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X. Zwischen Fesan und Kauar.

Der Djuri-Fluss. Die Lágaba bóïa und die Lágaba kono. Das Tümmo-Gebirge. Der Lakakéno-Fluss. Die Niederung Máfaras. Am Tji-Grunto-Gebirge. Die Oasen Jat und Igjeba. Ankunft an der Grenze von Kauar.

Seit wir die Tedjerri-Oase an der Südgrenze von Fesan im Rücken hatten, gab es ringsum nichts als Sand, Kies und einzelne zerstreute Sandsteinblöcke. Wir verfolgten die Richtung von 175deg. und gelangten nachmittags 21/2 Uhr (9. April) an den Djuri-Fluss.

Der Djuri (Had), in südlichem Laufe vom Ben-Gnemi kommend, biegt hier nach Westen um und verliert sich 6 Stunden weiter bei dem Orte Djuri Ssürma im Sande. Die Araber nennen ihn Ued Had nach dem Kraute Had (Cornulaca monacantha, Delille), das in der Gegend wächst, wenn es geregnet hat, jetzt war freilich, da seit lange hier kein Regen fiel, nichts davon zu sehen; es ist stark bedornt, im übrigen dem Dommrahn nicht unähnlich, welches zusammen mit dem Beggel in Fesan seine südlichste Grenze erreicht.

Ich werde von hier an, da wir uns nun im Gebiete der Tebu befinden, die geographischen Namen nicht arabisch, sondern in der einheimischen Teda-Sprache nennen, schon deshalb, um mannichfachen Verwechselungen vorzubeugen; denn wie die Engländer, wohin sie kommen, Ortschaften, Bergen, Flüssen, Seen u. s. w. die Namen Victoria, Albert und Georg beilegen, ebenso machen es die Araber mit den Namen Mohammed, Ali und Fathma, die man überall wiederfindet.

Noch eine halbe Stunde östlich den Djuri entlang gehend, lagerten wir um 3 Uhr. Ich wurde hier mit den Tebu, die uns von Tedjerri aus gefolgt waren, um den Miethpreis eines ihrer Kamele einig; sie liessen zwar auf Zureden Maina Adem's etwas von ihrer übertriebenen Forderung nach, doch blieb der Preis immer noch sehr hoch. Allein es half nichts, ich musste das Thier haben, die Ueberlastung meiner Kamele hätte mich sonst genöthigt, den Weg meist zu Fusse zurückzulegen. Für meinen in Gatron entlassenen Diener hatte ich in Tedjerri Ersatz gefunden: ein Neger, der durch den Tod seines Herrn frei geworden, trat gern in meine Dienste, um auf diese Art in seine Heimat zu gelangen, obwol er sich derselben, da er schon als Kind nach Fesan gekommen war, kaum erinnerte und nicht wusste, ob er aus Bornu, Haussa oder Bágirmi oder einem andern der Negerländer herstammen

Andern Tags wurde früh um 6 Uhr aufgebrochen. Ein wüthender Südostwind erfüllte die Luft mit Staub, der uns jede Fernsicht benahm, daher ich auch den Debásse-Berg, circa 6-8 Stunden gerade östlich vom Djuri entfernt, nicht wahrnehmen konnte. Nach Uebersteigung einer Hügelkette kamen wir um 2 Uhr in das Thal Dendal-Galadíma, um 4 Uhr in das Thal Meschru, die sich beide vom Debüssü herziehen sollen, und um 6 Uhr zu dem Brunnen Meschru am nördlichen Abhang eines niedrigen Höhenzugs. In diesen Thälern gibt es zahlreiche, bis 50 Fuss hohe "Neulinge"; alle aus pflanzlichen Ueberresten, namentlich des Ethelbaumes bestehend, deuten sie darauf hin, dass der jetzt nur mit Sand und Kies bedeckte Boden früher eine nicht unbedeutende Vegetation zu ernähren im Stande war. Dicht an unserm Wege lagen die Trümmer einer Marmorsäule. Meine Leute und die Tebu wollten in de Stücken versteinerte Menschenknochen erkennen. Ich habe in meinen Berichten an Dr. Petermann die Vermuthung ausgesprochen, man hätte es hier mit Resten eines von Garamanten bewohnt gewesenen Ortes zu thun, aber ich bin von der Ansicht zurückgekommen und glaube vielmehr, eine Säule von so schönen Proportionen und einer Höhe von etwa 20 Fuss verräth unverkennbar römische Arbeit. Jedenfalls muss das Werk, da sich nirgends in der Nähe Kalkformation oder Marmor findet, von weither dahin gebracht worden sein. Die Römer mochten hier, und das würde zu der Hypothese St. Martins stimmen, eine Etappenstation nach dem Agisimba regio, das dieser Gelehrte mit Asben identificirt, besessen, oder vielleicht nur ein Denkzeichen ihres Vordringens errichtet haben. Indessen schliesst das nicht aus, dass auch die Garamanten eine Niederlassung in der Gegend hatten, für welche Annahme der aus behauenen Steinen aufgemauerte Brunnen spricht. Möglich, dass an der Stelle nach Agat und Chalcedon gegraben wurde.

