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XV. Empfang und Aufenthalt in Kuka.

Der Einzug. Gastgeschenke. Besuche. Erste Audienz bei Sultan Omar. Meine Geschenke. Das Christenhaus. Prinz Bu-Bekr. Empfang am Milud-Feste. Militärparade. Absendung eines Kuriers an den Sultan von Uadai. Ein Schreiben der englischen Regierung. Aufnahme eines Darlehns.

Obwol ich nicht der erste Europäer war, der die Hauptstadt Bornu besuchte, hatte doch die Kunde von meiner Ankunft eine grosse Menge Neugieriger vor das Thor gelockt, die den Christen, den Weissen mit den hellen Augen und dem blonden Haar, sich in der Nähe betrachten wollten. Die zu meinem Empfange bestimmte Ehren-Eskorte erwartete mich jedoch am Westhore, durch welches die Karavanen gewöhnlich in die Stadt einziehen, und dort hatte sich eine ebenso grosse Volksmenge versammelt. Meine Leute luden ihre Flinten mit dreifacher Ladung und liessen sie tüchtig knallen, sodass die Kukaer verwundert meinten, die Flinten der Christen knallen so stark wie Kanonen. Hauptgegenstand der Neugier bildeten aber natürlich ich und mein Hund. "Seht den Christen, seht seine Kleider, seine Schuhe (ich hatte europäische Halbstiefel an, war überhaupt europäisch gekleidet) - Er hat Augen wie eine Katze, der Ungläubige, der Heide - Wo mag er her sein? Ist er ein Engländer oder ein Deutscher? Und seht doch sein Thier, es soll eine Hyäne sein oder der Sohn einer Hyäne - Ob seine Diener auch Christen sind?" So schwirrte es in dem Haufen durcheinander. Dazwischen rief man mir auch von vielen Seiten ein Willkommen zu: "Sei gegrüsst in Bornu! - Gott Lob, dass du angekommen bist! - Ist es dir gut gegangen in der Wüste? - So Gott will, hast du keinen Durst gelitten! - Friede sei mit dir!" Jetzt kam ein Reiter, ein Beamter des Sultans, vom Westthore her angesprengt. Ich stieg von meinem Kamel und ging auf ihn zu oder wurde vielmehr von dem mich umdrängenden Volke zu ihm hingeschoben. Wir begrüssten uns auf Kanúri: "Lafla ndo tege afi l'abar hamd' ul Lahi"[52] (Friede! Wie ist deine Haut? Was gibt es Neues? Gott sei gelobt!). Hierauf erklärte er mir, er sei beauftragt, mich zu dem mir angewiesenen Hause zu geleiten.

Gefolgt von dem ganzen Volkshaufen, aus dem ich zwar noch öfter die Worte "Ungläubiger" und "Heide" vernahm, der mir aber keineswegs feindselig gesinnt zu sein schien, gingen wir durch mehrere Strassen und traten dann zunächst in das Haus eines gewissen Tittaui. Derselbe, ein Bruder des Chasnadár von Mursuk und das Factotum aller Europäer, die Kuka besuchen, nahm mich, wahrscheinlich als willkommene Beute, äusserst freundlich und zuvorkommend auf. Ich traf bei ihm einen Bekannten aus Mursuk, den reichen Tripolitaner Scherif Hascheschi, der einige Monate früher als ich von dort nach Bornu abgereist war. Beide begleiteten mich nach dem zu meiner Wohnung ausersehenen, nichts weniger als comfortable eingerichteten Hause. Auf meine Beschwerde entgegneten indess sowol Tittaui als der Beamte des Sultans, ein wohlbeleibter Neger mit verschmitzter Miene und einem zweistöckigen spitzen Strohhut auf dem Kopfe, der ihm fast das Aussehen eines Chinesen gab, ein anderes sei nicht verfügbar, ich dürfte überhaupt in Kuka keine Häuser wie in Tripolis oder Stambul erwarten. Da ich hierauf nichts weiter erwidern konnte, gebot ich meinen Dienern, das Gepäck herbeizuschaffen.

Das Haus enthielt zwei Zimmer, eins von 10 Fuss und eins von 6 Fuss im Geviert, die durch einen kleinen Hof verbunden waren. Letztern liess ich, um doch etwas mehr Wohnraum zu gewinnen, mit einem Mattendache überdecken. Für die Diener war eine Art Vorzimmer da, und hinter dem Hause befand sich ein geräumiger Hof, dessen Umfassungsmauern aber eingestürzt waren; an ihrer Stelle wurden auf Tittaui's Anordnung Wände von Matten errichtet und mittels Stangen befestigt. Ehe sich der Beamte entfernte, versicherte er wiederholt, der Sultan sei über meine Ankunft sehr erfreut, er biete mir ein herzliches Willkommen und werde es mir, als seinem Gaste, an nichts fehlen lassen; Tittaui insbesondere habe Befehl, alle meine Wünsche zu erfüllen. Ich fragte ihn noch, wann ich dem Sultan meine Aufwartung machen könne, und erhielt zur Antwort, ich möge nur erst ausruhen, der "Mai" (König oder Sultan) werde mich schon benachrichtigen, zu welcher Zeit er mich empfangen wolle.

Im Laufe des Tages überbrachten zuerst Diener Tittaui's das Gastgeschenk ihres Herrn: ein Schaf, ein Becken voll Reis und ungefähr 20 Pfund Butter; sodann schickte der Sultan eine Kamelladung Reis, eine Kamelladung Weizen (zu je 3 Centner), eine lederne Büchse voll Butter (circa 100 Pfund), zwei Töpfe Waldhonig, zwei Kürbisse, Gänseeier (von den wilden Gänsen des Tschad) und 30 Hühner. Der Grossvezier, in Bornu Dug-ma oder Dig-ma genannt, sandte mir eine Kuh, der Scherif Hascheschi ein Schaf, und auch von einzelnen Privatpersonen wurden mir Hühner und anderes Essbare ins Haus geschickt. Leider mussten alle diese Gastgeschenke honorirt, das heisst den Dienern, welche sie überbrachten, hohe Trinkgelder gezahlt werden. In Fesan beruht das Trinkgeldergeben wenigstens auf Gegenseitigkeit, hier in Kuka aber war davon keine Rede. Für die Geschenke, welche ich dem Sultan sowie den ersten Beamten und Vornehmen des Landes zuschickte, erhielten meine Diener nichts, während ich für jedes geschenkte Huhn, für jede Schüssel Reis eine fest normirte Trinkgeldsteuer zu entrichten hatte. Sicher wäre ich weit besser gefahren, wenn ich die Speisen für mein Geld hätte kaufen können.

