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IX. Die Sahara.

Umfang. Geschichtliches. Theorien aber den Ursprung der Sanddünen. Sandanhäufungen und Sandweben. Wüstengebirge. Hochebenen und Tiefebenen. Die Oasen. Flüsse und Seen. Winde. Fata morgana. Temperatur.

In den besten und neuesten geographischen Handbüchern wird der Flächeninhalt der Sahara planimetrisch zu 114600 deutschen Quadratmeilen[35] angenommen, das ist ein Gebiet dreimal so gross als das Mittelmeer, zehnmal so gross als Deutschland.[36] Rechnet man aber diejenigen Strecken ab, die noch regelmässig feuchten Niederschlag haben, also den breiten Saum längs des Atlantischen Oceans und im Süden die in die Sahara hineinspringenden Landzungen, so durfte die obige Meilenzahl wol um ein Erkleckliches zu hoch gegriffen sein. Es muss daher vor allem erst festgestellt werden, was unter der Sahara zu verstehen ist, und ich halte für die richtige Definition: die Sahara ist das Gebiet, in dem kein, wenigstens kein regelmässiger feuchter Niederschlag stattfindet[37], wo deshalb keine Pflanze wächst, die des Regens bedarf, und wo kein grosses vierfüssiges Raubthier lebt. So gehört Asben nicht zur eigentlichen Sahara, da nach Barth südlich vom 18deg. in der von Baghsem, Dogem und den Höhen von Anderes gebildeten Gebirgsmasse der mähnenlose Löwe und andere Raubthiere vorkommen; so würde der südliche Theil von Air schon zum Sudan zu rechnen sein; und wer weiss, ob nicht Borgu, wenigstens im Süden des Landes, dieselben Pflanzen und Thiere wie der Sudan besitzt. Aber auch alle diese wie Halbinseln in die Sahara hineinragenden vegetationsfähigen Landstrecken abgerechnet, welch ungeheuerer Raum bleibt noch übrig für das Gebiet, das die Griechen { %èõãés und die Römer desertum nannten, und das wir heute mit den Arabern die Sahara nennen! Und dieses ganze Gebiet zwischen dem Mittelmeer und dem Sudan, dem Atlantischen Ocean und dem Rothen Meer, oder in Zahlen ausgedrückt zwischen dem 331/2deg. und 161/2deg. nördl. Breite und dem ldeg. und 50deg. östl. Länge von F.[38], ist doch nur ein Theil jenes grossen Wüstengürtels, der fast ununterbrochen durch Asien nach Nordosten bis zum circa 140deg. östl. Länge von F. sich hinzieht und erst im Osten der Mongolei seinen Abschluss findet. Wir haben es indess hier nur mit der afrikanischen Wüste der Sahara, oder der Grossen Wüste schlechtweg zu thun.

Die Kenntniss der Griechen von der Sahara war eine sehr mangelhafte. In den ältesten Zeiten leugnete man ganz, dass es Land im Innern von Libyen gebe, und erst Herodot erfuhr von Etearchus, dem Hohenpriester des Ammontempels, dass fünf nasomonische Jünglinge die Wüste durchzogen hätten; es wäre dies die erste geschichtlich erwähnte Karavane, die den Sudan und vielleicht auch den Niger erreichte. Die Karthager unterhielten höchstwahrscheinlich mit den Aethiopiern einen lebhaften Handelsverkehr, an dem auch die Garamanten als Vermittler betheiligt waren.

Als die Römer sich die Nordküste von Afrika unterworfen hatten, strebten sie danach, ihre Herrschaft so weit wie möglich in Innere dieses Welttheils zu tragen, und zahlreiche noch erhaltene Baureste beurkunden ihr Vordringen in der Nordsahara. Dass sie aber, wie Duveyrier mit Vivien de St. Martin annimmt, bis Anai gekommen, und dieser Ort mit Agisimba regio identisch ist, möchte schwer zu erweisen sein. Duveyrier stützt seine Annahme einer römischen Expedition unter Septimus Flaccus und Julius Maternus von Garama nach Anai auf die Aussage von Eingeborenen, es sei noch eine fahrbare Strasse durch Telizzarhen, Anai und Tin-Telloust vorhanden. Doch ist dies Zeugnis keineswegs sicher, und ein anderes Anai als das an der nördlichen Grenze der Oase Kauar (Bilma) gibt es nicht; weder Mohammed Gatroni, noch Mulei Besserki, noch Hadj Mustafa-el-Rhati, lauter tüchtige Gewährsmänner, wissen etwas von einem andern Orte dieses Namens. Nach den Peutinger'schen Tafeln hatten allerdings die Römer eine Karavanenstrasse, die weit nach Süden bis zu dem heutigen Agades reichte; dass sie dieselbe aber regelmässig benutzten, ist schon aus dem Grunde kaum glaubhaft, weil ihnen das für lange Wüstenreisen unentbehrliche Kamel fehlte. Viel wahrscheinlicher ist, dass sie ihre Waaren nur bis zu den Garamanten brachten und diesen den Zwischenhandel mit den schwarzen Aethiopiern überliessen. Finden sich in jenen Gegenden Abbildungen von mit Buckelochsen bespannten Wagen, so sagt das nicht mehr, als wenn ich in Tafilet oder Tuat rohe Bilder von Dampfbooten sah, die vermuthlich Mekkapilger malten, um ihren daheim gebliebenen Landsleuten die Gestalt eines "Feuerschiffs" zu versinnlichen. Ferner beruft sich Duveyrier darauf, Barth habe in Telizzarhen ähnliche Sculpturen wie die von Anai gesehen. Nun sagt aber Barth wörtlich: "Dass diese Darstellungen" - die Sculpturen von Teli-ssahe (Telizzarhen) - "nicht von einem Römer herrühren, scheint mir klar", und weiter: "Diese Sculpturen haben durchaus nichts von römischem Charakter." Indem ich hier Duveyrier in einzelnen seiner Behauptungen entgegentreten muss, nehme ich doch zugleich gern Veranlassung, sein Werk "Exploration du Sahara", das Kapitel "Geographie ancienne" nicht ausgenommen, für das beste zu erklären, das wir bisjetzt über die Sahara besitzen.

Dass die ganze Sahara einst vom Meere bedeckt gewesen, unterliegt wol keinem Zweifel. Die zahlreichen Versteinerungen und Muscheln, letztere zum Theil solchen Thieren angehörig, die heute noch in den angrenzenden Meeren leben, bestätigen es, und noch sicherer zeugen die kolossalen Sanddünen von der einstigen Ueberflutung des Bodens. Wegen der weiten Verbreitung dieser Sandanhäufungen pflegte man sich bis vor noch nicht langer Zeit die Sahara als ein einziges grosses Sandmeer vorzustellen: eine Vorstellung, von der man freilich jetzt zurückgekommen ist.

