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XI. Kauar oder Henderi-Tege.

Anay. Die Toilette der Tebu-Frauen. Ihr eheliches Verhältniss. Die Felsen Gummaganúmma. Annikímmi und Aschenúmma. Die frühere Residenz Kisbi. Die Orte Rabus und Schimmedrú. Ort und Berg Emi Mádema. Dorf Kalála bei der Hauptstadt Bilma. Der Sultan von Kauar. Die Salzminen. Die Bevölkerung.

Kauar ist der arabische, Henderi-Tege der echte Teda-Name des Landes, der aber nur noch bei den im Osten wohnenden Tebu gebräuchlich ist. Nachtigal sagt, den Namen Henderi habe er nie gehört; hingegen wird derselbe von Barth sowol hier als auch an andern Orten genannt, sodass ein Irrthum wol nicht anzunehmen ist. Die Grenze gegen Norden bezeichnet den zu Kauar gehörige Brunnen Jat.

Anay, der nördlichste Ort, liegt theils am Fusse eines Berges, theils auf der Höhe desselben und hat 100 bis 150 Häuser und Hütten mit über 500 Einwohnern. Die Häuser sind niedrig, sie haben nur eine Eingangsthür, aber mehrere Abtheilungen; die flachen Dächer bestehen entweder aus Palmzweigen oder aus Diss (Imperata cylindrica), einer Binsenart, die in Menge dort wächst.

Meinen Leuten zu Gefallen machte ich aus dem Festtag zugleich einen Rasttag in Anay. Ohnehin bedurften alle der Ruhe; denn mehr noch als durch die Strapazen der langen Märsche waren durch die fürchterliche Hitze und die Elektricität der Luft unsere Kräfte erschlafft. Das Thermometer zeigte fast den ganzen Tag über zwischen 40 und 50deg. C., und die Sonnenstrahlen hatten so intensive Macht, dass eine Stearinkerze, die ihrer Wirkung ohne Schutz ausgesetzt war, bis auf den Docht zusammenschmolz. Gern hätte ich den Leuten auch eine Ziege oder ein Schaf zum Opfern gekauft, man verlangte aber unerschwingliche Preise dafür, und meine Messer, Spiegel, Nadeln, Mützen etc. fanden hier keine Liebhaber. Es war gut, dass ich mir von Fesan bedeutenden Vorrath Medra (Kautaback) mitgenommen hatte, denn hiergegen und gegen Medicin erhielt ich fast alles, was ich brauchte, in Tausch. Der Handel wurde meist mit den Frauen abgeschlossen, unter denen ich übrigens keine einzige hübsche sah. Ihre Hautfarbe ist ein entschiedenes Schwarz; nur bei einer, die einen Targi zum Vater hatte, war sie von hellerer Nuance. Des Festtags wegen erschienen alle in ihrem besten Kleide, viele auch mit frisch geflochtenem und butterbestrichenem Haar. Solche Frisur mag nicht wenig Zeit kosten: Flechten an Flechten, wol 60 bis 80, zwar nicht lang, aber sehr fein gebunden, hängen rund um den Kopf; nur die Stirn bleibt frei, aber von ihr aus zu beiden Seiten des Scheitels laufen wieder dichte Reihen der feinsten Flechten über den Schädel zum Hinterhaupte, und einige Frauen, wahrscheinlich besonders kokette, drehen noch einen Theil der Stirnflechten zu einer Wulst zusammen, die in Form einer Düte oder eines Horns hoch emporsteht. Die Arme waren mit acht oder zehn halbzollbreiten Spangen, theils von Elfenbein, theils von schwarzem Holz oder von Horn, die Füsse mit ein oder zwei dünnern Spangen von Messing oder Silber geschmückt. An den Fingern hatten die Vornehmern Ringe von Blei oder Silber, und allen hing im rechten Nasenflügel ein Stückchen Koralle oder Knochen, worauf man besondern Werth zu legen scheint. Ein langer dunkelblauer Shawl, den manche recht graziös zu drapiren verstehen, umhüllte den Körper; darüber trugen die Reichen noch ein Hemd von blauem Sudankattun. Ich wunderte mich immer, warum dieser Stoff nicht in europäischen Fabriken gefertigt werde, denn er kommt weder über Marokko noch über Algerien, Tunis oder Tripolitanien nach Innerafrika; hier erfuhr ich nun, als ich den schön gearbeiteten und in echten Farben prangenden Haik einer schwarzen Tebu-Dame bewunderte, der Stoff sei Masseri, das heisst von Aegypten her eingeführte Waare.

