm sich der Ausgewanderten, der "Märtyrer für den heiligen Glauben", eifrig an. Er sammelte Almosen für die fremden Schürfa, obschon sie offenbar keiner Unterstützung bedurften, und heischte auch von mir, als ich in die Moschee kam, ich solle mich mit einer recht reichen Gabe betheiligen, salbungsvoll und mit priesterlicher Anmassung versichernd, damit würde ich ganz gewiss der Freuden des Paradieses theilhaftig werden. Ruhig erwiderte ich ihm jedoch, es scheine mir zwecklos, für Leute, denen es an nichts fehle, Almosen zu sammeln; wenn er aber in diesem Falle das Spenden für ein Gebot der Religion erkläre, so wolle ich mich dem nicht entziehen, vorausgesetzt, dass er sich seinerseits hier feierlich verpflichte, das Doppelte von dem zu geben, was ich als Opfer darbringen würde. "In scha Allah" (so es Gott gefällt), war des heiligen Mannes Antwort; aber er hütete sich wohl, das Versprechen zu leisten, sondern kehrte rasch um und belästigte mich nicht weiter. Auf die Anwesenden machte die Scene natürlich die Wirkung, dass nun alle mit ihren Gaben zurückhielten.

Die Misdaer, oder wie sie allgemein genannt werden, die Kontharar, forderten nicht minder unverschämte Miethpreise für ihre Kamele als die Einwohner von Derdj. Zum Glück waren gerade Uled Mschaschia angekommen, die nach Fesan zogen, um dort gegen Getreide ihren Winterbedarf an Datteln einzutauschen. Sie vermietheten mir Kamele für den verhältnissmässig billigen Preis von 6 Mahbub das Stück bis Schati, der nördlichsten Provinz von Fesan. Solcher Austausch der Producte zwischen den ackerbautreibenden Arabern und Berbern einerseits, und den Bewohnern der palmenreichen Oasen der Sahara andererseits findet im ganzen Norden von Afrika statt. Jede Oase, jede Ortschaft hat bestimmte Triben der Tell (der cultivirbaren Zone), die, alljährlich Getreide hinbringen und Datteln dafür mit heim nehmen. Nach der Qualität der Datteln sowol wie des Getreides richtet sich die Zahl der Dattelladungen, die für eine Ladung Weizen oder Gerste geliefert werden. Immer aber übersteigt die Quantität der Datteln die des dafür abgelieferten Getreides, und es fahren deshalb die nach den Oasen ziehenden Getreidekaravanen eine Anzahl leerer, unbeladener Kamele mit sich.

Am 29. September nachmittags 4 Uhr konnte ich dem langweiligen Orte Misda den Rücken kehren. Obgleich noch immer unpässlich und zum fortwährenden Gebrauch von Opium genöthigt, war ich doch frohen Muthes, da ich ja nun Gelegenheit fand, auf einem Wege nach Fesan zu gehen, den vor mir noch kein Europäer betreten hatte. Bis hierher durfte ich nicht wagen, anders als unter der Maske eines Muselmans zu reisen; jetzt ging es südwärts in Länder, deren Bewohner nicht wie die fanatische Bevölkerung des Rharb jeden Andersgläubigen feindselig behandeln oder gar mit dem Tode bedrohen. In dem toleranten Fesan, in Bornu, wo Europäer freundlich aufgenommen werden, hat es keinen Zweck, orientalische Tracht anzulegen, und ich sehe nicht ein, warum Barth, Vogel und vor ihnen Denham und Clapperton, die doch ihren christlichen Glauben niemals verleugneten, sich derselben bedient haben. Sobald mir die Palmen von Misda aus den Augen geschwunden, warf ich meine Vermummung ab und kleidete mich in einen leichten europäischen Sommeranzug. Für meine Begleiter, auch die Kameltreiber hatte diese Metamorphose nichts Auffälliges, da auch viele Türken, insbesondere fast alle türkische Beamten nach europäischer Art gekleidet sind.

Wir nahmen die gerade südliche Richtung, erstiegen das Ufer des Ssufedjin und gelangten dann in das Uadi Djerádja, dessen Verästelung uns abends 71/2 Uhr auf das Plateau brachte, welches, 100- 150' höher als der Ssufedjin bei Misda, diesen von der Hammada hamra trennt. Glatte Felsplatten, vom Wasser polirte Kalksteinwände, im Wege liegende grosse und kleine Blöcke und loses Geröll machten das Heraufsteigen sehr beschwerlich. Ueberdies begegnete uns, als es schon anfing zu dunkeln, eine grosse von Fesan kommende Karavane; es entstand allgemeine Verwirrung, und nur mit vieler Mühe konnten unsere Kamele, die, weil sie eben erst von der Weide gekommen, sehr wild waren, wieder zur Ruhe gebracht werden. Um 8 Uhr abends lagerten wir etwas rechts vom Wege.

Am zweiten Tage hatten wir kaum 3 Stunden in der Richtung von 160deg. zurückgelegt, als die Mschaschia halt machten, unter dem Vorgeben, dass sie auf einen der Ihrigen warten müssten. Der wahre Grund, weshalb sie nicht weiter wollten, war aber wol die gute Kamelweide, die sie hier fanden. Es wächst nämlich an der Stelle viel Gelgelan[17], eine Crucifere, die das Eigenthümliche hat, dass sie sehr energisch Wasser aus der Luft anzieht; selbst wenn gar kein Thau fiel und andere Pflanzen völlig trocken sind, hängen morgens die Zweige des Gelgelan voll grosser Wassertropfen. Vielleicht ist es der starke Salzgehalt dieser Pflanze, der das Wasser anzieht, oder sie besitzt vielleicht eigens construirte Sauggefässe, mit denen sie die Feuchtigkeit aus der Luft zu concentriren vermag. Der Lagerplatz war übrigens einladend genug, und wir liessen uns das saftige Gazellenfleisch, das mir von Misda mitgebracht hatten, wo man es alle Tage frisch zu kaufen bekommt, vortrefflich schmecken. Gegen Mittag aber belästigte uns sehr der von einem heftigen Nordostwind aufgewirbelte, alles durchdringende Sand.

