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VIII. Durch Fesan.

Regen. "Neulinge" und "Zeugen". Die Oase Mestuta. Ueber den Gurt-el-Kebir nach Dekir. Gatron. Fest zur Feier der Wiederkehr des Mondes. Die Dörfer Bachi und Medrussa. Kasaraua. Tedjerri. Das Gatron-Thal. Aufbruch von Tedjerri nach Kauar.

Mittags den 25. März brach ich bei schönstem Wetter von Mursuk auf. Ich hatte sieben Diener und fünf Kamele. Zwei Gorianer mit ihren Kamelen wollten noch denselben Abend zu uns stossen, und mit Maina Adem war verabredet, dass seine grosse Gofla (Karavane) am nächsten Tage nachfolgen und sich mit uns vereinigen solle.

So gut das Wetter beim Ausmarsch gewesen, so schlecht endete der Tag. Gerade mit Sonnenuntergang brauste plötzlich von Osten her ein Sandsturm heran, der die Luft völlig verfinsterte. Zum Glück befanden wir uns in unmittelbarer Nähe des Oertchens Hadj Hadjil und konnten dasselbe eben noch erreichen. An Aufschlagen der Zelte war natürlich nicht zu denken; wir legten uns, nachdem das Essen in einem Hause gekocht und verzehrt worden, zwischen Gepäckstücken auf die Erde nieder und waren, als wir morgens aufstanden, zollhoch mit Sand bedeckt.

Der Sturm tobte noch den ganzen Tag mit gleicher Gewalt, doch stellte sich gegen Abend Regen ein, der wenigstens den argen Sandstaub niederschlug, sodass es möglich wurde, unsern Marsch wieder fortzusetzen. Anhaltender Regen ist allerdings eine aussergewöhnliche Erscheinung in Fesan, sie muss indess nicht gar zu selten vorkommen, denn auch andere Reisende berichten davon. Wir wateten anfangs durch tiefen Sand und kamen dann in einen Wald von wilden Palmen, in dem nach zweistündigem Marsche, da der Regen nicht nachliess, zur Nacht gelagert wurde. Hier traf uns Maina Adem's Karavane und nächtigte dicht neben der unserigen. Er selbst war noch in Mursuk zurückgeblieben.

Auch die Nacht durch regnete es in einem fort, daher meine Diener, die ihr Zelt nicht aufgeschlagen hatten, bis auf die Haut durchnässt wurden. Nachdem am Morgen ein tüchtiges Feuer und eine Tasse Thee ihre Lebensgeister wieder angefrischt, zogen wir um 8 Uhr weiter, ohne den Aufbruch der Tebu-Gofla abzuwarten. In 11/2 Stunden war Bidan erreicht, ein aus wenigen Palmhütten und Gärten bestehendes Dörfchen. Ich liess halt machen und kaufte von den Bewohnern Datteln, um meine Kamele damit zu füttern, für die es auf dem Marsche durch den Palmenwald nichts zu fressen gab. Während wir hielten, zog die Tebu-Karavane an uns vorbei. Wir folgten ihr nachmittags und vereinigten uns wieder beim Bir Beranin, am Rande der Dünen, eine Stunde von Bidan entfernt. Immer noch blies ein heftiger Ostwind, der uns sehr belästigte, da er aus einem Striche, wo es nicht geregnet hatte, viel Sand herbeiwehte.

Die Gegend ringsum erhält ein eigenthümliches Gepräge durch zahlreiche, "Neulinge", meist konisch geformte Hügel von 20-30 Fuss Höhe, die sich durch Anhäufung von Sand und Vermischung desselben mit Pflanzenstoffen, namentlich mit Ethel und Tamariske gebildet haben; aus manchen ragt sogar noch ein Ethelbusch hervor. Sie finden sich in der ganzen Sahara und sind wohl zu unterscheiden von den äusserlich gleich aussehenden "Zeugen" (franz.: témoins). Diese entstanden nicht durch Anhäufung, sondern im Gegentheil dadurch, dass der lockere Sand um ein fest gefügtes Stück Erdreich herum vom Winde fortgeweht oder durch Wasser weggespült wurde und so ein vereinzelter Hügel als "Zeuge" der frühern Terrainformation stehen blieb. Die "Zeugen" kommen seltener vor als die "Neulinge" und enthalten keine Wurzeln oder sonstige Pflanzentheile.