Der an diesem und dem vorhergehenden Tage herrschende Sturm hatte solche Mengen Sand in den Brunnen getrieben, dass der Wasserspiegel mit einer dicken trockenen Schicht bedeckt war. Einige von unsern Leuten mussten 30 Fuss tief hinabgelassen werden, unten mit ihren Händen den Sand aufkratzen und ihn in Körbe füllen, welche dann die übrigen an Seilen heraufzogen. Nach zwei Stunden harter Arbeit erhielten wir endlich Wasser, zwar noch trübe, aber reichlich und gut. Rings umher lagen Massen von Kamel- und Menschenknochen, ein weites Knochenfeld: selbst in meinem Zelte stiess ich auf einen Schädel, den meine Leute in der Dunkelheit beim Abräumen des Bodens übersehen hatten. Die Menschengerippe sind Ueberreste von verschmachteten Sklaven, deren Leichname man nicht der Mühe werth hält in Gräber zu verscharren, sondern da, wo sie gefallen sind, liegen lässt.

Nachdem wir am folgenden Morgen die Wasserschläuche gefüllt und unsere Kamele nochmals getränkt hatten, marschirten wir um 91/2 Uhr in der Richtung von 175deg. weiter. Zur Rechten wie zur Linken ziehen sich Gebirgsketten hin, nach Osten wol 10 bis 12 Stunden, nach Westen etwa 6 Stunden von der Strasse entfernt. Ueberall am Wege sieht man gebleichte Menschenknochen, an manchen noch Fetzen von dem blauen Kattun, den die Negersklaven tragen; man braucht nur diesen Gerippen zu folgen, so kann man den Weg nach Bornu nicht verfehlen. Um 6 Uhr abends stiegen wir über den Pass, der beim Berge Lágaba bóïa in die Lágaba bóïa (Tnie kebira), die Grosse Ebene, führt, unsere Kamele, da es schon. dunkel geworden, langsam und vorsichtig hinableitend. Furchtbar ermüdet durch den heissen Wind, der uns zwei volle Tage gepeinigt hatte, erreichten wir um 8 Uhr den Lagerplatz. Das Wüstenreisen hatte mich bereits seine Strapazen tüchtig empfinden lassen und mir durch den steten Anblick von Gerippen umgekommener Menschen seine Gefahren vor Augen gestellt. Und es war noch ein weiter Weg bis zur nächsten bewohnten Oase!

