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VI. Ankunft in Fesan. Geschichte und Beschreibung des Landes.

Temsaua. Vier arabische Schichs. Ein entlaufener Sklave. Die Oasen Selaf und Sebha. Eine Sserir. Rhodua. Ankunft in Mursuk. Fesans Geschichte. Geographisches. Temperatur. Klima. Culturpflanzen. Heimat der Dattelpalme. Thierwelt. Sklavenhandel. Administration. Mischlinge aus weissen und schwarzen Rassen. Einwohnerzahl. Sprache. Landestracht. Nahrung. Charakter und Sitten.

Am 18. October erreichten wir nach sechsstündigem Marsche über eine stark gewellte, mit grossen Sandsteinblöcken besäete Hochebene das Uadi Schati, das erste bewohnte Gebiet vor Fesan, und lagerten um 11 Uhr vormittags unter Palmen zwischen den Hirsegärten des Ortes Temsaua, oder wie Barth schreibt Ta-meszaua.

Kaum waren unsere Zelte aufgeschlagen, als vier Araber bei mir erschienen, die sich nach der üblichen Begrüssung als die Schichs der Megar-Ha, Hotman, Uled-Hassen und Suila vorstellten. Diese Nomadenstämme gehören dem Uadi Semsen und dem Uadi Bei an und kommen jeden Herbst hierher, um von den Bewohnern Datteln einzutauschen; sie besitzen aber auch selbst im Uadi Schati eine Anzahl Palmbäume, welche sie vor Zeiten durch Kauf an sieh gebracht. Bisher bezahlten sie von ihren Palmen keine Abgaben[27], denn die frühern Sultane von Fesan hatten sehr geringe Macht über jene entfernten, durch breite Wüsteneien voneinander getrennten Provinzen. In diesem Jahre aber war ein türkischer Efendi hergeschickt worden, um von jeder Palme, auch die ihrigen nicht ausgenommen, eine Steuer von 30 Para zu erheben, und die Schichs, mich für einen Bei haltend, trugen mir nun ihre desfallsige Beschwerde gegen die türkische Regierung vor. "Wir werden dir", sagten sie, "Hassen Efendi gebunden herbringen, damit er sich vor dir schäme, denn der Sultan kann nicht wollen, dass wir, seine Soldaten, Abgaben zahlen, wir haben nie Abgaben gezahlt." Ich fragte sie, ob ihr Vorrecht durch Documente verbrieft sei. "Das nicht", antworteten sie, "aber es ist durch altes Herkommen geheiligt"; worauf ich ihnen bemerklich machte, ich hätte mit der Sache nichts zu thun, sie würden sich wol, wenn es jetzt Gesetz sei, dass von allen Palmen ohne Ausnahme eine Steuer erhoben werde, wie die übrigen Unterthanen dem Gesetze fügen müssen, zudem sei ja die Abgabe nicht bedeutend. Ohne Zweifel wird Hassen Efendi den Widerspenstigen ihren Standpunkt klar gemacht haben, denn niemand versteht besser als die Türken mit den Arabern fertig zu werden.

Wir blieben nur eine Nacht in Temsaua und marschirten am andern Morgen auf den 2 Stunden entfernten Ort Brak los, die Hauptstadt von Schati und Sitz des Mudir. Auf dem Wege dahin bemerkte ich, dass ein Mensch, von Zeit zu Zeit scheu um sich blickend, fortwährend in einiger Entfernung neben unserer Karavane herlief. Ich liess ihn endlich durch einen Mschaschia nach seinem Begehr fragen, und er gestand, dass er ein seinem Herrn, einem Araber, entlaufener Sklave sei. Er war von diesem geschlagen worden und dann entflohen, mit der Absicht, nachts unser Lager aufzusuchen, um sich, im Glauben ich sei ein türkischer Bei, unter meinen Schutz zu stellen. Der alte Mann konnte sich uns schwer verständlich machen; vor kurzem erst aus Bagermi gekommen, sprach er nur wenige Worte arabisch, doch flehte er fussfällig und mit so rührenden Geberden, dass ich mich bewegen liess, ihn einstweilen aufzunehmen und, damit er nicht sofort entdeckt werde, an Brak ohne Aufenthalt vorbeizuziehen. Um 5 Uhr abends lagerten wir in den Dünen, die in der Breite von einer Stunde durch mehrere Grade von Osten nach Westen sich erstrecken und eine relative Höhe von 20-30 Meter haben.

Andern Tags gelangten wir nach zweistündigem Marsche in südöstlicher Richtung zu der unbewohnten, 2 Stunden breiten und mindestens 15 Stunden langen Oase Selaf. Ihre herrenlosen Palmen werden von den Bewohnern des Schati abgeerntet, welche die ganze Ernte hier vergraben und sich nach und nach ihren Bedarf davon holen. Jedem Vorüberziehenden ist gestattet, so viele Datteln zu pflücken und zu essen, wie ihm beliebt, nur darf kein Vorrath mitgenommen werden. Wir fanden die Bäume bereits geleert bis auf einen, dessen herrliche Früchte man, ich weiss nicht in welcher Absicht, noch ganz unberührt gelassen hatte; natürlich wurde er gründlich von uns geplündert. Da hier niemand die Palmen verschneidet, so ist der Stamm mit bis zum Boden herabhängenden Zweigen besetzt, was ihnen ein eigenthümliches buschartiges Aussehen gibt. Ich bemerkte in der Oase viele aus einer thonigen Erde bestehende Erhöhungen, sogenannte "Zeugen" (témoins). Um 2 Uhr nachmittags immer südöstlich weiterziehend, hatten wir wieder 20 Meter hohe und zum theil sehr steile Sanddünen zu passiren, deren Uebersteigung unsern Kamelen grosse Anstrengung kostete, bis wir um 51/2 Uhr angesichts des Djebel ben-Aref lagerten.

Nachdem wir am folgenden Tage 5 Stunden lang durch einen Palmenwald gegangen, erreichten wir Djedid, den Hauptort der Oase Sebha. Ich hatte einen Mschaschia mit meinem Bu-Deruldi (Regierungspass) vorausgeschickt, um meine Ankunft zu melden, und fand infolge dessen die freundlichste Aufnahme. Der Mudir, ein äusserst gefälliger Mann, erbot sich sogar, mich nach dem Sultan zu begleiten. "Meine Regierung", sagte er, "gibt mir monatlich nur 5 Mahbub Gehalt, ich höre, du gibst deinen Leuten ebenso viel und dazu noch Kost und Kleidung." Aber ich dachte, es sei unrecht, der türkischen Regierung ihre Beamte zu entführen, und lehnte daher seine Dienste ab.

Bis zum Jahre 1866 war die Oase nur ein Mudirat (Kreis oder Bezirk), jetzt bildet der südliche Theil das Mudirat Sebha, der nördliche das Mudirat Ubaná. Zu ersterm gehören ausser dem Hauptorte Djedid die beiden Ortschaften Hedjra und Gorda; letzteres umfasst die Orte Temenhint als Hauptort, Smnu und Sirhen. Djedid, der grösste von allen, war früher von den Uled Sliman bewohnt, die aber, weil sie gegen die türkische Herrschaft aufstanden, daraus vertrieben wurden und sich nach Borga, Kanem und Uadai zerstreuten. Im ganzen ist die Oase sehr schwach bevölkert, sodass es an Armen fehlt, um von allen darin wachsenden Palmen, deren Zahl sich auf mehrere Millionen beläuft, die Datteln zu ernten.