Von dem Berge, an und auf welchem Anay erbaut ist, hat man durch eine tiefe Kluft einen Felsen abgetrennt. Derselbe dient als Zufluchtsort in Zeiten der Noth; er ist oben mit einer Mauer umgeben, die eine Anzahl bedeckter Kammern sowie Räume zur Unterkunft des Viehes einschliesst, und nur mittels einer Leiter zu ersteigen. Ich schickte mich an hinaufzuklimmen, wurde aber von zwei Wächtern daran verhindert; da rief ich Hammed zu, er solle mir Büchse und Revolver bringen, worauf sie von ihrem Widerstande abliessen, ja der Amo-bui-nemai (Ortsvorsteher) kam selbst, um mir alles zu zeigen. Es gab indess nichts Merkwürdiges zu sehen, auch nach Inschriften suchte ich vergebens. Die Einwohner erzählten mir, Anay sei ein neuer Ort, ihre Vorfahren hätten in Kisbi, das jetzt zerstört und verlassen ist, gewohnt.

Die Oase hat ausgezeichnetes Wasser, das sich an vielen Stellen dicht unter der Oberfläche des Bodens findet. Dattelpalmen gibt es in grosser Menge, doch erreichen sie hier nicht mehr die Höhe der Entwickelung wie in den nördlichen Oasen, und auch die Früchte sind von weit geringerer Qualität. Gemüse oder Getreide zu bauen, verwehren den Kauarern die in Air wohnenden Tuareg, welche ihnen Getreide vom Sudan zuführen, um Salz dagegen einzutauschen, folglich ein Interesse daran haben, dass sich die Bewohner nicht mit Landbau, sondern mit der Salzgewinnung aus ihrem Sebcha beschäftigen. Das einzige Product, das ihnen diese Herren der Wüste zu cultiviren erlauben, ist Klee, der getrocknet ein treffliches Kamel, Pferde und Ziegenfutter abgibt. Für eine Hand voll Taback oder ein Brechmittel tauschte ich zwei Bündel davon ein; 24 solcher Bündel reichen hin, vier Kamele einen ganzen Tag reichlich zu füttern.

Von den andern mohammedanischen Völkern wird den Tebu vorgeworfen, sie seien so ungastlich wie die Christen; ich hatte mich jedoch in dieser Hinsieht nicht zu beklagen. Wir wurden vielmehr in Anay sehr gut bewirthet, und meine Leute delactirten sich besonders an mehrern Schüsseln Ngáfoli (Sorghum vulgare) mit Sauce aus Mlochía (Hibiscus exculentus nach Duveyrier, Corchorus clitorius nach Barth), dem Nationalgericht der Neger Innerafrikas. Für mich schickte der Amo-bui-nemai noch spät abends eine Schüssel Fleisch. Von wem die andern Schüsseln gekommen waren, erfuhren wir nicht; vielleicht von einigen Frauen, deren Wohlwollen ich mir beim Handel erworben. Denn die Tebu-Frauen führen die Herrschaft über ihre Männer, wie überhaupt das Volk, obgleich äusserlich sich zum Islam bekennend, im Familienleben noch vielfach seine alten Sitten beibehalten hat, wenn auch nicht ganz so hartnäckig wie die zum Mohammedanismus bekehrten Tuareg. Allerdings kommt es bei den Tebu jetzt schon vor, dass ein Mann zwei oder mehrere Frauen heirathet, und dass Frauen wegen Unfruchtbarkeit oder aus andern Grunden verstossen werden. Indess wissen diese auch ihrerseits die Männer durch List zu hintergehen. So kam eine Frau zu mir und verlangte Medicin, um ein Kind zu gebären, das seit vier Jahren in ihrem Leibe ruhe.