Erst andern Morgens um 8 Uhr kam der erwartete Mschaschia an. Nach zweistündigem Marsche in gerader östlicher Richtung stiessen wir auf das Uadi Ertiss, ein von Südsüdost herlaufendes Flussbett, das von steilen Wänden eingefasst ist und in dem sich zwei Brunnen, zwar von geringer Tiefe, aber mit ausgezeichnet gutem Wasser befinden. Zur Rechten auf 10 Kilometer Entfernung hatten wir einen von Kaf Masusa ausgehenden und nach Südost verstreichenden Höhenzug, auf welchem der Ertiss wahrscheinlich entspringt, um sich dann dem Ssufedjin zuzuwenden. Wir gielten von 9-11 Uhr an einem der eben erwähnten Brunnen.

Ich benutzte die Zeit zum Besuch eines in der Nähe befindlichen Denkmals der Römerherrschaft. Es würde vollkommen unerklärlich sein, wie man sich veranlasst finden konnte, in diesen so armseligen, ja zum grössten Theil ganz vegetationslosen Gegenden so viele monumentale Bauten zu errichten, wenn wir nicht annehmen müssten, dass eben diese Gegenden einst wesentlich anders beschaffen waren, dass sie eine bei weitem reichere Vegetation besassen und einer dichten Bevölkerung zu Wohnsitzen dienten. Das von mir besuchte Denkmal ans schönen Kalkquadern erhob sich, an der Basis 5'6'' breit, zu zwei Stockwerken, im ganzen etwa 20' hoch; doch muss es noch höher gewesen sein, da die Spitze abgebrochen war. In seiner Vollendung scheint es die Form eines Obelisken gehabt zu haben. Von aussen ohne Schmuck, enthielt es im Innern zwei erbrochene Grabgewölbe, deren Wände mit Sculpturen, Thiere, namentlich Windhunde und Antilopen darstellend, bedeckt waren.

Um 1 Uhr wurde das von Südosten kommende und nach der entgegengesetzten Richtung weiter ziehende Uadi Bu-el-Adjraf erreicht, das nach den Aussagen der Leute nicht mit dem Ssufedjin zusammenhängt. Wieder verlangten die Eigenthümer der von mir gemietheten Kamele, dass wegen des gesunden Kamelfutters - die Pflanze Domrahn stand hier in Blüte - schon um 2 Uhr nachmittags campirt werde, und es bleibt in solchen Fällen nichts übrig, als ihrem Willen nachzugeben. Auch hier besah ich Ueberreste römischer Bauwerke, konnte aber nirgends Inschriften daran entdecken.

Am 2. October waren wir um 6 Uhr morgens marschbereit. Wir hielten uns in der Richtung von 125deg.. Die Gegend wurde jetzt gewellt, fast gebirgig und allmählich stieg der Weg den Djebel Egenn hinan. Von der Passhöhe hat man einen herrlichen Ueberblick, dessen Reiz noch durch die zahlreichen Ruinen und durch das Grün der in gebrochenen Hainen sich hinziehenden Uadis erhöht wird. Um 10 Uhr gelangten wir an die Zuflüsse des Uadi Talha, so genannt von den Gummiakazien, die in dem Thale wachsen. Während die Kamele nahrhafte Kräuter abweidend langsam vorwärts gingen, nahmen wir unser Frühstück ein. Die Hitze nöthigte uns jetzt nicht mehr, in den heissesten Tagesstunden stillzuliegen. Bis 3 Uhr zogen wir im Uadi Talha fort, passirten um 5 Uhr einen kleinen Höhenzug und befanden uns nach einer Stunde in dem Thal Frofren, wo das Lager aufgeschlagen wurde.

Mehrmals hatte uns an dem Tage eine Bande von 8-10 Mann, zwei zu Pferde, die übrigen auf Kamelen, in der Ferne umschwärmt, die aber, sobald wir halt machten oder sie heranwinkten, stets eiligst wieder davonjagte. Da nun die Gegend, welche mit ihrem coupirten Terrain sowie in den Ruinen der alten Castelle und Grabmäler zahlreiche verborgene Schlupfwinkel bietet, nicht im besten Rufe der Sicherheit steht, so galt es, auf unserer Hut zu sein. Einen offenen Angriff hatten wir zwar von der Bande nicht zu fürchten, wir waren ihr dreifach an Zahl überlegen und alle bis an die Zähne bewaffnet, wohl aber konnte sie unter dem Schutze der Nacht versuchen, uns Kamele wegzutreiben oder sonstwie zu bestehlen. In Rücksicht darauf wählte ich zum Lagerplatz den Raum vor einer hohen unersteiglichen Felswand, die uns den Rücken deckte, liess aus übereinander gethürmten Kisten und Hauyat (Kamelsätteln) zwei vorspringende Flügel bilden und in das so gewonnene Reduit die Kamele einstellen. Als Wächter wurde mein Spitz Mursuk davorgelegt, dann überliessen wir uns ruhig dem Schlafe. Es musste, nach den Sternen zu urtheilen - meine Uhr verschloss ich gewöhnlich des Nachts - um Mitternacht sein, als Mursuk heftig anschlug und darauf zu bellen fortfuhr, so wie er bellte, wenn er auf einen Menschen lossprang, um ihn zu beissen. Jetzt fiel ein Schuss. Im Nu waren wir alle auf dem Beinen. Ich fürchtete, der Hund sei todtgeschossen, aber da sahen wir ihn hinter den fliehenden Räubern herlaufen, die zu Fuss waren, jedenfalls jedoch ihre Kamele und Pferde in der Nähe hatten. Ihre Absicht, ein paar unserer Kamele zu stehlen, war also durch die Wachsamkeit meines braven Hundes vereitelt worden. Wie kräftig er sie angepackt, bewies noch der am Boden liegende Fetzen eines Haik, den er einem der Räuber mit den Zähnen vom Leibe gerissen.

