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XII. Die Tebu.

Name. Abstammung. Gesichtsbildung. Wohngebiet. Bekehrung zum Islam. Stände. Industrie. Behausungen. Kleidung. Begrüssungsformeln. Staatswesen. Länder und Völkernamen. Ueber die Zukunft des Volks.

Ist auch die Zahl der in Fesan sich aufhaltenden Tebu keine geringe, so können sie doch dort noch nicht als heimisch betrachtet werden; erst mit Kauar hatte ich das Wohngebiet der Tebu und zwar dessen westlichste Grenze erreicht. Es dürfte deshalb hier der Ort sein, etwas näher auf die Eigenthümlichkeiten dieses Volksstamms einzugehen.

Der Name Tebu, wie ihn Barth schreibt, hat sich am meisten bei uns eingebürgert, obwol Nachtigal's Schreibung Tibbu der Aussprache nach richtiger sein mag und die Betreffenden selbst sich weder Tebu noch Tibbu, sondern Teda nennen. Behm äussert darüber in "Land und Volk der Tebu" (Petermann's Mittheilungen, Ergänzungsheft Nr. 8). "Alles dies sind nur Varianten eines und desselben Wortes, die sich im Munde verschiedener Volksstämme gebildet haben." Auch ist es ganz irrelevant, ob das Wort Tibbu oder Tebu von Teda, wie Barth will, oder von Tu, wie Nachtigal will, abgeleitet wird; letzterer sollte consequenterweise daher Tubu schreiben.

Mit ziemlicher Gewissheit können wir annehmen, dass in dem Gebiete, welches das heutige Fesan umfasst, die Garamanten des Herodot und Plinius wohnten, aber weder diese Schriftsteller noch Strabo oder Tacitus, der im IV. Buche seiner "Annalen" einer garamantischen Gesandtschaft erwähnt, sagen uns, ob dieses Volk zur weissen oder zur schwarzen Rasse gehört habe. Ebenso wenig geben die Geographen des Mittelalters, Edris und Leo, hierüber zuverlässige Auskunft. In meinen aus Afrika eingesandten Berichten (Petermann's "Mittheilungen", Ergänzungsheft Nr. 25) habe ich mich dahin ausgesprochen, dass die Tebu der schwarzen Rasse zuzuzählen und mit den Kanúri nahe verwandt seien. Ich kam zu diesem Schlusse durch meine Vergleichung der Sprache beider Völker sowie durch die Beobachtung ihrer Sitten und Gebräuche, zwischen welchen ich mehr Aehnlichkeit fand als zwischen denen der Tebu und Berber. Ausserdem waren mir weit mehr Tebu von dunkler als von heller Hautfarbe zu Gesicht gekommen, und selbst die wenigen hellen Individuen, die ich sah, hatten stets einige entscheidende Merkmale der Neger: krauses Haar und gelbliche Bindehaut der Augen. Gleichwol finde ich mich veranlasst, meine damals ausgesprochene Behauptung zu modificiren. Nachtigal, der die Tebu am genauesten kennen gelernt und im Herzen ihres Landes war, ist geneigt, sie mehr für Berber als für Neger zu halten; er hat, wie es scheint, unter den Bewohnern von Tibesti besonders viel hellfarbige mit sogenannter kaukasischer Gesichtsbildung gesehen. Das Richtige aber dürfte Mannert[48] getroffen haben, indem er sagt: "Die Garamanten sind ehemals wie jetzt eine Vermischung von Negern und Libyern und eben daher von brauner, ans Schwarze grenzender Hautfarbe." Auch der gelehrte Waitz[49] erklärt die Tebu für ein Mischlingsvolk, und derselben Ansicht neigt sich Duveyrier zu, dieser ausgezeichnete Forscher der Sahara, der jedenfalls darin recht haben mag, dass die schwarze Bevölkerung ehemals bedeutend weiter nach Nordafrika hinaufreichte als jetzt.

