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XIII. Das Ende der Grossen Wüste.

Abreise von Kauar. Der Brunnen Muskatnu. Die Tinger-Tinger-Ebene. Sau gana und Sau kora. Beginn der Vegetation. Die Dibbela-Oase. Versteinerungen. Die Oase A'gadem. Die Tintümma-Steppe. Jagd auf Antilopen. Verrath eines Búlguda. Am Brunnen Belkaschíari.

Vergebens hatte ich in Schimmedrú auf den Abgang einer Karavane gewartet; seit fünf Monaten war kein Mensch, keine Nachricht von Bornu in Kauar angelangt. Ich entschloss mich endlich, einen Führer nach Kuka zu dingen und dem Manne, der sich dazu bereit finden liess, Namens Maina Jusko, den geforderten hohen Preis von 60 Mariatheresienthaler zu bewilligen. Am 21. Juni war alles zur Abreise gerüstet. Ausser den vier Dienern, die ich von Fesan mitgebracht, hatte ich einen freigelassenen etwa 17jährigen Sklaven bei mir, der flehentlich bat, mich bis in sein Vaterland begleiten zu dürfen, was ich ihm unter der Bedingung gestattete, dass er stets eine Doppelflinte tragen sollte, und den türkischen "Memfl" (so heissen die von den Türken nach Fesan verbannten Sträflinge) Ali, der in Mursuk von mir befreit worden war. Ferner schlossen sich mir an: ein Marabut und Sklavenhändler aus Gatron mit zwei Dienern und ein vornehmer Tebu, Namens Kalli, ebenfalls ein Menschenverkäufer, mit zwei Dienern. Mit mir und dem Führer zählte also unsere Karavane im ganzen 13 Köpfe.

Der Aufbruch konnte erst bei vorgerückter Tageszeit erfolgen. Wir kamen daher nur bis Gobódoto, einem kleinen Ort der Tebu-Desa in Agger, und lagerten dort zwischen Talha-, Geredh-, Dum- und Palmbäumen. Auf einen der angenehmsten Mondscheinabende folgte in der Nacht ein Sturm, der uns die Zelte über dem Kopfe wegriss.

Noch ganz mit Staub bedeckt setzten wir andern Tags unsern Marsch fort und erreichten nach vier Stunden Kalála, wo ich in meine alte Wohnung einkehrte. Kaum waren wir angekommen, als der Sultan mich mit seinem Besuch überraschte. Er entschuldigte sich wegen der frühern Vorkommnisse und behauptete, mein Diener Abd el Kader habe ihn bei mir verleumdet, er sei stets bereit gewesen, mir Dienste zu erweisen. Abd el Kader nahm jedoch diese Anschuldigung nicht schweigend hin, sondern replicirte heftig und nannte den Sultan in Gegenwart seiner Unterthanen, welche der für ihn so erniedrigenden Scene mit grösster Gleichgültigkeit beiwohnten, einen Lügner und Wortbrecher. Schliesslich ersuchte mich der Sultan, ihm eine schriftliche Bescheinigung auszustellen, dass mir in seinem Reiche nichts Uebles widerfahren sei. Ich schrieb einen Schein in deutscher Sprache, worin ich erklärte, von seiten seiner Unterthanen seien meiner Reise keine ernstlichen Hindernisse in den Weg gelegt worden, er selbst aber habe sich grob und ungeschliffen gegen mich benommen. Zufrieden steckte er das, wie er natürlich glaubte, sehr belobigende Zeugniss ein, jedenfalls mit der Absicht, es durch seinen Sohn in Tripolis überreichen zu lassen, wenn er diesen das nächste mal zum Sklavenverkauf dorthin senden wurde.

Die übrige Zeit des Tages wurde zu allerhand Einkäufen benutzt; namentlich liess ich einen tüchtigen Vorrath Salz anschaffen, da weiter nach Süden diese unentbehrliche Würze gar nicht mehr zu haben ist. Früh am folgenden Morgen fand sich der Sultan abermals vor unserer Wohnung ein, um mir noch Zündhölzchen, Spiegel, Nadeln u. s. w. abzubetteln. Meiner Weisung gemäss liessen ihn aber die Diener nicht eintreten; ja sie verhöhnten ihn, als er mit leeren Händen abziehen musste, den Gatroner ausgenommen, der vor einem König, auch einem ohne Reich und Macht, stets grossen Respect bezeigte.

Nachmittags 4 Uhr brachen wir auf, und bald lag das grüne Kauar hinter uns. Im Osten, am Südende des Mogodóm, erblickten wir den Ort Alt-Garo, jetzt nur noch ans dem Brunnen Gissidi bestehend, und weiter östlich, etwa sechs Stunden entfernt, die Felsen von Braun, an deren Westabhange der Brunnen gleiches Namens sich befindet. Nachdem wir vor Muskatnu drei von Osten nach Westen streichende Sanddünen überstiegen hatten, erreichten wir um 71/2 Uhr diesen Brunnen und lagerten an demselben. Sein Wasser steht 2-3 Fuss unter der Oberfläche des Bodens.