Mursuk war der Held des Tages und fortan eine allgemein geschätzte Persönlichkeit. Ass einer von den Leuten Datteln oder Sesometa (gedörrtes Gerstenmehl), so bekam der Hund sicher seinen Theil davon. War er müde, so wurde er auf ein Kamel gehoben, und er hatte mit der Zeit ganz gut gelernt, auf seinen Vieren stehend alle Schaukelbewegnngen des Wüstenschiffes auszuhalten. Und Mursuk seinerseits wurde nicht nur gegen mich und meine Leute von Tag zu Tag höflicher und umgänglicher, auch mit den Kamelen vertrug er sich immer besser, namentlich mit meinen, die er nun schon seit fast einem Jahre kannte. Bekamen die Kamele eine Extraportion Datteln, so drängte er sich auch herzu, denn neidisch blieb er stets, und die Kamele liessen ihn unbehelligt mitfressen. Ja er versuchte auch wol des Morgens, wenn die Luft noch kühl war, mit ihnen zu spielen, er biss sie leise, umlief sie bellend und lachend (dass die Hunde lachen können, ist sicher), kurz Mursuk nahm alle Eigenschaften eines civilisirten Hundes an.

Natürlich bildete, als wir morgens um 5 Uhr aufbrachen, der nächtliche Vorfall noch den Gegenstand lebhafter Discussion. Man erging sich in Vermuthungen, wer die Räuber sein konnten: die einen meinten, Sintani, die andern, Uled-bu-Ssif, noch andere riethen auf den Räuberhauptmann von Misda; da sich aber keiner von der Bande mehr blicken liess, musste die Frage vorläufig unentschieden bleiben. Wir hielten uns wieder auf dem 165deg. des Kompass und hatten rechts von uns bald näher bald entfernter den Djebel Egenn, links etwa 10 Kilometer entfernt den ziemlich ansehnlichen Berg Chadamia. Um 7 Uhr morgens stiegen wir über kleine Gebirgszüge in die Schluchten des Uadi Tagidje herab. Eine Stunde später tauchte im Osten eine hohe steinerne Säule auf, über welche mir die Leute nichts zu sagen wussten, als dass sie von den Djehalin (Heiden) herstamme. Um sie näher zu besichtigen, machte ich, von meinem Neger Cheir begleitet, einen Abstecher dahin. Ich fand eine Pyramide von behauenen ganz wie neu ausgehenden Sandsteinquadern, aus zwei Stockwerken bestehend. Obgleich die Spitze zum Theil herabgefallen war, ergab eine nach dem Schatten von mir vorgenommene Messung noch die bedeutende Höhe von 32'. Rings an den Seiten sind Reste einer Einfassung von korinthischen Säulen. Die noch recht gut erhaltenen Bildwerke, namentlich auf der Ostseite, welche die Hauptfront bildet, lassen schliessen, dass die Pyramide als Grabmal eines berühmten Nimrod errichtet wurde, denn deutlich ist noch ein den Wurfspiess schwingender, eine Antilope verfolgender Reiter zu erkennen. Von einer Inschrift findet sich dagegen keine Spur. Es ist dies dasselbe Denkmal, das Barth in seinem Reisewerk (I, 125) abgebildet und beschrieben hat. Barth gibt die Höhe desselben zu 48' an und sagt, es habe im Innern drei Nischen, während ich deren acht zählte.

Sollte es nicht eine Aufgabe unserer Zeit sein, solche künstlerisch werthvolle Denkmäler des Alterthums, die Zeugen vergangener Grösse, vor dem gänzlichen Untergange zu retten? Man müsste sie unter Aufsicht Sachverständiger auseinandernehmen und nach Tripolis transportiren lassen. Keineswegs eine Unmöglichkeit. Araber und Berber würden gegen eine kleine Gratification gewiss gern den Abbruch und den Transport übernehmen.

Da unsere Karavane unterdess weiter gezogen war, musste ich mehrere Stunden Wegs mit Cheir allein zurücklegen, ehe ich sie wieder einholte. Kurz vorher hatten die Kameltreiber, wegen meiner langen Abwesenheit besorgt, einen der Ihrigen mit einem Kamel und einem gefällten Wasserschlauch nach der Pyramide geschickt, der mich von da zurückgeleiten sollte. Derselbe stiess, nachdem er dort lange vergebens auf mich gewartet, erst spät abends wieder zu uns. Die Mschaschia meinten übrigens, ich könne von Glück sagen, dass ich wohlbehalten eingetroffen, denn ich sei in Gefahr gewesen, von den Räubern bemerkt und abgeschnitten zu werden. Vormittags war die Karavane durch das von Westen nach Osten streifende Uadi Tagidje, gekommen; jetzt passirten wir das Uadi Ukiss, und schon um 21/2 Uhr wurde gelagert.

Nordöstlich von unserer Lagerstätte zog sich das ziemlich hohe Gebirge Kaf-Mugelat hin, vor uns der Rand der Hammada. Aber bevor wir zu dieser hinaufstiegen, hatten wir am folgenden Morgen noch das breite Thal Semsen zu durchwandern, eins der bedeutendsten Flussbetten Tripolitaniens, mit vielen Brunnen, welche so gutes Wasser enthalten, dass man das ganze Thal nach dem berühmten Brunnen Semsen in Mekka[18] benannt hat, und einem üppigen Bestande von Talha-Bäumen (Acacia arabica). Stämme und Aeste der letztern waren über und über mit Gummiharz bedeckt, das aber nur den unzähligen Fliegenschwärmen zugute kommt, denn in den nördlichen Theilen der Sahara wird das Harz von den Eingeborenen nicht gesammelt, ungeachtet es in jeder Beziehung den Vergleich mit dem Sudanischen oder Senegal-Gummi aushält und der Talha-Baum in keinem bedeutendem Uadi der nördlichen Sahara fehlt.