Eben hatten wir uns am Bir Beranin gelagert, als Maina Adem auf einem schönen Berberrosse angeritten kam und vor meinem Zelte abstieg. Ich verdankte diese Ehre wahrscheinlich dem Appetit des Fürsten nach einer Cigarette und einer Tasse Kaffee, denn er war, wie ich in Mursuk bemerkte, zu geizig, um sich Taback, Thee und Kaffee zu kaufen, obgleich er nach der Summe zu schliessen, die er in dem einzigen Jahre 1865 dem Kaimmakam als Abgabe für verkaufte Sklaven (circa 10 Frs. per Kopf) entrichtete, wol gegen 10000 Mariatheresienthaler bei sich haben mochte. In seiner Heimat Kauar vergräbt er das Geld, nur dann und wann vielleicht sein Auge am Glanz der blanken Silberstücke weidend. Das schöne Pferd, das er ritt, war zum Geschenk für seinen zukünftigen Schwiegersohn bestimmt, gemäss der bei den Tebu herrschenden Sitte, die erheischt, dass ein Vornehmer seiner Tochter bei ihrer Verheirathung ein Pferd als Aussteuer mitgibt.

Unser Weg führte jetzt beständig zwischen oft 100 Fuss hohen Sanddünen hin, bis wir nach anstrengendem Marsche die kleine Oase Mestuta erreichten, die sich zwei Stunden lang und eine halbe Stunde breit von Norden nach Süden erstreckt. Mestuta hat mehrere Brunnen mit leidlich gutem Wasser und im Norden die Ruinen eines alten Castells aus den Zeiten der Sultane von Fesan. Unter wilden Palmen ist der Boden mit einer dichten Pflanzendecke, meist gutem Kamelfutter, überzogen, worin Kaninchen und Ratten in Menge hausen. Die Luft ist mit einigen Tauben, Sperlingen und Schwalben, mit letztern wol nur vorübergehend, belebt.

Auf dem Marsche fiel mir der Unterschied zwischen den Tebu-Kamelen und meinen arabischen recht in die Augen. Das Araber-Kamel, das wahrscheinlich durch die Araber oder Berber nach Nordafrika eingeführt wurde, hat plumpe Beine, einen dicken Hals, überhaupt einen schwerfälligen, gedrungenen Körper mit starkem Haarwuchs. Das Tebu- oder Borgu-Kamel hat einen dünnern lang gestreckten Hals, schmächtigere Beine und wird bedeutend grösser. Südlich von Kaura kommt das Araber-Kamel nicht mehr fort, vom Norden nach Bornu oder Sudan gebrachte Kamele sterben dort nach kurzer Zeit, sei es infolge der veränderten Nahrung oder aus andern Ursachen; umgekehrt kann das afrikanische Kamel ein nördlicheres Klima nicht vertragen. Da es nun, wie geschichtlich erwiesen ist, ein ursprünglich in Afrika einheimisches Kamel nicht gibt, so dünkt mich die auffallende Verschiedenheit des centralafrikanischen von dem nordafrikanischen Kamel eine augenscheinliche Bestätigung der Darwin'schen Theorie von der Entstehung der Arten. Das in der eigentlichen Centralsahara lebende Tebu-Kamel hat sich in der verhältnissmässig kurzen Zeit von etwa tausend Jahren den natürlichen Bedingungen der dortigen Gegend angepasst und zu einer ganz andern Rasse umgebildet. Und vielleicht ist dieser Umbildungsprocess noch nicht abgeschlossen, sodass nach abermals tausend Jahren unsere Nachkommen noch viel grössere Rassenunterschiede wahrnehmen werden. Wie ausserordentlich schnell das aus kalten Gegenden in die Sahara versetzte Schaf seine Art verändert, habe ich an anderm Orte hervorgehoben.