Bald empfing ich auch Besuche von Kaufleuten aus Tripolis, Mursuk, Masser, Mekka, Kano und von andern vornehmen Weissen, die neugierig waren, den so lange vorher angekündigten Christen zu sehen, und sich überzeugen wollten, ob alles wahr sei, was man über ihn berichtet hatte. "Bist du wirklich in Fes gewesen? - Hast du Abd ul-Asis gesprochen? - Bist du Consul? - Ist es in der That jetzt gänzlich verboten, mit Sklaven zu handeln? - Schickt dich dein König hierher? Hast du wirklich einen Firman-ali? - Bist du wirklich in Tuat gewesen?" Diese und ähnliche Fragen hatte ich immer von neuem zu beantworten, denn bis zum Abend löste ein Besuch den andern ab. Als endlich das Haus leer wurde, brachten wieder Diener des Sultans sechs grosse Schüsseln voll Speisen, von denen jede für zehn Mann genügt hätte. Zugleich kam Tittaui, um mir mitzutheilen, dass der Sultan mich am folgenden Tage erwarte..

Durch einen starken Gewitterregen ward ich verhindert, mich am Vormittage zum Sultan zu begeben. Als nachmittags das Wetter sich aufklärte, holte mich Tittaui zu Pferde ab, auch für mich ein Pferd mitbringend, da das Residenzschloss fast eine Stunde von meiner Wohnung entfernt war. Ich hatte mir noch kein Pferd kaufen können, sondern musste damit bis zum nächsten Markte warten, der nur einmal in der Woche abgehalten wird.

Vor dem Schlosse angekommen, wurde ich zuerst dem Dug-ma, Namens Ibrahim, vorgestellt, der kein Wort arabisch versteht, und dann durch mehrere Vorhöfe nach einem überbauten, von zwei Höfen eingeschlossenen Platze geführt. Er war von Eunuchen, Hofleuten und Beamten angefüllt. Auch mehrere Söhne des Sultans befanden sich darunter, noch unerwachsen und deshalb in einfache blaue Toben, nicht so reich wie die Eunuchen gekleidet. Der Dug-ma hiess mich hier niedersetzen und warten, doch waren weder Teppiche noch Matten zu sehen. Kaum hatte er uns verlassen, so ergingen sich die Eunuchen im Verein mit den Beamten und den Kindern des Sultans in den albernsten und beleidigendsten Spötteleien: "Sind die Christen nicht Heiden? - Haben sie eine Idee von Gott? - Können sie lesen und schreiben? - Warum kommen die Hunde hierher? - Der Sultan sollte sie umbringen lassen, wie es der Sultan von Uadaï macht." Ich schwieg und that als verstände ich ihr Kanúri nicht, denn man hatte mir gesagt, dass nirgends die Eunuchen so angesehen sind wie am Hofe von Bornu. Obgleich der Sultan auf meinen Besuch vorbereitet war, musste ich über eine halbe Stunde in dem höchst unbehaglichen Raume verharren. Endlich kam der Dug-ma zurück und winkte uns, ihm zu folgen. Ich trug mit Ausnahme des Fes ganz europäische Kleidung: Hosen, Weste und Rock aus grauem Sommerzeug und Halbstiefel, während alle Reisende vor mir sich als Mohammedaner vermummt hatten, ohne dass sie sich indess die Demüthigungen, denen jeder Christ hier ausgesetzt ist, dadurch ersparen konnten. Ueber einen zweiten Hof gelangten wir, in eine Art grossen, durch Erdsäulen gestutzten Saal, und in einem Winkel desselben, auf einer mit Teppichen belegten Erhöhung sah ich den Sultan Omar sitzen. Diese erste Vorstellung hatte den Charakter einer Privataudienz und nur den Zweck, die Neugier des Sultans zu befriedigen. Bei officiellem Empfang, der immer des Morgens stattfindet, erscheint der Sultan inmitten des versammelten Rathes und von seinen Söhnen und nächsten Anverwandten umgeben. Ich begrüsste den Herrscher, und er hiess mich willkommen, indem er mit der Hand auf den Boden deutete, der aber ebenfalls nicht mit Teppichen öder Matten belegt war. Nachdem ich mich gesetzt oder vielmehr hingehockt hatte, begannen die gewöhnlichen Fragen nach der Gesundheit, wie ich das Reisen vertrage, u. s. w, die von mir in gleicher Weise erwidert wurden, wobei ich nicht unterliess, nach arabischem Sprachgebrauch - der Sultan versteht sehr gut Arabisch, und die ganze Unterredung wurde in arabischer Sprache geführt - hier und da einzufügen "Gott erhalte die Seele des Sultans! - Gott verlängere das Leben unsers gnädigen Herrn! - Gott gebe dem Sultan Segen und Frieden." Sodann aber frug er mich: "Wie befindet sich dein Sultan? Bringst du mir einen Brief von ihm? Ist es der, der über halb Deutschland im Norden regiert?" Und ich erwiderte "Mein Sultan[53] befindet sich sehr wohl. Da ich als Privatmann reise, konnte er mir keinen Brief für dich mitgeben, was er sicher gethan haben würde, wenn seine Regierung selbst mich zu der Reise abgesandt hätte!" - "Wie geht es Abd el-Kerim (Heinrich Barth)? Der war ein grosser Freund von mir, er war Engländer." - "Er ist leider todt, doch er war kein Engländer, sondern ein Deutscher wie ich." - "Nicht möglich; wir kannten ihn hier nur als Engländer. Wann ist er gestorben? Gott habe Erbarmen mit ihm!" - "Als ich in Mursuk war, brachte mir der Kurier noch einen Brief von ihm; mit dem nächsten Kurier aber erhielt ich durch meinen Bruder die Nachricht von seinem Tode. Das sind jetzt ungefähr acht Monate her." - "Hast du einen Brief vom Sultan von Stambul? Wie geht es Abd ul-Asis? Ist er in Frieden mit den Christen? Hat er keinen Krieg mit Musku (Russland)?" "Abd ul-Asis befindet sich ganz wohl. Ich habe einen Firman-ali von ihm. Mit den Christen, auch mit Musku, war er in Frieden, als ich Mursuk verliess." - "Wohin gedenkst du zu gehen? Willst du nach Uadaï, nach Bágirmi? Ich will dich sicher hinbringen lassen. Sei mir willkommen! Aber ehe die Regenzeit aufhört, kannst du nicht reisen. Es soll dir hier an nichts fehlen." - "Mein Wunsch ist, über Bágirmi nach Uadaï zu gehen, und ich erflehe den Segen Gottes auf dein Haupt, wenn du mich dahin geleiten lassen willst." - "Wir werden sehen. Sei nochmals willkommen! Alles, was du wünschest, soll geschehen." Mit diesen Worten und einer Handbewegung, wie sie ein Ludwig XIV. nicht königlicher hätte machen können, verabschiedete er mich. Ich stand auf, grüsste militärisch, indem ich den Fes aufbehielt, und verliess mit Tittaui den Saal, während der Dug-ma noch darin zurückblieb. Die Kleidung, welche der Sultan bei dieser Gelegenheit trug, war ganz die eines reichen tripolitaner Kaufmanns: schwarzer Tuchburnus, weissseidener Haik, Kaftan von rothem Tuche, weisser Turban; seine weiten Beinkleider konnte ich, da er mit untergeschlagenen Beinen sass, nicht sehen; die gelbledernen Pantoffeln standen vor ihm auf dem Boden. Daneben lag zu seiner Rechten ein Säbel in kostbarer silberner Scheide, ein Geschenk der Königin von England, das ihm von Vogel überbracht worden war, zur Linken ein Paar reich ausgelegte Pistolen. An der Wand hinter dem erhöhten Sitze hingen einige Bilder, neben dem Porträt des Sultans Abd ul-Asis zu Pferde auch ein gewöhnlicher Bilderbogen mit Soldaten. Der Saal hat keine Fenster, sondern erhält sein Licht ausser durch die Hauptthür durch eine kleinere hinter dem Sitze des Sultans und eine an der Decke befindliche Oeffnung; auch sonst entbehrt er jeden Zieraths. Matten und Teppiche fehlen wahrscheinlich deshalb, damit die Unterthanen, wenn sie vor dem Sultan erscheinen, ihr Gesicht in den Staub drücken und Sand auf ihr Haupt streuen können.