Morgens 61/2 Uhr, nicht so früh als es bei der entsetzlichen Tageshitze wünschenswerth gewesen wäre, wurde am 12. April aufgebrochen. Mit geringen Abweichungen direct gen Süden marschirend, kamen wir um 9 Uhr an den Ausgang der Lágaba bóïa, dann über einen niedrigen Hügelzug in die nur 2 Stunden lange Lágaba kono (Tnie sserrira), die Kleine Ebene. Zu beiden Seiten des Wegs waren in einer Entfernung von etwa zwölf Stunden hohe, von Norden nach Süden laufende Bergketten sichtbar. Um 11 Uhr gelangten wir an den Nordrand der Hochebene von Aloóta kiú, die sich in bedeutender Steigerung nach Süden zu erhebt. Die Hitze war zwar nicht so druckend wie an den beiden vorhergehenden Tagen, doch litten Menschen und Thiere sehr empfindlich von den Strahlen der Mittagssonne. Mein armer Hund hatte sich auf dem bis zu 70deg. erhitzten Boden die Füsse verbrannt und war unfähig zum Weiterlaufen; ich musste ihn auf ein Kamel setzen. Ich selbst konnte vor Erschöpfung den ganzen Tag nichts essen, trank aber alle fünf Minuten gierig eine Tasse mit etwas Tamarindensaft gesäuertes Wasser. Maina Adem, dieser Wüstensohn, fand die Morgen, obgleich das Thermometer vor Sonnenaufgang fast nie unter + 20deg. fiel, noch zu kalt zum Reisen. Er wäre daher gern am Abend etwas weiter marschirt, ich liess aber um 7 Uhr halt machen und bestimmte ihn so, mit seiner Gofla ebenfalls zu lagern.

Am andern Morgen, während er und die Seinigen noch in tiefem Schlafe lagen, brach ich mit meinen Leuten um 41/2 Uhr auf. Wir erreichten nach einer Stunde den Südrand der Aloóta kiú und betraten um 9 Uhr das Tümmo-Gebirge, von den Arabern wegen seiner Zerklüftung Uar oder War genannt. Es besteht ganz aus schwarzem oder vielmehr an der Oberfläche geschwärztem nubischen Sandstein, wie die Schwarzen Berge des Had und Sokna, und umschliesst mehrere kesselartige Thäler, in deren südöstlichstem die Brunnen oder Wasserlöcher von Tümmo liegen. Die schwarze Färbung erhält das Gestein theils unter dem Einflusse der Witterung, theils von den beigemengten Eisenerzen, zum Theil aber bestehen die Felsen vielleicht auch aus wirklichem schwarzen Basalt. Die hier entspringenden Wässer fliessen meist nach West oder Südwest und verstärken wahrscheinlich die unterirdischen Flussadern, welche Djebádo ernähren. Im ganzen hat das Gebirge die Form eines Quadrats, sodass es wie ein riesiger vom Regen oder Wind ausgefurchter "Zeuge" erscheint. Oben sind die Berge abgeplattet, und alle haben ziemlich gleiche Höhe, woraus sich schliessen lässt, dass sie früher ein einziges Hochplateau bildeten. Denham sagt in seiner Reisebeschreibung, das Tümmo-Gebirge verbinde sich im Osten mit den Bergen Tibestis; allein wir wissen aus der Reise Nachtigal's nach Tibesti, dass es nicht mit dem Gebirge der Tebu-Rschade zusammenhängt.

Ich bestieg einen Berg östlich vom Wege, der mir der höchste zu sein schien, und fand eine Höhe zu 900 Meter, während der Pass über das Tümmo an seiner höchsten Stelle 715 Meter hat. Um 1 Uhr traf ich wieder bei meiner Karavane ein, ging aber dann, während sie ihren Weg durch das Gebirge fortsetzte, nach einer fast zwei Stunden in südöstlicher Richtung entfernten Quelle, um mich an ihrem herrlichen frischen Bergwasser zu laben. Erst seit Menschengedenken ist diese Quelle den Karavanen bekannt, sei es dass sie durch Zufall von einer verirrten Karavane aufgefunden wurde, oder dass ein seinem Vaterlande ungetreuer Tebu ihr Vorhandensein den Arabern verrieth. Früher nahm man, den Djebel Uar östlich lassend, beim Berge Labrak im Südwesten der Aloóta kiú den Weg über den Djebel Tji-Grunto nach dem Bir Ahmer-er-Rharbi. Frisch ausgetretene Gazellenpfade und Haufen von Vogeldünger zeigen, dass täglich Hunderte von lebenden Geschöpfen die Quelle besuchen aber vergebens sah ich mich nach Spuren von Vegetation um, kein Halm war zu erblicken, nur in einigen Thälern des Tümmo-Gebirges spriesst nach anhaltendem Regen etwas Gras und Kraut hervor. Desto widerlicher berührte mich der Anblick umherliegender Knochengerippe, darunter der halbe Leichnam eines Negerknaben, der zur Mumie vertrocknet war, ehe die von weit herkommenden Hyänen Zeit gehabt ihn ganz zu verzehren. Der Unglückliche hatte sich jedenfalls von einer Karavane, während sie an der 2 Stunden entfernten Strasse lagerte, heimlich weggestohlen, um an der Quelle seinen brennenden Durst zu löschen, und war dann hier dem Hunger zum Opfer gefallen. - "Warum bindest du die Wasserschläuche stets so aufs Kamel, dass die Mündung nach vorn zu liegen kommt?" fragte ich einst Mohammed Gatroni. - "Das habe ich den Sklavenkaravanen abgesehen; man lässt die Mündung nach vorn hängen, damit die Sklaven nicht heimlicherweise trinken können, denn das Kamel steht dann gleich still und verräth durch sein Brüllen, wenn einer den Schlauch öffnet." Nirgends traten mir die Schrecken und Greuel des Sklavenhandels so auf Schritt und Tritt entgegen wie auf dem Wege von Fesan nach Bornu. Hierher sollten diejenigen kommen, welche immer noch behaupten, die Mohammedaner behandeln ihre Sklaven mit Menschlichkeit und schonender Milde; sie würden dann nicht mehr wagen, sich und die Welt durch solche Lüge zu täuschen!