Wir verliessen Mestuta um 7 Uhr morgens in der Richtung von 150deg. und hielten diese Richtung den ganzen Tag über inne. Jenseit der Oase dehnt sich eine Sserir bis zum Fusse des Gurt el-Kebir aus, bei dem wir um 11 Uhr vormittags anlangten. Der Gurt el-Kebir ist ein Ausläufer der südwestlich sich hinziehenden Dünen; er wendet sich, einen grossen Bogen nach Süden beschreibend, durch Osten nach Norden herum. Nach Uebersteigung desselben hatten wir eine weite, niedrig gewellte Sandebene vor uns; um 4 Uhr erblickten wir im Osten Um-el-Adam, um 5 Uhr tauchte in derselben Richtung Djufara auf, und um 71/2 Uhr erreichten wir Dekir. Hier musste erst ein Brunnen gegraben werden, womit indess die Tebu, die an solche Arbeit gewöhnt sind, rasch zu Stande kamen. Das gefundene Wasser war leidlich. Abends bei Mondschein boten die Palmen mit ihren vertrockneten Zweigen, die von der Krone bis zur Erde am Stamme herunterhängen, einen seltsamen Anblick dar. Niemand pflegt hier die herrenlosen Bäume, und die herabgefallenen Datteln werden von vorüberziehenden Reisenden aufgelesen oder von den Kaninchen, Gazellen und Schakalen verzehrt.

Am 31. März brachen wir um 71/2 Uhr morgens von Dekir auf. In fast gerader Südrichtung immer im Thale und zwischen Palmen reitend, erreichte ich mit meinen Leuten um 121/2 Uhr Gatron und lagerte auf einem von Palmen beschatteten Platze am Nordrande des Ortes. Es war dies ein Verstoss gegen den Karavanengebrauch, denn eine nach Süden ziehende Gofla soll immer an der Südseite eines Ortes oder Brunnens, eine nach Norden ziehende an der Nordseite lagern. Auch that Maina Adem, als er mit der Tebu-Karavane, die unterwegs ihre Kamele hatte weiden lassen, vor Gatron ankam, höchst entrüstet darüber und liess sein Lager an der Südseite aufschlagen. Ueberhaupt kehrte er, seit wir uns nicht mehr im Bereich des türkischen Gouvernements befanden, immer mehr seinen Fürstenstolz gegen mich heraus, während er in Mursuk dem Kaimmakam und auch mir gegenüber eine untergeordnete Rolle gespielt und man ihm dort nicht einmal die militärischen Ehren erwiesen hatte.

Ich fand bei den Marabutin in Gatron und ihrem Chef, dem Hadj Djafer, der zugleich Mudir des ganzen Gatron-Thales ist, die freundlichste Aufnahme und Bewirthung; mein Koch war vollkommen in Ruhestand versetzt. Es freute sie, Mohammed Gatroni in meinen Diensten zu sehen, denn war er auch nicht aus dem Orte selbst gebürtig, so zählten sie ihn doch zu den Ihrigen. Natürlich revanchirte ich mich für die genossene Gastfreundschaft mit entsprechenden Geschenken an Zucker, Thee, Essenzen, Messern und andern Kleinigkeiten. Der Hadj Djafer, ein Mann von mehr als 100 Jahren, - auch sein Sohn Hadj Mahmud ist schon ein weisshaariger Greis - ist derselbe, dessen Gastfreundschaft von Lyon wie von allen spätern Reisenden gerühmt wird.