Aus dem Schlosse führte mich Tittaui zur Wohnung des Dug-ma. Obgleich wir wussten, dass er nicht anwesend war, musste der Etikette genügt werden, welche vorschreibt, dass man ihm zunächst nach dem Sultan die Aufwartung mache. Sodann stattete ich dem Anführer der Cavalerie und dem Befehlshaber der Infanterie meinen Besuch ab. Beide waren zu Hause und empfingen mich ohne viele Ceremonien. Ich fand in ihnen zwei Neger von grosser und fetter Statur, deren Anzug durchaus nichts Militärisches hatte, sodass sie eher wie wohlgenährte Thürsteher aussahen als wie Höchstkommandirende der bewaffneten Macht des Landes. Vor dem Hause des Generals der Infanterie standen 15 Kanonen verschiedenen Kalibers und 1 kleiner Mörser. Tittaui sagte mir, sie seien in Nuka selbst fabricirt, und in Anbetracht der unvollkommenen Hülfsmittel konnte ich dem Fabrikat, obgleich es natürlich mit unsern Geschützen neuer Construction keinen Vergleich aushält, meine Anerkennung nicht versagen. Schliesslich besuchte ich noch den Mallem (Schriftgelehrten, eigentlich Meister) Mohammed, einen sehr einflussreichen Mann, und ritt dann nach meinem Hause zurück.

Wie tags zuvor schickte mir der Sultan wieder eine Menge Speisen. Auch füllte sich der beschränkte Raum wieder mit lästigen Besuchern an. In der Nacht fiel ein starker Gewitterregen, und da das Haus, wie ich zu meinem Leidwesen bemerkte, keineswegs wasserdicht war, wurden meine Sachen, ja ich selbst arg durchnässt.

An einem der nächsten Tage kam eine Sklave zu mir, der sich Duncas nannte und in schlechtem Arabisch erzählte, mein Vetter Abd el-Uahed (Eduard Vogel) habe ihn als Knaben gekauft und bei seiner Abreise einem angesehenen Beamten Namens Alamino zur Verwahrung übergeben; er betrachte mich also als seinen Herrn, und ich möchte nicht unterlassen, ihn von Alamino zurückzufordern. Ich vermuthete jedoch gleich, dass er es nur auf eine Bettelei oder Gelderpressung abgesehen habe. Und. ich hatte mich nicht geirrt. Denn als ich später Alamino besuchte, sagte dieser zwar, es sei richtig, dass ihm der Sklave von Vogel übergeben worden sei, und er erkenne mein Besitzrecht an denselben an, Duncas selbst aber bezeigte durchaus keine Lust, mir als seinem Herrn zu folgen. Uebrigens würde ich ihn in keinem Fall genommen haben, denn ich mochte mir nicht einen so hoben und mächtigen Beamten wie Alamino zum Feinde machen.