In Djedid fand sich der Herr des von mir angenommenen Negersklaven, begleitet von dem Mudir und dem Kadhi des Orts, in meinem Zelte ein und verlange die Auslieferung des Flüchtlings. Ich fragte den Mudir: "Ist im türkischen Reiche die Sklaverei gestattet oder abgeschafft?" "Sie ist gesetzlich abgeschafft", erwiderte er, "aber factisch ist hier in Fesan das Gesetz nie zur Ausführung gekommen." "Dann gebe ich den Mann nicht heraus, er ist frei wie ihr und ich, und du, Mudir, musst ihn schützen." Selbstverständlich konnte ich als Fremder nicht im Ernst daran denken, die Rückgabe des Sklaven zu verweigern und damit die ganze Bevölkerung gegen mich aufzuhetzen, ich wollte nur versuchen, was sich zu seinen Gunsten thun liesse. Da meine Vorstellungen bei dem Besitzer, dass er kein gesetzliches Recht auf den Sklaven habe, wie vorauszusehen war, fruchtlos blieben, bedeutete ich ihn, er möge den Mann durch Güte zur Rückkehr in sein Haus bewegen. Darauf ging er ein. Er versprach dem zahnlosen Alten, ihm irgendeine schwarze Fathma oder Sobeida zur Frau zu geben. Sofort warf sich derselbe vor seinem Herrn nieder sind küsste dankbar und demüthig dessen Füsse. Doch bedang er sich noch aus, den Mudir und den Kadhi als Zeugen anrufend, dass er einen ganzen Monat von Arbeit befreit sein solle. Liebe und ein Monat Nichtsthun brachten also den alten Mann freiwillig in die Sklaverei zurück. Dass ihm die Versprechungen gehalten worden, dafür möchte ich freilich nicht einstehen.

Die Mschaschia, mit denen ich hierher gekommen, hatten hier das Ziel ihrer Reise erreicht. Ich nahm Abschied von ihnen und miethete bis Mursuk Kamele von den Megar-ha. Am Morgen des 22. October brach ich mit meiner neuen Karavane auf.

Eine Stunde von Djedid gelangten wir an das Ende des Waldes und betraten nun eine weite sandige Ebene. Nachmittags 1 Uhr wurden westlich von uns in einer Entfernung von etwa 3 Stunden die drei getrennten Gipfel des Djebel Rhaib sichtbar, in dessen Fusse sich ein Brunnen befindet. Wir durchschnitten um 21/2 Uhr den Engpass Bab und lagerten schon um 41/2 Uhr unter ein paar einzeln stehenden Thalhabäumen.

Andern Tags früh 61/2 Uhr in schnurgerader südlicher Richtung weiterziehend, hatten wir eine der trostlosesten Einöden der Sahara vor uns, eine mit buntfarbigen Kieseln, deren grösster kaum so gross wie eine Haselnuss ist, dicht übersäete Sserir oder Ebene. Nirgends findet das ermüdete Auge einen Punkt, auf dem es ruhen könnte. Alles ein blitzender und blendender Steinteppich, eine unabsehbare Mosaikfläche! Keine Pflanze, kein Thier, kein Baum, kein Strich ist zu erblicken. Da plötzlich schimmert ein See durch die zitternden wellenschlagende Luft, kühle Winde scheinen sein Wasser zu kräuseln - Täuschung, es ist die Fata-Morgana, die ihr Spiegelgebild zeigt.

Endlich, endlich taucht fern im Osten ein hohes Gebirge auf, diesmal ist es keine Täuschung, aber als wir mittags bis auf eine Stunde demselben nahe kommen, ergibt sich, dass, was uns als ein hohes Gebirge erschien, ein niedriger, etwa 30 Fuss über der Ebene erhabener Höhenzug ist, Kaf Maala genannt. Jetzt rechts vom Wage ein Hügel: es ist der Mukni-Brunnen an einem 3-4 Fuss hohen Sandhaufen. Um 4 Uhr nachmittags zeichneten sich am südöstlichen Horizont die Palmenwipfel der Oase Nschua ab, um 5 Uhr war der Wald erreicht, und um 6 Uhr hielten wir vor Rhodua, dem Hauptorte der Oase. Einige Leute von Sebha, die vorausgeritten waren, um den Feierlichkeiten meines Einzugs in Mursuk beizuwohnen, hatten in Rhodua mein Herannahen bereits verkündet. Man führte mich daher sogleich in eine Wohnung, welche der Mudir - auch Rhodua bildet ein selbständiges Mudirat - vorher für mich in Bereitschaft setzen liess. Ueber den Ort selbst ist wenig zu berichten; es ist ein kleiner ärmlicher Flecken, von echten Fesanern, d.h. Mischlingen bewohnt, die Palmen- und Gartenzucht treiben.

Ich hatte mich von Djedid aus bei dem Kaimmakam von Fesan, Halim-Bei, angemeldet und erhielt hier in Rhodua durch einen Kurier ein Schreiben von ihm, worin er mich bat, ihn Tag und Stunde meiner Ankunft wissen zu lassen, damit er mir einen geziemenden Empfang bereiten könne. Mir war jedoch an einem feierlichen Empfange durchaus nichts gelegen, denn einmal hatte der 30tägige Wüstenmarsch meinen Anzug in eine so defecte Verfassung gesetzt, dass ich eine sehr wenig glänzende Figur dabei gespielt haben würde, und zweitens scheute ich die bedeutenden Ausgaben, welche dem officiell Einziehenden unvermeidlich erwachsen, indem er jeden irgendwie am Empfange Theilnehmenden reichlich mit Bakschisch bedenken muss. Deshalb liess ich Halim Bei erwidern, ich sei sehr dankbar für die mir zugedachte Ehre, halte es aber im Interesse meiner Reise für geboten, so wenig Aufsehen wie möglich zu machen; und damit nicht dennoch Empfangsvorbereitungen getroffen würden, fügte ich hinzu, den Zeitpunkt meines Eintreffens könne ich nicht genau bestimmen.

Am 25. October morgens 6 Uhr marschirten wir von Rhodua aus. Bis 1 Uhr zog sich der Weg immer in der Entfernung von einer Stunde zur Rechten all dem Uadi Nschúa entlang, dann biegt dieses mehr nach Westen um, wahrend die Strasse ihre Richtung von 19.5 beibehält. Um 9 Uhr vormittag waren wir in gleicher Höhe mit dem Bir Nschua. Von da ab wurde die Gegend fast ebenso öde und einförmig wie jenseits Rhodua. Die erste Abwechselung bot um 4 Uhr Nachmittag ein grosser Steinhaufen am Wege, ein Alem-el-fers (Wegweiser für Reiter), dem um 51/2 ein zweiter folgte, ein Alem-es-Schantat (Wegweiser für Soldaten oder Postwegweiser, so genannt, weil die Postboten diesen Weg als den nächsten zu reiten pflegen).

Etwas später lagerten wir auf der offenen Sserir.

Auf dem gut ausgetretenen Wege den folgenden Tag weitergehend, kamen wir nach 3 Stunden zu einer Hattieh, einer kleinen unbewohnten Oase, schon ganz in der Nähe von Mursuk. Hier wurde bis gegen Abend halt gemacht, sodass wir meiner Absicht gemäss erst nach Sonnenuntergang in der Hauptstadt eintrafen.

Halim Bei hatte, da das frühere englische Consulatsgebäude zur Zeit an Hammed-Bei, den Rechnungsführer des Kaimmakamliks, vermiethet war, ein anderes Haus, eins der besten in der Stadt, das einem reichen Kaufmann von Sokna gehörte, für mich reinigen und herrichten lassen, und sobald er durch die Thorwache von meiner Ankunft in Kenntniss gesetzt worden, schickte er den Polizeidirector Hammed-Agha, seinen Schwiegersohn, zu meiner Begrüssung zu mir. Bald brachte auch unter Führung eines Kawassen ein Trupp Diener und Sklaven eine höchst opulente Diffa (Gastmahl), und Hammed-Agha, der auf meine Einladung mit mir speiste, kündete mir an, der Kaimmakam werde mich in den nächsten drei Tagen auf gleiche Weise bewirthen. Ein Offizier wurde mir als Ordonnanz beigegeben, ausserdem ein Kawass.

Ehe ich in der Erzählung meiner Reiseerlebnisse fortfahre, schalte ich hier einen kurzen Abriss der Geschichte von Fesan während der letzten zwei Jahrhunderte ein, dabei hauptsächlich einem arabischen Manuscript folgend, das durch Zufall in meinen Besitz gelangte.