Die Bewohner Gatrons, etwa 1000 an Zahl, sind sämmtlich Schwarze, doch nicht von reinem Tebublute, sondern von sehr gemischter Abstammung; selbst die Marabutin, die den geringern Theil der Bevölkerung ausmachen, haben keineswegs unvermischtes arabisches Blut in ihren Adern. Alle sprechen sowol die Teda- als die Kanuri-Sprache und verstehen auch arabisch. Ihre Wohnungen sind theils Erd- theils Palmenhütten, zwischen denen eine alte Djemma und eine jetzt leerstehende Kasbach, früher Sitz der fesanischen Statthalter, hervorragen. Man baut etwas Gemüse, Korn, Weizen, Gerste, Bischna, Ngafoli, Ksob und zieht vorzügliche Datteln. Aus den Blättern der Palme verfertigen die Frauen zierliche Körbchen und Teller, die in ganz Tripolitanien beliebt sind. In ihrer Tracht zeichnen sich die Gatroner nich vor den übrigen Fesanern aus, nur wird hier namentlich Kleidung der Frauen schon mehr Sudan-Kattun als europäisches Fabrikat verwendet. Ich hatte viel von der Schönheit der schwarzen und braunen Gatronerinnen und von ihrer grossen Gefälligkeit gehört, aber sei es dass mir die Sterne nicht günstig waren, oder dass in der gegenwärtigen Generation die gerühmten Reize verschwunden sind, ich entdeckte trotz alles Suchens nicht ein einziges hübsches Gesicht.

Am Tage unserer Ankunft gab es abends Musik und Tanz zur Feier der Wiederkehr des Mondes. In der Nacht vorher hatte nämlich eine Mondfinsterniss stattgefunden. Eigentlich soll der Mond im Augenblick, wo er wieder hervortritt, festlich begrüsst werden; da aber die meisten zur Zeit der Verfinsterung schon schliefen, war die Feier auf diesen Abend verschoben worden. Eine Gruppe von Männern führte, mit Stöcken bewaffnet, den bekannten Negertanz auf. Die jungen Mädchen bildeten einen dichten Kreis, in beiden Händen grosse Fächer von Palmzweigen schwingend, und sangen mit Begleitung der Musik, das heisst einer Trommel und gegeneinander geschlagener eiserner Handplatten. Innerhalb des Kreises gingen vier Knaben umher und wurden von den Mädchen gefächelt; auf ein gegebenes Zeichen aber begannen sie zu tanzen und zu springen und aus Leibeskräften in die Hände zu schlagen, während die Mädchen mit ihren Füssen den Takt dazu stampften. Bis lange nach Mitternacht dauerte der greuliche Lärm.

Im Laufe des folgenden Tages kam der Hadj Djafer mit seinem Sohne und vielen Marabutin zum Besuch zu mir heraus. Ich übergab ihnen einen meiner Diener, der marschunfähig geworden war, und bat sie, ihn mit nächster Gelegenheit nach Mursuk zu schicken. Dann stellten sich einige Tebu ein, welche mir ihre Miethkamele zur Weiterreise anboten. Als ich ihnen aber sagte, dass ich nach Tibesti wolle, zogen sie, obgleich in Tibesti zu Hause, unter dem Vorgeben, den Weg dahin nicht gehörig zu kennen, das Anerbieten zurück, und ich merkte bald, dass Maina Adem seine Hand dabei im Spiele hatte. Die Sache verhielt sich so: Nach dem in Mursuk mit ihm verabredeten Reiseplan wollten wir uns in Tedjerri trennen; ich wollte von dort mit meinen Leuten unter Führung einer Anzahl zuverlässiger Tebu über Tao in Tibesti nach Bilma gehen, indessen er die gerade Strasse nach Kauar verfolgen und mein Gepäck, von Mohammed Gatroni und einem andern meiner Diener überwacht, dahin mitnehmen sollte. In Gatron empfing er nun die Nachricht: Tuareg, die um Salz einzuhandeln nach Kauar gekommen, hätten sich mit den Bewohnern veruneinigt, sie seien hierauf sammt ihren mitgebrachten Waaren grollend wieder abgezogen und nach einer zwischen Gatron und Kauar liegenden Oase gegangen. Obgleich es nicht zu offenen Feindseligkeiten gekommen war, fürchtete er doch, von ihnen angefallen zu werden, wenn er ohne meine Begleitung reiste. Deshalb spiegelte er den Tibesti-Tebu vor, ich sei ein türkischer Spion, damit sie abgehalten würden, mich in ihr Land zu führen. Ich musste somit den Plan, von Gatron nach Tibesti zu gehen, aufgeben und die Reise mit Maina Adem's Karavane fortsetzen, hoffte jedoch, noch von Tedjerri aus mein Vorhaben ausführen zu können.