Schon um 3 Uhr morgens marschirten wir am 24. Juni ab, im allgemeinen die Richtung von 160deg. einhaltend. Ungeheuere Sandmassen, steile, oft 100 Fuss hohe Dünen, die auch hier mit bald mehr nördlicher, bald mehr südlicher Abweichung von Westen nach Osten ziehen, machten den Marsch für die Kamele äusserst beschwerlich. Indess darf man sich andererseits vom Sande der Wüste keine übertriebenen Vorstellungen machen, wie sie durch die phantastische Schilderung mancher Reisenden in Europa verbreitet worden sind. So heisst es in dem Reisewerk von Denham und Clapperton S. 93: "Ist man an dem Hügel vorbei, der ihn (den Fussgänger) den Blicken verbarg, so richtet man das Auge angestrengt nach dem Flecke, wo er verschwand, um sich zu überzeugen, dass er nicht in dem verrätherisch überschüttenden Sande begraben wurde." Das ist pure Erfindung. In Sebcha-Boden kann allenfalls jemand versinken und begraben worden, aber nie im Sande, der je tiefer desto fester liegt. Bei dem gewöhnlichen grobkörnigen Sande ist schon ein Einsinken bis an die Knie unmöglich, aber auch in trockenen Kalkstaub könnte ein Mensch nur da versinken, wo darunter sich Sebcha oder vom Wasser durchtränkter Triebsand befindet. Der Sandstein ist hier reich an Fossilien, namentlich sah ich viele Abdrücke von Ammonshörnern sowie eine Unmasse geschwärzter glasiger Steine von der Grösse einer Erbse bis zu Faustgrösse, inwendig hohl, theils leer, theils mit feinem weissen Sand gefüllt, obgleich keine Oeffnung wahrzunehmen ist. Um 6 Uhr morgens ward in der Entfernung von zwei bis drei Stunden östlich der Kudofússo-Berg sichtbar, und um 71/2 Uhr betraten wir die Tinger-Tinger-Ebene, einen platten, in meist regelmässige Fünf- oder Sechsecke zerklüfteten Boden. Als wir sie überschritten hatten, rief uns der an der Spitze des Zugs marschirende Führer zu, es sei eine Gofla in Sicht. Beim Näherkommen ergab sich, dass es eine kleine von Kuka kommende Karavane der Tebu-Desa war, nicht stärker als die unserige, die Getreide, Fische, Fleisch, Butter nach Kauar zu Markte brachte. Ich wollte einiges davon einhandeln, aber man forderte zu enorm hohe Preise; überdies haben die getrockneten halb faulen Fische aus dem Tschad-See nichts Verlockendes für einen europäischen Magen, während die Tebu, wie auch Barth erwähnt, sie sehr lieben. Die Tageshitze nöthigte uns, von 9 Uhr bis 3 Uhr nachmittags zu gielen. Ich musste jetzt den tiefen Sand zu Fusse durchwaten, denn mit einem Reiter auf dem Rücken hätte mein Kamel die steilen Sanddünen nicht herauf- und hinabzuklimmen vermocht. Um 6 Uhr zeigte sich gerade westlich von uns in circa sieben Stunden Entfernung der vereinzelte Tschu-Berg, und durch eine schmale Rinne gelangten wir um 7 Uhr in das vegetationsreiche Sau gana (Kleines Sau), dessen von der Strasse abliegender Brunnen bisweilen auch von Karavanen aufgesucht wird. Wir marschirten aber noch zwei Stunden weiter über die Sanddünen bis in das Sau kora, (Grosses Sau) und lagerten um 91/2 Uhr in der Nähe des Brunnens. Auch hier stand das Wasser 2-3 Fuss unter der Bodenfläche. Nachts kreisten eine Menge Hyänen mit entsetzlichem Geheul um unser Lager, doch hielt mein braver wachsamer Hund die trotz ihrer Wildheit sehr feigen Bestien durch sein Bellen und Anspringen in respectvoller Entfernung. Es war mir ein willkommenes Zeichen, dass wir aus demjenigen Theil der Sahara, der von aller Flora und Fauna entblösst ist, in eine belebtere Region eintraten. Man kann in dieser Beziehung von Kauar südwärts drei ziemlich scharf gesonderte Zonen unterscheiden: 1) die fossilienreichen Ade-Dünen, im Norden vom Mogodóm-Gebirge, im Osten von der hohen Hammada, im Süden von dem eigenthümlichen Geisigger Gebirge begrenzt; 2) die weiten krautreichen Ebenen am Ausgang der Sahara, von denen die Tintümma die grösste ist; 3) den grossen Mimosenwald, der sich bis in den Tschad-See ausdehnt und auf dessen Boden auffallenderweise nicht das kleinste Steinchen zu finden ist.