Der gegenwärtige Stand der Forschung und Beobachtung über die Tebu lässt sich in folgende Punkte zusammenfassen: 1) Es unterliegt wol keinem Zweifel, dass die Tebu dasselbe Volk sind, das von den alten Autoren Garamanten genannt wird. 2) Ob die Garamanten der weissen oder der schwarzen Rasse angehörten, wissen wir nicht. 3) Die heutigen Tebu sind zum Theil von weisslichgelber, überwiegend aber von rothbrauner bis ganz schwarzer Hautfarbe, bei manchen ist sogar die innere Handfläche dunkelschwarz. 4) Alle Tebu haben krauses Haar und gelbliche Bindehaut der Augen, mir wenigstens sind weder Männer noch Frauen mit langem schlichtem Haar, wie es die Berber haben, vorgekommen. 5) Die Teda-Sprache ist aufs engste mit dem Kanúri verwandt. 6) Wir haben also in den heutigen Tebu, will man sie nicht als besondere Rasse gelten lassen, ein aus den Negern Centralafrikas durch Verkehr mit den weissen Bewohnern des nördlichen Afrika entstandenes und entstehendes Mischlingsvolk.

Diesem Mischlingscharakter entspricht auch die Gesichtsbildung der Tebu. Feine europäische oder kaukasische Züge sieht man nicht selten mit tiefschwarzer Hautfarbe vereint. Lyon spricht von Adlernase, schönen Zähnen und Lippen gleich denen der Europäer bei glänzendschwarzer Haut. Hornemann sagt: "Die Tibbo sind nicht ganz schwarz; ihr Wuchs ist schlank, ihr Gliederbau fein, ihr Gang leicht und schnell; sie haben lebhafte Augen, etwas starke Lippen, kleine aber nicht aufgeworfene Nasen, und ihr Haar ist kurz, aber nicht so kraus wie das der Neger." In dem Reisewerke von Denham und Clapperton[50] finden sich sehr verschiedene Schilderungen. Während von den Tibboos in Kisbi gesagt wird "die Nase glich einem Fleischklumpen, der ins Gesicht geklebt war, und die Nasenlöcher sind so geräumig, dass sie die Finger mit Taback so weit sie wollen hineinstecken können", heisst es von den Tebu in Bilma p. 94: "sie waren von besserem Aussehen als die aus den kleinen Städten, einige konnte man schön nennen: die regelmässigen Zähne, weiss wie Perlen, stechen sehr ab gegen das dunkle Schwarz ihrer Haut: die dreieckigen Flechten ihrer Haare, die auf beiden Seiten ihres Gesichtes herabhingen und von Oel trieften, die Korallen in der Nase und die Halsbänder von Bernstein geben ihnen ein verführerisches Ansehen." Und bei den Gunda Tibboos wird bemerkt: "einige Mädchen waren wirklich hübsch gegen die hässlichen Männer; gleich darauf aber: "Kein Gunda Tibboo war über Mittelgrösse, sie sind schlank, gut gebildet, haben scharfe, kluge, kupferfarbene Gesichter, grosse, vorliegende Augen, flache Nasen, grossen Mund und grosse Zähne, die regelmässig aber dunkelroth von dem vielen Taback sind." Nachtigal betont als vorwiegend die Bronzefarbe der Tebu (Rschade) und fährt fort: "Die Nasen sind wohlgebildet, meist gerade, von mässiger Länge, und wenn sich Stumpfnasen finden, so gibt es auf der andern Seite fast ebenso viele Adlernasen, die ich zumal bei den Frauen nicht selten sah. Der Bartwuchs ist spärlich, das Haar länger und weniger wollig und hart als bei den Negern." Er glaubt deshalb sie eher zu den Berbern als zu den Kanúri rechnen zu müssen, steht aber mit dieser Annahme allein. Nach den Beobachtungen aller übrigen Reisenden, die mit Tebu in Berührung gekommen, zeigt ihre Physiognomie weit mehr negerische als berberische Elemente. Ebenso herrscht in ihren Sitten und Gebräuchen grössere Uebereinstimmung mit den Negern als mit den Berbern. Sie tätowiren sich nicht farbig wie diese, sondern machen gleich den Negern Einschnitte in die Haut; der Pflug, dessen sich die Berber beim Feldbau bedienen, hat bei den Tebu, wie bei allen Negervölkern, keinen Eingang gefunden. Dass ihre Sprache mit dem Kanúri-Idiom nahe verwandt ist, wurde schon oben erwähnt.