Vatonne, und nach ihm Duveyrier, Desor und andere, bekennt sich zu der Theorie, die Dünen seien weder durch Wasserfluten abgelagert noch durch Winde zusammengehäuft worden, sondern es habe an Ort und Stelle eine noch gegenwärtig fortwirkende chemische Zersetzung der Gesteine stattgefunden. Er sucht seine Meinung folgendermassen zu begründen. Erstens bringe der Wind im grossen und ganzen sehr geringe Veränderungen in der Bildung und äussern Gestaltung der Dünen hervor; zweitens gebe es auch auf hohen Plateaux einzelne grosse Sandberge; und drittens bestehe der Sand immer aus den gleichen Stoffen wie das die Dünen umgebende oder unter ihnen befindliche Gestein.

Offenbar liegt zwischen der Theorie Vatonnes und seiner Begründung derselben ein Widerspruch. Denn ist der Sand, wie er meint, nicht vom Meere abgelagert, sondern durch Einwirkung der atmosphärischen Luft gebildet worden, so muss nothwendig der Wind das Hauptagens bei Aufhäufung der Dünen gewesen sein. Auch die eigenthümliche Formation der "Zeugen", die wie riesige Steinpilze dastehen, ist nur durch die Gewalt des Wassers oder des Windes zu erklären. Chemische Zersetzung der Felsen durch Licht, Elektricität, Hitze und Kälte mag mitgewirkt haben, aber sie allein war nicht im Stande, in dem kurzen Zeitraum, seit die Sahara besteht, so ausgedehnte und voluminöse Sandanhäufungen zu schaffen. Es ist dies um so unmöglicher, weil in der Wüste die beständige Trockenheit der Luft keine irgend bedeutende Stoffzersetzung zulässt. Eisen oxydirt z. B. in der Sahara so wenig, dass der Reisende nie nöthig hat, Waffen oder eiserne Werkzeuge durch Einölen gegen Rost zu schützen; Fleisch, der Luft ausgesetzt, fault nicht; Leichname trocknen in kurzer Zeit zu Mumien aus. Ich habe zwar in Fesan im März 1866 Regen gehabt; das war aber eine äusserst seltene Ausnahme, denn dort wie in Tafilet, Tuat, Rhadames, Audjila, Siuah sagten mir die Eingeborenen, es regne bei ihnen höchstens einmal in 20 Jahren, und in Kauar, im Centrum der Sahara, regnet es nie. Wenn Duveyrier von starken Regengüssen spricht, die er im Jahre 1861 am Fusse des Ahagar-Plateau erlebt, so darf man nicht ausser Acht lassen, dass gerade das hohe Ahagar-Plateau, auf dem vielleicht noch höhere Berge sich erheben - wer kennt z. B. die Höhe des Uatellen? - eine Insel in der Sahara, mit eigenem Klima, zu bilden scheint. Dennoch bemerkt auch Duveyrier weiter: "In Salah, am Fusse des Ahagar war, wie man mir sagte, eine Reihe von 20 Jahren ohne den mindesten Regen verstrichen."

Der zweite Grund, den Vatonne zu Gunsten seiner Meinung anfährt, hat gar keine Beweiskraft. Wol gibt es auch auf Hochebenen dünenähnliche Sandhügel, doch erklärt sich deren Entstehung einfach dadurch, dass hier an einem hervorstehenden Stein oder Felsblock der Sand haften blieb und um diesen festen Halt herum sich nach und nach zu grösserer Masse sammelte. Was endlich die Behauptung anlangt, die Dünen enthielten einen Kern von Gestein und dieses sei der noch nicht in Sand aufgelöste Rest, so muss zunächst in Abrede gestellt werden, dass alle Dünen einen Fels zum Inhalt oder zur Unterlage haben, im Gegentheil dürfte dies bei den meisten nicht der Fall sein; wo es aber zutrifft, da hat oben der abgelagerte Sand an oder auf dem Felsen einen günstigen Halt und Sammelpunkt gefunden. Hingegen kann man der von Desor aufgestellten Behauptung, alle Dünen hätten einen Kern von dichterm Sande, insofern unbedenklich beistimmen, als ja nach dem Gesetz der Schwere die obern Schichten auf die untern drücken und sie, je höher die Sandmassen übereinander gehäuft sind, desto stärker zusammenpressen und verdichten müssen.

Jedenfalls ist die Annahme, dass der Sand der Sahara ein Product des Meeres sei, die natürlichste und ungezwungenste Erklärung. Sehen wir doch, wie das Meer fortwährend noch Felsen in Sand zersetzt und ihn auf dem Lande ablagert, so an der Ostseeküste von Preussen, an der Mittelmeerküste Tripolitaniens, an der Atlantischen Küste von ganz Nordwestafrika. Auch haben sich andere Forscher der Sahara für diese Annahme ausgesprochen. Bei Schilderung seiner Reise durch Fesan schreibt Beurmann aus Kuka 7. Sept. 1862 an Barth[39]: "Alle diese Sandmassen wurden durch Wasserfluten hier aufgehäuft, nicht durch den Wind."

So gewiss aber das Wasser den Sand der Dünen in die Sahara geschafft hat, ebenso gewiss ist es der Wind, der ihnen die äussere Form verleiht. Sie gleichen plötzlich starr gewordenen Wellen und Wogen im grossen Sandmeer der Wüste. Ihre Richtung geht meist von Südost nach Nordwest, sowie im allgemeinen die Sandstrecken der Sahara von Ost nach West oder umgekehrt sich ausdehnen und nirgends, soweit wir bisjetzt die Sahara kennen, von Norden nach Süden streichen. Manche Dünen haben eine Höhe, von 3-400 Fuss. In der Regel ist die den herrschenden Winden abgekehrte Seite sehr steil, 35-40deg., sodass man oft Stufen auswählen muss, um mit den Kamelen hinaufzukommen, und an Dünen von compactem Sande hängt sogar stellenweis der Kamm oben über, gerade wie eine im Ueberstürzen begriffene Welle. Die andere, dem Winde zugekehrte Seite fällt dagegen flach und leicht gekräuselt ab. Eine Verschiebung des Standpunkts, ein Vorrücken der Dünen ist in der Richtung von Nord nach Süd nicht wahrzunehmen. Fände eine solche Vorwärtsbewegung statt, so würden die tief ausgetretenen Karavanenwege, welche, wie der von Ain-Ssala nach Rhadames, hart an den Südwänden hoher Dünen hinlaufen, schon unterm Sande verschwunden, oder die Seen der Oase des Jupiter Ammon von Dünensand zugeschüttet sein. Hingegen lässt sich ein langsames Fortrücken von Osten nach Westen (nach Duveyrier von Nordost nach Südwest) mit ziemlicher Sicherheit constatiren. In dem Sebcha von Ain Ssala z. B. ist ein Theil der Palmengärten bereits in Sand begraben, und allmählich wird der ganze Sebcha mit Sand überdeckt werden. Mein Tagebuch vom Jahre 1864 enthält über Igli am Ued Ssaura die Notiz: "Dieser Ksor ist gegenwärtig von etwa l500 Seelen bewohnt. Früher war er stärker bevölkert, aber Unzulänglichkeit der Nahrung, weil der Boden hier immer mehr versandet, hat viele Einwohner zur Auswanderung gezwungen." Auch Duveyrier schreibt das Verlassen der Orte el-Menzeha im Südwesten von Ourgla und Es-Schoud im Westen von Rhadames dem Vordringen des Sandes zu.