Der Sultan Mohammed-ben-Djehim, der 1036[28] zur Regierung gekommen war, starb eines natürlichen Todes im Jahre 1067. Ihm folgte sein Sohn Djehim, der jedoch noch am Tage der Thronbesteigung von seinem Bruder Mohammed-Ndjib ermordet wurde, worauf dieser die Herrschaft übernahm.

Unter seiner Regierung rückte von Tripolis unter Murad-Bei ein Heer heran; es kam bei Delim 1093 zur Schlacht, die zwar unentschieden blieb, in der aber Mohammed-Ndjib getödtet wurde. Es folgte sein Bruder, der dritte Sohn Mohammed-ben-Djehim's, Mohammed-en-Nasser-ben-Djehim. Das tripolitaner Heer unter Murid-Bei, das bei Delim, wenn auch nicht gesiegt, doch auch keine Niederlage erlitten hatte, verstärkte sich rasch durch ein anderes Heer unter Mukni (I.), und beiden vereint gelang es, Mursuk einzunehmen. Mohammed-en-Nasser wurde von Murad-Bei gefangen nach Tripolis geschleppt, während Mukni als Herr in Mursuk zurückblieb. Nicht lange jedoch blieb Mukni Meister der Stadt; die Bewohner des Uadi, ihrem alten Sultan getreu, empörten sich, belagerten und erstürmten Mursuk, und Mukni, der in ihre Hände fiel, wurde getödtet.

Da augenblicklich kein männliches Mitglied der Dynastie Uled-Mohammed im Lande war, übernahm Fathma, eine Tochter Mohammed-ben-Djehims, die Regierung, doch schon nach einem Monat kam ihr Oheim Temam zurück und bemächtigte sich der Herrschaft. Allein auch er konnte sich nur vier Monate behaupten; er wurde von seinem Neffen Mohammed, der sich Anhänger im Uadi zu verschaffen gewusst hatte, nächtlicherweile in Mursuk überrumpelt und vom Throne gestürzt. Mohammed regierte gleichfalls nicht länger als sieben Monate, denn Mohammed-en-Nasser, dem es gelungen war, aus der Gefangenschaft in Tripolis zu entkommen, erschien im Monat Rhamadan 1110 an der Grenze seines Landes, warb unter den ihn mit Jubel empfangenden Bewohnern ein Heer und zog mit diesem triumphirend in Mursuk ein. Aber eine tripolitaner Mhalla (Heer) war Mohammed-en-Nasser auf dem Fusse gefolgt, und nach einmonathiger Regierung sah er sich gezwungen, heimlich seine Hauptstadt wieder zu verlassen und nach Agades zu fliehen.

Die Anführer dieses tripolitaner Heeres, Mukni (II.) und Chalil-Bei, theilten Fesan unter sich: Chalil-Bei erhielt die westliche Hälfte mit Mursuk, Mukni die östlichen Provinzen mit Tragen als Hauptstadt. Gegen Mukni empörten sich die Bewohner der Provinz Schergia und belagerten ihn in Tragen; er schlug sie zwar zurück, stiess aber, indem er sie verfolgte und eine grosse Rasia (Raubzug) gegen den Uadi hin unternahm, bei Djerma auf einen Abkömmling der Ued-Mohammed, Namens Mohammed-Kaid, der ihn besiegte und nach Mursuk hineintrieb. Einen Monat lang belagerte derselbe die Stadt, dann aber einsehend, dass sie zu stark befestigt sei, um mit Sturm genommen zu werden, unterhandelte er mit Mukni, und es kam ein Friede zu Stande, nach welchem Mohammed-Kaid die östlichen Provinzen mit Tragen erhielt, Mukni im Besitze der westlichen Hälfte mit Mursuk verbleiben sollte. (Was mittlerweile aus Chalil-Bei geworden, sagt die Chronik nicht; vermuthlich war er nach Tripolis zurückgekehrt.) Jetzt rief Mukni seinen Bruder Jussuf Mukni aus Tripolis zu Hülfe, der auch mit einem Heere ankam und sich mit ihm vereinigte; sie wurden aber unter den Mauern Tragens nach dreitägigem Kampfe trotz ihrer numerischen Ueberzahl von Mohammed-Kaid besiegt. Jussuf Mukni floh nach Tripolis zurück, während sein Bruder sich in Sebha festsetzte und diese Provinz sowie Schati und die andern nördlichen Theile Fesans unter seine Botmässigkeit brachte.

So war denn Fesan jetzt in drei Theile getheilt: die südwestlichen Provinzen mit Mursuk hatten vorläufig gar keinen Herrn, die östlichen Provinzen mit Tragen wurden von Mohammed-Kaid, die nördlichen Theile des Reichs von Mukni beherrscht. Indessen sehnte sich das Land, der ewigen Kriege endlich müde, nach einer festern und dauerndern Regierung als die der schwachen Uled-Mohammed, die sich unaufhörlich durch Feindschaft, Streit und Mord untereinander selbst zerfleischten. Man schickte Gesandte an den Pascha von Tripolis und liess ihn bitten, ein Heer nach Fesan zu senden und eine starke Regentschaft einzurichten. Der Pascha gab aber einen abschlägigen Bescheid, wahrscheinlich auf Anrathen Muknis, der die tripolitanische Oberherrschaft zu hintertreiben suchte, um allein das Land aussaugen zu können, und zur selben Zeit, angeblich weil er es nicht der Mühe werth erachtete, in Fesan zu bleiben, wieder nach Tripolis gegangen war, nachdem er vorher durchzusetzen gewusst, dass sein Bruder Jussuf in Mursuk als Regent eingesetzt wurde.

Mohammed-Kaid bot nun Jussuf Mukni ein Bündnis an, wol gegen etwaige Angriffe von Tripolis her, und dieser ging darauf ein; er war sogar während zweier Monate der Gast Mohammed-Kaids in Tragen, und das Land schien sich endlich des Friedens und der Ruhe erfreuen zu sollen. Da rückte plötzlich der längst vergessene Mohammed-en-Nasser mit einem Tuareg-Heere von Agades heran. Er schlug bei Maafen sein Lager auf und ersuchte von da aus einen der angesehensten Marabut in Tragen, Tamer-ben-Hamsa, zwischen ihm und Mohammed-Kaid zu vermitteln. Mohammed-Kaid wollte jedoch von Vermittelung nichts hören und zog gegen den Prätendenten zu Felde. Abends kamen einige Tuareg aus dem feindlichen Lager in das seinige, die also zu ihm sprachen. "Komm, küsse deinem Oheim das Haupt und mache Frieden mit ihm; weder deine Leute noch unser Heer sollen etwas davon erfahren, komm mit uns zum Zelte deines Oheims." Er liess sich überreden, ihnen zu folgen; kaum hatte er aber das Zelt seines Oheims betreten, als sie ihn festnahmen und knebelten. Dann wurde er gefangen nach Mursuk abgeführt (hier ist wieder nicht gesagt, wo Jussuf Mukni blieb, der doch Regent von Mursuk war) und von dort nach dem Sudan verbannt.

Sultan Mohammed-en-Nasser kam somit wieder in den Besitz von ganz Fesan; er starb am 24. Djemmaad I. im Jahre 1122 und hinterliess den Thron seinem Sohne Ahmed.