An der Stelle, wo wir lagerten, fand ich das Thal circa 270 Meter hoch. Wir erreichten am folgenden Tage gegen Mittag den Ausgang desselben und hielten uns nun südwestlich, um den schroffen, steil ansteigenden Rand der Hammada zu erklimmen. Mühsam arbeiteten sich die Kamele an dem pfadlosen Abhang hinauf - der Karavanenweg, den Barth benutzt hat, verfolgt eine viel westlichere Richtung -, doch nicht ein Kamel kam zu Falle, und glücklich langte die ganze Karavane oben an. Der Ueberblick von dem 430 Meter hohen Punkte aus über das weite Semsen-Thal ist prächtig. Wie konnten, fragte ich mich staunend, diese mächtigen Flussthäler entstehen - was für Umwälzungen müssen sich hier vollzogen haben, und welche Zeiträume von zehntausend oder hunderttausend Jahren mögen zwischen jener Epoche und der unserigen liegen!

Oben hatten wir noch eine kleine von Osten nach Westen laufende Einsenkung zu durchziehen, dann aber kamen wir an die eigentliche Hammada, d.i. eine Hochebene, deren Boden aus steinhartem röthlichem Thon mit geschwärzten scharfkantigen Steinen bedeckt ist.

Schon lange hatte sich ein Gebli oder wie man in Europa gewöhnlich sagt, ein Samum[19] angekündigt. Die Sonne erschien als ein glutrother Feuerball; eine unheimliche Schwüle durchzitterte die wellenschlagende Luft, dennoch herrschte vollkommene Windstille, aber eine pechschwarze, majestätisch sich heranwälzende Wolke liess keinen Zweifel, dass in kurzer Zeit der Orkan über uns losbrechen werde. Immer röther wurde die Sonne, immer drückender die Hitze, das Athmen war fast unmöglich in der heissen, trockenen Luft. Jetzt kam das Gespenst herangebraust. Ohne Commando machten unsere Kamele kehrt, damit der Sturm ihnen den scharfen, die Haut zerschneidenden Sand nicht in die Augen wehe, ohne Commando knieten sie nieder. Völlige Dunkelheit umhüllte uns; der mehrere hundert Fuss hoch aufgewirbelte Staub verdunkelte die Sonne wie bei einer Sonnenfinsterniss. Wir hockten oder legten uns an den Rücken der Kamele, um den ersten Stoss des Staubwindes abzuhalten. Mundhöhle und Kehle wurden unerträglich trocken, Ohren, Augen und Nase mit feinem Sand erfüllt. Irrthümlich ist die Ansicht, die Beduinen der Sahara würfen sich deshalb zur Erde, weil der Samum nicht den Boden rasire, sondern nur oben durch die Lüfte dahinbrause. Woher kämen die kolossalen Staub- und Sandmengen, wenn der Sturm nicht auch unmittelbar über den Boden striche? Man legt sich nieder, weil man nichts mehr sieht, weil man von der Gewalt des Windes fortgerissen oder umgeworfen würde, nicht um am Boden besser athmen zu können. Rasch wie er gekommen, ging der Orkan vorüber, das ganze Phänomen hatte kaum zwanzig Minuten gewährt.

Die Kamele richteten sich wieder auf, und wir konnten weiter gehen. Um 5 Uhr nachmittags klommen wir den Südrand der Hammada hinab, der jedoch weniger hoch als der Nordrand ist, da sich das Terrain schon vorher allmählich gegen Süden absenkt. Bald hatten wir das Uadi Garia erreicht. Wir lagerten bei Garia schirgia, einem kleinen, mit einer elenden Mauer umgebenen Orte von einigen hundert Einwohnern; in frühern Zeiten mochte er befestigt gewesen sein, denn das Wort "Garia" bedeutet Festung. 20 Kilometer entfernt davon liegt Garia rharbia, welches Barth vom Brunnen Tabonieh aus, wo er mit seiner Karavane lagerte, besucht hat, und wo er jene interessante römische Feste mit den alten Inschriften fand.

Garia schirgia liegt auf dem linken Ufer des Uadi gleiches Namens, der sich in den Semsen ergiesst, 568 Meter über dem Meere. Die Einwohner nennen sich Marabutin (Abkömmlinge von arabischen Heiligen) und behaupten, die in Garia rharbia seien von gewöhnlicher Abkunft. Letztere sollen fast alle Räuber und Diebe sein, Barth erwähnt jedoch nichts von ihrem schlechten Charakter. In der Garia schirgia werden die Gärten durch Fogarat (unterirdische Galeriebrunnen) bewässert, und obgleich dieses Wasser stark salzig ist, thut es der Qualität der Datteln keinen Abbruch; im Gegentheil, fast überall wo die Palmen mit brakischem Wasser berieselt werden, tragen sie die vorzüglichsten Früchte. In der That sind die hier erzeugten Datteln den besten fesaner Datteln gleich geschätzt. Der Genuss des hiesigen Wassers wirkt auch nicht abführend wie der von den meisten übrigen brakischen Wassern der Sahara; es enthält wahrscheinlich weniger Natron oder Magnesia.

Ausser dem Dattelhandel treiben die Einwohner auch etwas Ackerbau und Viehzucht. Wir aber lernten sie blos als Spitzbuben und Wegelagerer kennen und hatten Mühe, uns ihrer Unverschämtheiten zu erwehren, zumal eine weltliche Obrigkeit hier gar nicht existirt und der Geistliche, der Schich-el-Barca (wörtlich: Vorsteher der Gnade, des Segens) seine Stellung lediglich zum eigenen Nutzen ausbeutet, versteht sich ad majorem Dei gloriam! Als wir den Ort verliessen, erklärte ich dem Gesindel: jeder, der sich des Nachts unserm Lager zu nähern wage, würde sofort niedergeschossen werden. Und an den Geistlichen wandte ich mich noch besonders mit den Worten: "O Schich-el-Barca, du bist ein frommer Mann, und ersichtlich ein Liebling Gottes, es sollte mir leid thun, wenn deine Heerde uns Nachts beunruhigte; unsere Kugeln treffen gut!" Die unheimlichen Strolche schickten uns laute Flüche nach, während der "Vorsteher der Gnade" mir freundlichst Ssalam und glückliche Reise wünschte, sicherlich aber auch in seinem Herzen dachte: "Gott soll deinen Vater ewig brennen lassen, verfluchter Christenhund!" Denn die mohammedanisehen Bonzen unterscheiden sich von den christlichen Zeloten nur dadurch, dass diese uns selbst in die Hölle schicken und zum ewigen Feuer verdammen, jene aber unsere Aeltern und Vorfahren verfluchen.