So mannichfache und bedeutende Veränderungen aber der Wind in den Sandmassen, ihrer Formirung und Lagerung hervorzubringen vermag, so gehört es doch in das Reich der Fabeln, dass ein Wüstensturm, und sei er noch so heftige die Gewalt habe, Karavanen unter Sand zu begraben. Menschen und Thiere, wenn sie genügend mit Wasser und Nahrung versehen sind, werden immer Kraft genug behalten, den angewehten Sand von sich abzuschütteln, und gegen das Eindringen desselben in Auge, Mund und Nase kann man sich durch Umhüllung des Kopfes mit Tüchern oder andern Kleidungsstücken schützen. Allerdings liegen im Sande der Sahara nicht blos einzelne Gerippe, sondern ganze Gruppen beieinander, aber nicht ein Orkan hat die Menschen und Thiere, denen sie angehörten, getödtet, sondern sie sind wegen Wassermangel an Durst und Erschöpfung umgekommen. Als geschichtlich beglaubigte Thatsache gilt, dass ein Heer, welches Kambyses, König der Meder und Perser, im Jahre 525 vor Chr. zur Eroberung des Jupiter-Ammon-Tempels aussandte, auf dem Marsch durch die Wüste zu Grunde ging. Wenn aber weiter berichtet wird, das Heer sei am achten Tage, nachdem es von Theben ausgezogen, durch die Sandwirbel eines gewaltigen Südsturms vollständig verschüttet worden, so muss ich diese letztere Angabe, obgleich Desor und auch Bitter sie noch für wahr zu halten scheinen, meinerseits in Zweifel ziehen. Die Ursache des Untergangs wird eben Mangel an Lebensmitteln gewesen sein; die Armee hatte sich vielleicht verirrt, oder sie war absichtlich vom Wege abgelenkt worden. Belzoni will sogar in aufgefundenen Knochenhaufen die Ueberreste des Kambyses'schen Heeres erblicken; allein wie könnten die Knochen zu Tage liegen, wenn eine Sandüberwehung stattgefunden hätte! Ritter erzählt auch von der Verwehung einer Karavane von 2000 Menschen, die sich im Jahre 1805 ereignet habe; wogegen schon Minutoli schreibt[40]: "Das Heer des Kambyses und die Karavane von 2000 Mann, welche im Jahre 1805 verschüttet sein soll, erlagen vielleicht dem Chamsin (heisser trockener Südwind), oder dem Durste, und erst die Leichname wurden mit Sand bedeckt, wie dies in unserm sandigen Norden in viel kürzerer Zeit geschehen dürfte. Ich habe bei wiederholtem Bivuakiren im Sande während heftiger Stürme nie mehr als einen unbedeutenden Sandanflug bemerkt." Ich selbst bestand mit meiner Karavane tagelang wüthende orkanartige Sandstürme, ohne dass wir je in Gefahr kamen, zugehet zu werden.

Im westlichen Theile sind die Sandanhäufungen bedeutender als im östlichen, weil aus Osten kommende oder mit Ostwind combinirte Winde in der Sahara vorherrschen. So bildeten sich auch wol jene flachverlaufenden Abdachungen nach dem Atlantischen Ocean zu durch die ungeheuern Staubmengen, die beständig von Osten her dort hingeweht werden, ja es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Westküste Afrikas an diesen Stellen, abgesehen von der allmählichen Hebung des Bodens, durch die Sandablagerungen im Laufe der Jahrtausende bedeutend an Terrain gewonnen hat.

Dem Auge erscheinen die Dünen entweder hell weisslich, oder, wie z. B. sämmtliche Dünen nordwärts von der Karavanenstrasse zwischen Tuat und Rhadames, dunkler, meist röthlich gefärbt. Nach Vatonne rührt die rothe Farbe von kleinen Partikeln Eisenoxyd her, die dem Sande beigemischt sind. Gold hat Vatonne bei seinen Analysen des Wüstensandes nirgends gefunden.

In den verschiedenen Sprachen der Eingeborenen werden die Sandanhäufungen verschieden benannt. Im Westen heissen die Dünen "Igidi", "Gidi Idjidi", im Centrum "Erg" "Areg", im Osten "Rmel", "Remmel", oder "Remla". Der äussern Gestalt nach nennt man sie "Gurd" (hoher Sandberg), "Kelb" (Hund), "Kübsch" (Schaf) oder "chaschem-el-kelb", "chaschem-el-kebsch" (Hundsnase, Schafsnase); "sif" (Schwert) heisst der Kamm, der Grat, "Semla" oder "Cheit" (Faden) eine langgezogene Düne.

Felsen und Gebirgsmassen haben durchweg ein schwärzliches Colorit. Es würde aber irrig sein, deshalb bei allen auf vulkanischen Ursprung des Gesteins zu schliessen. So weit bisjetzt unsere Kenntniss der Sahara reicht, ist allerdings die vulkanische Natur ihrer Gebirge überwiegend, daneben findet sich aber fast überall auch Kalk und Sandsteinformation. Granitische Bildung erscheint erst südlich vom 17deg. nördl. Breite; nordwärts von dieser Linie tritt ja überhaupt nur auf den höchsten Spitzen des grossen Atlas der Granit zu Tage. Die schwarze, düstere Farbe des Gesteins, die seltsam unheimliche Gestaltung der Felsen, die vollkommene Nacktheit aller Bergwände, die nirgends eine Spur von Vegetation oder nur von Erdreich zeigen - alles das macht einen schauerlichen Eindruck auf den Reisenden und mahnt ihn viel mehr als die weitgestrecktesten Sanddünen daran, dass er sich in der grossen Wüste befindet.