Die Vegetation, die hier beginnt, hat einen ganz andern Charakter als die, welche der von Norden kommende Reisende bisher gesehen. Vor allem erfreut der Suak- oder Siuakbaum (Salvadora persica L., oder Capparis sodata, von den Kanúri "tigi", von den Teda "ami" genannt) das Auge mit seiner grünen saftigen Blätterfülle. Seine Früchte haben einen angenehmen säuerlich süssen Geschmack. Wie Duveyrier erzählt, wird nach den religiösen Büchern der Mohammedaner den aus seinem Holze gefertigten Zahnstochern eine besondere heilbringende Wirkung zugeschrieben, während die Blätter für ein Antisyphiliticum gelten und unter dem Namen "ras el hanut" (Kopf der Bude) in den Handel kommen.

Am 25. Juni verliessen wir um 3 Uhr nach mittags den Lagerplatz. Wir hielten uns noch etwas mehr östlich, etwa in der Richtung von 150deg. und hatten wieder Dünen und Sandberge in grosser Menge zu überwinden, wobei ein Kamel des Tebu Kalli den Anstrengungen erlag. Inmitten dieses Sandmeeres sprosst indess hier und da ein einzelner Grashalm auf, zum Beweis, dass dieser Theil der Wüste doch bisweilen durch Regen befeuchtet wird. Der ganz oder fast ganz regenlose Theil ist die Strecke zwischen Sokna und Sau; dort zeigt sich allerdings, die Oasen ausgenommen, nicht die schwächste Spur von Vegetation.

Folgenden Tags früh 41/2 Uhr ging es in der Richtung von 210deg. weiter, immer noch durch Sand und über zahlreiche Dünen. Um 8 Uhr erblickten wir 11/2 Stunden östlich von uns den Aschtedáua-Berg, und um 91/2 Uhr wurde bei dem vereinzelt wie ein "Zeuge" aus dem weiten Sandmeer hervorragenden Etjúkoï-Felsen halt gemacht. Er besteht wie alle diese Berge aus geschwärztem Sandstein und dient den Reisenden als Wegweiser, indem er die Hälfte des Weges zwischen Sau und Dibbela bezeichnet. Als die heissesten Tagesstunden vorüber waren, setzten wir um 31/2 Uhr unsern Marsch in gerader Südrichtung fort. Die Vegetation wird nach und nach merkbarer, schon erscheinen ganze Flächen von weitem gesehen wie mit grünem Rasen bedeckt. Allein Sand und Dünen nehmen noch keineswegs ab, und schon um 71/2 Uhr waren Menschen und Thiere so ermüdet, dass wir beim Etjúkoï-tilo, einem gleichfalls einzeln stehenden Berge, ein paar Stunden Rast halten mussten. Um 1 Uhr nachts gingen wir in der Richtung von 190deg. wieder vorwärts. Nun endlich verloren sich nach und nach die Dünen, und wir kamen in die sandige, jedoch nicht vegetationslose Ebene Ndaláda. Nach viertägigem Waten und Stampfen im Sande konnte ich um 7 Uhr morgens zum ersten mal wieder mein Kamel besteigen, eine Wohlthat für mich, denn meine Kräfte hätten kaum länger standgehalten. Um 8 Uhr sahen wir östlich von uns den GéisiggerTjinti-Berg (bei Denham "Gaisgae" genannt), wo die von Dibbela kommenden Karavanen zu lagern pflegen, und bald darauf nöthigte uns die Hitze zum Gielen.

Der Tebu Kalli und der Marabut aus Gatron gingen voraus, um den nicht sehr fernen Dibbela-Brunnen zu recognosciren. Wir andern folgten um 2 Uhr 20 Minuten. Nachdem wir die Tetráska-Felsen in einem Bogen nach Süden zu umgangen, gelangten wir zur Dibbela-Oase und lagerten um 51/2 Uhr bei den Wasserlöchern. Das Wasser, in 2-3 Fuss Tiefe, ist in den Löchern unmittelbar am Gebirge etwas brakisch, in den mehr nach Westen gelegenen süsser. Die Vegetation von Dibbela gleicht der von Sau, doch gibt es hier viele Dum-Palmen, und ein hohes Gras bietet gute Kamelweide. Alle die einzelnen Berge ringsum, von der gewöhnlichen gleichen Höhe, bildeten sicher ehedem ein zusammenhängendes Ganzes, indem die jetzigen Zwischenräume mit Sand ausgefüllt waren, und haben deshalb mit Recht einen gemeinsamen Namen das Géisigger-Gebirge. Ich sah hier den ersten Granit in der Wüste, vorherrschend aber bleibt Sandstein und Kalkformation. Unter den zahlreichen Bildungen fielen mir zwei Formen besonders auf weisse, graue und schwarze, 1-2 Decimeter lange glasige Röhren, von aussen rauh und körnig, inwendig, glatt, an einem Ende mit einem Wulste gleich einem korinthischen Säulencapitäl versehen; und grobkörnige Blätter von 4-5 Centimeter Breite und 6-7 Centimeter Länge, in deren Mitte ein Stiel erkennbar zu sein scheint, sodass ich sie, wären die Stücke nicht von oben bis unten gleich breit, für versteinerte Farrn halten möchte. Denham sagt in seinem Reisewerke von diesen Versteinerungen: "Wir fanden im Sande einige röhrenartige, hohle, korallenförmige Formationen, sie schienen erst kürzlich gebildet und sind offenbar entstanden durch die Einwirkung von Wind und Regen auf den Sand." Ich theile jedoch nicht seine Ansicht, glaube vielmehr entschieden, dass solche Gebilde nur unter Wasser oder durch Feuerkräfte entstehen konnten. Zittel hält diese in der ganzen Sahara häufig vorkommenden Bildungen für nichts anderes als Blitzröhren.