Unter Ahmeds Regierung sandte Hammed Pascha ein Heer von Tripolis, das bis vor Mursuk gelangte, jedoch nach achttägiger Belagerung der Stadt sich zurückziehen musste. Nach neun Monaten folgte ein anderes Heer unter Hassan e'sserhir (Hassan dem Kleinen), das Mursuk 18 Tage belagerte und dann gleichfalls zum Abzug gezwungen war. Hierauf schlossen Sultan Ahmed und Hammed Pascha einen 45jährigen Waffenstillstand. Nach Ablauf desselben sandte Hammed Pascha abermals ein Heer gegen Fesan aus unter seinem Sohne Mohammed-Bei und seinem Feldherrn Ben Durfo, der früher Maghaseni im Hausstande des Sultans von Fesan gewesen war, und nachdem er von da desertirt, sich in tripolitanischen Diensten emporgeschwungen hatte. Sie rückten vor Mursuk und umschlossen es so eng, das alle Zufuhr abgeschnitten war. So dauerte die Belagerung sechs Monate, die Hungersnoth in der Stadt stieg aufs höchste, bis endlich Sultan Ahmed, durch die Leiden der Einwohner erweicht, sich zu Unterhandlungen mit dem Feinde entschloss. Er erbot sich mit nach Tripolis zu gehen, falls ihm sicheres Geleit versprochen wurde und das Belagerungsheer abzöge. Mohammed-Bei willigte in die Bedingungen, und Ahmed verliess seine Hauptstadt, für die Dauer seiner Abwesenheit die Regierung seinem Sohne übergebend. Im Lager Mohammed-Beis mit allen seinem Rang zukommenden Ehren empfangen, gelangte er mit der Armee ungefährdet nach Tripolis, wo ihn auch Hammed-Pascha ehrenvoll und freigebig aufnahm. Heimlich aber sandte der Pascha seinen Feldherrn Hammed-Biri nach Fesan mit dem Befehle, die Mauern Mursuks zu schleifen, und erst als die Nachricht vom pünktlichen Vollzug dieses Befehls in Tripolis eingetroffen war, entliess er seinen Gast mit reichen Geschenken.

Nach neunmonatlicher Abwesenheit kehrte Sultan Ahmed nach Fesan zurück. Allem Anschein nach stand er von nun an thatsächlich in einem Vasallenverhältniss zu Tripolis, was auch daraus hervorgeht, dass er die Schleifung der Wälle von Mursuk sich ruhig gefallen liess und keine feindlichen Schritte gegen Hammed-Pascha deshalb unternahm; im Gegentheil fährt die Chronik fort: Bald nach seiner Ankunft in Mursuk beschloss Sultan Ahmed, obgleich fast ganz erblindet, zum Hause Gottes zu pilgern, und benachrichtigte den Pascha von Tripolis hiervon, der seinen Entschluss höchlichst billigte, ihm überdies werthvolle Geschenke für die weite Reise sandte, unter andern ein grosses Zelt und eine ganze Kamelladung Hufeisen. Als das Zelt in Mursuk ankam, fanden drei Tage und drei Nächte Spiele und Tänze um dasselbe statt. Der blinde Sultan trat seine Pilgerfahrt an, erreichte auch glücklich Mekka und wanderte, nachdem er den schwarzen Stein, auf dem unser Herr Abraham zu opfern pflegte, sowie das Grab des Propheten (Gruss und Friede über ihn!) besucht und geküsst hatte, über Masser (Kairo) zurück. Hier machte er die Bekanntschaft eines Augenarztes vom Rharb (Marokko), der ihm das Augenlicht wiederverschaffte[29]. Aber nicht lange mehr sollte er sich dieses Glückes erfreuen; auf der weitern Heimreise, gerade als er die Grenzen seines Landes noch einmal erblickt hatte, erlag er 1181 in Audjila, wo er auch bestattet wurde, der Schwäche des Alters.

Ihm folgte sein Sohn Taher, der 7 Jahre herrschte. Nach diesem (es ist nicht angegeben, ob er starb oder verdrängt und getödtet wurde) bestieg 1188 Ahmed-ben-Mohammed-el-Manssur den Thron und regierte 16 Jahre bis zu seinem Tode 1204. Sein Nachfolger war Mohammed-el-Hakem (der Grossvater des noch lebenden Mohammed Besserki, dem ich diese Urkunde verdanke), welcher nach 15 Jahren 1219 einer unheilbaren Krankheit wegen die Regierung zu Gunsten seines Bruders Mohammed-el-Mutassir freiwillig niederlegte.

Mit Mohammed-el-Mustassir endete die Dynastie der Uled-Mohammed. Ein Feldherr Jussuf Baschas von Tripolis, Mukni (III.), zog in der erstaunlich kurzen Zeit von 17 Tagen (der Kurier über Beni-Ulid und Sokna braucht heute noch 22 Tage) mit einem Heere nach Fesan, besiegte den Sultan, nachdem er sich mit einem Neffen desselben verbunden hatte, und tödtete ihn. Auch der Neffe wurde nach einer siebentägigen Scheinregierung und darauf folgender siebentägiger Gefangenschaft ermordet, und Mukni erklärte sich zum Sultan von Fesan.

Ein Jahr hatte Mukni ungestört regiert (die Handschrift schweigt von den entsetzlichen Greueln und Grausamkeiten, die dieser Mann verübte, und von denen seine noch lebenden Zeitgenossen nur mit Schaudern erzählen), da fielen die Uled Sliman von Masser (?) (Aegypten) in Fesan ein und belagerten Mursuk. Aber Jussuf Bascha, der von ihrem Vorhaben zeitig unterrichtet war, schickte Mukni ein Heer zu Hülfe, und als dieses in Rhodua anlangte, zogen sich die Uled Sliman eilichst auf Sebati zurück. Mukni setzte ihnen nach, ereilte und schlug sie und richtete ein grosses Blutbad an; der Rest flüchtete hinter die Mauern von Temsaua. Nun vereinigte sich Mukni bei Kobor Schiuch, inmitten der Sanddünen unweit Edri, mit dem Hülfsheere und marschirte auf Temsaua los. Nach 40tägiger Belagerung wurde die Stadt mit Sturm genommen, worauf der Sieger ihre Wälle schleifen und sämmtliche Bewohner, Greise, schwangere Weiber und Kinder nicht ausgenommen, tödten liess.

Hier schliesst das Manuscript, dem ich vorstehende Skizze der Geschichte Fesans während der letzten 200 Jahre entnommen habe. Ausser dieser Chronik existirt meines Wissens nur noch eine in Mursuk; sie ist im Besitz des Faki Hadj-Ibrahim und soll bis zur Gründung des Sultanats Fesan zurückreichen.

Die weitere Geschichte Muknis, unter dessen Regierung später Lyon und Ritchie Fesan besucht haben, sowie die seines Nachfolgers Abd-el-Djellil ist hinlänglich bekannt. Doch nicht nur unter dem Sultan Abd-el-Djellil, sondern auch noch unter den ersten türkischen Paschas blieben Grausamkeiten und Hinrichtungen noch an der Tagesordnung. Wenn jener auf die drei Thore Mursuks abgeschnittene Menschenköpfe pflanzte und durchschnittlich jeden Tag drei bis vier Hinrichtungen befahl, so mordeten Bekir-Bei und Hassem-Pascha mehr im geheimen: man erdrosselte oder erstach die Opfer in ihren Häusern und verbreitete dann das Gerücht, sie seien entflohen. Noch Mustafa-Pascha, der zur Zeit als Beurmann Mursuk besuchte, Kaimmakam daselbst war, vollzog selbst an fünf Gefangenen, worunter zwei gatroner Marabutin, die Execution und schlug einem dorthin verbannten Tscherkessen eigenhändig mit einem Palmstock ein Auge aus: von dieser Zeit aber sind wir nur erst wenige Jahre entfernt. Freilich solange englische Consularagenten in Mursuk residirten, konnten dergleichen Greuel nicht vorkommen, denn alle von der Regierung Verfolgten fanden Zuflucht im Consulatsgebäude, aus dem sie, zumal wenn sie unschuldig waren, nicht eher herausgingen, als bis ihnen Begnadigung zugesichert wurde. Mit dem gegenwärtigen Kaimmakam sind die Fesaner recht wohl zufrieden. "Wir leben jetzt wieder auf", sagen sie; "überdies wissen wir ja, dass die Consuln nicht weit sind" (in Tripolis); "dass die Türken uns jetzt ohne Blutvergiessen regieren, haben wir nur den Christen zu verdanken."