An Höhe können sich die Gebirge der Sahara, soweit sie uns bisjetzt bekannt sind, nicht mit denen von Europa messen; dagegen stehen sie ihnen an Ausdehnung nicht nach. Das Harudj-Gebirge, namentlich wenn man das sogenannte Soda-Gebirge, das höchst wahrscheinlich nur eine westliche Verlängerung desselben ist, hinzurechnet, dürfte die gleiche Länge haben wie die Italien durchziehende Apenninenkette, das Ahagar-Gebirge in Verbindung mit den Adrar-, Tasili- und Muydir-Höhen ungefähr den gleichen Umfang wie die Alpen der Schweiz. Der höchste uns bekannte Punkt der Sahara ist Tusside im Gebirge des Landes Tu (Tibesti). Nachtigal, der den Hauptstock dieses Gebirges überschritt, hat die Passhöhe zu 6600 Fuss gemessen und schätzt den Tusside noch um mindestens 1000 Fuss höher.

Ausser den vielen Versteinerungen, Eindrücken und Schalen von Seethieren, die auch im südlichen Theile der Sahara vorkommen, finden sich hier zwei sehr eigenthümliche fossile Gebilde: Steinnüsse und Steinröhren. Die Nüsse oder Kugeln sind zoll- bis faustgross, schwärzlich grau, von glasigem Klange und inwendig hohl oder auch mit weissem Sande gefällt, obgleich nirgends eine Oeffnung daran wahrzunehmen. Die Röhren[41], von bläulicher Farbe, haben eine Länge bis zu einem Fuss bei einem Durchmesser von 1/2 Zoll und darüber, aussen rauhe und inwendig glatte Wände und an beiden Enden, oder doch an einem, einen krausen nach aussen gebogenen Rand, ähnlich dem Capitäl einer korinthischen Säule.

Die gebräuchlichsten Wörter für Gebirge und zugleich für Berg sind "Djebel" (arabisch), "Adrar" (berberisch) und "Emi" (teda); ferner "Ras" für einen einzelnen hervorragenden Berg, auch Vorgebirge, "Kuddia", "Chor", "Gor"[42] für einen einzelnstehenden Hügel, "Fedj", "Tenia", "Tehe", "Gara" für Zeuge, "Kaf" für Felsen, "Erküb", "Okba", "Mnsel" für Seitenwand, "Chareb" für Grat oder Kamm des Gebirgs, "Chang", "Cheng" für Engpass.

Bei weitem den grössten Raum in der Sahara nehmen die fast oder ganz flachen Hochebenen ein. Eine mit scharfkantigen Steinen übersäete Hochebene heisst "Hammada" oder "Tanesruft", eine mit kleinen glatten Kieseln bedeckte, "Sserir". Wegen der scharfkantigen Steine könnte es scheinen, die Hammaden seien nicht vom Meere überflutet gewesen, allein die auch hier vorhandenen zahlreichen Versteinerungen lassen keinen Zweifel daran zu. Beide, Hammada wie Sserir, haben Thonboden, der stellenweis beinah zu Stein verhärtet und meist infolge starker Beimischung an Eisenoxyd roth gefärbt ist, daher viele mit dem Beinamen "hamer", "hamra" (roth) bezeichnet werden. Beide sind völlig vegetationslos. Die Ebenen am Saume der Sahara, wo die ersten schwachen Anfänge von Vegetation erscheinen, worden "Sahel" genannt.

Entgegengesetzt den Hochebenen sind die Tiefebenen, Einsenkungen oder Depressionen, die man "Hofra" oder "Djof" nennt. Ihr Boden besteht aus Thon oder Sand, oft sind sie die wahren Reservoirs des Dünensandes. Eine wirkliche, das heisst tiefer als der Ocean gelegene Depression ist bisjetzt nur südlich vom sogenannten libyschen Wüstenplateau nachgewiesen; sie erstreckt sich nach Westen, Norden und Süden; ob und wie weit auch nach Osten, ist uns unbekannt. Das Gebiet des Schott el-Melchir ist ebenfalls eine Einsenkung, die sich vielleicht einst mittels des Schott Rharms und des Schott el-Kebir bis zur Kleinen Syrte fortsetzte. Höchst wahrscheinlich liegen indess noch andere Einsenkungen, so im Westen der Sahara das auf den Karten mit "el Dschof" bezeichnete Gebiet, unter dem Niveau des Meeres. Viele von den Wüstenbewohnern als "Hofra" bezeichnete Tiefebenen aber sind keine Depressionen in unserm Sinne, sondern nur relative Einsenkungen, nur tiefer als das sie umgebende Land. Die Einsenkungen mögen dadurch entstanden sein, dass an einer stattgefundenen Hebung des Bodens diese Stellen weniger oder gar nicht theilnahmen, was bei der ungeheuern Ausdehnung der Sahara sehr wohl denkbar ist. Ungleichmässige, das heisst stellenweise Hebung und Senkung des Bodens können wir heute noch an der Küste von Nordafrika beobachten. Die abessinische Küste und nordwärts beide Ufer des Rothen Meeres einschliesslich der Suesküste sind im Steigen begriffen[43], hingegen senkt sich der nordafrikanische Boden bis Tunis. Der See Mensaleh war einst Land, die Kleopatra-Bäder sanken unter den Wasserspiegel, die Ruinen der Cyrenaica rücken immer weiter ins Meer hinein. Leptis magna wird zum Theil unter Wasser gesetzt, zum Theil von ausgeworfenen Sanddünen verschlungen. Die Stadt Tripolis hatte früher einen breiten Strand am Meere, und noch mancher von der lebenden Generation erinnert sich, vom Hafen nach dem Casbah-Thore gegangen zu sein; jetzt wird sie unmittelbar von den Wogen bespült, sodass seit etwa 30 Jahren der Boden dort um mindestens 1 Fuss sich gesenkt haben muss. Auch von Sabratha steht ein Theil der Ruinen im Wasser. Die allmähliche Senkung scheint sich bis zum Golf von Gabes zu erstrecken, während an der tunesischen Küste wieder Hebungen zu bemerken sind. Wenn aber an dem Rande Nordafrikas gleichzeitig eine verschiedene Bewegung der Erdoberfläche stattfindet, so dürfen wir eine solche wol auch für das Innere des Continents annehmen. Desor hält die Ued Rhir-Depression für eine Auswaschung, wagt jedoch vorläufig nicht, seine Hypothese näher zu begründen. Nun ich meine, da der Rhein den Bodensee, der Rhône den Leman, andere Flüsse gleichfalls Seebecken mit ihrem Durchfliessen auswaschen konnten, warum sollten nicht der Ued Rhir und der Schott Melchir einst Durchgangsseen des Irharhar gewesen sein? Duveyriers Forschungen und Buderba's Reisen haben festgestellt, dass der Irharhar in den Ued Rhir einmündet; begünstigt von andern topographischen und klimatischen Verhältnissen wälzte vielleicht früher der Irharhar bedeutende Wassermassen fort und die Rhir-Erosion war gleichsam der "Bodensee" dieses Flusses.