Es war nun Zeit, dass ich dem Sultan meine Geschenke überreichte. Ihr Werth belief sich im ganzen auf ungefähr 180-200 Thaler, und Tittaui, dem ich sie vorher zeigte, hatte sie gut und würdig befunden. Das Hauptstück bildete der amerikanische Repetirstutzen, womit ich die zwei Flusspferde erlegt hatte. Dem Sultan war die Kunde von dem wunderbaren Schusse hinterbracht worden, und er wünschte das Gewehr zu sehen, das heisst zu besitzen; ich konnte also nicht umhin, es ihm anzubieten. Statt dessen behielt ich einen sehr schönen Revolver in Mahagonikästchen, der eigentlich für ihn bestimmt gewesen. Ich hoffte, das seltene Gewehr, das alle Waffen im Arsenal des Sultans verdunkelte, werde mir dessen volle Zufriedenheit eintragen. Das war indess nicht der Fall. Wie sehr ich auch immer betonen mochte, dass ich kein Gesandter des Königs von Preussen sei, sondern als einfacher Privatmann reise, schien er doch etwas ganz Besonderes von mir erwartet zu haben. Darum würdigte er die übrigen Geschenke: Burnusse, Seidenstoff, einige schön gearbeitete Messer, Zucker, Essenzen, Thee u. dgl., kaum eines Blicks, freilich alles Dinge, die er sich von Tripolis oder Kairo kommen lassen konnte und die ihm alljährlich von den Arabern und Berbern gebracht wurden. Selbst eine Sonnenuhr erregte nur in geringem Grade seine Aufmerksamkeit. Da kam ich auf den Einfall, ein etwas schadhaft gewordenes Aneroïd, das für mich nicht mehr ganz brauchbar war, hinzuzufügen, und nachdem ich ihm den Gebrauch desselben erklärt, hatte ich endlich den gewünschten Eindruck hervorgebracht. Er war stolz auf den Besitz eines Instruments, welches das Wetter vorher anzeigte. Wenn er nun morgens in der Rathsversammlung sah, dass die Nadel seines Aneroïd um einige Striche abwärts schwankte, prophezeite er mit wichtiger Miene für den Nachmittag Regen und Sturm, und da während der Regenzeit in Bornu fast jeden Nachmittag Gewitter losbrechen, traf seine Prophezeiung regelmässig ein.

Dem Dug-ma sandte ich Geschenke im Werthe von circa 60 Thalern, worunter ein grüner, mit Gold gestickter Tuchburnus das Kostbarste war. Auch Tittaui wurde mit Sachen von geringeren Werthe beschenkt, wobei ich ihm, wenn er mir in allem behilflich wäre, bei meiner Abreise das Dreifache zu geben versprach. Als Douceur für die mir überbrachten Speisen und Esswaaren verausgabte ich in den ersten zwei Tagen meines Aufenthalts in Kuka mehr als 18 Dutzend Taschentücher, 2 Dutzend Messer und ungefähr 5000 Nadeln. Sehr bald kam ich dahinter, dass Tittaui nicht nur seine Dienste sich möglichst theuer bezahlen liess, sondern obendrein die Kukaer gegen mich aufzureizen suchte, indem er ihnen heimlich sagte, ich sei gekommen, um dem Sklavenhandel entgegenzuwirken. Es galt daher, mich durch einen raschen Schritt von seiner Protectorschaft zu emancipiren.

Ich liess mich beim Dug-ma melden und ersuchte ihn in der bereitwillig gewährten Audienz, er möge das sogenannte Christenhaus (fato nssara be), das diesen Namen erhielt, weil es von Barth, Overweg und Beurmann und, wie ich glaube, auch von Denham, Clapperton und Dr. Oudney bewohnt worden war, auch mir zur Wohnung einräumen. Der Dug-ma wunderte sich zu hören, dass ich nicht darin wohnte, da seines Wissens der Mai eben dieses Haus für mich einzurichten befohlen hätte. Natürlich hatte ich nichts Eiligeres zu thun, als mit Sack und Pack aus meiner Wohnung nach dem Christenhause überzusiedeln. Eine Negerfamilie, die sich in letzterm jedenfalls ohne Wissen des Sultans eingenistet, wurde in die dazu gehörige Nebenhütte verwiesen, und ich nahm mit meinen Dienern das hinlänglich geräumige Hauptgebäude in Besitz. Von der Strasse trat man durch eine schwere aus dicken Baumästen und Dornen zusammengeflochtene Thür zuerst in ein Vor- oder Dienerzimmer, um dessen Wände rings eine tönerne Bank lief. Die Thür gegenüber führte auf einen weiten Hof. Hier breitete ein hochstämmiger Gummibaum, von Hunderten kleiner Webervögel bevölkert, seine dunkelgrünen fleischigen Blätter aus; sie dienten als Schutz und Regendach des aus Matten hergerichteten Stalles für die zwei Pferde, die ich mir als in Kuka unentbehrlich gekauft hatte. In einer auf der andern Seite dieses Hofes befindlichen Kammer wurde mein Reisegeräth, die Zelte, Stangen, Kamelsättel, Eimer, Schläuche u.s.w. aufbewahrt, und als Wächter wie Conservator der Sachen quartierte sich mein Diener Hammed Tandjaui darin ein. Wenn auf dem Marsche der alte Mohammed Gatroni die Hauptperson war, so stand bei kürzerm oder längerm Aufenthalt Hammed an der Spitze des Dienstpersonals; er hatte Sinn für Reinlichkeit, verstand zu waschen und zu bügeln, das Zelt oder Zimmer wohnlich herzurichten, und war, im Gegensatze zu dem mürrischen Gatroner, immer lustig und guter Dinge. Durch seine Rüstkammer kam man in einen kleinern mit Matten überdachten Hof, den Mittelpunkt des Hauses, denn auf ihn mündeten mein Schlaf- und Wohnzimmer nebst einem anstossenden Kabinet für die Waaren und sonstigen Werthgegenstände und noch drei Zimmer, von denen eins als Küche benutzt wurde, die andern beiden aber, weil sie in zu verfallenem Zustande waren, zu nichts verwandt werden konnten. Im Osten grenzte an das Haus ein grosser ummauerter Garten, in dem die vielen Thiere, die ich geschenkt bekam, Platz fanden. Man brachte mir nämlich nicht blos essbares Gethier, sondern auch Perlhühner, verschiedene Wasservögel, ein Ichneumon, Gazellen, Igel und sogar zwei Strausse. Letztere, bekanntlich zu den gefrässigsten Thieren zählend, umkreisten stundenlang mit Blitzesschnelle den ganzen Garten, denn nur durch fortwährende rasche Bewegung sind sie die Masse der herabgeschluckten Gegenstände zu verdauen im Stande. Kam ihnen aber bei diesen Schnellläufen etwa mein Hund Mursuk in den Weg, so versetzten sie ihm einen so derben Schlag mit der Klaue, dass er sich winselnd zurückziehen musste.