Am 2. April um 6 Uhr morgens, nachdem der Hadj Mahmud mir noch ein splendides Frühstück geschickt, verliessen wir Gatron. Zwei Stunden eines palmenreichen Weges gen Süden brachten uns nach Bachi und weitere zwei Stunden nach Medrussa. Beide Dörfer haben meist aus Palmzweigen geflochtene Hütten, die viel netter und freundlicher aussehen als die von Erdklumpen errichteten Häuser. Ihre Bewohner, in beiden zusammen kaum einige hundert, sind durchweg schwarz und ebenso unschön wie die von Gatron. Doch führte mir Maina Adem zwei Tebu aus Tao zu von stattlicher Gestalt und auffallend hellbrauner Gesichtsfarbe. Sie waren mit eisernem Spiess und Schwert, einem grossen Lederschild, dem Handdolch und dem Schangermangor[34] bewaffnet; trotz dieser martialischen Ausrüstung schien es aber mit ihrem Muthe nicht weit her zu sein, denn als ich mich anheischig machte, einen etwa 500 Schritt entfernten Palmbaum mit meinem Repetirstutzen zu treffen, liefen sie eiligst davon, und auch Maina Adem wollte das Resultat nicht abwarten.

Dicht vor Bachi stehen links am Wege die Ruinen von Serenibe, deren Mörtel, wie Beurmann behauptet, mit Schita oder Bornupfeffer gemischt ist. Zwischen Bachi und Medrussa erweitert sich das Thal, und man sieht eine Menge "Neulinge", durch Ethelbüsche gebildet. In Medrussa gab Maina Adem eine Probe seiner sultanischen Willkür, indem er vier Lakbi tropfende Palmen ungeachtet der Protestationen ihrer Eigenthümer ohne weiteres für sich in Beschlag nahm. Abends, als ihm der genossene Lakbi zu Kopfe gestiegen, liess er mir durch einen Diener sagen, ich solle meinen Hund anbinden, die Tebu, die ihn im Lager besuchen wollten, fürchteten sich vor dem bissigen Thiere. Da Mohammed Gatroni, dessen ich mich sonst als Vermittler zwischen mir und den Tebu bediente, das Wiederfinden einer früher von ihm verstossenen Frau ebenfalls durch zu reichlichen Lakbigenuss gefeiert hatte, schickte ich meinen Marokkaner Hamed Riffi zum Fürsten mit dem Bescheid, er möchte sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern, und wenn ihm daran gelegen sei, dass mein Hund angebunden werde, so möge einer von seinen Leuten kommen und es versuchen. Am andern Morgen früh besuchte mich der gnädige Herr selbst in meinem Zelte, erwähnte jedoch, obgleich von Mursuk nicht eben freundlich empfangen, mit keiner Silbe des gestrigen Vorfalls. Er brach mit seiner Karavane um 10 Uhr auf; ich folgte, da Mohammed Gatroni noch allerlei mit seiner ehemaligen Ehehälfte zu verhandeln hatte, erst um 11 Uhr.

Die Ruinen eines Dorfes links lassend, gelangten wir an das Ende des Palmenwaldes; von da ab bestand die Vegetation nur noch aus Dommrahn und einzelnen Attilabüschen. Eine Anzahl Tebu, bis an die Zähne bewaffnet, ritten auf ihren Meheri neben uns her, in der Hoffnung, dass ich in Tedjerri Kamele bis Kauar von ihnen miethen würde. Wir erblickten jetzt in der Entfernung von sechs bis acht Stunden östlich von unserm Wege den Djebel Ben-Gnemi, der nicht sehr hoch, aber von bedeutendem Umfang zu sein scheint. Um 21/2 Uhr erreichten wir in südlicher Richtung den von einigen Palmen beschatteten Bir Ssuffra-Tedüssma, und fanden hier Maina Adem mit der Tebu-Gofla auf guter Kamelweide lagern. Gerade östlich davon in demselben Thale befindet sich, ebenfalls unter Palmen, der Bir Toal.