Fesan, das heisst der Theil der Wüste, welcher das ehemalige Sultanat Fesan, das jetzige Kaimmakamat des Paschalik Tripolis, ausmacht, bildet auch geographisch ein von natürlichen Grenzen umschlossenes Ganzes. Die Hammada mit dem Schwarzen Gebirge im Norden, die Hochlande der Asgar im Westen, die Gebirge, welche die Länder der Tebu oder Teda im Süden mit denen der Tuareg vereinigen, rahmen zusammen ein Becken ein, von dem nördlich Araber und Berber, westlich Tuareg, südlich und südöstlich Teda-Völker wohnen. Dieses grosse Hochbecken war unzweifelhaft vor noch nicht gar langer Zeit mit Meerwasser bedeckt; dafür zeugen erstens die geringe Tiefe, in der man überall auf Wasser stösst, zweitens die ausgedehnten Sanddünen, namentlich am Nord- und Südrande des Beckens, drittens die Sserir mit ihrem Mosaik von rund und glatt geschaffenen Kieseln.

Der Flächeninhalt Fesans, mit Ausschluss von Bondjem und Sokna, die wie früher zum Sultanat auch jetzt noch politisch zum Kaimmakat gehören, kommt ungefähr dem von Deutschland gleich, wobei jedoch festzuhalten ist, dass der grösste Theil aus Hammaden, Sserir, Sanddünen, Sebchen und steinigen nackten Bergen besteht. Die Bodenerhebung des Landes ist eine ziemlich gleichmässige, denn auch die zahlreichen Uadi, die es nach allen Richtungen durchziehen, liegen nicht viel tiefer als die Sserir, und diese wieder haben ein fast gleiches Niveau mit den Sandflächen, welche ebenfalls von einer Menge grüner, doch meist unbewohnter Inseln durchsetzt sind. Die durchschnittliche Höhe der höchsten Hammaden in Fesan beträgt circa 500 Meter, nur wenige steigen bis zu 600 Meter an. Die Depressionen oder Einsenkungen sind nie mehr als etwa 50 Meter tiefer als die Hochebene, und die meisten haben nach keiner Himmelsrichtung hin eine entschiedene Abdachung. Unrichtig scheint mir deshalb ihre Benennung mit "Uadi", demselben Wort, das ein trockenes, periodisch mit Wasser gefülltes Rinnsal oder Flussbett bezeichnet. Das richtige Wort für die Einsenkungen würde "Hofra" (Graben) sein; dieser Ausdruck kommt aber nur einmal, als Name einer bestimmten Gegend vor. Es gibt in Fesan drei Haupteinsenkungen: 1) im Norden das Uadi el-Schati, soweit es bewohnt ist in einer Breite von 1/2- l Meile circa 30 deutsche Meilen von Westen nach Osten sich erstreckend; 2) südlich davon, durch Dünenformation getrennt, das Uadi Gharbi und das Uadi Schergi, zusammen eine Einsenkung bildend, die durchschnittlich eine Meile breit und von Westen nach Osten mindestens 80 deutsche Meilen lang ist; 3) südöstlich von letzterer der Hofra, dessen östliche Verlängerung Chergiya genannt wird, ebenfalls circa 1 Meile breit, und von Westen nach Osten circa 40 Meilen lang. Dazu kommen aber noch viele kleinere, wie das Uadi Nschua nordöstlich von Mursuk, das Uadi Gatron südwestlich von Mursuk, circa 20 deutsche Meilen lang, im Osten das Uadi Uau, das Beurmann besucht hat, und andere.

In allen diesen Einsenkungen ist Wasser unter der Erde zu finden. Das Wasser einiger Quellen oder Brunnen ist vollkommen süss, das in andern mehr oder weniger salzig oder mit alkalischen Bestandtheilen vermischt. Oft kann man schon durch Aufkratzen des Bodens Wasser gewinnen, oft aber müssen auch recht tiefe Brunnen gegraben werden. Auf der Hammada von Mursuk wurde Duveyrier ein Brunnen von 45 Meter Tiefe gezeigt, und den Bir Amram im Uadi er-Resin fand er selbst 18 Meter tief. Stark sprudelnde Quellen sind selten, die ergiebigste ist wol die von Tragen, Ganderma genannt.

Nördlich vom Uadi es-Schergi liegen inmitten hoher Sanddünen, die Vogel über 500 hoch fand, zehn Seen mit salzigem, in mehrern auch natronhaltigem, aus dem Seegrunde selbst hervorquellendem Wasser. Sie sind sämmtlich von Palmen umgeben, und meist findet sich in unmittelbarer Nähe ein Brunnen oder eine Quelle mit Süsswasser, daher an ihren Ufern hier und da eine sesshafte Bevölkerung wohnt. Ihre Namen lauten nach Duveyrier: Mandara, Um-el-ma, Taserufa, Mafu, Behar-el-Dud oder Gabra'un, Behar-el-Trunia, Um-el-Hassan, Nechnucha, Feredrha und Tademka. Besondere Erwähnung verdient unter ihnen der cirkelförmige, im Durchmesser circa 300 Meter grosse und nach Vogel an den tiefsten Stellen 24' tiefe Behar-el-Dud oder Gabra'un (Wurmsee) wegen eines in ihm lebenden kleinen Insekts, von Dr. Baird im British Museum "Artemia Oudneyi" genannt, das von den Fesanern gegessen wird und ähnlich wie Kaviar schmecken soll; es ist nach Vogel 3 7/12 pariser Linien lang, unterm Kopfe 1 3/12 Linien breit, von glänzend rother Farbe und an jeder Seite mit 11 oder 12 Füsschen versehen. Das Wasser des Sees enthält so grosse Mengen Salz, dass es beinahe wie Sirup aussieht. 2-3 Meter von seinem Südufer fliesst eine süsse Quelle.

Die Durchschnittstemperatur in Fesan muss zu etwa 22deg. Réaumur angenommen werden, doch steigt sie im Sommer unverhältnissmässig höher und sinkt im Winter sehr bedeutend tiefer. Als Maximum beobachtete Duveyrier im Sommer + 44deg. C. im Schatten, und Lyon ermittelte für die Sommermonate in Mursuk durchschnittlich + 26deg. R. In den Wintermonaten, December bis Ende Februar, ist dafür, sowol wegen der hohen Lage als wegen der beständigen, nie durch eine Wolkenschicht behinderten Ausstrahlung des Bodens in den Weltraum die Kälte oft recht empfindlich, ja es unterliegt keinem Zweifel mehr, dass auch schon Schnee in Fesan gesehen worden. Vogel schreibt in Petermann's "Mittheilungen", Jahrgang 1855: "Was die Temperatur anbelangt, so fällt das Thermometer in Mursuk im December und in der; ersten Hälfte des Januar bei Sonnenaufgang bis auf 42deg. Fahrenheit, und an Stellen, die dem Winde ausgesetzt sind, gefriert das Wasser in der Nacht. In Sokna konnte ich niemand finden, der sich erinnerte Schnee gesehen zu haben." Barth hingegen berichtet in demselben Bande der "Mittheilungen": "Ebenso haben wir Nachrichten aus Fesan, dass der Schneefall in Sokna Anfang Januar so stark gewesen sei, dass die Leute für den Einsturz ihrer Häuser gefürchtet haben, und noch südlicher, im Weichbilde Mursuks selbst, soll fingerdickes Eis auf kleinen Wasserlachen gefunden worden sein. Die grösste Kälte, die wir gehabt haben, war 3deg. C. unter dem Gefrierpunkt vor Sonnenaufgang." Auffallend genug, dass im Centrum der Sahara, nur zwei Grad nördlich vom Wendekreise, eine verhältnissmässig so niedrige Temperatur eintreten kann. Auch Hornemann sagt: Im Winter herrschen "schneidende Nordwinde, die nicht allein den Eingeborenen, sondern selbst mir, dem Bewohner nördlicher Gegenden, die Kälte sehr empfindlich machten." Von Duveyrier liegen eine Menge Beobachtungen vor, nach welchen das Thermometer unter dem Gefrierpunkt stand und das Wasser gefror. Mit Recht weist er darauf hin, wie verderblich Temperaturunterschiede, die sich zwischen 80 Graden bewegen, nicht nur auf die Flora und Fauna, sondern sogar auf das Steinreich einwirken müssen. Ich selbst habe am 20. December 1865 vor Sonnenaufgang -4deg. C., am 30. Januar 1866 -5deg. beobachtet, und während der beiden Monate December und Januar sank das Thermometer an 24 Tagen auf oder unter den Gefrierpunkt, und dies noch dazu mitten in der Stadt, im Schutz der Häuser und Ringmauern.