Die Mittelglieder zwischen den Areg, Djebel, Hammaden, Sserir, Djof und den Uadi, Irharhar, Sebcha bilden die Oasen. Wo immer in der Sahara Wasser den Boden tränkt, und sei es auch Brakwasser, da sprosst Grün hervor, da gedeihen Pflanzen, da entsteht eine Oase. Barth betont, dass selbst im anscheinend unfruchtbarsten Sande die Bewässerung sogleich ein mannichfaches Pflanzenleben erzeugt.

Man unterscheidet verschiedene Arten von Oasen, je nachdem sie natürliche oder künstliche Bewässerung haben. Die natürlich bewässerten theilen sich wieder in solche mit oberirdisch fliessendem und in solche mit unterirdisch fliessendem Wasser. Zu den erstern gehören z. B. die Oase des Ued Draa, die dem Draaflusse ihr Dasein verdankt, und die Oasen des obern Tafilet, welche der Sis durchfliesst; zu den letztern die des eigentlichen Tafilet südlich von Ertib die meisten von der Oasengruppe des nördlichen Tuat und viele kleinere südlich vom Atlas. Die künstlich bewässerten sind entweder solche, die eine aus der Erde hervorsprudelnde Quelle besitzen, wie Rhadames und die Jupiter-Ammons-Oase, oder solche, wo sich nicht fliessendes Wasser schon in der Tiefe von nur 12 Fuss unter dem Erdboden findet, z. B. die Oase Kauar und ein Theil der von Fesan; dann solche, wo aus einer Tiefe von 12-30 Fuss das Wasser heraufgefördert werden muss, wie in andern Oasen von Fesan und in denen von Suf; endlich solche, wo das Wasser aus der Ferne durch künstliche Leitung hingeführt wird, z. B. Tidikelt und mehrere andere südlich vom Atlas.

Oasen mit oberirdisch rieselndem Wasser gibt es nur an den Ausgängen grosser Gebirge, namentlich am südlichen Fusse des grossen Atlas. Sie sind die best situirten von allen. Denn der Fluss bietet nicht nur fast in jeder Jahreszeit genügende Wassermengen zur Bewässerung der Felder, er kühlt auch die Luft etwas ab und theilt ihr so viel Feuchtigkeit mit, dass Fruchtbäume der Mittelzone gedeihen können. Die Bewohner haben nur für Anlage und Unterhaltung von Kanälen zu sorgen, welche in ihrer Verästelung allen Stellen des angebauten Landes den nöthigen Wasserbedarf zuführen. Natürlich wird im weitern Verlaufe des Flusses infolge der starken Verdunstung, die er bei der austrocknenden Atmosphäre der Sahara erleidet, das Wasser desselben immer spärlicher. Selbst der Draa erreicht nur in Jahren, in denen aussergewöhnlicher Regenfall und geschmolzener Schnee aus dem Gebirge seine Flut verstärkt, zur Frühjahrszeit den Ocean; andere Flüsse bilden um diese Zeit, indem sie aus ihren Ufern treten, Sebcha, Sümpfe und Seen.

In minder günstiger Lage befinden sich die durch unterirdisch fliessendes Wasser entstandenen Oasen, denn trocknet auch der Grund in den Thälern nie gänzlich aus, so ist er doch nur im Frühjahr feucht genug, um die Bearbeitung des Bodens mittels der Hacke zuzulassen.

Wo das zur Berieselung dienende Wasser von einer oder mehrern hervorsprudelnden Quellen geliefert wird, da müssen die Felder durch Herausschaffung von Erdreich vertieft werden, und zwar ist die Arbeit stets von neuem zu thun, weil der Dünger, besonders aber der vom Winde hingewehte Sand die Vertiefungen immer wieder ausfüllt. Gerade diese Oasen sind am stärksten bevölkert, es ist daher eine sparsame, genau nach der Zeit geregelte Vertheilung des Wassers nothwendig, wenn es für alle Ländereien hinreichen soll.

In Oasen, welche dicht unter der Erdoberfläche stehendes Wasser besitzen, wachsen in der Regel nur Palmen; will man dort auch Feldfrüchte bauen, so müssen Löcher in die Erde gegraben und die erforderlichen Wassermengen herausgeschöpft werden. Wenn aber das Wasser so tief unter der Erde steht, dass die Wurzeln der Palmen es nicht erreichen können, da ist die Anlage von künstlichen, mehr oder weniger tiefen Brunnen nöthig. In der algerischen Wüste haben die Franzosen artesische Brunnen angelegt, welche das Wasser wie eine natürliche Quelle aus der Tiefe von 500 Fuss hervorsprudeln. Bei gewöhnlichen, 20-50 Fuss tiefen Brunnen kommen verschiedene Verfahrungsweisen, das Wasser heraufzufördern, in Anwendung. Das einfachste Verfahren ist das, wo durch Menschenhände in Eimern aus Leder oder Holz das Wasser heraufgeholt wird. Complicirter sind die sogenannten Nuera- oder Noria-Brunnen, von den Mohammedanern in Spanien erfunden. Ein horizontales Rad greift durch Zähne in ein verticales ein; um letzteres läuft ein langes Tau, das an seinem Ende befestigte Töpfe herablässt und sie vollgeschöpft wieder heraufwindet. Die Räder werden durch Kamele oder durch Esel, Rinder, Pferde und Maulthiere getrieben. Gleichfalls eine Erfindung der Araber ist die Förderungsart mit Schläuchen, die an dem einen Ende eine weite, an dem andern eine enge Oeffnung haben. Von dem schräg geneigten Rande des Brunnens lassen Menschen, allein oder mit Hülfe von Thieren, den Schlauch hinabgleiten, und nachdem er sich durch die weite Oeffnung vollgefüllt hat, ziehen sie ihn langsam und vorsichtig in waagerechter Lage herauf. Oben angekommen, wird er dann in eine Lage gebracht, bei welcher das Ende mit der engen Mündung sich senkt und durch diese der Inhalt herausfliesst. Das Heraufziehen der vollen Schläuche ist eine sehr anstrengende Arbeit, da manche bis zu 200 Liter Wasser halten, und doch muss sie das ganze Jahr hindurch fast Tag und Nacht fortgesetzt werden, um dem Wasserbedarf zum Tränken der Felder zu genügen. Am künstlichsten und sinnreichsten angelegt sind die namentlich in Tuat häufigen Fogara, oder wie sie Duveyrier nennt, Galeriebrunnen, welche in unterirdischen Kanälen von etwa 2 Fuss im Durchmesser und oft mehrere tausend Schritt Länge das nöthige Wasser herbeischaffen. Fand man nämlich Wasser an einer steinigen, uncultivirbaren Stelle der Wüste, so galt es, dasselbe dahin zu leiten, wo der Boden die Bildung einer Oase gestattete, und damit es nicht an der trockenen Luft verdunste, musste die Leitung unter der Erde hingeführt werden. Meist war aber das an einer Stelle gefundene Wasser nicht ausreichend für den Bedarf einer Oase, man suchte dann in der Nachbarschaft nach weitern Quellen und führte diese in Seitenkanälen dem Hauptkanal zu, daher die Fogara gewöhnlich aus einem ganzen Netz von unterirdischen Kanälen bestehen, einem Baume mit seinen Aesten und Zweigen vergleichbar. Selbstverständlich sind auch die Oeffnungen, in welche die Arbeiter beim Ausgraben der Gänge hinabstiegen, mit grossen Steinen zugedeckt, um den Zutritt der aufsaugenden Luft zu hindern.