Das Wohngebiet der heutigen Tebu liegt südlich von Fesan, nördlich vom Tschad-See, östlich von Kauar einschliesslich dieser Oase, und westlich von der sogenannten Libyschen Wüste. Ob sie auch die Oase Kufra, welche seit einigen Jahren wieder bewohnt ist, innehalten, konnte bisjetzt nicht constatirt werden, wie sich überhaupt sichere Kenntniss des Landes nur durch eigene Anschauung europäischer Reisenden gewinnen lässt, denn die Eingeborenen begegnen allen Erkundigungen mit zurückhaltendem Misstrauen. Zudem haben die Tebu viel weniger Sinn für Geographie wie die Araber und Berber: sie wissen viele Berge nicht zu benennen, welche sie jahraus jahrein mit ihren Karavanen passiren, und geben selbst Thälern und Ebenen, Bergen und Uadi in ihrer nächsten Umgebung keinen bestimmten Namen. Noch schwieriger ist es, über die frühern Wohnsitze der Tebu-Stämme etwas zu ermitteln, da sie keinerlei historische Ueberlieferungen, weder schriftliche noch mündliche, besitzen. In Betracht des unleugbar gemeinsamen Ursprungs der Teda und der Kanúri-Sprache könnte vielleicht eine genauere Erforschung des Kanúri-Stammes auf die Spur leiten. Bei den Tebu wie bei den Kanúri heisst "ialla" Nord, "anum" (kanúri) oder "onum", "enom" (teda) Süd. (Die Angabe in Barth's Vocabularien, "ialla" bedeute im Teda West, muss auf einem Irrthum beruhen, denn West nennen die Tebu "di".) Hingegen bezeichnen die Kanúri Osten mit "gedi", die Tebu aber mit "foto" oder "futu", und dasselbe Wort "foto" oder "fute" brauchen die Kanúri für Westen. Nun ist bekannt, dass manche Völker, die ihre alten Wohnsitze verliessen, in den neuen trotz der veränderten Himmelsgegend die frühern Worte zur Bezeichnung der Ortslagen beibehielten; so sagen z. B. die Bewohner von Tidikelt, wenn sie sich nach Timbuktu begeben, sie gingen nach dem Schirg, d. h. nach Osten, während doch Timbuktu südlich von Tidikelt liegt. Vergleichende Forschungen der Art wären möglicherweise geeignet, einiges Licht über die Frage zu verbreiten.

Alle Teda in Tibesti (Tu) sind jetzt äusserlich zum Islam bekehrt, doch haben sie vom Wesen der mohammedanischen Religion wenig oder gar nichts in sich aufgenommen. Die unter den vorgeschriebenen Verbeugungen hergeplapperten Gebete bleiben ihnen unverständlich, denn kaum zehn Teda dürften des Arabischen mächtig genug sein, um die Sprache des Koran verstehen zu können. Selbst ihre Thaleb und Fakih wissen nichts weiter, als auswendig gelernte Gebete herzusagen und ein paar Suraten ohne Kenntniss des Sinnes mechanisch zu schreiben; einen Brief selbst zu verfassen oder auch nur zu lesen sind sie nicht im Stande. Dagegen wurde die bevorzugte Stellung, welche die Frauen bei den Tebu einnehmen, von den Snussi schlau zur Einführung des Islam benutzt, indem sie zuerst an diesen ihr Bekehrungswerk vollzogen und sie dann, um durch das Uebergewicht derselben auf die Männer einzuwirken, lesen und schreiben lehrten. Daher kommt es, dass noch jetzt die Schulen mehr von Mädchen als von Knaben besucht sind. Natürlich geht der Unterricht nicht über die allerersten mechanischen Anfangsgründe hinaus, die Teda-Frau aber ist stolz darauf, eine Schriftgelehrte zu sein, und trägt zum Zeichen dess stets ihre Schreibtafel mit sich, obwol sie bei der Aussprache des Arabischen arge, oft höchst lächerliche Verstösse macht. So sprach unsere Hausfrau in Schimmedrú, die sich für die gelehrteste Frau des Ortes hielt, "Bi'sm Allah" (im Namen Gottes) wie "Bi smin Allah" (in der Butter Gottes) aus, zum grossen Gaudium meiner arabischen Diener. Mohammedanische Vielweiberei gehört hier noch zu den seltenen Ausnahmen. Man verheirathet sich in sehr jugendlichem Alter und schliesst die Ehe vor einem Fakih, hier "Mallem" (Meister) genannt, durch mündliche Erklärung. Ein schriftlicher Heirathscontract wird nicht aufgesetzt. Auch sonst finden bei der Hochzeit keine besondern Ceremonien statt, so wenig wie bei den Geburten und Begräbnissen.