Absichtlich hatte ich Tittaui, weil ich seine Intriguen fürchtete, von dero Umzuge nicht in Kenntniss gesetzt. Er war daher, wie man sich denken kann, höchlichst erstaunt, als er meine bisherige Wohnung leer fand und, zum Christenhause eilend, von dessen Dache bereits meine bremer Flagge lustig flattern sah. Den Aerger, dass ich dem Netze seiner Habgier entschlüpft war, suchte er unter dem heuchlerischen Bedauern zu verbergen, ich würde nun ohne Schutz und Sicherheit sein, worauf ich jedoch erwiderte, in der Hauptstadt des Schichs Omar glaubte ich einen besondern Schutz nicht nöthig zu haben.

Der Schmuz in den vom Regen aufgeweichten Strassen machte es mir mehrere Tage unmöglich, aus dem Hause zu gehen, schützte mich aber nicht vor den Besuchen von Neugierigen und Bettlern. Als die Wege wieder einigermassen passirbar geworden, machte ich dem ältesten Sohne des Sultans, Bu-Bekr, meinen Besuch. Zwar verwundert, dass ich allein zu ihm käme, d. h. ohne Begleitung Tittaui's, welcher den gesammten Verkehr christlicher und arabischer Besucher mit dem Hofe von Kuka vermittelt, empfing mich doch der Prinz und muthmassliche Thronfolger recht zuvorkommend, und die Geschenke, die ich vor ihm ausbreitete, ein blauer mit Gold gestickter Tuchburnus, ein Turban, eine Harmonica, ein Rasirmesser, ein Dolch, mehrere Hüte Zucker, Essenzen u. dgl., stimmten ihn augenscheinlich immer freundlicher. Es fiel mir auf, dass er kein Wort Arabisch sprach, während ich ihn bei spätern Zusammenkünften das Arabische, wenn auch nicht sehr geläufig, reden hörte. Noch mehr verwundert als der Prinz war Tittaui selbst darüber, dass ein Christ es gewagt, ohne ihn eine zum Hofe gehörige Person zu besuchen. Zugleich gab ich ihm ein weiteres Zeichen meiner Unabhängigkeit, indem ich mir nicht durch ihn, sondern durch den ersten Diener des Dug-ma ein Pferd kaufen liess.

Am Milud-Feste musste ich der Sitte gemäss vor dem Sultan erscheinen. Da aber den ersten Tag die Menge der Gratulanten zu gross war, begab ich mich erst am zweiten Festtage ins Schloss. Ich hatte die Ehre sofort vorgelassen zu werden, ungeachtet wieder in den Höfen und Galerien viele Hunderte des Augenblicks harrten, wo sie sich vor ihrem Herrscher würden in den Staub werfen und ihr Haupt mit Sand bestreuen können. Diesmal waren in dem grossen Empfangssaal die Wände und die das Gebälk tragenden Erdsäulen mit buntem Kattun behangen, den erhöhten Sitz des Sultans schmückte ein kostbarer weisser Teppich, und die Wand dahinter war bis auf Mannshöhe durch schwarzes mit rother Seide und durch rothes mit gelber Seide und an den Rändern mit Goldarabesken gesticktes Tuch verkleidet Das Ganze machte einen recht guten Effect. Der Sultan trug reiche Kleider von Tuch und Seide, seinen Thron aber bildete ein plumper westfälischer Bauernschemel, über dessen Strohsitz ein rothseidenes Kissen lag. Wie dieses seltsame Möbel dahin gekommen sein mochte, war mir unerklärlich, und ich nahm mir vor, bei nächster Gelegenheit mich darüber belehren zu lassen. Nach Beendigung der kurzen Einpfangsceremonie zeigte mir der Sultan seine Revolver, fünf an der Zahl, alle neuesten Fabrikats und mit doppelten Springfedern; vermuthlich waren die von Beurmann darunter. Beim Abschiede sagte er, ich möge nicht versäumen, seine Gärten zu besichtigen.