Die Nacht verlief indess ruhig, und morgens 7 Uhr den 6. October begannen wir unsern Weitermarsch nach Süden. Die Hammada-el-homra hat am Ostrande, längs dem wir jetzt hinzogen, keinen so öden Charakter wie im Westen. Wenn die Hauptkaravanenstrasse von Tripolis nach Fesan den weiten Umweg über Bondjem und Sokna macht, so nimmt sie diese östliche Richtung nicht deshalb, weil die Hammada sich so weit nach Osten erstreckt, sondern weil es dort mehr Futter für die Thiere und eine grössere Anzahl von Brunnen gibt. Der kürzeste Weg von Tripolis nach Mursuk ist der über Ghurian, Misda, Garria, Uadi Schati und Uadi Schergi; für den einzelnen Reisenden wäre es aber unmöglich ihn zu passiren.

Wir sahen in der Ferne viele Gazellen und kreuzten auch häufig die Pfade dieser Thiere, die hier in grosser Menge auftreten. Ueber welliges Terrain und durch mehrere kleine nach Osten gehende Uadis gelangten wir um 9 Uhr an die beiden Arme des ebenfalls nach Osten fliessenden Uadi Schöbr, und um 12 Uhr an die des Uadi Bu-Gila[20], deren nördlichster Uadi Ureda genannt wird. Hier trafen wir noch auf zwei von Uled Mschaschia bewohnte Duar, ein Beweis, dass wir uns noch nicht in der eigentlichen Sahara befanden, welche wahrscheinlich in fast gleicher Breite von der Syrte entfernt bleibt.

Ich benutzte diese Gelegenheit, meinen Neger Cheir zu entlassen. Derselbe hatte sich öfters ungehorsam und äusserst nachlässig im Dienste gezeigt; so liess er sich in Rhadames meine eisernen Kamelschlösser[21] stehlen und in Misda gar die Flinte abnehmen. Ungehorsam der Leute durfte ich aber unbedingt nicht dulden. Von den Duar aus konnte er nun mit Mschaschia nach Tripolis kommen, um seinen Lohn, den ich dort deponirt hatte, für den dreimonatlichen Dienst in Empfang zu nehmen.

Die Gegend, die wir jetzt durchzogen, ist so wasserreich, dass es nicht nöthig war, unsere Schläuche aus dem Brunnen zu füllen, als wir am anderen Morgen um 7 Uhr Bu-Gila verliessen. Nachmittags 4 Uhr traten wir in das Uadi Sesemaht ein. Wir hatten das Glück gehabt, eine Gazelle zu erlegen; das Brot zur Mahlzeit musste ich mir jedoch selbst kneten. Denn war auch der alte Schtaui, nun mein einziger Diener, im Vergleich zu den Kameltreibern noch reinlich, indem er sich wol alle acht Tage einmal sein Gesicht an einem Brunnen wusch, so graute mir doch bei dem Gedanken, dass seine ungewaschenen Hände erst in dem Teige sich ihres wochenlangen Schmuzes entledigen könnten. Unterlässt doch in der Sahara der frömmste Muselman sogar die vorgeschriebene Abwaschung beim Gebet und ersetzt sie durch eine fingirte: wie sollte es ihm einfallen, zur Brotbereitung sich die Hände zu waschen! Um aber den Kameltreibern sowie Schtaui gegenüber meiner Würde nichts zu vergeben, schloss ich mein Zelt und verrichtete das Kneten, ohne von jemand dabei gesehen zu sein. Ich that dies von jetzt an alle Tage bis wir in Mursuk ankamen. Das Packen musste ich allerdings von Schtaui besorgen lassen.

Unsere Kamele fanden hier sehr zuträgliche Weide an zwei blühenden Sträuchern, von den Arabern Haleba (Periploca angustifolia) und Jadraia (Rus dioica) genannt. Letzterer blüht ganz wie unser Weissdorn und hat auch Dornen wie dieser. Duveyrier, dessen Werke ich die botanischen Namen dieser Wüstenpflanzen entnommen habe, erwähnt, die Wurzeln und die Rinde des Jaderia (Djedârîa) würden zum Gerben von Schaffellen benutzt. Wir lagerten um 4 Uhr, nachdem wir im ganzen an dem Tage etwa 5 Kamelstunden zurückgelegt.

Am 8. October schritten wir, südöstliche Richtung einhaltend, über ein ödes steiniges Plateau und wurden während des ganzen Tages von einem furchtbar heissen Südwinde geplagt. Um 10 Uhr kamen wir an die Zuflüsse des Um-el-Cheil und um 2 Uhr an das Nordufer des Flussbettes selbst, bei dessen Brunnen wir bald darauf lagerten. "Um-el-Cheil" heisst "Mutter der Pferde", und wirklich enthält der Brunnen, 462 Meter über dem Meere, vorzügliches Wasser; die Eingeborenen behaupten, es habe einen schwachen Salzgeschmack, den ich jedoch nicht herausfinden konnte. In der Nähe trafen wir auf nomadisirende Mschaschia.