Der socialen Geltung nach ist das Volk in drei Klassen geschieden. Die erste Klasse bilden die Maina, d. h. die Edeln. Aus ihr gehen die Sultane hervor. Die Mama nehmen ungefähr denselben Rang ein wie die Schürfa und Marabutin bei den Arabern, besitzen aber nicht so grossen Einfluss wie diese, bei welchen mit dem Geburtsadel sich noch der religiöse Nimbus verbindet. Zur zweiten Klasse gehört das ganze übrige Volk mit Ausnahme der "ássebai-tóbi" und "duti" (nach Bart "asé und "duti"), d. h. Waffenschmiede. Letztere machen eigenthümlicherweise für sich allein die dritte Klasse aus. Wie die Juden in Marokko ganz abgesondert von der übrigen Bevölkerung lebend und sich nie durch Heirathen mit ihr vermischend, stehen sie einerseits in einem gewissen Ansehen, während sie andererseits tief verachtet sind. Wenn in Krankheitsfällen der Mallem (Fakih) keinen Rath mehr weiss, dann nimmt man seine Zuflucht zum Schwertfeger, und auch die Frau desselben (nach Barth "asélú") wird als Orakel befragt; einen Schmied schlagen oder tödten gilt für ein schweres Verbrechen, oder vielmehr für einen Act grösster Feigheit. Aber kein Tebu würde mit einem Waffenschmied aus einer Schüssel essen, oder unter seinem Dache schlafen, oder gar seine Tochter heirathen; ja, einen Tebu "ássebai-tóbi" heissen ist eine infamirende Beleidigung, die nur mit Blut gesühnt werden kann. Ich habe vergebens nach den Ursachen dieser sonderbaren Verhältnisse geforscht. Wären die Schmiede vor langen Zeiten eingewanderte Fremdlinge, etwa Juden, welche die Erinnerung an ihre Religion verloren haben, so müssten sie sich doch äusserlich von den Tebu unterscheiden, was aber nicht der Fall ist, und weder sie selbst noch andere Eingeborene nehmen an, dass sie von fremder Abkunft seien.

Die Schmiede verfertigen nicht blos Waffen: Degen, Spiesse, Schangermangore (Wurfeisen), Bogen und Schilde, sondern auch Schmucksachen in Silber und Gold, freilich von roher, kunstloser Arbeit. Von sonstiger Industrie kann bei den Tebu wol kaum die Rede sein. Die Frauen flechten einfache Matten aus Palmblättern; die Männer bereiten aus Knochen und Dattelkernen Theer und gerben mit der Rinde der Geredh-Akazie die Felle zu ihrer Kleidung wie zu den Wasserschläuchen; auch die Kamel- und Pferdesättel verfertigen sie sich selbst. Vortheilhaft zeichnen sich die Tebu vor den Arabern und Berbern durch die Reinlichkeit in ihren Wohnungen aus. Der Fussboden ist mit frischem Sand bestreut und wird nie von Ziegen oder Schafen betreten. Nach Nachtigal gibt es in Tibesti dreierlei Behausungen: Höhlen im Sandsteinfels, die aber licht und luftig gemacht werden; runde, von Steinen geschichtete und mit Mimosen- oder Palmzweigen bedeckte Häuser, wie sie in Kauar am gebräuchlichsten sind; drittens die sogenannten Kabei, 10 Fuss lange und 45 Fuss breite Hütten aus Talha-Stäben, mit Matten von Dumpalmzweigen behängt.