Am nächsten Morgen nahm ich in einem der vielen, freilich nur den Umfang einer mässigen Tonne habenden Wasserlöcher ein Bad, ungeachtet der zahllosen Mücken, die sich tagsüber darin aufhalten. Während unsere Hausfliege zwischen Kauar und Bel Kaschífari ganz fehlt und auch in Kauar bei weitem nicht so häufig ist wie in den nördlichen Oasen Fesan, Tuat, Tafilet und Draa, wo sie durch die süssen Datteln herbeigelockt wird, finden sich Mücken noch südlich von Kauar in allen Brunnen, aus denen sie nachts herausschwärmen und Menschen wie Thieren mit ihren Stichen den Schlaf rauben. Zum Schutz gegen sie hatte ich mir aus einem Turban, der ja gegen 40 Ellen dünnen Florgewebes enthält, eine namussía zusammengenäht, ein Netz, mit dem ich des Nachts den ganzen Körper umschloss.

Nachmittags 31/2 Uhr zogen wir in gerader Südrichtung, die Tjigrin-Felsen, die letzten Ausläufer des Geisigger-Gebirges, links lassend, durch eine grossgewellte, zwar sandige, doch nicht ganz vegetationslose Ebene weiter, und um 91/2 Uhr abends wurde gelagert.

Auch am folgenden Tage, an welchem wir morgens 41/2 Uhr aufgebrochen waren, ging der Marsch gerade südwärts. Der gewellte Boden ist schon dichter mit Gras bedeckt, auch die Had-Pflanze tritt häufig auf. Und nicht allein das Pflanzenreich fängt an sich zu entfalten, zahlreiche Spuren von Antilopen, Gazellen und Hyänen, einzelne Raben, Aasgeier und kleine Singvögel deuten an, dass wir uns am Ausgang der Grossen Sahara befinden. Nachdem wir von 9 Uhr morgens bis 3 Uhr nachmittags gerastet hatten, marschirten wir noch bis abends 9 Uhr und lagerten dann angesichts der Berge von A'gadem. Unterwegs hatte ich wieder haufenweis Versteinerungen und Muscheln gesehen, desgleichen einige korkzieherartig gewundene Antilopenhörner von 2-21/2 Fuss Länge.

Die Gegend wird durch Tebu, die hier jagen, bisweilen auch durch räuberische Tuareg unsicher gemacht. Meinem Diener Abd el Kader, dem Teufelaustreiber, erschien deshalb unsere gewöhnliche Nachtwache kein genügender Schutz, er zog, allerlei Gebete murmelnd, mit seinem Zauberstabe einen weiten Kreis um das Lager. Solche Beschwörung, arabisch "ihelgu", (sie beschwören), hält nicht blos, glaubt man, Räuber und Diebe, böse Geister und wilde Thiere vom Lager fern, dasselbe soll dadurch sogar unsichtbar werden. Von Räubern, Dieben und Geistern wurden wir nun allerdings nicht behelligt; gegen Bestien aber muss der Zauber wirkungslos geblieben sein, denn trotz des magischen Kreises kamen die Hyänen dicht an das Lager heran und störten uns durch ihr unaufhörliches Geheul. Im Süden wetterleuchtete es zur Nacht, ein sicheres Zeichen, dass in den Tropen die Regenzeit eingetreten war.

Am 30. Juni langten wir nach einem vierstündigen gerade südwärts gerichteten Marsch am Fusse der Berge an, welche die Oase A'gadem in Nordost und Ost begrenzen. Wir überschritten den Pass, gingen ohne Aufenthalt am Nordbrunnen vorbei und lagerten nach zwei weitern Marschstunden um 10 Uhr am Südbrunnen zwischen dichtem Suakgebüsch. Durch die frischen Fussspuren mehrerer Menschen und eines Kamels zur Vorsicht gemahnt, schickten wir den Führer Maina Jusko auf dem Pferde Kalli's als Kundschafter aus. Er kehrte nach ein paar Stunden zurück in Begleitung einiger Tebu, die sich Búlguda nannten und angaben, sie hätten sich, acht Mann stark, beim Bergbrunnen eine Hütte gebaut, um eine Zeit lang in der Oase zu jagen und Fleisch an durchziehende Karavanen zu verkaufen; auch uns wollten sie Antilopenfleisch liefern, soviel wir brauchten, wenn wir einen oder zwei Tage dablieben. In der That hatten wir schon mehrere grosse Heerden weisser schnellfüssiger Antilopen gesehen.