Im allgemeinen ist indess das Klima, wie in der ganzen Wüste, ein sehr regelmässiges und deshalb, Orte wie Mursuk, das auf einem Sumpf steht, abgerechnet, ein durchaus gesundes, wenn man sich erst an die Trockenheit der Luft und den hohen Wärmegrad gewöhnt hat. Eben die Trockenheit der Luft bewirkt, dass die Sommerhitze hier viel leichter zu ertragen ist als am Meeresufer, wo ihr Feuchtigkeitsgehalt die Ausdünstung der Haut, also die Abkühlung derselben, verhindert.

Obwol Fesan noch nicht in der Zone der tropischen Regen liegt, kommen diese doch zuweilen, vom Südwind getragen, bis hierher. Zur Zeit Hassan-Paschas und Mustafa-Paschas strömten so anhaltende Regengüsse herab, dass die meisten Häuser von Mursuk, die nur aus salzhaltigen Erdklumpen zusammengeleimt sind, erweichten und sich auflösten. Die Fesaner wünschen auch keinen Regen, beten vielmehr gleich den Bewohnern von Tuat, Tafilet und Draa zu Gott, er möge es nicht regnen lassen. Zur Bewässerung des Bodens bedürfen sie allerdings keiner Niederschläge aus der Luft, da sich überall in der Erde bei geringer Tiefe Wasser findet, ja die Palmen wachsen ganz ohne Bewässerung, indem ihre Wurzeln von selbst, wie es scheint, die Wassernappe erreichen. Künstliche Bewässerungssysteme wie die Fogara, die ich weiter unten beschreibe, kennt man daher in Fesan nicht; man bedient sich allgemein der Ziehbrunnen, wie sie in ganz Nordafrika gebräuchlich sind.

Getreide wird hier durchschnittlich fünfmal im Jahre geerntet: in den Wintermonaten baut man Weizen und Gerste, im Frühjahr, Sommer und Herbst die verschiedenen Hirse- und Durra-Arten, namentlich Ksob und Ngafoli. Ksob, zuerst im März eingesäet, gewährt eine viermalige Ernte, deren letzte freilich, die im December stattfindet, der Kälte wegen nicht mehr zu völliger Reife gelangt, doch geben Halm und Frucht ein vorzügliches Viehfutter. Fast alle Gemüsearten, auch die europäischen, würden in diesem Klima gedeihen, leider baut man aber nur die in der Zone gewöhnlichsten, im Sommer Melonen und Gurken, im Herbst Rüben und Wurzeln, im Winter Bohnen, im Frühjahr Mlochia und einige andere, während, solange Consularagenten in Mursuk residirten, auch Kartoffeln, Erbsen, Kohl u.s.w. gezogen wurden und bei nur einiger Pflege lohnenden Ertrag lieferten. Von sonstigen Nutzpflanzen wird Taback und Baumwolle gebaut. Der Taback bleibt, sei es dass die Pflanze an sich einer schlechten Art angehört, oder dass die fesaner sie nicht zu behandeln verstehen, klein und von schlechter Qualität. Dagegen gedeiht die Baumwollstaude ausserordentlich gut, perennirt sechs bis sieben Jahre hindurch und gibt grosse, wenn auch nicht sehr weiche und langfaserige Knollen. Viele Fruchtbäume der gemässigten wie der heissen Zone würden ebenfalls sehr gut hier fortkommen; ich sah Oliven aus dem Uadi Schati, die an Grösse und Güte denen von Sintan und Ghorian nicht nachstanden. Bisjetzt aber beschränkt man sich fast ausschliesslich auf Feigen und Mandelbäume.

Den Reichthum des Landes bilden, wie in allen Oasen der Sahara, die Dattelpalmen, und zwar scheint Fesan die Grenze ihrer Heimat zu sein. Dass sie in die westlicher liegenden Oasen, wie Derdj, Rhadames, Tuat, Ued Ssaura, Tafilet, Draa u.s.w., erst eingeführt und verpflanzt wurden, kann man als sicher annehmen; kleinere Gruppen mögen auch wol zufällig entstanden sein, indem der Dattelkern, wo er nur einigermassen günstigen Boden findet, sich ausserordentlich schnell entwickelt. Palmenwälder von der Ausdehnung und Dichtigkeit wie die um Rhodua, die fast einem Urwalddickicht gleichen, gibt es in den westlichen Theilen der Sahara nicht. Den Fesanern gilt als das eigentliche Vaterland des Baums die Gegend um Tragen, weil dort die meisten und vorzüglichsten Arten zusammenleben; vielleicht ist es aber noch weiter nach Osten zu verlegen. Man zählt in Fesan, wie behauptet wird, über 300 verschiedene Arten, um Mursuk allein mehr als 30, von denen die Tillis, Tuati und Auregh am geschätztesten sind. Sonst hörte ich noch die Bilbil, Tarhiat, Nefússi, Ladué, Laschiqír, Tanischkil, Gerbaui, Tegedáf, Chodár, Arrhelíl, Adui, Másseri, Ssellaulau, Borni, Kortaui, Fertekau, Issaba, Tassuét und Hamar als besondere Arten nennen.

Von Hausthieren sind nur das Kamel, das Huhn und die Taube zu erwähnen; die wenigen Pferde, höchstens 50 in ganz Fesan, Rinder, Schafe und Ziegen verkrüppeln hier und werden nicht heimisch, müssen vielmehr immer neu von auswärts eingeführt werden. Wilde Säugethiere der grössern Arten hat Fesan fast gar nicht, auch Hyänen und Schakale kommen nicht vor, obwol manche Reisende erzählen, sie hätten vor dem Geheul dieser Thiere nicht schlafen können. In unbewohnten Oasen und Uidan[30] mögen einzelne Gazellen, Antilopen u. s. w. sich aufhalten; häufig sind sie gewiss nicht, denn es werden nie welche zu Markte gebracht. Von Vögeln sah ich Sperlinge, Schwalben, Raben, Mauerfalken und einige Aasgeier; im Sommer sollen wilde Tauben und Enten sehr zahlreich sein, die gegen den Winter südwärts ziehen, um ein wärmeres Klima aufzusuchen. Insekten, Würmer, Schlangen sind dieselben wie in den andern nördlichen Oasen.

Der Handel Fesans ist unbedeutend und, den Sklavenhandel abgerechnet, wol zu keiner Zeit von Wichtigkeit gewesen. Das Land ist nur Durchgangsstation für die Waarentransporte vom Norden, von Tripolitanien und Aeypten, nach dem Süden, nach Bornu und den angrenzenden Negerländern, sowie für die aus Centralafrika kommenden Producte. Der Sklavenhandel dagegen hat in neuerer Zeit eher zu- als abgenommen, die Sklaven werden von hier zum kleinern Theil nach Tunis und in Tripolitanien selbst verkauft, die meisten führt man über Udjila nach Aegypten zu Markt. Wie ich schon öfters erwähnt, fördern die türkischen Behörden, wo sie sich nicht von europäischen Consuln überwacht wissen, den Menschenhandel, statt ihn zu hindern, und leider scheint auch seitens der christlichen Mächte, wie England und Frankreich, welche doch zuerst die Abschaffung der Sklaverei unternahmen, in diesem Punkte jetzt ein laxeres Verfahren der Türkei gegenüber beobachtet zu werden als früher. Aus dem. Munde des Kaimmakam selbst vernahm ich, dass ein einziger Mann in Mursuk, der Hadj Amri, der sich mir erst als englischer Agent vorstellen liess, und als ich aus dem "Royal Almanac" ersah, dass England keinen Agenten in Fesan mehr hält, ein Agent (Ukil) des frühern englischen Consularagenten Gagliuffi zu sein behauptete, im Jahre 1864-65 über 1100 Sklaven exportirt und zur Zeit noch wenigstens 50 Schwarze in seinem Hause auf Lager habe. Sollte die Behauptung des Mannes wahr sein, so gereicht es Herrn Gagliuffi nichts weniger als zur Ehre, einen Compagnon zu haben, der so gute Geschäfte in Menschenwaare macht!