Die Kleidung sowol der Männer wie der Frauen ist äusserst einfach. Die wohlhabenden Männer tragen Hosen von Sudankattun, darüber die sogenannte Tobe, oder auch nur ein Kattunhemd, und auf dem Kopfe den rothen Fes, oder sie wickeln einen Turban derart um Kopf und Gesicht, dass nur ein schmaler Spalt für die Augen frei bleibt. Somit gehören die Tebu zu den Völkern, welche die alten arabischen Schriftsteller "Melathemin", das heisst Schleiertragende nennen. Melathemin sind alle Bewohner der Grossen Sahara: die Tuareg, die Bewohner von Rhadames, von Ain-Salah, von Rhit, auch die nomadisirenden Araber von Tuat, wogegen die Araber und Berber, welche sich nicht dauernd dort aufhalten, keinen Schleier vors Gesicht zu nehmen pflegen. Wahrscheinlich zuerst als nothwendiger und wirksamer Schutz bei heftigen Sandstürmen angewendet, wurde das Verschleiern zur beständigen Gewohnheit. In diesem Ursprung der Sitte mag auch der Grund zu suchen sein, warum die Tebu-Frauen, welche fast nie ihre Männer auf den Reisen durch die Wüste begleiten, das Gesicht unverschleiert lassen. Unter der armen Bevölkerung gürten die Männer blos ein Ziegen- oder Schaffell um die Lenden. Knaben bis zu zehn Jahren, das heisst bis zur Pubertät gehen ganz nackt. Allgemein und in grosser Menge werden Ledersäckchen mit Koransprüchen als Amulete getragen, am Turban oder Fes, an den Armen und Beinen, um den Hals, am Schwert, Spiess und Bogen, kurz wo man sie nur immer anbringen kann; sogar die Pferde und Kamele behängt man damit zur Wahrung gegen den bösen Blick oder sonstigen Schaden.

Das Hauptkleidungsstück der Frauen ist ein längliches meist blaues, doch auch buntgestreiftes Stück Kattun, welches sie derart um den Körper schlingen, dass der Kopf mit verhüllt wird, die Arme und Unterbeine aber sowie ein Theil des rechten Busens entblösst bleiben. Zwei bis drei Spangen aus Elfenbein oder Horn, Achat oder Kauri-Muscheln zieren den Arm, Metallringe aus Silber oder Kupfer die Knöchel der Füsse, und eine Schnur europäischer Glasperlen umgibt den Hals. In dem durchbohrten rechten Nasenflügel hängt ein cylindrisches Stück Koralle von 1 Centimeter Durchmesser und 5-6 Centimeter Länge, oder in Ermangelung von Korallen ein Stück Elfenbein oder Knochen, ja wie Nachtigal erzählt, begnügte sich die Gemahlin des Sultans von Tibesti mit einem Dattelkern.

Ganz eigenthümlich ist die Begrüssungsceremonie der Tebu. Begegnen sich zwei Bekannte auf der Strasse, so sitzen sie, in zehn Schritt Entfernung nieder, den Spies aufrecht in der Hand haltend. Der eine ruft:. "Lahin kennaho", der andere erwidert: "Getta inna dünnia", worauf beide gleichzeitig "Lahá, Lahá, Lahá" ausrufen, je höflicher sie, sein wollen desto öfter. Endlich gehen sie aufeinander zu und drücken sich stark die Hand, ohne sie jedoch, wie es bei den Arabern Sitte ist, zu küssen. Dabei sagt der vorhin Angeredete. "Getta inna dünnia", während der andere versetzt: "Lahin kennaho", und wieder folgen von beiden Seiten unzählige "Lahá, Lahá, Lahá". Der Abschiedsgruss lautet: "Temesches" (wol aus dem Arabischen), die Erwiderung: "Killa-hade". Im Hause grüsst der Eintretende mit "Labarako" (arabisch), was mit "Labara-Lahá" beantwortet wird. Ausserdem werden häufig einzelne Höflichkeitsworte, wie "Killahá, Killahenui, Killa-Allahá" u. s. w., in die Rede eingeschoben.