Am 14. April erfolgte der Aufbruch um 61/2 Uhr früh. Wir verliessen das Gebirge in gerader Südrichtung, und durchschritten mehrere trockene nach Südwesten verlaufende Rinnsale. Von 9 Uhr an wurde die Richtung von 200deg. eingehalten. Um 12 Uhr hatten wir uns dem Grra-Berg bis auf eine Stunde gerade westlich genähert; etwa sechs Stunden von uns entfernt blieb das nordöstliche Ende der Gebirgskette Tji-Grunto-n-Mádema, die in einer Länge von ungefähr zwölf Stunden von Süden nach Westen zieht, gegen Osten breitet sich eine steinige Hochebene aus. Wir passirten auch ein durch zwei Hügel gebildetes Thor, aber von einer Bergpartie Namens Bab wussten unsere Tebu nichts. Ueber niedrige Felsen steigend, gelangten wir um 3 Uhr in die Ebene Emi-Mádema und lagerten in derselben um 6 Uhr. Der Tag war weniger heiss gewesen, obschon die Hitze immerhin des Nachmittags 40deg. im Schatten erreichte, doch war ich von der am vorigen Tage unternommenen Bergbesteigung und dem Ausfluge nach der Quelle so ermüdet, dass mir Reiten wie Gehen gleich schwer wurde. Abends kamen nacheinander drei Spinnen in mein Zelt gekrochen, an Grösse bei weitem die Buschspinne übertreffend, denn die eine mass von den Kopfzangen bis zum Ende des Leibes 3 Centimeter, von den Spitzen der beiden ersten Vorderbeine, die länger als die zweiten waren, bis zu den Spitzen der ausgestreckten hintersten Beine 8,6 Centimeter; alle Beine waren stark behaart, die beiden vordersten schwarz, der ganze Leib hatte eine gelblich graue Farbe. Mohammed Gatroni nannte sie Agrab-er-rih (Luftskorpion) und sagte, die Art sei auch von Barth in seinem Zelte gefunden worden und sehr häufig in diesem Theile der Wüste. Ihr Biss soll giftig sein.