Denham mit seinen Gefährten war weiter westlich nach Kauar gekommen und hatte jene "kegelförmigen Hügel" durchzogen, die er in seiner Reisebeschreibung Gummaganúmma nennt. Ich besuchte diese Felskuppen im Nordwesten von Anay. Sie bilden einen der anziehendsten Punkte der Oase Kauar und waren ehedem bewohnt; doch wurden ihre Bewohner einst von den Tuareg ausgehungert, seit welcher Zeit sie verlassen sind. Eine kleine Besatzung würde von hier aus ganz Kauar in Schach halten können.

Nachdem uns am folgenden Morgen die Anayer noch einmal gastlich bewirthet hatten, brachen wir auf, ein gutes Andenken von ihnen mitnehmend. Ein halbstündiger Marsch in der Richtung von 150deg. brachte uns nach Annikímmi, einem kleinen nur halb so grossen Orte wie Anay, ebenfalls am Fusse des Gebirges gelegen, das die Oase im Osten begrenzt. Ungefähr in der Mitte zwischen Anay und Annikímmi steht ein Felsblock am Wege, in den arabische Namen und allerhand Zeichen eingekratzt sind; letztere scheinen indess keinen Sinn, wenigstens keine zusammenhängende Bedeutung zu haben. Auch Annikímmi hat oben auf dem Berge ein Castell, in das sich die Bewohner bei Kriegsgefahr zurückziehen. Wir lagerten etwas westlich vom Dorfe unter ein paar dürftigen, nur wenig Schatten gewährenden Palmen. Wieder handelte ich gegen Taback und Medicin getrockneten Klee zum Futter für die Kamele ein. Dann schickte ich Mohammed Gatroni mit der Karavane nach Aschenúmma voraus, während ich allein einen Abstecher nach Kisbi unternahm, der ältesten Stadt Kauars, die zur Zeit der Denham-Clapperton'schen Expedition noch Residenz war, jetzt aber ganz verfallen ist. Binnen zwei kleinen Stunden in der Richtung von 240deg. erreichte ich die Stätte. Kisbi bedeckte einen niedrigen Hügel am Westufer der Oase, das sich nicht wie das östliche zu einem Gebirge erhebt. Es mag 1000 oder noch mehr Einwohner gehabt haben. Die Häuser waren nicht von Stein, sondern aus Erde oder Thon gebaut; manche stehen noch aufrecht. Dass sich keine Moschee darunter befindet, ist erklärlich, da der Islam erst in neuerer Zeit unter den Tebu eingeführt wurde und ein grosser Theil derselben ihn bis heute nicht angenommen hat. Bemerkenswerthes bietet Kisbi in seinem jetzigen Zustande nichts, es müsste denn wahr sein, was man in Kauar behauptet, dass unter dem Boden grosse Schätze verborgen liegen. Der Abend dämmerte schon, als ich mich wieder auf den Weg machte, um meine bei Aschenúmma lagernde Karavane aufzusuchen. Ich wusste zwar, dass der Ort in südöstlicher Richtung liege; da aber Kauar durchschnittlich drei Stunden breit ist, irrte ich lange umher, ohne die Strasse finden zu können. Da knallte aus der Ferne ein Doppelschuss, den der Gatroner vorsorglich als Signalschuss für mich abgefeuert. Er brachte mich auf die richtige Spur, und bald war nun die Strasse erreicht. Einer von den Leuten kam mir mit einer Girba entgegen, aus der ich meine vom Laufen ganz ausgetrocknete Kehle wieder anfeuchten konnte. Nach einer weitern Stunde Wegs langte ich endlich um 9 Uhr in Aschenúmma an. Man sagte uns hier, es seien eben Tuareg, die Salz abholen wollten, in Dirki und Bilma angekommen, und ich beschloss, ein Zusammentreffen mit ihnen wo möglich zu vermeiden. Innerhalb der Grenzen von Kauar ist zwar der Reisende vor ihren Anfällen gesichert; Karavanen mit schwacher Mannschaft aber, die darüber hinaus nach Süden ziehen, sind in Gefahr, von Tuareg-Horden überfallen und ausgeplündert zu werden. Damit sie unsere Anwesenheit im Lande nicht gewahr würden, verweilten wir den ganzen folgenden Tag vor Aschenúmma; später überzeugte ich mich freilich von der Nutzlosigkeit dieser Vorsichtsmassregel, denn die Kunde von der Ankunft eines Europäers verbreitet sich in diesen Gegenden mit fast telegraphischer Geschwindigkeit.