A'gadem ist wegen seiner reichen Vegetation ein anziehender Ruhepunkt für Karavanen, aber zugleich, wie schon bemerkt, wegen der herumschweifenden Tuareg und Tebu ein gefährlicher Aufenthalt. Auch Denham schreibt: "A'gadem ist viel besucht, doch kleine Kafila (Gofla, Karavanen) und Reisegesellschaften fürchten dies Thal, da Freibeuter aller Art dorthin kommen." Had in Fülle nebst verschiedenen Grasarten, darunter Akresch, geben den Kamelen ausgezeichnete Weide. Ferner wachsen hier Geredh-, Talha-, Dum- und Suak-Bäume. Von vierfüssigen Thieren gibt es Hyänen, Antilopen und Gazellen in beispiellosen Menge; von Vögeln sind ausser kleinen Singvögeln, die jedoch nur kurz vor und nach Sonnenuntergang singen, Raben, Aasgeier und Falken häufig. Da die Karavanen seit Jahrhunderten immer auf denselben Plätzen zu lagern pflegen, haben sich dort Massen von Thierüberresten und von Kamelunrath angehäuft, und infolge dessen wimmelt es an solchen Orten von Insekten, die auch uns sehr lästig wurden; Scharen weisser Ameisen drangen in alle unsere Sachen und Essvorräthe ein, und die Mistkäfer waren nicht aus den Zelten zu verbannen. Der Südbrunnen, wie alle Brunnen A'gadems 12 Fuss tief, hat sehr süsses, aber trübes Wasser. Man erzählte mir, im Winter zuvor seien zwei Sklaven, die, mit einer Karavane aus der Tintümma-Steppe kommend, von Durst gefoltert zu dem Brunnen vorauseilten, hineingestürzt und todt darin gefunden worden. Etwas weiter nördlich ist eine Natrongrube, und keine durchziehende Tebu-Karavane unterlässt, Vorrath daraus mitzunehmen, denn die Tebu kauen leidenschaftlich gern Taback und Natron. Für mich waren die Abende in der A'gadem-Oase die angenehmsten, die ich in der Sahara verlebte. Das steil ansteigende, romantisch zerklüftete Gebirge erscheint in der Dämmerung bedeutend höher, als es in Wirklichkeit ist; im Vordergrunde tauchen aus dichtem Suakgebüsch malerische Gruppen von Dumpalmen auf, während den Boden ein grüner Teppich von Had- und Sbith-Pflanzen bedeckt. Man athmet hier zuerst wieder eine reinere, vom Sudan her etwas angefeuchtete Luft und sieht statt des grauen staubigen Horizonts einen tiefblauen Himmel mit klar funkelnden Sternen über sich. Sobald sich die Sonne gesenkt hat, ertönt aus dem Gebüsch, hier von einer Akazie, dort von einer vielwipflichen Dumpalme, das zarte Gezwitscher der Vögel, die erst mit der Abendkühle zum Leben zu erwachen scheinen. Und auch wir lebten erst auf, nachdem die Sonne hinter den Sanddünen im Westen verschwunden war. Ein Teppich wurde aus dem Zelte geholt, die Theemaschine summte, zu dem Mahle von Brot und Fleischextract mit Linsen oder Erbsen gemischt lieferte ein Kaninchen oder eine Gazelle den Extrabraten. So schwelgten wir in lang entbehrten Genüssen und sanken erst spät dem Schlaf in die Arme.

Am 2. Juli nachmittags 4 Uhr aufbrechend, nahmen wir die Richtung von 160deg., worüber ich sowol wie der Marabut unsere Verwunderung äusserten, dieser, weil er von seinen frühern Reisen her sich erinnerte, die Tintümma immer in gerader Südrichtung durchschnitten zu haben, ich, weil auf meiner Karte ebendiese Richtung vorgezeichnet war. Kalli fand zwar auch, dass wir zu weit östlich gingen, er meinte jedoch, der alte Maina Jusko verdiene unbedingtes Vertrauen, da er schon zum sechzehnten male den Weg zwischen Kauar und Bornu zurücklege. Wir durchzogen eine hochgewellte Ebene, verloren gegen Abend die Berge von A'gadem aus dem Gesicht und lagerten um 10 Uhr.