Vor dem Schlosse waren die Soldaten in Parade aufgestellt. Sie hatten ein Quarré von etwa 100 Mann auf jeder Seite formirt; innerhalb desselben stand der Höchstcommandirende, angethan mit zwei goldgestickten Tuchburnussen und mehrern weissen und blauen Toben. An den Aussenfronten liefen die Hauptleute hin und her; auf ein Zeichen des Befehlshabers commandirten sie jetzt. "Has-dur!" (türkisch, Das Gewehr über), dann "Isalam-dur!" (Präsentirt das Gewehr), welche Griffe in sehr wenig exacter Weise ausgeführt wurden. Sechs Fahnenträger mit zwei weissen, zwei rothen und zwei grünen Fahnen von Seide standen in der Mitte der dem Schlosse zugekehrten Front. Die Kleidung der Soldaten bot eine wahre Musterkarte der buntesten Verschiedenheit dar. Einen langen Tuchkaftan trugen zwar fast alle, aber er war bei dem einen blau, bei dem andern grün, beim dritten gelb; einige hatten Westen darunter, andere Toben, einige enge Hosen von Tuch, andere weite von Kattun, noch andere gar keine; als Kopfbedeckung hatte der eine den rothen Fes, der andre den Turban, der dritte eine weisse Mütze, während die Mehrzahl barhäuptig war. Ihre Gewehre, durchgängig mit Bajonnet versehen, waren zum Theil ausgediente französische und deutsche Steinschlossgewehre, zum Theil alte arabische. Obwol die Anführer und der Höchstcommandirende, wie Böcke umherspringend, sich bemühten, die Leute in Ordnung zu halten, herrschte doch die lächerlichste Confusion, und als gar eine Art Tanz begann, indem die Mannschaften der einen Front, in ihrem langen Tuchkaftan, den Oberkörper taktmässig verneigend, mit gefälltem Gewehr langsam auf die der gegenüberstehenden zuhüpften, da fürchtete ich, das Lachen nicht länger unterdrücken zu können, und entfernte, mich eiligst. Dem Adjutanten des Generals, der mir als Erklärer zur Seite gewesen, hatte ich gesagt, ich fände alles ganz wie bei den Türken: ein Urtheil, das ihm aus dem Munde eines Rumi und Christenhundes, also eines Kenners in militärischen Dingen, äusserst schmeichelhaft erschien; er theilte es sogleich seinem Chef mit, und dieser wird sicher nicht verfehlt haben, dem Sultan das seinen Truppen zutheil gewordene Lob zu hinterbringen.

Der vorm Ostthore gelegene königliche Garten, den ich zunächst besuchte, ist klein und unansehnlich. Etwas grösser und besser gehalten ist der in der Stadt selbst; in letzterm stehen einige vom Norden her eingeführte Citronen-, Feigen- und Granatapfelbäume, die einzigen, die ich in Bornu sah. Jeder der Gärtner steht unter der Aufsicht eines Eunuchen, der über eine Menge Sklaven und Arbeiter gebietet.

Obwol der Sultan, seit ich ihm meine Geschenke überreicht, freundlich gegen mich war, hatte er mir doch das übliche Gegengeschenk, ein Pferd, noch nicht zukommen lassen, und ich merkte, dass die Kognaua oder, wie Barth übersetzt, Hofräthe, deren Würde in den reichen Familien erblich ist, doch von dem jedesmaligen Sultan bestätigt werden muss, diese Säumniss als Ungnade auslegten und infolge dessen anfingen mir mit Missachtung zu begegnen. Und wie am Hofe raunte man sich, nach den Berichten meiner Diener, auch in der Stadt einander zu: der Sultan begünstigt den Christen nicht mehr, er wird ihn wol aus dem Lande jagen oder vielleicht tödten. Ich benutzte deshalb die Audienz am Milud-Feste, um die Angelegenheit in geziemender Weise zur Sprache zu bringen. Sultan Omar entschuldigte sich sehr und versicherte, er habe nur aus dem Grunde so lange gezögert, weil er mir ein recht passendes Pferd schenken wolle; falls sich aber binnen drei Tagen kein solches fände, würde ich eins seiner eigenen Reitpferde erhalten. Schon am Abend des folgenden Tages führte mir der Oberste der Eunuchen einen prächtigen Araberhengst, einen Schimmel, aus dem Marstall des Sultans zu. Nun kamen alle die Höflinge und Schmarotzer, um mir mit heuchlerischer Miene ihre Glückwünsche zu dem kostbaren Geschenk darzubringen, im Herzen aber mochten sie denken. O, ein Christ besteigt des Sultans Pferd! Was sagt dazu unser gnädiger Herr Mohammed im Paradiese, Gruss und Friede über ihn, und Fluch über alle Christen!

Nicht ganz blieb ich von den gefährlichen Krankheiten verschont, denen namentlich die Weissen zur Regenzeit (níngeri) hier ausgesetzt sind, und nur grosse Dosen Opium und Chinin konnten dem Durchfall und Fieber, womit der gewöhnliche Sumpftyphus beginnt, Einhalt thun. Da die Wände meiner Wohnung aus blosser Thonerde bestanden, sogen sie wie ein Schwamm die Nässe ein, und bei starken Regengüssen gewährte das platte Dach auch von oben keinen genügenden Schutz. Während in der Wüste der Psychrometer mittags 35-40deg. (Unterschied zwischen nasser und trockener Kugel), selbst morgens fast nie unter 20deg. hatte, zeigte er hier mittags an heitern Tagen nie mehr als 15deg., morgens aber meist 0deg.. Der rasche Uebergang aus so trockener in so feuchte Luft muss natürlich angreifend auf den Körper wirken, um so mehr, als die Hitze, weil der grosse Feuchtigkeitsgehalt der Luft die Ausdünstung des Körpers verhindert, hier viel lästiger ist wie in der Wüste. Indess waren die Regen, je näher das Ende der Regenzeit heranrückte, wenn auch noch reichlich, doch weniger von Gewittern begleitet als zu Anfang und in der Mitte derselben, wo fast kein Regenschauer ohne Gewitter kommt und oft tagelang der ganze Horizont in Feuer und Flammen zu stehen scheint. Früher schon habe ich bemerkt, dass die Gewitter selten vormittags, meist nachmittags und in der Nacht sich entladen. Solange die Regen dauerten, war aber an Excursionen ausserhalb der Stadt nicht zu denken, musste man doch in der Stadt selbst weite Umwege machen, um die oft mehr als 3 Fuss tiefen Wasserlachen zu umgehen, ja der Verkehr mit der Hauptstrasse im Westort blieb von Anfang August an ganz unterbrochen wegen zwei breiter und tiefer Lachen, die selbst für Pferde schwer passirbar waren. Während der Zeit beschäftigte ich mich mit Schreiben von Briefen und Berichten in die Heimat, um sie der grossen Sklavenkaravane mitzugeben, die sich zur Reise nach dem Norden rüstete. Ueber 4000 Sklaven sollten den Schrecken der Wüste, Hunger, Durst, Ermattung und Hitze entgegengehen und, wenn sie denselben nicht erlagen, in fernen Ländern ihr Dasein mit harter Dienstbarkeit hinbringen, ohne Aussicht, je ihr Geburtsland wieder zu sehen. Eine so grosse Karavane, im ganzen aus mehr als 6000 Menschen nebst der nöthigen Zahl von Lastthieren bestehend, konnte natürlich nicht an Einem Tage abmarschiren, es dauerte fast funfzehn Tage, bis sämmtliche Abtheilungen Kuka verlassen hatten.