Am 4. April brach die vereinigte Karavane um 63/4 Uhr morgens auf. Der Fürst sass zu Pferde, von einer Schar Tebu umgeben, die zu seiner Begrüssung gekommen waren. Es kränkte seinen Stolz, dass ich meinen seidenen Sonnenschirm aufspannte; denn in Bornu und den Sudanländern haben allein die Sultane das Recht, einen Schirm zu tragen. Selbst in Fesan musste noch vor 20 Jahren ein Modjabra-Kaufmann, weil er mit aufgespanntem Sonnenschirm in Mursuk eingeritten war, 200 Mariatheresienthaler Strafe an Hassan Pascha, den damaligen Kaimmakam, bezahlen. Jetzt ist im ganzen türkischen Reiche das Verbot aufgehoben. Maina Adem hätte mir gern meinen Schirm abgekauft oder ihn noch lieber zum Geschenk erhalten, aber ich wollte ihm absichtlich auch bei dieser Gelegenheit zeigen, dass ich in keiner Weise von ihm abhängig sei. Unser Verkehr blieb äusserlich ein freundschaftlicher, doch hegten wir eine gegenseitige Abneigung: ich, weil er es war, der mein Vorhaben, über Tibesti nach Kauar zu gehen, vereitelte, er, weil ich mich seinen Befehlen nicht unterordnete.

Gleich nach dem Abmarsch kamen wir an den weitläufigen Ruinen von Bissilmi vorbei. Man konnte hier besonders gut die Formation der "Neulinge" bemerken, die, aus Wurzeln und vegetabilischer Erde gebildet, oben von Attila gekrönt, im Dorfe bis zur Höhe von 30 Fuss aufsteigen, nach Mohammed Gatronis Behauptung aber erst ein Alter von höchstens 40 Jahren hatten. Nach 11/2 Stunden passirten wir links am Wege Kasaraua, jetzt nur drei oder vier Hütten; der Ksor selbst liegt in Trümmern, und auch Palmen sind nur noch wenige stehen Geblieben. In gerader Ostrichtung von Kasaraua, etwa 11/2 Stunden entfernt, liegt am Rande des Thales der Djebel Ekema, die erste Station auf dem Wege von Medrussa nach Tibesti. Wir gingen in der Richtung von 200deg. im Thale weiter, das südlich von Kasaraua des Palmenwuchses ganz entbehrt, liessen um 123/4 Uhr die Ruinen von Tegüi-Frama links liegen und hatten um 11/2 Uhr die Spitze des Ras Tedjerri, einer Erhebung des sonst flachen Thalrandes, die sich tief ins Innere des Thales selbst hineinschiebt, in gerader Ostrichtung vor uns. Den Sebcha von Tedjerri durchschreitend, erreichten wir um 3 Uhr den Ort selbst nach mehr als achtstündigem schnellen Marsche.

Tedjerri bildet die politische Südgrenze von Fesan und steht wie Bachi, Medrussa und Kasaraua unter dem Mudir von Gatron. Es hat 5-600 Einwohner. Die Häuser, niedrige kleine Thonhütten, sind um ein Castell herum gebaut, das in gewöhnlichen Zeiten unbewohnt ist, in Zeiten der Bedrängniss aber als Zufluchtsort dient, weshalb jeder Hausbesitzer dort ein zweites Haus stehen hat. Unter der türkischen Regierung kommt es indess äusserst selten mehr vor, dass von unabhängigen Tuareghorden eine Rasia gegen Tedjerri unternommen wird. Der Ort liegt am Südrande einer ausgedehnten Sebcha, und selbst in der nächsten Umgebung finden sich noch Wassertümpel mit brackischem Wasser, doch gibt es auch Brunnen mit sehr wohlschmeckendem süssen Wasser.