Aschenúmma, wie die übrigen Orte an den westlichen Abhang des Mogodóm-Gebirges angelehnt, hat, nach der Anzahl der Hütten zu schliessen, wol nicht mehr als 200 Einwohner. Barth spricht von 120 Hütten, was eine bedeutend grössere Einwohnerzahl bedingen würde. Die Wohnungen, sowol die steinernen wie die Palmenhütten, sind sauberer und netter gehalten als die der Araber oder Tuareg und verrathen eine gewisse Wohlhabenheit. Leider entspringt diese jedoch daher, dass die Männer, deren nur drei im Dorfe anwesend waren, sich eifrig als Vermittler an dem Sklavenhandel zwischen Bornu und Rhat oder Fesan betheiligen. Auffallend dreist benahmen sich hier die Frauen; so gebrauchte eine die mit Wasser gefüllte Trinkschüssel meiner Diener, die vor meinem Zelte stand, ganz ungenirt als Waschbecken.

Morgens 51/2 Uhr wurde die Reise fortgesetzt. Immer am Fusse des Mogodóm-Gebirgs entlang gehend, erreichten wir nach zwei Stunden Elidja, nur einen guten Büchsenschuss von Tiggemami, dem Wohnort Maina Adem's, entfernt, und weiterhin Rabus, wo wir zur Nacht blieben. Dieser an sich schon hochgelegene Ort mit etwa 100 Einwohnern wird von einer Burg überragt, die ohne Anwendung von Belagerungsgeschütz uneinnehmbar sein dürfte. Drei Stunden davon in der Richtung von 235deg. liegt Dirki, der zweite Hauptort von Kauar.

Ändern Tags kamen wir nach Schimmedrú, dem drittgrössten Ort der Oase, mit gegen 800 Einwohnern und einer von den Snussi gegründeten Sauya. Wir wurden hier von Weibern und Kindern haufenweis umlagert und aufs freundlichste zum Bleiben eingeladen; allein eben um uns der allzu grossen Liebenswürdigkeit zu entziehen, gingen wir noch abends nach dem eine gute halbe Stunde entfernten ansehnlichen Doppelorte Emi Mádema. Auch hier ward uns eine sehr gastliche Aufnahme zutheil. Der Ortsvorsteher überwies uns sonderbarerweise ein Haus, das von einer vor kurzem verstossenen Frau des jetzigen Sultans von Kauar bewohnt war. Indess empfing mich die Dame ganz artig und gestattete ohne Widerrede, dass wir die Hälfte ihres Hauses in Beschlag nahmen. Sie erklärte zwar, nicht mit so vielen Männern unter einem Dache schlafen zu wollen, wahrscheinlich weil sie auf eine Wiederverheirathung speculirte, blieb aber trotzdem im Hause und schickte uns sogar ein Gericht von getrocknetem Gazellenfleisch. Von andern Seiten bewirthete man uns gleichfalls reichlich, und noch abends bei Mondschein liess der Ortsvorsteher öffentlich ausrufen, jede Familie solle zwei Kleebündel für die Kamele des Gastes hergeben, was auch alle bereitwillig thaten. Womit mögen die Tebu den Ruf der Ungastlichkeit, in dem sie stehen, sich zugezogen haben?

Am 1. Mai kam ein anderer Bruder des Sultans, begleitet von seiner Schwester, aus Dirki an, um mich zu begrüssen und mir eine Ziege als Gastgeschenk zu bringen. Die Prinzessin verlangte von mir Medicin, nach der sie einen Sohn gebäre; ich frug, ob sie verheirathet sei, worauf sie naiv erwiderte: jetzt nicht, aber sie werde sich nächstens verheirathen und dann von dem Mittel Gebrauch machen.