Sultan Omar hatte mir in öffentlicher Audienz versprochen, ein Schreiben von mir an den Sultan von Uadaï durch einen Kurier befördern zu lassen, und in meiner Gegenwart einen Kogna Namens Hammed ben Ibrahim, dessen Vater aus Uadaï gebürtig war und in den Diensten des Schich el Kanemi el Kebir, des Vaters des jetzigen Sultans von Bornu, sich emporgeschwungen hatte, mit der Abfertigung des Kuriers beauftragt. Er hatte noch hinzugefügt: "Ich werde dein Gesuch durch einen Brief von meiner Hand unterstützen, die ich dir bis l'asser (ungefähr 4 Uhr nachmittags) senden werde; nachdem du ihn gelesen, siegele ihn zu und bringe ihn mit dem deinigen zu Hammed ben Ibrahim." Darauf ging ich nach Haus und schrieb meinen Brief an den Sultan von Uadaï. Ich ersuchte ihn darin, er möge erlauben, dass ich seine Hauptstadt Uara betrete, und mir im Namen Gottes und seines Gesandten Sicherheit (aman) für meine Person zusagen; falls er aber nicht geneigt sei, meinem Gesuch zu willfahren, möchte er mir die Papiere, Bücher und Effecten Abd el Uahed's (Eduard Vogel's) sowie diejenigen Ibrahim Bei's (M. v. Beurmann's), die, wie ich erfahren hätte, in seiner Verwahrung seien, mit dem zurückgehenden Kurier zukommen lassen. Gegen Abend begab ich mich, obgleich Sultan Omar seinen Brief noch nicht geschickt hatte, zu Hammed ben Ibrahim. Er war derselbe, dessen Barth als eines Friedensboten des Sultans von Uadaï erwähnt. Der Herr Hofrath empfing mich äusserst höflich und eröffnete mir im Laufe des Gesprächs, ich hätte ein Pferd für den Kurier zu kaufen sowie den Botenlohn zu bezahlen, zugleich mit der Frage herausrückend, wieviel ich zu geben gesonnen sei; Tittaui habe ihm gesagt, ich würde, was den Geldpunkt betrifft, keine Schwierigkeiten machen. Ich antwortete ausreichend, ritt aber sogleich zum Dug-ma, der inzwischen, da ich ihn ärztlich behandelte, mein warmer Freund und Beschützer geworden war. Diesem stellte ich vor, der Sultan habe doch dem Kogna Ibrahim befohlen, in seinem Namen den Kurier abzufertigen; es sei ja auch wider alle Sitte, dass der Sultan einen eigenen Brief durch den Boten eines Untergebenen oder Fremden überbringen lasse, und in Uadaï würde dies gewiss einen schlechten Eindruck machen u. s. w. Nachdem mich der Dug-ma ruhig angehört, sagte er, ich möge unbesorgt sein, er werde selbst mit dem Sultan reden und sei überzeugt, dass sich die Sache zu meiner Zufriedenheit ausgleichen werde. Andern Tags wurde mir der Brief des Sultans behändigt, und als ich ihn Hammed ben Ibrahim übergab, erwähnte derselbe nichts mehr von dem Pferde und dem Botenlohn für den Kurier. Nur äusserte er den Wunsch, irgendetwas Besonderes aus meinem Vaterlande zu sehen, worauf ich erwiderte, sobald ein Antwortschreiben des Sultans von Uadaï eintreffe, gleichviel ob günstigen oder abschlägigen Bescheid enthaltend, könne er auf ein hübsches Geschenk von mir rechnen. Mit diesem Versprechen für die Zukunft begnügte er sich indess nicht; er meinte, es würde kein Segen bei der Sache sein, wenn ich ihm nicht vorher etwas schenkte. Da war allerdings nicht länger zu widerstehen; ich sandte ihm denn ein Goldstück (die Goldmünzen werden hier durchbohrt und von den Favoritinnen an einer Schnur um den Hals getragen), einen tuneser Fes, ein Stück leichten Kattun, ein Fläschchen Rosenöl und ein Messer, zusammen etwa 12 Thaler an Werth.

Einige Tage nach dem Abgange des Kuriers wohnte ich der öffentlichen Audienz bei, welche der Sultan fast jeden Morgen abzuhalten pflegt. Als ich wie gewöhnlich dem Sultan gegenüber Platz genommen, liess sich derselbe ein Schreiben bringen, das die englische Regierung aus Anlass der beendigten Barth'schen Expedition an ihn gerichtet hatte, das er aber, da keine arabische Uebersetzung beigegeben war, nicht lesen konnte, und bat mich, es arabisch vorzulegen. Ich überflog den Inhalt und las dann, in möglichst wortgetreuer Wiedergabe, mit lauter Stimme. Unter den Zuhörern befanden sich viele arabische und berberische Kaufleute aus Mekka, Masser, Tripolis, Tunis, Haussa u. s. w. Deshalb betonte ich namentlich die Stelle, in der es hiess, der Sultan möge auch künftig nicht fremden Einflüsterungen Gehör schenken, sondern stets seinen eigenen Intentionen folgen. Die Mahnung bezog sich darauf, dass man Barth hatte in Bornu zurückhalten wollen. Hier unterbrach mich der Sultan und sagte wörtlich: "Das war nie meine Absicht; ich habe Abd el-Kerim nur gerathen, der ausgebrochenen Kriege und Unruhen wegen noch eine Zeit lang hier zu bleiben; ich folge keinem Antrieb anderer, sondern nur meinem Kompass, denn wenn ich thäte was die andern wollen, dann würde Bornu morgen nicht mehr bestehen." Es folgte nun in dem Briefe die Aufzählung der Geschenke, welche ihm die Königin Victoria als Anerkennung für seine freundliche Aufnahme der europäischen Reisenden Richardson, Vogel, Barth und Overweg übersandte. Nachdem ich sie verlesen, richtete er die Frage an mich: "Wird dein Sultan meine Freigebigkeit gegen Ibrahim Bei (v. Beurmann) ebenso vergelten?" und ich stand nicht an, die Frage mit Ja zu beantworten. Mehrmals schon hatte er mir nämlich zu verstehen gegeben, ich möchte doch über sein gutes Benehmen gegen Beurmam an den König von Preussen schreiben und hinzufügen, dass er sich einen Wagen, eine Schlaguhr und einen Thronsessel zum Geschenk wünsche. Da nun in der That Beurmann die gastfreundlichste Aufnahme in Kuka gefunden, ausserdem mit zwei Pferden, mit Kamelen, mit 100 Toben, jede im Werthe von 4 Thalern und sogar mit 100 Thaler in baarem Gelde beschenkt worden war, schien es mir im Interesse aller spätern europäischen Reisenden geboten, dass ich an die preussische Gesandtschaft in Konstantinopel darüber berichtete und ihr dabei von den Wünschen des Sultans Kenntniss gab.