Das Uadi Um-el-Cheil, dessen Hauptrichtung südöstlich läuft, bildet die Grenze des Kaimmakamlik Djebel; alles Land südlich von ihm wird zum Kaimmakamlik Fesan gerechnet. Die beiden Stämme der Mschaschia und der Uled-Bu-Sif, jeder wenigstens 1000 Zelte stark, gehören in das Djebel-Gebiet, und wenn sie auch nomadisirend die Grenze überschreiten, so kehren sie doch immer wieder dahin zurück. In frühern Zeiten, das heisst ehe die Pforte von Tripolitanien Besitz ergriff, scheinen die Sintaner Herren des ganzen Gebiets gewesen zu sein; noch bis zum heutigen Tage haben sie allein das Recht auf den Grund und Boden, sodass nur mit ihrer Erlaubniss die Mschaschia und die Uled-Bu-Sif darauf weiden und ackern dürfen. Diesen wird, um Streitigkeiten vorzubeugen, alljährlich durch den Mudir oder Pascha vom Djebel bestimmtes Weide- und Ackerland angewiesen; sie gestehen auch selbst, dass sie keinen eigenen Grundbesitz hier haben, sondern von fern her, von der Sseggia-el-hamra, freilich vor langer Zeit eingewandert seien.

Es muss gleich nachdem die Araber auf ihrem grossen Religions-Eroberungszuge die Westküste Afrikas erreicht hatten, eine allgemeine Rückwanderung stattgefunden haben, denn überall in Nordafrika, in Tafilet, Tuat, Algerien, Tunesien und Tripolitanien, findet man Araberstämme, welche behaupten, ihre Vorfahren hätten den Ocean gesehen. Auch heute noch ist ja dieses bewegliche Volk in stetem Wandern begriffen, der geringste Anlass genügt ihm, seine leichten Zelte aufzupacken und einen andern Wohnsitz zu suchen. Ihr Wandertrieb wurzelt im Wesen der mohammedanischen Religion: wohin der Araber seinen Islam tragen kann, da findet er eine Heimat, er hat kein Vaterland mehr, er bildet keine Nation; er erkennt aber auch keine andere Nation an, für ihn gibt es nur Religionsgenossen oder Ungläubige.

Unsere Kameltreiber zwangen uns unter allerlei Vorwänden, zwei volle Tage bei Um-el-Cheil liegen zu bleiben, die mir keineswegs angenehm verstrichen, zumal ein starker, viel Staub mit sich führender Südwind herrschte und das Thermometer - man denke, im Monat October! - nachmittags auf 42deg. C. im Schatten stieg. Endlich nachts um 1 Uhr den 11. October setzten wir unsern Marsch nach Süden fort. Bei Tagesanbruch um 6 Uhr wurde das Uadi Um-el-Cheil verlassen und nach einer kurzen Strecke über Hammadaboden in das von Südwesten kommende Uadi Ertim eingelenkt. Ein plötzlich entstandener Gebli nöthigte uns, bis 2 Uhr nachmittags zu rasten. Um 3 Uhr wieder aufbrechend, passirten wir das Uadi Melek, das noch dem Um-el-Cheil tributär ist, und gelangten um 5 Uhr in ein südwärts gehendes Uadi, einen Arm des Faat, das seinerseits einen Hauptarm des Uadi El-Bei bildet. In demselben schlugen wir unser Lager auf.

Zum ersten male beobachtete ich hier die auch von Lyon, Duveyrier und andern wahrgenommene, den Arabern übrigens wohlbekannte Erscheinung, dass nach einem heftigen Gebli alle Gegenstände mit Elektricität geladen sind. Aus den wollenen Decken sprangen Funken, wenn ich sie schüttelte, und auch den Haaren meines weissen Hundes entlockte ich durch Streicheln knisternde Funken. Zugleich verspürten wir den Einfluss des Gebli auf unsere Verdauungsorgane; er wirkt nämlich abführend, während bei umschlagendem Winde, namentlich bei Nordwind diese Disposition des Magens von selbst wieder aufhört. Die Ursache der Elektricitätsentwickelung dürfte in der starken Reibung, in welche die Sandkörner unter sich versetzt werden, zu suchen sein.

Obwol wir schon nachts um 2 Uhr weiter marschirten und während des ganzen Tags, die Frühstückszeit abgerechnet, in Bewegung blieben, legten wir doch bis zum Abend kaum über 12 Kamelstunden zurück, weil die Kamele, in den hier wachsenden saftigen Kräutern weidend, nur langsam vorwärts gingen. Luft und Erde waren noch stark mit Elektricität geschwängert.

Auch am folgenden Tage, den 13., an dem wir um 5 Uhr morgens aufbrachen, weideten die Kamele noch, bis sie um 11 Uhr wieder den richtigen Kamelschritt annahmen. Um 1 Uhr einen Chorm (Engpass) passirend, erblickten wir in der Entfernung von etwa 50 Kilometer im Südwesten den hohen Berg Nabet-es-Djrug. Niedrigere Berge, mit geschwärzten Steinchen überschüttet, die ihnen von weitem das Aussehen gaben, als wären sie von einer Wolke beschattet, zogen sich zu beiden Seiten hin. Mit dem Austritt aus dem Chorm liessen wir die Abdachung des Uadi Faat hinter uns und gelangten in eine steinige Ebene, auf der wir um 3 Uhr bei einigen vereinzelt stehenden Mimosenbüschen lagerten.

Nachdem wir am folgenden Morgen um 3 Uhr gerade südwärts weiter gezogen und um 6 Uhr durch einen andern Chorm gekommen waren, stand der zuckerhutähnliche Djebel Nabet-es-Djrug wieder vor uns, neben ihm aber tauchten noch mehrere hohe Berggipfel auf, und bald befanden wir uns inmitten des unzweifelhaft ein zusammenhängendes Ganze bildenden Gebirgszugs, der von den Arabern Harudj soda, Harudj abiad, oder Djebel soda schlechtweg, das "Schwarze Gebirge", genannt wird. Seine östlichsten Theile haben Hornemann und Beurmann überstiegen, den westlichsten durchzog ich; von Barth, Richardson und Overweg aber wurde er gar nicht berührt, indem sie auf ihrer Reise von Tripolis nach dem Sudan sich mehr westlich hielten, wo auf etwa gleicher Höhe kein Gebirge, sondern eine nackte Hammada zu passiren war. Barth schreibt ausdrücklich: "Wir hatten uns schon vergewissert, dass die Annahme des sich durch diese Gegend hindurchziehenden Harudj falsch sei, aber wir wollten uns mit eigenen Augen von der Unermesslichkeit dieser Ebene überzeugen; denn wie konnten wir sonst behaupten, dass sie nicht vielleicht zur Seite unseres Weges unterbrochen sei." Er hat indess damit nur halb recht, denn so weit nach Osten, wie er glaubte, war das Harudj oder das Schwarze Gebirge nicht von seinem Wege entfernt; vielmehr hätte er bei aufmerksamer Beobachtung den Nabet-es-Djrug und die daneben emporragenden Bergspitzen mit eigenen Augen wahrnehmen können, denn er ging in einer Entfernung von nur etwa 10 deutschen Meilen an ihnen vorüber.