Folgenden Tags begannen wir um 61/2 Uhr unsern Marsch. Immer südwärts gehend, hatten wir links den Tji-Grunto, rechts eine unabsehbare Ebene. Um 11 Uhr gelangten wir an den Lakakéño-Fluss, der hier von Osten nach Westen fliesst, und warteten an demselben unter Talha-Bäumen, den ersten, die ich seit Ueberschreitung der Grenze von Fesan sah, bis 21/2 Uhr die Mittagshitze ab. Gegen 41/2 Uhr kam der Berg Emi-Mádema eine Stunde gerade westlich von uns in Sicht. Mir erreichten um 6 Uhr den obern Lauf des Lakakéño, der, vom Emi-Mádema kommend, nachdem er östlich und nördlich geflossen, sich durch Westen nach Südwesten dem Bir Ahmer-er-Rharbi zuwendet, und lagerten um 61/2 Uhr am Brunnen Emi-Mádema, von den Arabern Bir Ahmer-es-Schergi genannt. Die Brunnen des Landes, obgleich nicht tief, sind im schlechtesten Zustande und fast immer versandet. So lange das Gebiet von den Sultanen beherrscht war, sorgten diese für Instandhaltung der Brunnen bis zum Jat; die türkischen Paschas aber kümmern sich nicht um die Brunnen südlich von Tedjerri und lassen selbst die in Fesan befindlichen verfallen. Gerade in der Umgebung der Brunnen liegen daher die meisten Gerippe von Menschen. Hat eine Karavane mit ihren durch Strapazen und Entbehrungen erschöpften Sklaven nach weiter Wanderung endlich einen Brunnen erreicht, dann findet sie ihn mit Sand gefüllt, und es muss oft erst tagelang gegraben werden, ehe man Wasser bekommt; unterdessen ist aber mancher der vom Durst Gepeinigten seinen Leiden bereits erlegen. Abends kamen wieder, wahrscheinlich durch das Kerzenlicht angelockt, mehrere Luftskorpione in mein Zelt.

Am 16. April morgens 61/2 Uhr Aufbruch gen Süden. Bei völliger Windstille über eine kiesbedeckte ununterbrochene Ebene ziehend, ward mir schon um 8 Uhr die Hitze fast unerträglich. Um 121/2 Uhr zeigte sich in der Entfernung von etwa acht Stunden der konisch geformte, doppelgipflige Berg Fesan, wahrscheinlich derselbe, den Vogel Pisa nennt, denn weder Maina Adem noch Mohammed Gatroni kannten einen Berg des letztern Namens. Um 2 Uhr passirten wir den Fluss Ssuffra-Sintal, der von Westen nach Osten fliesst und sich, nachdem er einen vom Fesan kommenden Arm aufgenommen, mit dem Lakakéño vereinigt. Um 31/2 Uhr erreichten wir Bùddema, einen grünen kräuterreichen Strich Landes, wo meine Karavane lagerte, um die Kamele weiden zu lassen, während Maina Adem mit seiner Gofla weiter marschirte. Aber schon nachts um 2 Uhr zog ich ihm nach, und um 6 Uhr morgens waren die beiden Karavanen wieder beisammen.

Immer die Richtung nach Süden einhaltend, gelangten wir mittags zu der ausgedehnten Niederung Máfaras, doch erst um 4 Uhr, ganz erschöpft von dem anstrengenden Marsche und der drückenden Hitze, an den mit einigen Talha- und Ethelbäumen beschatteten Brunnen. In seiner Nähe gab es reichlich Sbith und Had für die Kamele, und da auch die Menschen dringend einer Rast bedurften, wurde an dem Tage nicht weiter gegangen. Es treten hier Kreidebänke, Gips, Marmor und Alabaster offen zu Tage, obwol im ganzen Sandsteinbildung vorherrscht.