Eine Quelle heisst arabisch "Ain", berberisch "Tit", teda "galle"; ein tiefer Brunnen "Bir", ein künstlicher "Hassi", ein zur Förderung mittels Schläuchen eingerichteter "Ssenia"; ein unterirdischer Kanal "Fogara", ein oberirdischer "Seggia". Das Wort "Oase" ist den Bewohnern der Sahara unbekannt. Nach Ritter wäre es von den Aegyptern den Griechen zugekommen, und vielleicht hängt die im Osten gebräuchliche Benennung "Uah", das koptische Wort für Wohnung, damit zusammen. Grössere Oasen wie Tafilet, Fesan u. s. w. heissen "Bled" (Land), kleinere "Rhabba" (Wald), "Rhout" (kleiner Wald). Auch "Ued", "Uadi" wird in der Bedeutung von Oase gebraucht.

In der ganzen Sahara gibt es kein einziges Flussbett mit beständig über der Erde fliessendem Wasser. Auch der Draa, wenn man ihn noch zur Sahara gehörig rechnen will, erreicht nur ausnahmsweise das Meer, in der Regel fliesst er nur bis zu dem Punkte, wo sein südlicher Lauf sich nach Westen umwendet. Unter der Erde dagegen versiegt sein Strom zu keiner Jahreszeit. Das im Norden aus zahlreichen Armen entstehende Flussthal, das die Oase Tuat gebildet, hat nur an ganz wenigen Stellen, der Mia, und der Irharhar, dessen Bett stellenweis mehrere Stunden breit ist, haben fast nirgends oberirdisch fliessendes Wasser. Und doch konnten nur durch kolossale Wassermengen diese breiten und tiefen Flussbetten ausgewaschen werden. Wir sind somit zu dem Schlusse berechtigt, dass einst unter andern topographischen Verhältnissen das Klima in der Sahara ein ganz anderes gewesen, dass reichlicher Regen fiel, der die Flüsse mit Wasser füllte, und der eine Vegetation erzeugte, von welcher die vielen Versteinerungen ganzer Wälder uns deutliche Kunde geben. Alle Flüsse der Sahara haben zuerst eine starke Strömung, dann ein ausgebreitetes Armsystem und einen langen Lauf ohne Nebenflüsse: gemeinsame Eigenschaften derselben, die durch die jetzige Beschaffenheit des Landes nothwendig bedingt sind. Denn während sie in Gebieten mit bedeutendem atmosphärischem Niederschlag entspringen, auf dem Atlas, im Ahagar-Gebirge, oder, wenn man auch den Nil als einen Wüstenfluss ansieht, in dem feuchten Centralafrika, durchziehen sie in ihrem Laufe weitgedehnte Ebenen, die alles Regens ermangeln, die ihnen also keine Zuflüsse liefern können. Der Name für Flussbett ist "Ued" oder "Uadi", für Fluss "Irharhar"; nach Duveyrier bedeutet im Targischen "Agheser" sowol Fluss als Flussbett; im Teda heisst "Hendere" Flussbett, "Foti" Fluss.

Auffallend ist der Reichthum der Sahara an Seebecken, ja an Seen selbst, und zwar nicht blos, wenn auch häufiger, in Depressionen, sondern noch auf höhern Theilen der Wüste, z. B. in Fesan. Wie massenhaft müssen hier die unterirdischen Zuflüsse sein, um bei der unausgesetzten Verdunstung einen See mit Wasser gefüllt zu halten! Der Boden ausgetrochneter Seen wird zu Sebcha, das heisst Sumpf und Schlamm bedecken sich mit einer harten Kruste von salzhaltiger Erde, bei manchen, wie bei dem Seeboden von Bilma, aus reinem Salz. Diese Oberfläche der Sebcha zerklüftet in regelmässigen, meist sechseckigen Polygonen, oder sie wirft sich, wo der Boden sehr salzhaltig ist, z. B. die der Sebcha von Tamentit, in unregelmässigen, oft senkrecht emporstehenden Schollen über- und durcheinander, ähnlich den Eisblöcken beim Aufbruch einer dick gefrorenen Stromdecke. Letztere Formation gehört zu den bei weitern seltnern; wahrscheinlich entsteht sie da, wo das Wasser unter der Erde sehr ungleich vertheilt ist, die Oberfläche daher nicht durchweg gleichzeitig, sondern hier rascher, dort langsamer austrocknet und sich verhärtet. Es gibt Sebcha von bedeutender Ausdehnung und mit inselartig darin eingesteckten Oasen. Bis hoch im Norden der Sahara, auf den Hochebenen des Atlas kommt Sebcha-Bildung, dort "Schott" genannt, vor.

Grössere Wasserbecken nennt man "Behar", targisch "Adjetman", Tümpel "Rhadir", targisch "Abankor", Salzsümpfe targisch "Gurra", Süsswassersümpfe, die indess äusserst selten sind, "Daya". Süsswasserseen hat man bisjetzt in der Sahara nicht gefunden.