Am Abend zuvor hatte ich den Berg Emi Mádema (wörtlich "Rother Felsen") bestiegen, der nach meiner Messung eine relative Höhe von 114 Meter, eine absolute von 632 Meter hat. Dies ist zugleich die durchschnittliche Höhe des ganzen Mogodóm-Gebirges. Oben eröffnete sich mir eine weite Fernsicht: nach Osten zu eine endlose Hammada; nach Westen über das Thal hinaus eine ebenso ausgedehnte Sandebene, mit niedrigen Dünen besetzt; gerade im Westen ein isolirter Berg von durchschnittlicher Höhe der Wüstenberge, im Südwest ein anscheinend eine Tagereise lang von Norden nach Süden streifendes Gebirge von gleicher Höhe, beide wol 8 bis 10 Stunden entfernt. Man wusste mir weder für den einzelnen Berg noch für das Gebirge einen Namen zu nennen; die Tebu scheinen ins allgemeinen auf geographische Benennungen nicht viel zu halten, während Araber und Tuareg gewiss keinen in ihrem Bereiche liegenden Punkt umbenannt lassen. Später erfuhr ich, dass die Bergreihe Ingissommi-Gebirge heisst, es ist vermuthlich dieselbe, welche Barth's englischer Begleiter durch sein Fernrohr gesehen hat.

Von Schimmedrú an haben die Häuser zum Theil eine andere Bauart. Sie bestehen aus einer niedrigen runden Steinmauer von 10, 15 bis 20 Fuss im Durchmesser, über die ein grosses deckelförmiges Dach gestülpt ist, sodass sie von weitem den ledernen Dosen gleichen, welche die Tuareg verfertigen. Eine Wand, ebenfalls aus Stein, trennt das Innere in zwei Hälften, deren vordere wieder durch aufgehängte Matten in zwei Räume getheilt wird. Alle Wohnungen sind sauber, wie überhaupt die Tebu in Bezug auf Reinlichkeit von den übrigen Wüstenbewohnern eine lobenswerthe Ausnahme machen. So oft unsere Karavane an einen Brunnen kam, wuschen sich die Tebu-Rschade den ganzen Körper, wogegen die andern Leute, meine städtischen Diener nicht ausgenommen, das Wasser nur zum Trinken benutzten. Aussen um das Wohnhaus herum laufen noch mehrere runde Höfe, welche die Küche, die Viehställe, die Aborte u. s. w. einschliessen.

Zum ersten mal sah ich hier Buckelochsen mit den langen gewundenen Hörnern; sie werden von Bornu hierher gebracht und vertragen, wie es scheint, den Ortswechsel recht gut.

Am 2. Mai abends verliessen wir Emi Mádema, gingen aber nur eine halbe Stunde weit bis zu dem Dorfe Muschei und lagerten westlich vor demselben beim Brunnen. Seine Bewohner, einige Rschade-Familien, sind als Diebe berüchtigt. In der Nacht näherten sich zwei von ihnen dem Lager, jedenfalls in diebischer Absicht; mein wachsamer Hund machte jedoch sofort Lärm, und als sie unsere Flintenschlösser knacken hörten, beeilten sie sich, uns "l'afia", den Friedensgruss, zuzurufen. Dann entschuldigten sie ihre Annäherung damit, dass sie zu viel Lakbi getrunken und im Dusel den Weg verfehlt hätten.

Andern Tags wurde früh 51/2 Uhr das Lager abgebrochen. Wir zogen gerade südwärts, vom Gebirge ablenkend, das nun in der Richtung von 165deg. verläuft, und traten um 7 Uhr in einen dichten Wald von Dum- und andern Palmen; es liegen mehrere Tebu-Dörfer darin, an deren südöstlichstem und bedeutendstem, Agger, wir um 8 Uhr vorbeikamen. Von 9 Uhr an gielten wir bei einem Brunnen. Das Thermometer wies nachmittags in den Sand gestellt +63deg. C., in der Sonne +74deg. C. und im Schatten +43deg.. Abends marschirten wir noch eine Stunde und lagerten dann unweit Bilma (Gáru), der Hauptstadt des Landes. Ich war unterwegs benachrichtigt worden, dass der Sultan augenblicklich nicht in Bilma selbst, sondern eine halbe Stunde nordwestlich von der Stadt in dem Dorfe Kalála residire. Dorthin nahmen wir bei Tagesanbruch unsern Weg, und nach kurzem Marsch hielt die Karavane, während meine Leute Flintenschüsse in die Luft feuerten, vor dem Palais des Sultans von Kauar.