Das Gatron-Thal, wie man füglich diese ganze Einsenkung zwischen Medjul und Tedjerri nennen könnte, läuft von Nordnordost nach Südsüdwest in einer Länge von circa 15 deutschen Meilen und 19 Meilen Breite. Der westliche Theil hat Sandformation, der östliche hammadaartiges Terrain. Vergebens forschte ich nach, welches der Ras oder das obere Ende des Thales sei, und ob überhaupt das Ganze sich als ein Flussbett darstelle. Von den Bewohnern halten die einen Tedjerri für den Ras oder Kopf des Ued, während die andern meinen, Medjul sei der höhere Theil. Auch barometrische Beobachtungen lieferten mir kein sicheres Resultat. Es scheint, dass von Dekir an, wo ich zuerst in das Thal eintrat, weder Senkung noch Hebung vorhanden ist, und wir müssen wol annehmen, dass diese muldenförmige Einsenkung einen Theil der grossen fesaner Niederung bildet, denn auch die Ufer des Thals, einige Stellen wie den Ras Tedjerri ausgenommen, erheben sich kaum einige Fuss über die Thalsohle. Wie wenig hier an der Südgrenze von Fesan an Regen zu denken ist, erhellt daraus, dass der Dattelvorrath nicht wie in Mursuk, im Schati u. s. w. in die Erde vergraben wird, sondern in Haufen auf den flachen Dächern der Häuser liegt.

Abends kam mein Diener Abd-el-Kader, ein Sokner, voller Freude ins Lager gelaufen, auf einen Hahn in seiner Hand zeigend. "Woher hast du den Hahn?" fragten ihn seine Kameraden. - "Ich bekam ihn als Lohn für meine Arbeit, ich habe eben einer Besessenen den Teufel ausgetrieben." - "Und der Teufel, wo blieb der?" - "Ich konnte ihn nicht fangen, er ist ins Wasser gefahren." Dergleichen Wunder sind unter den unwissenden, leichtgläubigen Leuten nichts Seltenes, und Abd-el-Kader stand bei ihnen in besonderen Ansehen, sowol weil er von einem frühern Aufenthalt in Bornu her geläufig Kanuri spricht, als auch weil er zu den Aissauin gehört, einer Brüderschaft, von dessen Mitgliedern das Volk glaubt, dass sie Wunder verrichten können. Zum Beweise ihrer Wunderkraft pflegen die Aissauin bei öffentlichen Festen lebende Kröten, Schlangen, Skorpione, oder Nägel und zerhacktes Glas zu verschlingen.

Vier Tage unterhandelte ich in Tedjerri mit den Tebu-Rschade wegen Vermiethung von Kamelen nach Tibesti. Aber alle meine Bemühungen waren umsonst. Es blieb mir daher nichts übrig, als die Reise mit Maina Adem fortzusetzen. Und selbst nach Kauar konnte ich keine Thiere erhalten, sodass meine fünf Kamele über ihre Kräfte beladen wurden. Ausser dem gewöhnlichen Gepäck musste für 5 Tage Kamelfutter, ferner Datteln und Holz zum Kochfeuer für uns mitgenommen werden, denn die Wüste, die wir nun zu passiren hatten, bietet nicht ein Blatt, nicht einen Halm. Am 9. April morgens 73/4 Uhr wurde abmarschirt, und bald befanden wir uns am Aussenrande der Oase, die sich jedoch nach Südosten hin weiter erstreckt; noch um 10 Uhr hatten wir gerade östlich von uns den Bir Omah. Vor dem Eintritt in diese trostlose Oede halte ich inne, um ein allgemeines Bild von der Sahara zu entwerfen.

[34] "Schangermangor" ist kein Wort der Tebu-Sprache, in der Teda-Sprache heisst dies Wurfeisen "Medjri", die lange Lanze "Ediboi", der Wurfspiess "Editne", der Handdolch "Loi", das Schwert "Akassa", der Schild "Kiffi", der Pfeil "Kinnik", der Bogen "Neroa".


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