Um die Glut der Tageshitze zu meiden, brach ich schon nachts l1/2 Uhr auf, und diesmal liess sich auch Maina Adem zum gleichzeitigen Abmarsch überreden. Wir waren ungefähr eine Stunde unterwegs, auf einer grosssteinigen Hammada die südliche Richtung verfolgend, da riss der vordere Sattelgurt meines Kamels, und ich stürzte rücklings sammt der aus zwei Kisten bestehenden Ladung zu Boden. Glücklicherweise fiel ich mit dem Kopf auf meine mit herabgerutschte Matratze, ich hätte mir sonst das Genick brechen können; so kam ich mit einigen Quetschungen davon. Es verging aber viel Zeit mit dem Wiederaufladen und Befestigen der Kisten; die Karavane war unterdess weitergezogen, und in der Dunkelheit verlor ich ihre Spur; ich feuerte ein paar Nothschüsse ab, um sie zum Halten zu veranlassen, und es ergab sich, dass ich mich fast eine Stunde westlich von ihr verirrt hatte. Als der Tag anbrach, befanden wir uns am Ausgang der Máfaras. Wir bogen um den nördlichen Rand des Tji-Grunto-Gebirges (Tiggerandumma?) und traten in ein von Westen nach Osten laufendes Thal, in dem Had und einige Talha-Bäume wuchsen. Hier wurde um 8 Uhr zum Gielen gelagert. Jetzt bemerkte ich erst, dass mir bei dem Sturz vom Kamel nicht nur ein Aneroïd und ein Doppelfernglas, die in einem ledernen Futteral am Sattel hingen, abhanden gekommen, sondern dass auch mehrere von den in den Kisten verpackten Gegenständen zerbrochen oder beschädigt waren; zum Glück blieben die auch darin liegenden Aneroïde unversehrt. Um 21/2 Uhr nachmittags setzten wir, obgleich die Sonne noch tüchtig brannte, den Marsch wieder fort. Unser Weg führte immer am Rande des Tji-Grunto-Gebirges hin, über stark gewelltes, daher für die Kamele sehr beschwerliches Terrain. Gegen Osten in einer Entfernung von sechs bis acht Stunden war der Horizont durch Sanddünen begrenzt. Der Boden wurde immer hügeliger, wir hatten mehrere Engpässe zu passiren, und da infolge des Sturzes meine Glieder mich noch schmerzten, liess ich um 91/2 Uhr abends lagern.

Es war Mitternacht geworden, ehe die Leute mit dem Abkochen fertig waren und man sich zur Ruhe legen konnte. Daher geschah der Aufbruch am andern Morgen erst um 51/2 Uhr. Nach zweistündigem Marsche auf einer Höhe angelangt, erblickten wir die grünen Dumpalmen der Oase Jat vor uns. Wir erreichten sie um 10 Uhr und machten um 101/2 Uhr halt bei den nur einige Fuss tiefen Wasserlöchern. Eins von meinen Kamelen, dem man schon vor mehrern Tagen die Ladung hatte abnehmen müssen, war nur mit Noth noch bis zu der Oase mitgeschleppt worden, es frass nicht mehr, mit einem Wort, es war, wie die Araber sagen, bathal (eigentlich "umsonst" und adjectivisch "schlecht"), das heisst völlig untauglich zum Gehen und Lastentragen. Von einem Tebu-Rschade wurden mir 5 Real fesaner Währung, circa 20 Frs., dafür geboten; allein es ärgerte mich, dass ich das Thier, welches Consul Rossi in Tripolis unbegreiflicherweise - denn es war seines hohen Alters wegen sicher nicht mehr als 50 Frs. werth gewesen und schon ganz entkräftet, als es in Mursuk ankam - um den Preis von 250 Frs. für mich gekauft hatte, gegen einen so geringen Betrag losschlagen sollte. Nach einigem Zögern zog ich daher vor, es schlachten zu lassen und der Karavane zum besten zu geben. Der Jubel über das unverhoffte, schwelgerische Mahl war gross. In das Fell theilten sich die Leute, um Sandalen daraus zu machen, obzwar das Kamelleder wenig dauerhaft ist. Ein kleiner Theil des Fleisches wurde in dünne Streifen geschnitten, getrocknet und zum Mitnehmen bestimmt, alles übrige musste an Ort und Stelle verzehrt werden. Natürlich war aber die nur aus 30 Köpfen bestehende Mannschaft unserer vereinten Karavanen trotz ihrer ungeheuern Leistungsfähigkeit nicht im Stande, die ganze Quantität auf einmal zu vertilgen; es bedurfte dazu eines Ruhetags, den ich auch, gegen den Wunsch Maina Adem's, gern bewilligte. Dieser hatte grosse Eile, weil er vor dem Feste Aid-el-Kebir, das in einigen Tagen bevorstand, in Kauar eintreffen wollte. Am Abend des nächsten Tages war richtig von der mehrere Centner schweren Masse Fleisch sammt Magen, Lunge und allen Eingeweiden kein Quentchen mehr übrig. Um die Knochen hatte dann mein Hund noch einen nächtlichen Kampf zu bestehen, wie meine Leute meinten, mit einer Hyäne; da er aber das Feld behauptete, vermuthe ich, dass sein Gegner nur ein Schakal gewesen. Ich war an dem Tage eben mit Schreiben beschäftigt, als ein plötzlicher Windstoss aus Süden mir das Zelt über dem Kopfe fortschleudere und mehrere Löcher hineinriss. Auch die Leute wurden bei ihrer Morgenmahlzeit unsanft gestört, indem der Sturm wahre Wolken von Sand und Staub darüber ausschüttete. Dabei stieg die Hitze auf 45deg. im Schatten. Nach einer guten Stunde liess indess die Gewalt des Windes nach, und mein Zelt konnte wieder aufgerichtet werden.