Die jetzigen klimatischen Verhältnisse der Sahara weichen natürlich schon der abnormen Bodenbeschaffenheit wegen von dem Klima jeder andern Erdgegend, auch der gleichen Breitengrade, erheblich ab. Indess nicht der sterile Boden allein ist es, der die ausserordentliche Trockenheit der Luft verursacht, es sind vornehmlich die herrschenden Winde. Wie wir zur Erklärung der Gestalt und Lage der Sanddünen bemerkten, weht fast beständig Ostwind in der Sahara. Da aber dieser Wind nicht vom Meere her, sondern von dem grossen asiatischen Continent kommt, führt er keine Wolken bildende Feuchtigkeit mit sich. Und selbst wenn ausnahmsweise Westwind vom Atlantischen Ocean Wolken herbeiweht, so werden sie meist durch die vom Boden ausstrahlende Hitze aufgelöst und zerstreut, ehe sie sich zu Regen verdichten können.

Erreicht nun der über die Sahara streichende Ostwind die Küste Nordafrikas, dann weht er als Scirocco (Gebli oder Chamsin) über das Mittelmeer nach Europa hinüber. Die Verdichtung der Luft, welche man hier feuchten Nebeln zuzuschreiben pflegt, rührt im Gegentheil von den Massen feinen trockenen Wüstenstaubes her, die vom Scirocco aus der Sahara mitgebracht werden. Auf Malta zeigte während eines die Luft verdunkelnden Sciroccos mein Hygrometer einen sehr tiefen Stand: ein Beweis, dass die Atmosphäre nicht feucht, sondern ungewöhnlich trocken war. Ich machte damals auch Herrn Rosenbusch, den in Malta stationirten Telegrapheninspector, auf den tiefen Stand des Hygrometers aufmerksam. Gleichzeitige Beobachtungen würden ergeben, dass wenn in unserm Erdtheil heisser Wind mit oder ohne Staubfall auftritt, kurz vorher in der Sahara, besonders im nördlichen Theil derselben ein Gebli geweht hat. Der von Ehrenberg beschriebene Sciroccostaub vom 23.-24. März 1869 wurde von mir bei heftigstem Südsüdostwinde in Gar-Gab beobachtet. Der Wind drehte sich rasch durch Süd nach Südsüdwest, war am 24. März nachmittags West und am 25. nachmittags Nordwest. Die schnelle Drehung des Windes erklärt, dass der hochaufgewirbelte Staub am 24. März bei den Dardanellen aus Nordost niederfallen konnte. Auch die meist röthliche Färbung des Staubes spricht für seine Herkunft aus Afrika, der rothen Erde par excellence. Als am 10. März 1869 in Subiaco und Isola di Sora bei Neapel rother Staub fiel, hatte ich um dieselbe Zeit in Tolmetto (Cyrenaica) orkanartigen Sandsturm aus Südost. Selbst die rothe Farbe des Schnees, wie sie zuweilen in der nördlichen Zone gesehen wird, dürfte von rothem Wüstenstaub aus der Sahara herstammen. Wie weit die Luftströmung feine anorganische und organische Theilchen zu tragen vermag, zeigt unter anderm der im Juli 1869 beobachtete Höhen-, richtiger Moorrauch in Neapel, der vielleicht aus Norddeutschland dahin getrieben worden war; und nach der andern Seite hin wurde norddeutscher Moorrauch, wie Prestel berichtet, im Jahre 1857 vom 10.-19. Mai bis Krakau und tief in Russland hinein verbreitet. Hauptsächlich in der Centralsahara, zwischen dem 18deg. und 25deg. nördl. Breite, wirbelt die Luft, die dort am heissesten und trockensten ist, jene Staubmassen empor. Dreht sich nun plötzlich der Wind, der ursprünglich aus Ost oder Südost, z. B. über Uadjanga, sich erhob, so kann er sehr wohl über Fesan aus Süd, über Tripolis aus Südwest, über dem Mittelmeer aus Nordwest, über der Türkei aus Nord oder Nordost wehen, ohne bei der ungeheuern Geschwindigkeit und bei der Leichtigkeit der Sandtheilchen unterwegs schon allen Staub verloren zu haben.

In den Alpen der Schweiz stürmt der aus der Sahara kommende Ostwind als südlicher Föhn, welchem nach Escher das Zurückweichen und Schwinden der Gletscher zu verdanken ist; Kuhn[44] behauptet sogar, die Wirkung der heissen Saharaluft erstrecke sich bis auf die arktische Region: warum sollte man also nicht dem schönen Worte Desor's zustimmen: "Die Sahara ist der grosse Regulator unsers Klimas"!

Ein Gebli kündigt sich meist schon mehrere Stunden vorher an, indem die Sonne, namentlich des Morgens, wenn sie noch tief am Himmel steht, glühend roth erscheint. Je näher die schreckliche Wolke kommt, desto mehr verfinstert sich der Himmel. Der Sturm bricht los, und nichts widersteht seiner Gewalt: aufgeschlagene Zelte, so fest sie durch eiserne Pflöcke befestigt sein mögen, zerreissen, handgrosse Steine rollen wie gejagte Papierfetzen über den Boden. Sandkörner werden so heftig gegen die Haut geschleudert, dass man einen stechenden Schmerz empfindet. Instinctmässig kehren sich Menschen und Thiere von der Windseite ab; die Kamele knien nieder, die Pferde suchen ängstlich Schutz bei den Menschen. In der Regel dauert der Orkan, mit einer Geschwindigkeit von wenigstens 30 Meter in der Secunde dahinbrausend, ein paar Stunden oder einen halben Tag; ausnahmsweise tobt er jedoch mehrere Tage mit gleicher Heftigkeit fort. Den stärksten und anhaltendsten Orkan erlebte ich östlich von Audjila im Jahre 1860; er dauerte vier Tage und Nächte vom 17.-20. April[45] und durchlief mehrmals die ganze Windrose, bis er an den letzten beiden Tagen vorwiegend die Richtung aus Nordwest innehielt. In meinem meteorologischen Tagebuche steht die Notiz: "Alles ein Staubmeer." Der Sandstaub drang in doppelt verschlossene Kisten ein und machte meine sämmtlichen Uhren unbrauchbar. Sollte man diesen Sturm in Europa nicht verspürt haben, so muss es ein grossartiger localer Wirbelwind gewesen sein, wie dergleichen, wenn auch mit geringerer Heftigkeit, allerdings häufig in der Wüste vorkommen. Kleinere, 20-30 Fuss hohe Windhosen sah ich fast täglich; sie haben die Gestalt einer umgestürzten Rheinweinflasche und eine zweifache Bewegung: eine drehende um sich selbst und eine oft mit rasender Eile vorwärts schiebende, nach der Richtung des Windes. Grössere Windhosen erreichen eine Höhe von mehrern hundert Fuss.