Die Provinz Fesan hatte früher zwölf Mudirate. Bondjem, Sokna, Schati, Temenhint, Sebha, Uadi Schergi, Uadi Rharbi, Hoffra, Schergiya, Sella, Rhodua und Gatron. Dieselben bestanden auch noch dem Namen nach, aber es waren nur sieben Mudir vom Gouvernement besoldet, jeder, wie man mir sagte, mit monatlich 500 Piaster = 20 Mariatheresienthaler. Man ging indess eben damit um, wieder zwölf Mudir zu besolden und ihre Kreise genau abzugrenzen. Die hauptsächlichsten Städte sind, ausser Mursuk, von dem später ausführlich die Rede sein wird, Tragen im Uadi el Hofra, Suila ebendaselbst aber östlicher, die ehemalige Hauptstadt, Gatron, die Stadt der Marabutin, südlich von Mursuk, Djedid in Geblia, Djerma und Ubari im Uadi Gharbi, Brak und Edri im Uadi Schati, Sokna und Bondjem im Norden an der Strasse nach Tripolis. Keine derselben zählt wol mehr als 1000 Einwohner. Alle Mudir werden vom Kaimmakam angestellt und nach seinem Gutdünken abgesetzt, ohne dass er deshalb Befehle vom Muschir in Tripolis einzuholen braucht. Ueberhaupt ist die Regierung, wie in allen türkischen Provinzen, thatsächlich eine absolute, denn der Wille des Kaimmakam oder des Mudir gilt als Gesetz, wenn auch der Form nach constitutionell, indem sowol dem Kaimmakam wie dem Mudir eine Midjelis oder Rathsversammlung zur Seite steht, die nicht blos berathende, sondern beschliessende und gesetzgebende Stimme haben soll, in Wirklichkeit aber meist gar nicht befragt wird. So ergiebig das Land bei der grossen Fruchtbarkeit und dem günstigen Klima sein könnte, so wenig weiss das türkische Gouvernement Nutzen aus demselben zu ziehen. Das directe Jahreseinkommen beläuft sich nach den mir von Hammed Bei, dem Kateb-el-mel oder Rechnungsführer, gemachten Angaben im günstigsten Falle auf 8 Piaster, also ungefähr 2 Frs. Hierin sind jedoch die bedeutenden Summen nicht inbegriffen, welche aus dem Verkaufe der Datteln des Beilik gelöst werden, und die man gar nicht in Rechnung zu bringen scheint. Um Mursuk allein mag die Zahl der der Regierung gehörenden Palmbäume eine Million betragen, und in manchen andern Bezirken ist sie noch grösser. Die directen Einnahmen gehen auf für die Gehalte der Beamten, inclusive des Kaimmakam, und für die Löhnung der Truppen, die indess sehr unregelmässig ausgezahlt wird. Nach Tripolis und Konstantinopel kommt, ausser Geschenken an Sklaven und Sklavinnen und was sonst etwa der Kaimmakam mitzuschicken für gut findet, nichts davon; im Gegentheil, alle Kleidungsstücke, Ausrüstungsgegenstände und selbst Lebensmittel für die Soldaten, wie Reis, Fett, Zucker und Kaffee, müssen von Tripolis oder Stambul nach Fesan gesandt werden. Uebrigens kann man nicht sagen, dass die Einwohner mit Abgaben überbürdet seien; infolge ihrer Trägheit, Unwissenheit und der Mangelhaftigkeit aller ihrer Einrichtungen vermögen sie freilich auch die geringen Steuern kaum zu erschwingen, zumal von seiten der Regierung nicht das mindeste geschieht, was das moralische oder leibliche Wohl der Unterthanen und den so tief gesunkenen Zustand des Landes heben könnte.

Die Fesaner sind ohne Zweifel die Phazanii der Alten, deren Land mit der Hauptstadt Garama (dem heutigen Djerma im Uadi Schati) bei den afrikanischen Völkern zwar eine Zeit lang Sella hiess, nach der Stadt Sella oder Suila, von Edris aber, der im Anfang dieses Jahrtausends lebte, wieder Fesan genannt wird mit den Städten Djerma und Tessaua, die drei Namen ganz so geschrieben, wie man sie heute noch schreibt. Zwischen den Phazaniern und den neben ihnen von den alten Autoren aufgeführten Bewohnern des Landes, den Nasomonen, Troglodyten und Garamanten, dürfte kein grosser Unterschied bestanden haben, sie sind jedenfalls alle aus Vermischung der weissen Berber Nordafrikas mit den schwarzen Aethiopiern des mittlern Afrika hervorgegangen.

Diesen Mischungsprocess, der sich von den ältesten Zeiten an überall da vollzieht, wo das weisse Element mit dem schwarzen zusammentrifft, sehen wir auch heute noch beständig vor sich gehen, in Tuat, Draa, Tafilet, Rhadames, Sokna, Audjila, Siuah u. s. w. So erzählt unter andern Barth: "Das Wadi Gharbi ist nur zu berüchtigt wegen der Freiheiten, welche der weibliche Theil seiner Einwohner den jährlich auf ihrem Wege von oder nach Mekka durch das Wadi ziehenden Pilgerkaravanen gestattet." Und nicht nur den Pilgern geben sich die Fesanerinnen hin, auch andern Reisenden und ebenso den dort ansässigen Tuareg. Dazu kam nun in Fesan seit mehrern Jahrhunderten noch das arabische Blut, sodass die Eingeborenen als eine Mischrasse aus reinen Gebirgsberbern, Tuareg und Arabern mit schwarzen Völkern, vorzugsweise mit Haussa-, Kanuri-, Bagermi- und Maba-Negern zu bezeichnen sind. Dass die Tuareg, obwol sie sich principiell nicht mit Farbigen verheirathen, zu der Mischung beigetragen haben, steht fest, denn wenn sie auch selbst kein Negerblut in ihre Familien aufnehmen, so theilten und theilen sie doch das ihrige andern Rassen mit.

Aus der Vormischung schwarzer mit weissen Rassen entstehen auch hin und wieder Individuen, deren Haut an einzelnen Partien des Körpers weiss, an andern mehr oder weniger dunkel gefärbt ist. Auf der ganzen Grenzlinie zwischen der schwarzen und weissen Bevölkerung kommen dergleichen Individuen vor, zwar nicht gerade häufig, aber auch nicht so selten, dass ihre Erscheinung dortzulande etwas besonders Auffälliges hätte. Der Schich der Sauya von Tamagrut, Bu-Bekr, z. B. hatte eine solche scheckige Haut. Bei ihm bildete die weisse Farbe den Grund, in welchen grössere und kleinere schwarze Flecken wie Inseln eingesprenkt waren; umgekehrt sah ich aber auch Menschen mit schwarzer Haut und darauf hervortretenden weissen Flecken. Mit dem Kopfhaar verhält es sich ähnlich; man sieht einzelne Schwarze mit langem, schlichtem, und einzelne Weisse mit krausem, wolligem Haar.