Unter den Waffen verdient der Medjri oder Schangermangor, mit welchem Namen er uns zuerst durch die Araber bekannt geworden, besondere Erwähnung. Er gleicht einem Fleischermesser von etwa 1 Fuss Länge, aus dem noch ein oder zwei spannlange Klingen hervorstehen, und wird sowol als Wurf- wie als Hauwaffe benutzt. Verfertigt wird er nach Nachtigal in Borgu, Uadai und Ennedi, sowie er auch nur bei den ostafrikanischen Völkern im Gebrauch ist. So fand ihn Schweinfurth bei den Munbuttu und Bongo, ebenso Heuglin, Hartmann und andere bei den Stämmen der östlichen Negerländer. Bei den Kanúri findet er sich noch häufig in den östlichen Gebieten, seltener in den westlichen, und bei den Haussa verschwindet er schon ganz. Es scheint also der Gebrauch dieser Waffe bei den Tebu darauf hinzudeuten., dass sie einst östlich vom Tschad-See ansässig gewesen. Mit den Tuareg und andern Wüstenvölkern haben sie den Armdolch gemein, der, ohne Griff 3-4 Zoll lang, mit der Spitze nach oben, mit dem Griff gegen die Hand geneigt, an der innern Seite des linken Vorderarms getragen wird. Ausserdem haben sie ein breites, gerades Schwert mit Kreuzgriff, meist solinger Fabrikat, eine 8-9 Fuss lange Lanze von Akazienholz mit eiserner Spitze von 1/2-l Fuss Länge, einen 5-6 Fuss langen Wurfspeer und einen runden oder ovalen Lederschild. Die Bemitteltern sind selbstverständlich auch im Besitz von Schiesswaffen.

In Ermangelung irgendwelchen geschriebener Gesetze beruht die gesellschaftliche Ordnung zusammt der Rechtspflege lediglich auf Herkommen und Ueberlieferung. Seit Einführung des Mohammedanismus hat sich neben den weltlichen Richtern die Geistlichkeit eines Theils der Gerichtsbarkeit zu bemächtigen versucht, doch dürfte noch geraume Zeit vergehen, ehe die Geistlichen hier zu der Macht gelangen, die sie in andern mohammedanischen Staaten ausüben. Die Sultane, welche den Titel Derde (pl. derda, nach Barth dirde-bui) führen, werden auf Lebenszeit aus der Klasse der Maina gewählt. Ihre Machtvollkommenheit ist eine besschränkte, grösser oder geringer je nach den persönlichen Eigenschaften des jedesmaligen Regenten. Sie dürfen keine Reichthümer besitzen und haben keine andern Einkünfte als einen Antheil an der Beute der Rasien, an dem von durchziehenden Karavanen erhobenen Zoll und an den Geschenken der Reisenden. Steuern werden im Lande nicht entrichtet. Nach Nachtigal schenkt das Volk dem neugewählten Derde als Aussteuer ein Zelt, einen Teppich, einen Burnus und einen Tarbusch.

Herodot sagt von den Garamanten: "Sie fliehen vor jedem Menschen, meiden jedermanns Gesellschaft, und da sie keine Kriegswaffen besitzen, wissen sie sich nicht zu vertheidigen." Den muthmasslichen Nachkommen der Garamanten, den Tebu, fehlt es nun zwar, wie oben gezeigt worden, keineswegs an Waffen, aber auch sie werden allgemein der Feigheit beschuldigt. Und ebenso feig wie vor dem Feinde sollen sie grausam gegen Wehrlose sein; man sagt, dass Sklaven, die an Tebu verkauft waren, sich lieber den Tod gaben, als solchen Herren in die Hände fielen. Ihre diebischen Gelüste heben Mohammed Tunesi, Hornemann, Lyon und andere Reisende hervor.