Der elektrischen Erscheinungen, welche im Gefolge von Südost- und Südwinden auftreten, habe ich bereits gedacht. Lyon und Duveyrier beobachteten sie ebenfalls. Von den drei Beobachtungen Duveyriers sind zwei unmittelbar nach gewaltigen Stürmen angestellt, die dritte nach einem Tage, der in seinen meteorologischen Tabellen mit Westwind 3 notirt ist. Wie ich den Haaren meines Hundes durch Streicheln Funken entlockte, so sah Duveyrier, dass abends sein Pferd beim Schlagen mit dem Schweife elektrische Funken umherstreute.

Gewitter sind in der eigentlichen Sahara äusserst selten; desto häufiger wetterleuchtet der Himmel an den bildlichen Rändern der Wüste. Bei vollkommener Windstille, die indess nur an sehr wenigen Tagen stattfindet, hat die Luft eine ungemeine Transparenz, sodass man entfernte Gegenstände viel deutlicher als in andern Gegenden wahrnehmen kann; für gewöhnlich aber ist der Horizont schmuzig blau oder verschleiert. Sehr oft hat der Mond einen Hof; es mögen dann des Nachts feuchtere Lüfte von Norden oder Westen her in den leeren Raum dringen, den die aufgestiegene heisse Luft gelassen hat. Doch sammelt sich die Feuchtigkeit nicht in solcher Menge, dass sie als Regen oder Thau niederschlagen könnte; in der Centralsahara regnet es nie.

Wenn die Sonne einige Stunden geschienen hat, so erzeugt die heisse, ins Zittern gerathende Luft im Verein mit dem Reflex der Lichtstrahlen jene täuschenden Bilder, die unter dem Namen Luftspiegelung oder Fata morgana bekannt sind. Die aufgeregte Phantasie mancher Reisenden will darin prächtige Schlösser, lachende Baum- und Blumengärten, Reitergeschwader und dergleichen erblickt haben; mir sind sie immer nur wie ein grosser wellenbewegter See vorgekommen. Es wird vielfach geglaubt, die Erscheinung sei an gewisse Oertlichkeiten gebunden; jedenfalls ist sie aber nicht blos in der Ebene, wie Duveyrier meint, sondern auch in gebirgigen Theilen der Wüste wahrzunehmen.

So normal die barometrischen Schwankungen in der Sahara sind, so bedeutend variirt der Stand des Thermometers. Fallen oder Steigen desselben um 20deg. im Laufe eines Tages ist zu jeder Jahreszeit das Gewöhnliche. So kann im Winter das Thermometer in Fesan auf -3deg. fallen, und noch am selben Tage nachmittags auf +20deg. im Schatten steigen. -3deg. bis 4deg. dürfte die stärkste Kälte sein, die überhaupt in der Sahara vorkommt. Dagegen steigt in Kauar z. B. während der heissen Jahreszeit das Thermometer nachmittags im Schatten regelmässig auf mehr als + 50deg. C., und selbst des Nachts kühlt sich die Luft so wenig ab, dass morgens vor Sonnenaufgang das Thermometer noch über +20deg. C. zeigt. Die Durchschnittstemperatur der ganzen Sahara lässt sich noch nicht ermitteln, nur von einigen Districten konnte sie bisjetzt bestimmt werden. Trotz der in einzelnen Gebieten herrschenden grossen Hitze, der grössten, die in irgendeiner Gegend der Erde stattfindet, ist doch im allgemeinen das Klima ein gesundes. Die fast absolute Trockenheit der Luft - mein Hygrometer von Secretan in Paris zeigte oft, namentlich bei heissen Sandstürmen, nur 30deg. Feuchtigkeit - übt keinen nachtheiligen Einfluss auf die Gesundheit des Menschen aus, sie scheint vielmehr wohlthuend auf die Lungen zu wirken, und sich sogar selbst bei vorgeschrittener Tuberkulose als besonders heilsam zu erweisen.

Sieht man, wie die Verbreitung der Pflanzen von Süden nach Norden im steten Fortschreiten begriffen ist, so hat es durchaus nichts Unwahrscheinliches, dass auch der Sandboden der Sahara sich einst in Humus umwandeln und mit Wäldern bedecken wird. Indem regelmässige feuchte Niederschläge von Centralafrika weiter nach Norden vorrücken, mögen auch noch Tausende von Jahren darüber hingehen, wird die grosse Wüste aufhören eine Wüste zu sein. Der Mensch selbst wird, wenn die Nothwendigkeit an ihn herantritt, das Seinige dazu beitragen, und um mit einem Ausspruche Desor's zu schliessen - "dann wird die Sahara das sein, was sie niemals war: eine Grasssteppe, eine mit Savanen bedeckte Ebene, oder ein Culturland; dann werden auch unsere Alpen erst zu ihrem wahren Klima gelangen, einem verhältnissmässig kältern als das gegenwärtige, aber doch mildern, als sie früher (zur Eiszeit) gehabt haben."

[35]"Geograpbisches Jahrbuch", herausgegeben von E. Behm. I. Band. 1866.

[36]G. A. von Klöden, "Handbuch der Erdkunde".

[37]An andern Orten habe ich gesagt: die Grenze der Sahara wird am sichersten angezeigt durch den Floh; wo dieses Thierchen davon absteht, die Reisenden zu begleiten, da beginnt die Sahara, die Region der absolut trockenen Atmosphäre.

[38]Natürlich nur annähernd zu verstehen; Cannabich z. B. rechnet zwischen 18deg. und 31deg. nördl. Breite, ldeg.-48deg. östl. Länge von F. und kommt so zu dem Resultate von 80-100000 Quadratmeilen für die Sahara.

[39]"Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde."

[40]Freiherr H. von Minutoli, "Reise zum Tempel des Jupiter Ammon in den Jahren 1820 und 1821" (Berlin 1824).

[41]Höchst wahrscheinlich Blitzröhren.

[42]"Gor" oder "Chor" ist auch das keitische Wort für Berg.

[43]Peschel, "Neue Probleme der vergleichenden Erdkunde." Dr. Klunzinger in der "Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde", Jahrg. 1872, Heft I.

[44]"Ueber die Ursachen des eisfreien Meeres" u. s. w., von Freiherrn von Kuhn, im "Ausland", Jahrg. 1871, Nr. 21.

[45]Es wäre interessant zu erfahren, ob an diesen Tagen auch in Europa irgendwo Staubfall beobachtet wurde.


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