Andern Tags ging es von 4 Uhr morgens an in der östlichen Richtung weiter. Nach Aussage der Leute hatten wir nun erst die eigentliche Tintümma vor uns; die Gegend unterschied sich indess nicht im geringsten weder durch Terrainformation noch durch Pflanzenwuchs von der, aus welcher wir eben herkamen. Als wir um 9 Uhr der Hitze wegen anhielten, da bekannte Jusko offen, dass wir uns verirrt hätten. Auf unser Andringen musste er sogleich das Pferd Kalli's besteigen und fortreiten, um weiter westlich nach dem Wege zu suchen. Von einem Wege kann man freilich in diesem nördlichen Theil der Tintümma kaum reden; nur Kamelunrath, Knochen gefallener Thiere, zerbrochene Gefässe u. s. w. bezeichnen die einzuschlagende Richtung auf dieser weiten Steppe, in der kein Berg, kein Baum sich als Merkmal darbietet. Da Jusko nach Verlauf mehrerer Stunden noch nicht zurück war, ritt ihm Kalli auf dem Pferde des Marabut nach. Beide kamen aber wieder, ohne den Weg gefunden zu haben, und es ergab sich nun evident, was ich übrigens schon verschiedentlich wahrgenommen hatte, dass der alte Jusko nicht mehr fähig war, durch so unwegsames Gebiet und nach so entferntem Ziele als Führer zu dienen. Wir berathschlagten, was zu thun sei. Ich erbot mich, die Karavane mit Hülfe des Kompass durch die Steppe zu leiten, überzeugt, das ein fortgesetzter mehr nach Westen statt nach Osten gerichteter Marsch uns nach Belkaschífari bringen müsste; allein niemand traute dem Instrument, und selbst meine Diener, besonders der Gatroner, verweigerten den Vormarsch. Es wurde also beschlossen, umzukehren und zu sehen, ob einer der in A'gadem jagenden Búlguda sich uns als Führer verdingen wolle. Noch denselben Tag wurden fünf Stunden rückwärts marschirt, und am folgenden Tage langten wir nach siebenstündigem Marsch wieder am Südbrunnen von A'gadem an.

Auf die Kunde von unserer Rückkehr erschienen die Búlguda im Lager. Sie brachten uns Fleisch von ihrer Jagdbeute als Gastgeschenk und legten es zu drei gleichen Theilen dem Marabut, Kalli und mir jedem vor sein Zelt. Da ich aber erklärte, bei so unrichtiger Vertheilung, Kalli und der Marabut waren nur je drei Mann, ich hingegen sieben Mann stark, das Geschenk nicht annehmen zu wollen, hoben sie die Portionen wieder auf und vertheilten nun das Ganze nach der Kopfzahl. Ausserdem kaufte ich von ihnen für 2 Marietheresienthaler 50 Pfund ausgezeichnetes getrocknetes Antilopenfleisch. Die Búlguda wie die Tebu überhaupt betreiben die Jagd mit abgerichteten Hunden von der Grösse unserer Spitze, röthlich braun und wahrscheinlich zur Windspielrasse gehörig, welche das Wild anfallen und festhalten, bis der herankommende Jäger es mit einem Spiesse tödtet. Vier solcher Hunde werden zum Erjagen einer Antilope gebraucht. Unsere Búlguda hatten deren zwölf bei sich. Wandernde Tebustämme führen oft eine grosse Menge Jagdhunde mit, woraus bei den Arabern die Sage entstanden ist, die Männer der Tebu-Frauen seien Hunde, die nur des Nachts Menschengestalt annehmen, bei Tage aber dem Wilde nachlaufen, um die Familie mit Fleisch zu versorgen.

Einer der Búlguda ging ohne langes Handeln auf unsern Antrag, gegen 5 Thaler Lohn die Karavane bis Belkaschífari zu führen, ein. Sein Kamel mietheten Kalli und der Marabut zum Transport von Wasser für ihre Pferde.

Schon seit mehrern Tagen war mir ein Wechsel in der Windrichtung aufgefallen; statt Ost-, Nordost- oder Südostwind herrschte jetzt Südwestwind vor, der abends gewöhnlich in reinen Süd- oder Westwind überging. So blieb es nun auch bis Bornu, ja sogar als ich später in der Region der tropischen Regen verweilte, fand ich den Südwestwind als herrschenden, während die Regenwolken aus Südost kamen, also, wie man zu sagen pflegt, gegen den Wind zogen. Barth nennt die Tintümma "eine ausgedehnte, leblose und schreckhafte Wüste", und auch Vogel spricht von der "Wüste" Tintümma. Hingegen wird in dem Denham'schen Reisewerke die Gegend nördlich von Belkaschifari mit den Haiden Englands verglichen, und ein so sorgfältiger Beobachter wie Nachtigal sagt "Den endlichen Uebergang zu fruchtbarem Regionen bildet die grosse Steppe Tintümma"[51]. In der That besitzt sie alle wesentlichen Merkmale einer Steppe; sie ist eine unabsehbar weite Ebene, hier mehr dort weniger gewellt, hier mehr dort weniger mit Gras und Kraut bewachsen, doch fast nirgends ganz ohne Vegetation: Als Bedeutung des Wortes Tintümma" gibt Nachtigal an: "Wer in ihr zurückbleibt (von der Karavane), sieht seine Mutter nicht wieder." Sprachlich liesse sich dies wol nur dann erklären, wenn man zugeben wollte, das Wort sei durch eine Zusammensetzung des Targischen und Arabischen gebildet. Im Targischen heisst nämlich "tin" Auge; im Arabischen "am" oder "um" Mutter, und "ma", ist ein arabisches Verneinungswort. Tin-um-ma würde danach heissen: "das Auge der Mutter nicht", was man dann allenfalls ergänzen könnte: du siehst deine Mutter nicht wieder (wenn du zurückbleibst).