Es ist das Gesetz des Atavismus, das hier vielfach Bestätigung findet. Ein Bruder des Hadj-ben-Alua[31] war Weisser und verrieth in nichts seine Abstammung von schwarzem Blute, als dass die Conjunctiva bei ihm etwas gelblicher erschien, als sie bei den Weissen zu sein pflegt. Sowol sein Vater aber wie seine Mutter, eine Sklavin aus Haussa, waren Neger mit dem ausgeprägtesten Typus ihrer Rasse. Da mich der Fall interessirte, forschte ich weiter nach, und es ergab sich, dass die Grossmutter väterlicherseits eine Italienerin gewesen, die von Piraten geraubt und als Sklavin nach Fesan verkauft worden war. Das Blut der Grossmutter kam also in dem Enkel wieder rein und unvermischt zum Vorschein. Sidi-el-Hadj-Hammed, Sohn des bekannten Scherif Sidi-Mohammed-ben-Akdjebar und selbst Scherif in Uesan, ist von tiefschwarzer Hautfarbe, obgleich beide Aeltern der weissen Rasse angehören. Niemand verwundert sich jedoch darüber oder setzt Zweifel in die Legitimität seiner Geburt, denn man weiss in Uesan, dass der Vater, Sidi-Mohammed-ben-Akdjebar, von einer schwarzen Sklavin geboren wurde. Nicht immer also, wie diese beiden Fälle beweisen, denen ich leicht noch mehrere, nicht minder eclatante hinzufügen könnte, sind die Kinder von gemischten Aeltern Mulatten; oft überwiegt der Typus des einen theils in dem Maasse, dass ein Kind von anscheinend ganz reiner Rasse erzeugt wird. Freilich macht sich dann aber bei Terzeronen, Quarteronen u. s. w. wieder der Rückschlag bemerkbar. So variirt die Farbe der Bewohner vom tiefen Schwarz bis zum hellen Weiss, vorherrschend ist jedoch die gelbe Hautfarbe der Malaien, verbunden mit Haar und Gesichtsbildung der Neger.

Ueber die Einwohnerzahl von Fesan bin ich nicht im Stande eine nur annähernd genaue Angabe zu machen. Da das Gouvernement selbst keine Kenntniss davon besitzt, hätte ich, um eine richtige Schätzung zu gewinnen, das Land nach allen Richtungen durchreisen müssen. Hornemann nimmt 70-75000 an, Klöden nach Richardson gar nur 26000, Daniel 54000. Diese Zahlen sind nach meiner Ueberzeugung viel zu niedrig; rechnet man die in Fesan sich aufhaltenden Araber und Tuaregstämme hinzu, so dürfte die Zahl von circa 200000 nicht zu hoch gegriffen sein.

Wenn überhaupt von einer Nationalsprache, bei einem so gemischten Volke wie dem fesaner die Rede sein kann, so muss man das Kanúri (die Bornu-Sprache), das am allgemeinsten, namentlich auch von den Kindern gesprochen wird, als solche bezeichnen. Nächstdem hört man am meisten arabisch sprechen, und sehr viele verstehen die targische sowie die Teda- und die Haussa-Sprache. Ferner sprechen die Bewohner von Sokna und Udjila, welches letztere indess jetzt nicht mehr zu Fesan gerechnet wird, eine eigene berberische Sprache, die auffallende Aehnlichkeit mit dem Rhadamsischen hat. Ich habe Gelegenheit gehabt, mich mit dem Soknischen zu beschäftigen, und gefunden, dass mehr als zwei Drittel der Wörter ganz mit dem in Rhadames gesprochenen Dialekt übereinstimmen.

Dem Charakter nach sind die heutigen Fesaner ein gutmüthiges und ehrliches Volk. Innerhalb der Grenzen des Landes ist man vor Räubern und Dieben sicher; man kann mitten in einem bewohnten Orte seine Sachen unbewacht liegen lassen, ohne besorgen zu müssen, dass sie gestohlen werden, trotzdem dass immer viele Tebu sich in Fesan aufhalten, die in ihrem eigenen Lande sehr diebische Gelüste bekunden sollen. Indessen berichtet Dr. Nachtigal, der letzte Europäer, der Fesan besuchte, vom Januar 1870 an Dr. Bastian in der "Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde": "Während früher Diebstahl unerhört in Fesan war, musste ich jetzt sogar die Kamele zur grössern Sicherheit nach der Stadt kommen lassen..."

Die Landestracht besteht bei den Männern aus dem Haik oder Barakan, der Mansuria (weitem Hemd), kurzen Hosen, dem Fes und rothen oder gelben Pantoffeln. Doch sieht man hier schon häufig die dunkelblauen oder weissen Toben von Sudan und Bornu, sowie auch der Litham der Tebu und Tuareg und ihre durch Risse ausgezackten Fellkleider nicht fehlen. Noch einfacher tragen sich die Frauen, welche in der Jugend recht volle Formen und, da sie wie alle Weiber der nicht civilisirten Völker klein sind, eine fast kugelige Gestalt haben. Ihr einziges Kleidungsstück ist der Barakan, den sie rings um den Körper wickeln und festbinden; statt der Schuhe tragen viele aus Palmblättern geflochtene Sandalen. Arme und Beine werden mit schweren messingenen oder silbernen Ringen belastet, von denen oft einer allein 200 Fr. werth ist und das nette Gewicht von fast einem halben Pfund hat. Das Haar, dick mit Butter bestrichen, die im Verein mit dem darauffallenden Staube bald zu einer schmuzigen Kruste verhärtet, klebt in unzähligen kleinen Flechten um den Kopf. Die Kinder laufen ganz oder halb nackt umher bis zur Pubertät, die übrigens hier äusserst früh eintritt; säugende Mütter von 12, ja von 10 Jahren sind nichts seltenes.

Nirgends wol findet ein so schrankenloser Verkehr der Geschlechter statt wie in Fesan. Der junge Bursche lebt mit einem Mädchen, bis er ihrer überdrüssig ist, und bekümmert sich dann nicht im geringsten mehr um sie noch um das erzeugte Kind. Wilde Ehen sind ebenso häufig als legitime; es herrscht Vielweiberei, und das Gesetz gestattet dem Manne, seine rechtmässigen Frauen zu verstossen, die sich dann meist der öffentlichen Prostitution hingeben. So werden uneheliche Kinder in Menge geboren und, da keine Findelhäuser existiren, gleich nach der Geburt dem Verhungern preisgegeben, höchstens dass bisweilen eines solchen hülfslosen Wesens, das seine Mutter nachts auf die Thürschwelle einer Djemma oder Sauya gelegt hat, ein mitleidiger Thaleb oder sonst ein Vorübergehender sich annimmt. Das Volk lebt sorglos in den Tag hinein; des Abends kauert jung und alt im Kreise und schaut dem pantomimischen Tanze der Mädchen zu. Dabei wird reichlich Lakbi und Busa genossen. Lakbi ist gegorener Palmensaft, ein nicht so stark berauschendes Getränk als Busa; letzteres wird aus Ngáfolikörnern und Datteln bereitet, es ist sehr consistent und weisslich von Farbe. Für die hier lebenden Türken brauen zwei Verbannte, ein christlicher Tscherkesse und ein Zigeuner, eine Sorte Dattelschnaps, der aber dem schlechtesten Kartoffelfusel noch weit nachsieht; eine bessere und unschädlichere Sorte verstehen die Juden in Tafilet zu destilliren. Datteln bilden auch, neben Sesometa, Basina und Brot aus Weizen, Gerste oder Ksob, die Hauptnahrung der Fesaner. Fleisch wird wenig und nur in den Städten gegessen; in Mursuk schlachtet man durchschnittlich den Tag drei Kamele und ein Schaf oder eine Ziege, deren Fleisch für die gesammte, einschliesslich der vor der Stadt in Palmhütten wohnenden Leute wol an 8000 Seelen starke Bewohnerschaft hinreichen muss. Bei den Hochzeitsfeierlichkeiten bemerkte ich keine Gebräuche, die von denen der Araber sonderlich abwichen; ebenso bei den Beerdigungen. Kaum ist der Leichnam des Gestorbenen erkaltet, so wird er hinausgetragen und ohne Sarg oder Kasten, blos mit einem weissen Laken umwickelt, in eine flache Grube verscharrt.

[27]Denham berichtet, die M'Garha seien von allen Abgaben frei.

[28]Die Jahreszahlen sind sämmtlich die der Hedjra.

[29]In Dötz im Atlas, am Ras l'ued Draa gibt es Schürfa-Familien, in denen die Kunst, den Staar zu stechen, vom Vater auf den Sohn forterbt.

[30]Kleines Uadi oder Flussbett.

[31]Ein allen Europäern, die in Mursuk waren, bekannter Mann, der zu Beurmann's und auch noch zu meiner Zeit Schich-el-bled (Stadtvorsteher) war.


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