Ob das Harudj soda, oder, wie Duveyrier annimmt, das Tuareg Massif dem "Mons ater" des Plinius entspricht, dürfte sehr fraglich sein. Die Beschreibung, die Plinius vom Mons ater gibt[22], passt ganz gut auf den Djebel Soda. Er sagt: "Man trifft nach der bei der Kleinen Syrte schon erwähnten Syrte auf Phazania, wo wir erst neulich die Phazanier nebst den Städten Alele und Cillaba überwunden haben. Von hier erstreckt sich vom Morgen gegen Abend ein langes Gebirge, welches wir, weil es von Natur wie angebrannt oder durch die zurückgeworfenen Sonnenstrahlen wie entzündet aussieht, Ater nennen, und dahinter liegt eine Wüste." Wenn auch mehr in Form eines Bogens mit nach Norden gerichteter Wölbung, zieht sich das Soda-Gebirge doch seiner Hauptrichtung nach von Westen nach Osten, und dass die Berge von weitem wie verbrannt aussehen, habe ich oben erwähnt.

Die Längenausdehnung des Gebirgszugs nach Südosten ist noch nicht genau festgestellt, möglicherweise hängt er mit den Bergen von Tibesti und Borgu zusammen, doch beträgt sie jedenfalls nicht weniger als 80 deutsche Meilen. Ueber seine Breite lassen sich gar keine zuverlässigen Angaben machen, da er erst an einigen Stellen durchschnitten worden ist. Höhenmessungen besitzen wir aus dem südöstlichsten Theile nicht, Hornemann erwähnt nur relativer Höhen des Harudj abiad von 80', und auch Beurmann, der das Gebirge bedeutend weiter nordwestlich überstieg, spricht nur von geringen relativen Erhebungen. Auf der Petermann'schen Karte ist die absolute Höhe des Harudj soda mit 1557' verzeichnet. Als höchsten Punkt fanden Denham und Clapperton auf ihrer Route, derselben, die auch Barth und andere genommen haben, 2266' (von Petermann mit 2415' bei Sokna angegeben), während Vogel speciell 2065' angibt, und die von mir gefundene Höhe im äussersten Westen 2959' beträgt. Es ergibt sich daraus, dass nach Westen zu das Gebirge ansteigt. Duveyrier, der das Harudj und das Soda für zwei gesonderte Gebirge hält, schätzt die mittlere Erhebung des erstern auf 600 Meter, die des andern auf 736 Meter.

Was die Gesteinsmasse der Berge betrifft, so gehen die Ansichten gleichfalls noch weit auseinander. Nach Hornemann[23] verdankt das Harudj-Gebirge "sein jetziges zerrüttetes und schaudervolles Aussehen" vulkanischen Ausbrüchen. Er fand bald Basaltfelsen, bald Kalk und betont das Vorkommen von Versteinerungen, Seethieren und geschlossenen Muscheln; in den Bergen des weissen Harudj, die nach ihm nur aus Kalkstein bestehen, fand er versteinerte Fischköpfe, so gross, dass ein Mann erforderlich gewesen wäre sie fortzutragen. Die von Duveyrier[24] mitgebrachten Steinproben erwiesen sich als vulkanischer Natur. Beurmann[25] hingegen sagt: "Spuren von Basalt habe ich nirgends gefunden und glaube auch kaum, dass in den südlichen Theilen dieses Höhenzugs dergleichen angetroffen wird." Ebenso behauptet Vogel[26], die Gebirge beständen an der Oberfläche aus Kalkstein, sodann aus schwarzgefärbtem Sandstein, Basalt aber käme nirgends vor. Ich halte die Angaben Duveyriers für die richtigsten. Das ganze Gebirge ist entschieden vulkanischer Natur, aber stark untermischt mit Sandstein und Kalkbildung.

Das äussere Aussehen des Schwarzen Gebirges ist so unheimlich, wie man sich nur ein ödes, wild zerklüftetes Wüstengebirge denken kann. Vogel verglich die Gegend wegen des zertrümmerten schlackenartigen Gesteins den Landschaften im Monde, und Hornemann einer Höhle in einer engen dunkeln Schlucht mit dem Eingang zur Unterwelt. Der düstere Eindruck, den die schwarze Färbung der Steine, der grossen wie der kleinen, hervorbringt, wird noch dadurch eigenthümlich verstärkt, dass in die pechschwarzen Felswände und in die mit schwarzem Geröll überdeckten Abhänge häufig weisse Sandsteinlager eingebettet sind. Trotzdem ist das Gebirge nicht so völlig vegetationslos, wie es von den meisten Reisenden geschildert wird. In den Thälern wachsen verhältnissmässig viele Kräuter, und fast in allen auch Akaziensträuche.