Am 5. Juli machten wir uns, von dem neuen Führer geleitet, wieder auf den Weg und marschirten 41/2 Stunde ziemlich genau in derselben Richtung, aus der wir tags zuvor gekommen waren. Vom folgenden Morgen an aber ging es fast 8 Stunden lang mit geringen Abwechselungen gerade südwärts, worauf der Sonnenhitze halber unter einigen vereinzelt stehenden Tumtum-Bäumen gerastet wurde. Der Tumtum-Baum, von der Höhe unserer Kernobstbäume, hat an Stelle der Blätter lange grüne Dornen und soll geinessbare Beeren tragen; ich sah ihn aber in der Tintümma auch in Kanem häufig, sehr selten schon in Bornu. Der Boden unter den Bäumen war mit Kamelunrath, zerbrochenen Töpfen, vielen Gerippen und Hörnern von Antilopen bedeckt, hatte also offenbar schon öfter als Lagerplatz gedient. Als wir nachmittags 2 Uhr weiterzogen, schlug der Búlguda eine fast ganz südöstliche Richtung ein, in der er uns noch 6 Stunden fortmarschiren liess. Heerden von Antilopen und Gazellen, auch einige Strausse jagten flüchtigen Fusses über die grasbewachsene Steppe. Hier und da lag noch ein Sandsteinfels zu Tage; es war die letzte Steinbildung, der ich nach Süden zu begegnete, weiterhin bis an den Tschad-See hinunter fehlt jede Spur von Steinen.

Schon nachts um 2 Uhr setzten wir uns wieder in Marsch. Zu meinem Befremden wurde bald die südöstliche, bald die südwestliche Richtung verfolgt, bis wir um 9 Uhr vormittags in einer kesselförmigen Einsenkung, in der einige Tumtum-Bäume standen, halt machten. Jetzt erklärte unser Búlguda, diese Bäume seien ihm unbekannt, wir müssten den Weg verfehlt haben; er wolle sich sogleich mit seinem Kamel aufmachen, um den richtigen Weg, der nicht fern sein könne, zu suchen, und wenn er ihn gefunden, uns von hier abholen. Mir erschien es im höchsten Grade unwahrscheinlich, dass ein Mann, der auf seinen Jagdzügen die Steppe nach allen Richtungen durchstreifte, sich verirrt haben sollte; das ganze Benehmen des Búlguda bestärkte mich vielmehr in dem Verdacht, er habe uns absichtlich vom Wege abgelenkt, damit wir durch Wassermangel umkämen und dann die Karavane ihm und seinen Spiessgesellen als Beute in die Hände fiele. Daher widersetzte ich mich seiner Entfernung; wenigstens müsse er, sagte ich, sein Kamel als Pfand zurücklassen. Allein ich wurde überstimmt und man liess ihn davonreiten. In der sichern Erwartung, noch vor Abend Belkaschífari zu erreichen, hatten wir sehr geringen Wasservorrath mitgenommen; nur ein einziger Schlauch voll blieb uns, als der Tag zu Ende ging. Unsere Lage war somit in der That eine höchst gefährliche. Von A'gadem, hätten wir zum zweiten mal dahin umkehren wollen, trennte uns ein Weg von 28-30 Stunden, und führerlos ohne Wasser in der Irre umherzuziehen, hiess dem sichern Tode entgegengehen.

Die Nacht brach herein, aber der Búlguda kam nicht, wir mussten die Hoffnung auf seine Wiederkehr aufgeben und versuchen, ob wir nicht selbst den Weg entdecken könnten. Zu dem Zweck ritt Kalli zu Pferde, begleitet von seinem Diener auf einem Mehéri, in westlicher Richtung, der Gatroner mit Maina Jusko, beide auf Kamelen, in östlicher Richtung fort. Letztere kehrten jedoch nach kurzer Zeit unverrichteter Sache zurück. Morgens gegen 9 Uhr vertheilte ich an jeden eine Tasse Wasser; schon am Tage vorher hatten wir nichts mehr gegessen, um den Durst nicht zu vermehren. Ein Versuch, Wasser aus der Erde zu graben, blieb erfolglos; der Boden war zwar angefeuchtet, aber nur vom Regen; bis zu einer Wasserschicht hätte man mindestens 15-20 Fuss tief graben müssen. So kam der Mittag heran, die Hitze steigerte unsere Qualen. Ich rief alle Leute zusammen und theilte unser letztes Wasser aus, nachdem ich es stark mit Citronensäure versetzt hatte. Dem kleinen Neger Noel gab ich noch einen Theil von dem meinigen und that ihm auf seine Bitte etwas Mehl hinein. Rührend war es nur, dass die sonst so gefühllosen Mohammedaner darauf bestanden, auch Mursuk, der wie todt in meinem Zelte lag, müsse den letzten Trunk mit ihnen Theilen.