Durch einige seiner. Diener wurde mir eine elende Hütte neben der königlichen Residenz zur Wohnung angewiesen, und bald erschien Seine Majestät in höchtsteigener Person. Die üblichen Begrüssungsformeln wurden gewechselt, halb in Arabisch, das der Sultan nur sehr unvollkommen sprach, halb in Teda; dann entfernte er sich wieder.

Die Baracke, in der wir wohnen sollten, erwies sich als viel zu klein; es war unmöglich, meine Leute und das Gepäck darin unterzubringen. Ich machte mich daher auf, um den Sultan zu bitten, er möge uns eine passendere Unterkunft verschaffen. Seine Majestät empfing mich vor seinem Hause im Sande hockend. Indem ich meine Bitte vortrug, überreichte ich zugleich den Empfehlungsbrief des Kaimmakam. Der Sultan nahm ihn verkehrt in die Hand, warf einen Blick hinein und sagte, er verstehe nicht Türkisch. Ich bemerkte, der Brief sei arabisch geschrieben, worauf er ihn zusammenfaltete und mit wichtiger Miene erklärte, er werde das Schreiben mit seinem Thaleb, der übrigens, wie ich später erfuhr, auch nicht lesen konnte, einer genauen Durchsicht würdigen. Indess stand er auf und ging mit mir durch das Dorf, bis ein geräumigeres, aus Salzklumpen errichtetes Haus für uns gefunden war. Vergebens warteten wir hier bis zum Abend auf ein Mahl, wir mussten uns endlich selbst etwas zum Essen zubereiten. Um den Sultan günstiger zu stimmen, schickte ich ihm, obgleich es nicht Sitte ist, die Geschenke sofort abzugeben, gleich am folgenden Morgen zwei Hüte Zucker, zwei Rasirmesser, einen Turban, einen Dolch, Rosenöl, sechs Taschentücher, eine Harmonika und 10 Thaler in Geld, was zusammen einen Werth von reichlich 20 Thaler repräsentirte. Barth hat ihm, wie mir Mohammed Gatroni sagte, nur eine Bornu-Tobe im Werthe von 3 bis 4 Thaler geschenkt; auch war mir in Mursuk versichert worden, zwei Hüte Zucker allein sei ein genügendes Geschenk für den Fürsten der Tebu. Dies mag seine Richtigkeit haben, wenn man mit einer starken Araberkaravane ankommt, deren 40 oder 50 Flinten dem Sultan den nöthigen Respect einflössen. Da ich aber nur wenige Leute bei mir hatte und er mich ganz in seiner Gewalt wusste, verhöhnte er die Diener, die ihm mein Geschenk überbrachten, stiess es zurück und liess mir sagen, wenn ich nicht 100 Thaler und einen Tuchburnus gäbe, dürfte ich weder in seinem Lande bleiben, noch werde er gestatten, dass ein Tebu mich nach Bornu geleite; Vogel und Beurmann, behauptete er, hätten ihm auch jeder 100 Thaler gegeben. Was war dem feigen Räuber gegenüber zu thun? Auf keinem andern Wege als durch Kauar konnte ich hoffen ins Innere Afrikas zu gelangen, ich musste mich also mit dem Beherrscher des Landes abfinden, und so fügte ich meinem Geschenke einen dunkelblauen mit Gold gestickten Tuchburnus im Werthe von 30 Thaler hinzu. Jetzt nahm er das Geschenk an, er gab mir die Erlaubniss, so lange ich wolle in Kauar mich aufzuhalten, und versprach sogar, er werde eine Karavane nach Bornu zu Stande bringen, oder mir wenigstens einen Führer dahin miethen.

Der Sultan, nach meiner Schätzung ein Mann von 45 Jahren, hiess Maina Abadji. Seine Gesichtsbildung hatte weniger von dem europäischen Typus wie die seines Bruders Maina Adem; die Hautfarbe war schwarzbraun, auch an der innern Fläche der Hand ganz dunkel. Letzteres ist als ein Zeichen von Vornehmheit anzusehen, denn bei den Geringern entfärben sich infolge des hantirenden Gebrauchs die Handflächen sowie die Fusssohlen und worden schmuzigweiss. Die Sultanswürde in Kauar ist gleichzeitig in zwei verschiedenen Familien erblich, so zwar, dass nicht dem Vater sein Sohn, sondern immer dem Herrscher aus der einen Familie der älteste Prinz der andern Familie auf dem Throne folgt. Beim Regierungsantritt muss der Fürst auf alle seine Besitzthümer Verzicht leisten, damit er nicht die Mittel habe, Sklaven anzukaufen und mit deren Hülfe das Volk zu unterdrücken. In der That ist der Sultan nichts weiter als der höchste Schiedsrichter bei innern Streitigkeiten und der Anführer im Kriege gegen einen äussern Feind; er darf keine Abgaben von seinen Unterthanen erheben und hat nicht das Recht über Leben und Tod derselben. Und das gleiche Verhältniss wie in Kauar findet auch in den übrigen Reichen der Tebu statt, während sonst die Völker der schwarzen Rasse ihren Fürsten mit Leib und Gut sklavisch unterworfen sind.