Die Oase Jat, von Westen nach Osten sich erstreckend, gewährt mit ihren Dum- und Talha-Bäumen und dem reichen Sbithwuchs den Wüstenreisenden einen höchst willkommenen Ruhepunkt. Für mich, der zum ersten mal so weit nach Süden vordrang, bot namentlich der Anblick der Dumpalme eine das Auge erfreuende Abwechselung, denn sie hat nicht, wie die Palmenarten, die ich bis dahin gesehen, nur eine Krone auf einem schlank emporsteigenden Stamme, sondern sie theilt sich in mehrere Aeste, deren jeder von einem Blätterdache gekrönt ist. Ihre Früchte erreichen die Grösse eines Hühnereies; das grüne Fleisch, welches den Kern einen halben Centimeter dick umhüllt, ist für meinen Geschmack sowol frisch wie getrocknet ungeniessbar und wird auch von den Eingeborenen nur in Zeiten von Hungersnoth gegessen; der weisse, sehr harte Kern enthält, solange die Frucht grün ist, Milch wie die Kokosnuss. Wasser, meist vorzügliches, findet sich hier in der geringen Tiefe von 4 bis 5 Fuss. Der Brunnen gehört den Tebu-Rschade, welche sich von kleinern, schwach bewaffneten Karavanen für die Benutzung desselben 1 Real fesaner Währung = 1 Thaler auf jedes Kamel zahlen lassen. Von Maina Adem konnten sie aber natürlich den Zoll nicht erheben, und da ich in seiner Begleitung reiste, mussten sie auch meiner Karavane die unentgeltliche Benutzung des Brunnens gestatten.

Eine Stunde nach Mitternacht, 22. April, verliessen wir Jat. Die gewöhnliche Karavanenstrasse geht von hier südwestlich über die von den Arabern El Marra genannte Oase Ssiggedim; unsere Tebu führten uns aber einen kürzern Weg in der Richtung von 200deg. über eine hügelige, mit Steinen bedeckte Hochebene. Dabei wurde ein Kamel der beiden Ghorianer, die von Mursuk aus mit uns reisten, "bathal". Ausser diesem ihrem eigenen hatten sie nur noch ein gemiethetes, das auch schon mit vollem Gewicht belastet war, sie wussten sich daher keinen Rath, wie sie ihr Gepäck weiterschaffen sollten. Die Aermsten dauerten mich und ich bat Maina Adem, er möge gestatten, dass man die Ladung ihres kranken Thieres mit auf seine Kamele vertheile, wozu er sich denn auch bereitfinden liess. Von den Tebu-Rschade hatte keiner anders als gegen unverschämt hohe Bezahlung den Weitertransport übernehmen wollen. Nachdem das Kamel seiner Last entledigt war, setzte sich die Karavane wieder in Marsch, während ein Ghorianer und einer von meinen Leuten mit ihm zurückblieben und es langsam weiterzutreiben suchten. Es zu schlachten war keine Zeit, auch hätten die Besitzer den Verlust nicht so leicht verschmerzen können. Wir nahmen um 4 Uhr, einen vor uns liegenden Berg umgehend, die Richtung von 290deg., lenkten jedoch nach einer Stunde wieder in die frühere Richtung ein. Um 9 Uhr zwang uns die unerträglich gewordene Hitze, mitten auf der kahlen Hochebene Rast zu machen, und kurz ehe wir nachmittags 3 Uhr weitergingen, war das bathale Kamel mit seinen beiden Treibern wieder zur Karavane gestossen. Der Weg führte nun ohne jegliche Abwechselung durch tiefen Sand über völlig ebenes Terrain, bis um 7 Uhr abends ein Hügel sichtbar wurde, den die Tebu Gretebretmár oder Gretedétoa nannten. Er liegt westlich nah an der Strasse und dient den Karavanen als Wegweiser, gewöhnlich auch als Lagerplatz. Wir hielten nur an, um eine Partie der hier wie an allen Lagerplätzen reichlich vorhandenen trockenen Kameläpfel einzusammeln, die wegen ihres Fettgehalts ein gutes Brennmaterial abgeben, und marschirten noch eine Stunde weiter. Um 8 Uhr abends wurde am Wege gelagert.