Noch schreckliche Stunden vergingen. Meine Eingeweide fingen an mich zu schmerzen, es war mir als träten die Augen weit aus dem Kopfe. Bei all dem war es ein Glück, dass wir uns in der südlichsten Zone der Sahara befanden, in gerader Richtung kaum mehr als 18 deutsche Meilen vom Tschad-See entfernt, denn die Luft enthält hier schon einige Grade Feuchtigkeit; zwischen Kauar und Fesan oder noch weiter nördlich wären wir unbedingt dem Durste erregen. Bereits an der Aussicht auf Hülfe verzweifelnd, sahen wir gegen Abend im Südost schwarze Wolken aufsteigen. Nach einem heftigen Donnerschlag fielen einzelne dicke Tropfen, dann strömte ein förmlicher Platzregen herab. Eiligst wurde, was nur an Töpfen, Tassen und sonstigen Gefässen vorhanden war, hingestellt und der vom Himmel kommende Segen darin aufgefangen. Wir schlürften am Boden liegend alle Pfützen aus, um die Wette mit den Kamelen, die sofort ihre Bande zerrissen hatten, um sich an dem kostbaren Nass zu laben. Nachdem wir uns satt getrunken, konnten noch zwei grosse Schläuche mit Wasser gefüllt werden. Merkwürdigerweise blieb der Regen auf die Niederung, in der wir lagerten, beschränkt, rings umher war kein Tropfen gefallen. Kurz vor Einbruch der Nacht traf ein Schuss von Westen her unser Ohr. Es war das Signal Kalli's. Nach wenigen Minuten kam er angesprengt, schon von weitem uns zurufend, er habe den Weg gefunden und bringe uns Wasser mit. Bald folgte sein Diener auf dem Mehéri, das mit vier Schläuchen voll Wasser beladen war. Sie waren, nachdem sie endlich den Weg entdeckt, bis zu dem Brunnen von Belkasehéfari geritten und deshalb so lange ausgeblieben. Die Spur des Búlguda hatten sie eine kurze Strecke verfolgt, dieselbe bog aber dann gleich direct nach Norden um; somit bestätigte sich mein Verdacht, dass er das Lager nur verliess, um nach A'gadem zurückzueilen und wahrscheinlich mit seinen Raubgenossen die Habe der unterdess verschmachteten Reisegesellschaft zu erbeuten. Man kann sich unsere Freude über die glückliche Rettung aus so entsetzlich drohender Todesgefahr vorstellen. Da es an Brennholz nicht fehlte, wurde ein tüchtiges Feuer angezündet und eine Portion Antilopenfleisch daran gekocht, mit der wir unsere hungerigen Magen befriedigten.

Am andern Morgen, den 9. Juli, um 6 Uhr brach die Karavane auf, und um 10 Uhr erreichten wir unter Kalli's Führung den nach Süden gehenden Weg. Die gewellte, krautreiche Gegend wird von Antilopen, Gazellen und Straussen in grosser Zahl durchstreift. Hoch in der Luft wiegte sich eine Art Aasgeier, von der Grösse des Königsadlers, also wenigstens dreimal so gross wie der gewöhnliche Aasgeier der Wüste. Auch eine Meute wilder oder verwilderter Hunde, deren es hier und in Kauar viele geben soll, jagte mit lautem Gebell vorüber. Von neu auftretenden Pflanzen bemerkte ich den Hadjilidj-Baum, das Kadschin bultu (Hyänenkraut), die Raie, eine Klette mit langen widerhakigen Stacheln, und Ertém, das im mittlern Theile der Wüste gar nicht vorkommt, von hier an nach Süden zu aber in Fülle wächst. Nach vierstündigem Marsch auf dem gut ausgetretenen Wege kamen wir nachmittags 2 Uhr bei dem Brunnen Belkaschífari an und lagerten in seiner Nähe. Wir priesen uns glücklich, nun die Sahara im Rücken zu haben, die sich am vorigen Tage noch in ihrer schrecklichsten Gestalt gezeigt, als wolle sie sich mit unverlöschlichen Zügen unserm Gedächtniss einprägen. Doch vermissten wir leider einen Mann aus der Karavane den Diener Kalli's, der ihn auf seiner Erkundigungsexpedition begleitet hatte. Es wurden zwei Leute, nach dem Verlorenen ausgeschickt, sie kehrten aber ohne ihn wieder.

Den folgenden Tag verbrachten wir noch bei dem Brunnen Belkaschífari, der 25 Fuss tief ist und von den Teba Beduaram genannt wird. Ein anderer Brunnen, Bela-Beduaram, 11/2 Stunden östlich von ihm, soll jetzt ausgetrocknet sein. Alle Stauden und Kräuter der Umgegend waren schwarz von kleinen Heuschrecken, die hier an der Südgrenze der Sahara ihre Kindheit verleben und, sobald sie ausgewachsen sind, ihre verheerenden Wanderzüge antreten. Ich verlangte jetzt von Maina Jusko die Hälfte des ihm gezahlten Führerlohns zurück, da er sich durchaus untauglich erwiesen und wir durch seine Schuld beinah ums Leben gekommen wären. Allein so sehr ich in meinem Rechte war, konnte ich doch nichts gegen ihn ausrichten, denn wohl wissend, dass ich ihn wegen der bewiesenen Unfähigkeit in Anspruch nehmen würde, hatte er das Geld in A'gadem vergraben.

[51]"Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde", VI, 137.


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