Ich blieb vorläufig in Kalála, um meine Vorräthe zu erneuern, da Ngáfoli und Butter hier billiger zu haben waren als in den nördlichem Orten und ich hoffen durfte, in dem benachbarten Bilma einiges von meinen Waaren verkaufen zu können. Bilma, der südlichste, bewohnte Ort von Kauar, hat über 1000 Einwohner und ist hauptsächlich wichtig und berühmt wegen der in seiner Nähe befindlichen Salzminen. Die Stadt ist mit einer Mauer umgeben, im Innern aber einer der schmuzigsten Orte, die ich je gesehen habe; die niedrigen, unregelmässigen Häuser aus kothigen Salzklumpen machen namentlich auf den Reisenden, der eben die reinlichen Dörfer am Mogodóm-Gebirge passirt hat, den widerwärtigsten Eindruck.

Uebrigens muss ich hier einen sonderbaren Irrthum berichtigen, der, wie andern Reisenden, auch mir begegnet ist. Der Ort heisst nämlich nicht Bilma, sondern Gáru, er liegt nur in der Provinz Bilma. Veranlasser dieses Irrthums sind die Araber, welche sehr ungenau in ihren geographischen Bezeichnungen zu sein pflegen, indem sie z. B. oft Mursuk für Fesan, Stambul für die Türkei, Fes für Marokko, und umgekehrt den Namen des Landes oder der Provinz für einen einzelnen Ort gebrauchen. Man kann von ihnen die Frage hören: Wie weit ist es von Deutschland nach der Türkei? Denn sie glauben gleich allen Wüstenbewohnern, jedes Land müsse durch eine Wüste oder durch das Meer von andern getrennt sein, und können sich nicht vorstellen, dass ein Punkt Deutschlands ziemlich nahe an der türkischen Grenze, ein anderer viele Tagereisen davon entfernt ist.

Die Salzminen zwischen Gáru und Kalála sowie nördlich von letzterm Orte bestehen aus weiten von 20 bis 30 Fuss hohem Salz- und Erdschutt eingefassten Gruben, in deren Tiefe Wasser, wahrscheinlich über Steinsalzlager, von Osten nach Westen hindurchfliesst. Dieses Wasser ist so salzhaltig, dass sich, begünstigt durch die starke Verdunstung hier im Centrum der Wüste, binnen einigen Tagen eine mehrere Zoll dicke Kruste auf dem Wasser bildet, die dann durchstossen und abgefischt wird. Während man das Meersalz, z. B. in Capo d'Istria, erst gewinnt, nachdem alles Wasser theils verdunstet, theils durch die Erde aufgesogen ist, überzieht hier das Salz wie eine Eisdecke die Oberfläche des Wassers, und vermöge der schnellen Krystallisation produciren diese gar nicht so umfangreichen Minen solche Quantitäten, dass sie einen grossen Theil Centralafrikas mit Salz versorgen. Die Tuareg aus Air führen es von hier nach dem Sudan, die Tebti und Araber nach Bornu und Bágirmi. Den Tuareg-Kelui ist es durch ihre numerische Uebermacht nach und nach gelungen, die Bewohner Kauars in völlige Abhängigkeit von sich zu bringen; sie erlauben ihnen weder Ackerbau noch sonst irgendeine einträgliche Beschäftigung, mit Ausnahme des Sklavenhandels, zu treiben, damit sie zur Bearbeitung der Salzminen gezwungen sind. Dagegen bringen ihnen die Tuareg Getreide und Kleidungsstücke sowie Sklaven vom Sudan, für welche sie aber den Preis entrichten müssen, den ihnen ihre Herren, die Tuareg, abverlangen. Hierher kommen denn auch die grössten Karavanen, die überhaupt die Wüste durchziehen; die Einwohner sprachen von 3 bis 4000 Kamelen, und wenn es auch diese Völker bei Zahlenangaben mit den Hunderten oder Tausenden eben nicht genau nehmen, so mögen immerhin Karavanen von gegen 1000 Kamelen der Wirklichkeit entsprechen. Das Salz wird zum Transport theils in Pulver zerrieben, theils in Formen von Tellern oder Säulenkapitälen gegossen; das in Tellerform ist unrein und mit vielen erdigen Theilen vermischt.