Bei einer andern Audienz legte mir Sultan Omar seine zerbrochenen Uhren vor und bat mich, sie wieder ganz zu machen, in der Meinung, jeder Christ verstehe sich selbst auf die Anfertigung aller Erzeugnisse, die aus den Christenländern nach Afrika kommen; ich bedauerte, seinem Wunsche nicht entsprechen zu können. Ferner zeigte er mir ein Fernglas, in dessen Futteral die Etikette "Schmidt-Halle" klebte, angeblich ein Geschenk Beurmann's, eine Bussole von ausgezeichneten Arbeit und ein astronomisches Teleskop, das im Besitze Vogel's gewesen war.

Unterdessen fingen meine Geldmittel an auf die Neige zu gehen. Der Haushalt nebst dem baaren Lohn für die Diener und Arbeiter, der Ankauf eines Pferdes und der Geschirre für zwei, das Honorar an die Sprachlehrer, besonders aber die Trinkgelder und Geschenke nahmen meine Kasse weit mehr, als ich berechnet hatte, in Anspruch. Auch in der Erwartung, einen Theil meiner Waaren in Kuka vortheilhaft zu verkaufen, sah ich mich getäuscht; vieles ursprünglich zum Verkauf Bestimmte war als Geschenk in die Hände der unersättlichen Höflinge gewandert, und für das übrige: Spiegel, Nadeln, Messer, Ringe, gelang es mir nicht die rechten Käufer zu finden. Eine Anzahl Burnusse, die zwei Revolver in Mahagonikästchen, die ich noch besass, und anderes der Art musste zu Geschenken an Negerfürsten, deren Söhne, Brüder, Mütter, Onkel, Minister und Hofgesinde aufbewahrt bleiben. An baarem Gelde hatte ich zwar noch eine kleine Reserve in Gold, allein dieses letzten Nothpfennigs durfte ich mich nicht entäussern, da ich nicht wissen konnte, welches der Endpunkt meiner Reise sein würde, und ob ich nicht mit meinen Dienern in einem Hafenort würde verweilen müssen; zudem hätte man hier die Goldmünzen kaum zum halben Werthe genommen. Unter diesen Umständen war ich genöthigt, mir von einem Kaufmann 200 Thaler zu leihen und für fünf Monate 100 Procent Zinsen zu bewilligen, d. h. einen Schuldschein über 400 Thaler auszustellen. Der Darleiher hiess Mohammed Sfari; er war mit Barth aus dem Sudan nach Bornu gekommen und betrieb hier als Geschäftsführer des ehemaligen englischen Consuls Gagliuffi einen schwunghaften Sklavenhandel, namentlich mit jungen Pullo-Mädchen, die er für 50 bis 60 Thaler pro Kopf verkaufte. Mit der nächsten Gofla sandte ich dann Schreiben an den Senat von Bremen und an die Londoner Geographische Gesellschaft, in denen ich um weitere Reiseunterstützung ersuchte, und schrieb zugleich an Dr. Petermann, falls von diesen Seiten auf keine Subvention mehr zu rechnen wäre, möge er mit dem Honorar für meine im Druck befindlichen Tagebücher die Anleihe zurückerstatten. Ich füge hier gleich hinzu, dass sowol der bremer Senat als auch die Londoner Geographische Gesellschaft bereitwilligst auf mein Gesuch eingingen, und dass ausserdem der König Wilhelm von Preussen, ohne dass ich selbst darum nachgesucht, aus reinem Interesse an dieser Forschungsreise eines Norddeutschen, mir auf zwei Jahre je 800 Thaler aus seiner Privatchatoulle huldvollst gewährte. Meine Schuld an Mohammed Siari wurde später durch den Consul Rorri in Tripolis zu Händen des Herrn Gagliuffi ausbezahlt.

[52]Ein anderer sehr gebräuchlicher Gruss ist "Usse-usse", Willkommen; der Niedere begrüsst den Höhern mit: "Allah kábondjo", oder "Ngúbbero degá", was ungefähr dem Arabischen "Allah ithol amrek", Gott verlängere dein Leben, gleichkommt.

[53]So verbreitet die bremer Flagge auf allen Meeren und so bekannt der Name Hanseaten bei den handeltreibeoden Völkern ist: im Innern Afrikas weiss man begreiflicherweise nichts von einem Staate Bremen. Deshalb nannte ich dort immer Preussen als mein Heimatland. Der arabische oder türkische Schriftausdruck für "Preussen": Prussia, oder Nemsa (Deutschland, eigentlich aber Oesterreich), ist übrigens den Centralafrikanern gleichfalls unbekannt. Von meinen Vorgängern reiste Beurmann als Deutscher, Barth als Engländer, Vogel wie Overweg abwechselnd als Deutscher oder als Engländer.


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