Nachtigal, der die intimste Bekanntschaft mit ihnen gemacht, entwirft ("Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde", Band V) folgendes Bild ihres Charakters: "Sie sind energisch, ausdauernd, mässig, gewandt und waffenkundig, rastlos reisend oder raubend; verständig, berechnend, egoistisch, habsüchtig, geizig, lügnerisch, verrätherisch, wild, gefühllos und grausam; ungemüthlich, eitel, stolz, zanksüchtig und zornmüthig; aristokratisch, ungebunden, ja zügellos, misstrauisch und fanatisch. Diesen schönen Eigenschaften könnte man noch die Feigheit hinzufügen, denn diese ist hervortretend bei ihnen."

Ueber die Geschichte der Tebu, soweit eine solche geschrieben werden kann, gibt die vortreffliche Monographie von Dr. Behm: "Land und Volk der Tebu" (Petermann's "Mittheilungen", Ergänzungsheft Nr. 8), erschöpfende Auskunft, und bezüglich der Topographie des von ihnen bewohnten Landes sei auf meinen Bericht in Petermann's Mittheilungen", Ergänzungsheft Nr. 25 und auf Nachtigal's Ergänzungen und Berichtigungen dazu verwiesen. Hier führe ich einige Länder und Völkernamen an, deren sich die Tebu in ihrer Sprache bedienen. Fesan nennen sie "Djela" (wahrscheinlich aus Zuila, wie die frühere Hauptstadt Fesans hiess, entstanden), die Fesaner "Kikena", die Berber "Amo-Túggui", die Tuareg "Ibórde", die Araber "Jogóda", die Türken "Türko" oder "Erdi" (d. h. Heide, Feind), die Christen ebenfalls "Erdi" oder mit dem arabischen Namen "Nssara" (Plur. von "Nsrani", der Nazarener), die nördlich von Tu wohnenden Völker, eigentlich wol nur die Bewohner der Oasen von Djalo und Audjila, "Aino-Mogatna", Kauar Hénderi-Tege (nach Nachtigal "Enneri-Tuge") und die Bewohner "Amo-Tege", Uadjanga "Enneri" und die Bewohner "Amo-Anno", die Bewohner von Kanem "Amo-Konem", die von Borgu "Amo-Borgu" (nach Nachtigal "Amo-Ano"), die Haussaner "Amo-Afono" ("áfono", wahrscheinlich ein berberisches Wort, das in Sokna und in ganz Fesan sehr gebräuchlich ist und sich auch ins Arabische eingebürgert hat, bedeutet "schlecht"; "Nas afnin", schlechte Leute, ist ein in ganz Tripolitanien oft gebrauchter Ausdruck), die Uadaier "Amo Morka". Nach Nachtigal nennen sie die Bornuer wie die Berber "Amo-Tugui", auch "Tuguba" oder "Anna-geni".

Die Tebu haben sich bisher durchaus unfähig bewiesen, eine Nation oder einen Staat zu bilden. Sie wohnen zwar in Ortschaften beisammen, aber nirgends entwickelte sich ein festes, geordnetes Gemeinwesen, und auch wo, wie in Kauar, mehrere Ortschaften unter einem gemeinsamen Herrscher stehen, ist doch der Verband ein so lockerer, dass man kaum den Begriff einer staatlichen Organisation darauf anwenden kann. Noch trostloser gestalteten sich die Verhältnisse in der längsten Zeit durch Einführung der mohammedanischen Religion, welche den letzten schwachen Rest von staatlicher Autorität untergräbt, ohne etwas anderes an die Stelle zu setzen. Denn der Mohammedanismus will keine Nation, er will nur Gläubige und überlässt den Fakih oder Mallem, durch Nährung von Unwissenheit und Aberglauben die Leute zu beherrschen. So scheint es, dass auch der Zukunft dieses Volkes kein günstiges Prognostikon zu stellen ist.

[48]Mannert, Geographie der Griechen und Römer, X, 573.

[49]Waitz, Antbropologie der Naturvölker, II, 14 u. 15.

[50]Deutsche Ausgabe (Weimar 1827).


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