Ausser Salz liefert Kauar keine Producte. Die Dattelpalme trägt hier nur wenige und schlechte Früchte, denn sie bedarf zu ihrem Gedeihen einer jährlichen Durchschnittstemperatur von 21deg. R., die in Kauar, wie zusammenhängende Beobachtungen ergeben würden, wahrscheinlich schon um einige Grade überschritten wird. Als Gemüse dienen den Bewohnern Kürbisse und Wassermelonen, sowie ein Gemisch von Klee und Mlochiablättern. Kleine Schafe ohne, Wolle, verkrüppelte Ziegen, etliche von Bornu eingeführte Rinder bilden nebst dem afrikanischen Kamel den ganzen Hausthierbestand. Nur einige Vornehme halten sich Pferde; Grauschimmel, die vom Norden her eingeführt werden, zieht man den von Bornu kommenden Füchsen oder Braunen bei weitem vor.

Die sesshafte Bevölkerung von Kauar wird nicht über 3000 Seelen stark sein. Es lassen sich zwei Hauptgruppen in ihr unterscheiden: die eine leitet ihren Ursprung von den Kanúri her, die andere behauptet von den Teda, dem Volke von Tibesti, abzustammen. Kanúri nennen sich die Einwohner von Gáru, Kalála, Dirki[46]; Tebu die Ansiedler in den am Fusse des Mogodóm-Gebirges gelegenen Dörfern. Letztere führen sogar ihre Abstammung auf einzelne Familien der Teda zurück; ie zeitweise des Salzhandels wegen in Bilma und Dirki sich Aufhaltenden zählen sich zu den Tamára oder Temaghégra, die Bewohner von Aschenúmma zu den Etmáda, die von Annikímmi und Anay zu den Gunna (Gunda oder Gonda) und Tauia.[47] Die Abkömmlinge der Kanúri wohnen in schmuzigen Häusern aus Erd- oder Salzklumpen, die der Teda in verhältnissmässig saubern aus Stein gebauten Häusern. Uebrigens sind beide Rassen vielfach miteinander vermischt, und beide sprechen gleich geläufig die Teda- wie die Bornu-Sprache.

Während ich in Kalála war, begab sich der Sultan nach dem Norden, um auch die andern Mitglieder der Karavane, mit der ich gekommen, zu brandschatzen. Mit seinem Bruder Maina Adem gerieth er in heftigen Streit, wobei es sich wahrscheinlich auch um Geld handelte. Die beiden armen Gorianer mussten ihm jeder 5 Thaler bezahlen; im Jahre vorher hatte der eine, von ihnen die Reise nach Bornu mit einer starken Karavane gemacht und deshalb beim Durchzuge durch Kauar nur 2 Baschlik (ungefähr 1/2 Thaler) zu entrichten gehabt. Um mich bekümmerte sich der Sultan weiter nicht mehr, als dass er mir seine Abreise und Wiederankunft melden liess. Ohnehin fand ich mich bald voranlasst, von Kalála aufzubrechen, da in der Provinz Bilma das Kamelfutter schlecht und theuer ist. Ich ging nach Schimmedrú zurück, bei welchem Orte oder vielmehr in der dazu gehörigen Hattie vorzügliches Agolkraut wächst, das die Kamele sehr lieben.

[46]Kanùrischer Abstammung sind auch die schwarzen Bewohner der Oasen Agram und Djado sowie die Ureinwohner von Tedjérri.

[47]Die Bewohner von Agger sind Abkömmlinge der Tebu-Desa aus Kanem.


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