Andern Tags begann die Reise um 5 Uhr, etwas vor Sonnenaufgang. Wir durchzogen in der Richtung von 205deg. eine grosssteinige Ebene, wobei uns die Hitze, durch heissen Südwind verstärkt, furchtbar zusetzte. Endlich um 3 Uhr nachmittags erreichten wir, das heisst der berittene Theil der Mannschaft, die Oase Igjeba, der zu Fuss marschirende war noch zurück. Ob der Pass, über den man von Ssiggedim kommend herabsteigt, der Nefása-Pass ist, vermag ich nicht zu sagen; den Tebu ist der Name unbekannt, vielleicht aber nennen ihn die Araber so. Maina Adem, dem, wie gesagt, viel daran gelegen war, vor dem grossen Feste in seinem Wohnort Tiggemámi anzukommen, wollte, dass noch an demselben Abend die Reise fortgesetzt werde. In Rücksicht auf den erschöpften Zustand, in dem sich meine Leute sowie die Kamele befanden, erklärte ich ihm jedoch, ich würde nicht eher als am folgenden Tage nachmittags weitergehen. Nun beschwor er mich mit allen Eiden, die er von den Arabern gelernt, ich möchte gleichzeitig mit ihm aufbrechen; denn es würde eine Schande für ihn sein und ihm von seinem Bruder dem Sultan nicht vergeben werden, mich in der Wüste zurückgelassen zu haben. Allein ich blieb standhaft. Hierauf beschloss er, seine Leute und die Tebu-Rschade vorauszuschicken und allein bei mir zu bleiben. Schliesslich aber gab er auch diesen Plan wieder auf und liess seine ganze Karavane ebenfalls bis zum folgenden Nachmittage in Igjeba lagern. Igjeba gehört schon zum Sultanat Kauar. Die Oase, kaum eine halbe Stunde breit, bietet wenig Reize, da die Dumpalme hier nur kümmerlich gedeiht und es daher an Schatten fehlt; doch findet sich überall süsses, reinschmeckendes Wasser in der Tiefe von nur 2 Fuss.

Ungeachtet der sengenden Hitze setzten wir uns am folgenden Tage nachmittags 11/2 Uhr in Marsch. Die Gegend, welche wir in gerader südlicher Richtung passirten, hat kiesigen Boden und nirgends die geringste Erhebung. Abends bei Mondschein verschwammen der von Staub graue Himmel und die graue Bodenfläche in eins; es sah aus, als ob gar kein Horizont vorhanden wäre - eine höchst seltsame, beängstigende Erscheinung. Nach fast achtstündigem ununterbrochenen Marsche wurde um 9 Uhr halt gemacht.

Schon um 11/2 Uhr morgens, den 25. April, ging es weiter. Das Land wird von hier an etwas hügeliger; die Gesteinsmasse besteht vorwiegend aus weissgrauem Tuffstein. Um 5 Uhr sahen wir von einer Anhöhe herab die Oase Kauar vor uns liegen. Freudenschüsse wurden abgefeuert; Maina Adem warf ein fürstliches Prachtgewand über seine Reisekleidung; dem Pferde, das er ritt, war schon Tags vorher ein reiches, goldgesticktes Geschirr und ein Sattel mit vergoldeten Steigbügeln aufgelegt worden. Bei dem Orte Anay angelangt, stieg er ab, um die Huldigungen der Bewohner entgegenzunehmen. Seine Leute aber schickte er weiter bis Annikímmi, wo sie ausruhen und dann nach ihrem Heimatsort abgehen sollten. Ich mit meiner Begleitung lagerte unter den Palmen von Anay, froh, mich endlich wieder an einem bewohnten Orte zu befinden.


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