Unsere Karavane erreichte nach weiterm sechsstündigen Marsche gen Süden um 12 Uhr das bedeutende Uadi El-Had, das nach Aussage der Mschaschia in das Uadi El-Bei mündet, während die Megar-ha behaupteten, es verliere sich einige Tagereisen weiter nordöstlich im Sande. Wir mussten, weil schon zwei Karavanen an den Wasserlöchern des Uadi Had lagerten, etwas unterhalb derselben campiren, nahmen jedoch eins davon für uns in Beschlag. Die Leute fingen nun sogleich an den Sand herauszugraben oder vielmehr mit den Händen herauszukratzen, denn unbegreiflicherweise führen die Karavanen keine eisernen Schaufeln zum Gebrauch in derartigen Fällen mit sich und nur selten eine eiserne Hacke, mit welcher der Sand gelockert, dann in einen Korb geworfen und herausbefördert wird. Die unsrige hatte weder Schaufel noch Hacke, daher die Arbeit sehr mühevoll und langsam von statten ging; es dauerte bis zu in folgenden Nachmittag, ehe einige Schläuche gefüllt waren. Das Wasser war süss, aber ausserordentlich unrein, was nicht wundernehmen kann, man hört, dass bei dieser Procedur die Arbeiter mit ihren schweissigen, schmuzigen Füssen in das Wasserloch selbst hinuntersteigen. Aber was trinkt man nicht in der Sahara! Unsere armen Kamele waren noch schlimmer daran; sie hatten sich, ausgetrocknet durch den sendenden Gebli, noch mehrere Tage zu gedulden, ehe sie ihren Durst mit Wasser stillen konnten.

Um 4 Uhr nachmittag verliessen wir den Platz, der 6-7 Stunden vom Nabet es Djrug entfernt ist, und drangen nun südwärts, aber in steten Windungen durch das Gebirge. Ueber ein Plateau, das um 6 Uhr, und durch den Chorm Ifrisch, der um 7 Uhr erreicht war, kamen wir um 8 in das Uadi Ifrisch, wo das Nachtlager bereitet wurde. In unserer Nähe lagerten zwei mit Datteln von Fesan zurückkehrende Karavanen. Der Genuss frischer Datteln, sonst schädlich für den nicht daran Gewöhnten, hatte diesmal bei mir eine heilsame Wirkung; ich konnte von dem Tage an den Opiumgebrauch aussetzen, während bis dahin, sobald ich es unterliess eine gewisse Dosis dieses gefährlichen Narkotikums zu nehmen, immer wieder Unterleibsbeschwerden sich eingestellt hatten.

Wir verweilten bei den Dattel-Karavanen bis zum Mittag des folgenden Tages, gelangten um 3 Uhr in das östlich verlaufende Uadi Mrheir und passirten um 6 Uhr das Uidel-es-Schrab, das von Westen kommend gerade auf den Djebel Nabet-es-Djrug losgeht, welchem wir jetzt bis auf 4 Stunden westlich von uns nahe gekommen waren. Um 7 Uhr lagerten wir in dem gleichfalls nach Westen gehenden Uadi Bu-Delomm.

Am 17. October wurde früh um 5 Uhr aufgebrochen. Der Weg führte nach einer Stunde an der Grabstätte des Marabut Sidi-Bu-Agöll vorüber, rings um welche Hunderte von Seilen aufgehäuft lagen. "Agöll" heisst nämlich das Seil, mit dem man nachts im Lager den Kamelen die Vorderbeine zusammenbindet, das also auf der Reise von grosser Wichtigkeit ist. Sidi-Bu-Agöll aber ist der specielle Schutzheilige der mohammedanischen Kameltreiber, und um sich seiner Gunst zu versichern, opfern sie an seinem Grabe das für sie so werthvolle Stück. Kurz darauf betraten wir das Uadi Mssauda, das von Osten her, von dem unfern gelegenen Berge gleiches Namens herabkommend, dem Uadi El-Had zulenkt. Um 8 Uhr hatten wir westlich von uns den Djebel Hauga, und um 10 Uhr in derselben Richtung den Djebel Sigsah, beide nur 3-4 Stunden von der Strasse entfernt. Schon nach einigen Wegstunden verloren wir indess diese nach Süden zu letzten bedeutendern Erhebungen des Schwarzen Gebirges, obwol sie vereinzelt stehen, daher von Osten aus gesehen sehr hoch erscheinen, wieder aus dem Gesicht, weil die Hochebene sich nach Süden sanft abdacht und sie bald den Blicken entzieht. Dies ist auch der Grund, weshalb frühere europäische Reisende weder sie noch selbst den Nabet-es-Djrug gesehen haben; denn ihre Tour ging entweder östlicher oder westlicher als die meinige, auf welcher der Nabet-es-Djrug bereits in einer Entfernung von 15 deutschen Meilen sichtbar wird.

[16]Araki ist Schnaps, der in Tripolitanien gewöhnlich ans Datteln destillirt wird. Man trinkt ihn mit Wasser, und damit die Mischung eine milchig perlmutterartige Färbung erhält, setzen die Destillateure Anis hinzu.

[17]Bei Duveyrier als "Mathiola livada" aufgeführt.

[18]Der Brunnen Semsen verdankt seine Berühmtheit freilich mehr der Einbildungskraft der Mohammedaner, wenigstens fanden Burton, Maltzan u.a. das Wasser desselben sogar auffallend brakisch.

[19]Das Wort Samum oder Simum soll in Arabien gebräuchlich sein. Die Nordostafrikaner nennen diesen heissen Wind, den Vater des europäischen Sirocco, Chamsin, die Nordwestafrikaner Gebli.

[20] "Uadi Bu-Gila" soll wörtlich "Krückenvater-Fluss" heissen; die Eingeborenen glauben nämlich, dass durch sein Wasser Lahme geheilt werden. Richtiger ist vielleicht, den Namen von "geila", gielen, herzuleiten.

[21]Ein Kamelschloss dient dazu, nachts im Lager die Beine des Thiers eng aneinander zu fesseln.

[22]"Plinius des Aeltern Naturgeschichte, übersetzt von Grosse", (12 Bde.), V, 5.

[23]Hornemann, "Reise in das Innere von Afrika", S. 62 fg.

[24]Duveyrier, "Les Touareg", p. 80.

[25]Petermann's "Mittheilungen", Ergänzungsband II, 76.

[26]"Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde", Jahrg. 1854, S. 371-31, und Petermann's Mittheilungen", Jahrg. 1855, S. 244.


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